Geheimakte X-ACT - Eine neue Identität für SciGraph

Ganz im stillen Kämmerlein und ohne spektakuläre Vorankündigungen überrascht uns SciLab mit einer gründlich überarbeiteten und stark erweiterten Version ihres Präsentationsgrafik-Klassikers ‘SciGraph’ namens ‘X-ACT’. Danken möchte ich der Hamburger Software-Schmiede dafür, daß sie sich nicht dem aktuellen Trend angeschlossen hat, ihrem Zögling einfach das Attribut ‘Professional’ zu verpassen. Zwar hätte X-ACT dieses Anhängsel durchaus verdient, jedoch mußte der Name - wenn man gewissen Gerüchten Glauben schenkt - aus rechtlichen Gründen geändert werden. Hat sich da doch ein ‘Großer’ der Branche auf den Fuß getreten gefühlt, weil eines seiner Programme auf einen ähnlichen Namen hört...

X-ACT 3.0 ist als Upgrade für alle Nutzer von SciGraph erhältlich und wird mit neuem Handbuch und Schuber ausgeliefert. Im Unterschied zu einem normalen Update handelt es sich hierbei zwar auch um eine neue Programm-Version; jedoch sind hier nicht nur ‘Bugs’ der alten Version beseitigt worden. Viele Wünsche und Anregungen von SciGraph-Anwendern wurden in X-ACT verwirk licht und führten zur Umsetzung einer Fülle neuer Funktionen und Verbesserungen. Dadurch, daß die grundsätzliche Arbeitsweise beibehalten wurde, werden sich geübte ‘SciGrafiker’ auf Anhieb in X-ACT zurechtfinden. Im folgenden möchte mich darauf beschränken, generell nur die gegenüber SciGraph neu hinzugekommenen Features zu beschreiben.

Alles, was ein Chart braucht...

Bereits beim Laden einer Grafik fällt auf, daß auch die Dateiauswahlbox aufgewertet wurde: über die Checkbox ‘Voransicht zeigen’ läßt sich bestimmen, ob beim Anwählen einer Grafikdatei diese in stark verkleinerter Form (natürlich farbig!) vor dem eigentlichen Laden angezeigt wird. Und auch die Tastenakrobaten unter uns kommen voll auf ihre Kosten, denn die Dateiauswahlbox ist komplett über die Tastatur bedienbar. Sowohl die Auswahl der angezeigten Dateiformate als auch die Auswahl der zu ladenden Datei kann komfortabel über die Tastatur bestimmt werden. Ferner werden von jeder angewählten Datei automatisch Name und Datum angezeigt.

Der Tabelleneditor

Beim Datenimport in die Tabellen zeigt sich X-ACT von seiner Schokoladenseite: es können diverse Formate (auch vom PC) importiert werden, darunter z.B. (LDW-)Druckdateien, Comma Separated Values, Lotus (Symphony) und viele mehr. Auch sehr große Datenmengen sind importierbar: Wahlweise können Daten zusammengefaßt werden, indem z.B. der Mittelwert von 10 Zahlen gebildet und/ oder nur jede 10. Zahl in die Tabelle geschrieben wird. In das Tabellenfenster sind drei neue Eingabe-Zeilen aufgenommen worden: erster und zweiter Titel sowie Untertitel. Editierbar werden diese Zeilen durch einen Doppelklick. Die eingetragenen Texte werden mit der Tabelle zusammen abgespeichert und ermöglichen so eine Kurzbeschreibung der in der Tabelle enthaltenen Daten. Titel und Untertitel werden selbstverständlich auf Wunsch in die Grafik übernommen. Über den Menüpunkt ‘Legende erzeugen’ läßt sich nun die Legendenspalte blitzschnell mit einem beliebigen Zahlenbereich oder Monatsnamen auffüllen. Das nenne ich Komfort! Außerdem lassen sich Zahlen und auch Texte einer Tabelle zeilenweise auf- oder absteigend sortieren.

X-ACTs Pull-Down-Menüs

X-ACT in der Wissenschaft

Wissenschaftler haben für publikationsreife Abbildungen und Dias spezifische Anforderungen. Häufig müssen importierte Daten rechnerisch verändert und statistische Kennwerte errechnet werden. Auf Wunsch gibt X-ACT 17 deskriptive statistische Kennwerte von selektierten y-Spalten als neu berechnete Tabelle aus, z.B. Summen, Mittelwerte, Median, Standardabweichung, Vertrauensintervalle usw. Zur Histogrammdarstellung lassen sich die Daten in Klassen einteilen.

X-ACT kann aus den Zahlen vorhandener Spalten mit frei definierbaren Formeln neue Spalten berechnen. Um die neuen Rechenfunktionen zu erreichen, setzt man den Cursor in eine Spalte und definiert im Dialog ‘Formel eingeben’ die gewünschte Formel. Mit ‘Berechnen’ im Formel Dialog werden die nach der Formel errechneten Werte in dieser Spalte eingetragen. Verläßt man die Dialogbox hingegen mit ‘Ok’ also ohne zu berechnen, wurde der Spalte nur eine Formel zugeordnet, die Werte aber noch nicht errechnet. So können mehreren Spalten Formeln zugeordnet werden, um dann später per Mausklick diese Spalten neu zu berechnen. Das bedeutet auch: Falls man die Ursprungszahlen ändert, reicht ein Klick auf ‘Neuberechnen’, um die gesamte Tabelle aufzufrischen.

Ein weiteres Bonbon: X-ACT erlaubt unterschiedlich skalierbare Achsen innerhalb eines Diagramms. Nach Selektion einer Spalte im Tabelleneditor läßt sich diese einer linken oder rechten x- bzw. y-Achse zuordnen. Im Extremfall können so bis zu vier unabhängig skalierbare Achsen in einem Diagramm gezeichnet werden! Bei den meisten 3D-Darstellungen stehen bis zu zwei unabhängige y-Achsen zur Verfügung.

Mit X-ACT ist nun auch Batch-Betrieb möglich. Über eine Kommandozeile kann jedes externe Programm X-ACT starten und diesem eine Tabelle übergeben, aus der dann automatisch ein Diagramm berechnet wird. Danach wird dieses ausgedruckt oder als Datei gespeichert und die Kontrolle über den Rechner wieder an das externe Programm übergeben. Ein Anwendungsbereich für diese Funktion wäre z.B. die automatische Generierung von Grafiken aus Datenbanken, Meßwerterfassungsprogrammen in der Wissenschaft usw.!

Der Achsendialog

Nach wie vor werden die Diagramme über die Länge der Achsen skaliert. Der Achsendialog von X-ACT bietet jedoch diverse neue Optionen. Neben einer Verbesserung der Achsautomatik sind nun auch die Raster- und Schrifteinstellungen für jede Achse getrennt einstellbar. Bei logarithmischer Achsbeschriftung ist die Basis (10, e oder 2) einstellbar. Endlich ist nun auch die Mauerdicke bei 3D-Grafiken unabhängig von der Teilstrichlänge einstellbar. Die Beschriftung der x-Achse kann jetzt auf den Sockel oder auf Wunsch auch unterhalb des Sockels gezeichnet werden. Auch der Abstand der Beschriftung von den Achsen ist jetzt frei wählbar. Wahlweise werden an die Meßpunkte die jeweiligen Werte oder die auf Wunsch automatisch generierten Legendeneinträge geschrieben - auch dieses natürlich mit einstellbarer Schrift.

Die Arbeitsumgebung von X-ACT
Dateien laden mit Preview!
Dialogbox zum ‘nonlinearen Fit’

Gruppentherapie

Die Gruppen einer Grafik werden in X-ACT mit Ausnahme der Titel und Legenden in einer ‘Obergruppe’ zusammengefaßt. So kann die gesamte Grafik nach dem Anwählen auf der Arbeitsfläche verschoben werden; die Legenden lassen sich jeweils einzeln verschieben. Die neue Position der Grafik bleibt nun auch nach einer Neuberechnung bzw. Reskalierung erhalten. Ohne diese ‘Obergruppe’ aufzulösen, kann weiterhin mit Doppelklicks auf Elemente der Gruppe gearbeitet werden. Beim Auflösen der Obergruppe zerfällt diese in einzelne Untergruppen. Wenn man jetzt einzelne Teile der Grafik verschiebt und danach mit Doppelklick Funktionen aufruft, die eine Neuberechnung der Grafik zur Folge haben, wird auch diese relative Verschiebung der Untergruppen ‘erinnert’. Beim Verschieben von selektierten Objekten wird jetzt übrigens nicht mehr wie üblich der Selektionsrahmen verschoben, sondern das Objekt selber. Dieses wird aus Geschwindigkeitsgründen im Outline-Modus gezeichnet. Wird eine Gruppe durch Anklicken eines Objektes verschoben, wird das angeklickte Objekt stellvertretend für die Gruppe verschoben. Nach Abschluß des Verschiebens wird die Gruppe gezeichnet. Die Vorteile dieser Technik: die exakte Positionierung beim Verschieben von Objekten/Gruppen wird erheblich einfacher!

Neue Grafik-Tools

Ein neuer Polygon-Editor - mit eigener Werkzeugleiste - erlaubt das komfortable Editieren von Bézier-Polygonen. Gerade Linien und Bézier-Kurven können jetzt in Polygonen gemeinsam verwendet werden. Ein Umwandeln von geraden Linien in Bézier-Kurven und umgekehrt ist ebenso möglich wie das Einfügen und Löschen von Polygonpunkten.

In SciGraph sprang die Linienstärke bei Anwahl unterbrochener Linientypen automatisch auf die kleinste Linienstärke zurück, was auf eine Beschränkung des ATARI-GEM zurückzuführen war. X-ACT gestattet es, sämtliche unterbrochenen Linientypen in beliebiger Stärke darzustellen und natürlich auch zu exportieren. Optisch angenehm fällt hierbei auf, daß längere Teilstücke einer unterbrochenen Linie ‘gnadenlos’ dem Verlauf der Diagramm-Linie angepaßt - also z.B. auch geknickt - werden. Verläufe sind in X-ACT in 1-Grad-Schritten beliebig drehbar. Einzige ‘Einschränkung’: X-ACT benutzt grundsätzlich einen hochwertigen 256stufigen Verlauf; geringere Schrittweiten lassen sich nicht mehr einstellen. Das ist aber auch nur in seltenen Fällen nötig und deshalb durchaus zu verkraften. Leider sind im aktuellen CVG-Format nur 100 Verlaufsabstufungen möglich, weshalb man - sofern Verläufe zum Einsatz kommen - die GEM- bzw. Post-Script-Formate für den Export der Grafiken bevorzugen sollte.

Fantastic colours

Aufgrund eines neuen Farb-Ditherings ist bereits mit 16 Farben eine hervorragende Darstellung von Farbverläufen möglich. Probleme beim Farb-Dithering gibt es zur Zeit nur noch mit der C110ZV von Matrix. Da diese Karte keine ‘Multi-Color-Patterns’ darstellen kann, war in der jetzigen X-ACT-Version eine optimale Anpassung nicht möglich. Doch auch mit dieser Karte läßt sich gut arbeiten; einzig bei Verläufen muß man halt ein bißchen Phantasie mitbringen. In der Ausgabe auf Drucker, Dia bzw. im Export erscheinen die Farbverläufe natürlich wie gewünscht.

Pyramiden, Röhren u. Säulen für effektvolle Präsentationen
Auf dem ST/TT einmalig: Vektor-Farbverläufe in beliebigen Winkeln!

Neue Diagrammtypen

X-ACT bietet viele neue in Wirtschaft und Wissenschaft gebräuchliche Diagrammtypen, wie z.B. Radial- und Profildiagramme, Portfolios, 3D-Punktwolken und -Liniendiagramme usw. Im folgenden möchte ich die einzelnen Grafiktypen und ihre Anwendung kurz vorstellen.

In den besonders häufig angewandten Liniengrafiken, die sich besonders gut zur Darstellung größerer Datenmengen oder Trendentwicklungen eignen, sind nun in X-ACT nicht-lineare Fits und Funktions-Plots verfügbar! Diese Funktion löst folgende Aufgabe: Lege eine durch eine Formel beschriebene Kurve durch eine Punktwolke und verändere die Parameter der Formel so, daß die Kurve optimal 'paßt’. X-ACT fittet nach beliebigen Formeln und erzeugt wahlweise auch Funktions-Plots. Eine Reihe von häufig vorkommenden Formeln ist in einer Liste vordefiniert. Eigene Formeln können der Liste hinzugefügt werden. Die Fit-Funktion ist in den Diagrammtypen ‘Linien 2D', ‘Linien 3D’ und ‘Profile’ verfügbar. Übrigens erweitern fünf neue Marker-Typen das Marker-Sortiment auf insgesamt 15 in Größe und Farbe einstellbare Symbole.

Ferner können sich Liniendiagramme im dreidimensionalen Raum ‘räkeln’. Hierbei werden mehrere zweidimensionale Liniendiagramme hintereinander im Raum angeordnet. Für die 3D-Liniendiagramme gelten die selben Einstellmöglichkeiten (inkl. Curve-Fitting etc.) wie für die zweidimensionalen. Diese Darstellungsart verbessert die Übersicht bei besonders vielen Datenreihen.

3D-Punktwolken stellen eine oder mehrere Datenreihen mit mindestens drei Merkmalen im dreidimensionalen Raum dar. Abweichungswerte können entweder als Balken oder als Marker mit variabler Fläche oder Durchmesser dargestellt werden.

Verteilungsdiagramme dienen dem über-sichtlichen Vergleich von Datenreihen. Dargestellt werden für jede Verteilung die Meßwerte sowie die Standardabweichung. Die Datenreihen werden übersichtlich in einem Diagramm neben- oder übereinander zusammengestellt.

X-ACT in der Marktforschung

Portfolios sind xy-Diagramme, bei denen ein dritter Parameter die Größe bzw. die Fläche von Kreisen bestimmt. Sie eignen sich für die Wissenschaft zur Darstellung vieler Proben, die jeweils drei Merkmalsausprägungen aufweisen.

Radialdiagramme sind besonders nützlich, wenn sehr viele verschiedene Merkmalsausprägungen von wenigen Proben miteinander verglichen werden müssen. Außer in der Wissenschaft werden sie auch häufig in der Marktforschung verwendet. Profildiagramme bestehen aus mehreren Liniendiagrammen, die neben- oder übereinander angeordnet sind. Bis zu 16 Datenreihen lassen sich mit dieser Darstellung besonders leicht auf einen Blick miteinander vergleichen. X-ACT bietet fünf verschiedene Darstellungstypen (Linien, gefüllte Linien, Abweichungen, Treppen) sowie die neuen Optionen der Liniengrafiken. Jede der y-Achsen läßt sich nach Doppelklick auf ein Achsenelement einzeln skalieren.

Die Torten lassen sich nun völlig frei drehen und beleuchten!

In die Röhre geschaut...

X-ACT bietet auf Wunsch neben den herkömmlichen 3D-Balkendiagrammen mit rechteckigem Grundriß die Möglichkeit, Röhren, Säulen und Pyramiden mit 3- bis 64eckiger Grundfläche darzustellen. Hohe Kantenzahlen vermitteln den Eindruck eines ‘runden’ Körpers, jedoch sind besonders bei vielen Balken die Rechenzeiten nicht unerheblich, da für jede gezeichnete Fläche die Helligkeit berechnet wird!

Bei hoher Kantenzahl und entsprechend eingestellter Lichtquelle berechnet X-ACT sehr realistisch aussehende Verläufe. Weiterhin verwöhnt X-ACT den Anwender mit der Darstellung der Rasterlinien der y-Achse auf den Objekten. Dies ermöglicht ein leichteres Ablesen der Werte auf den Balken. Bei der Röhrendarstellung ist sogar die Wanddicke der Röhren beliebig einstellbar! Das nenne ich Konsequenz...!

Alles Torte oder was?

Auch bei den Torten hat sich einiges getan. Zum einen lassen sich nun endlich komfortabel Startwinkel und Zeichenrichtung sowie der Abstand zwischen den Tortenstücken numerisch festlegen. Zum anderen lassen sich die dreidimensionalen Torten jetzt auch wie die anderen 3D-Diagramme frei im Raum rotieren und sogar beleuchten. Schönere Torten gab’s wirklich selten ... Und noch ein Schmankerl: sind eine x- und eine y-Spalte selektiert, richtet sich die Höhe der Tortensegmente nach den Werten in der y-Spalte. Hiermit lassen sich z.B. treppenmäßig ansteigende Tortensegmente realisieren.

Die umfangreiche Optionsbox für Liniendiagramme
Freies Rotieren im 3dimensionalen Raum für fast jeden Grafiktyp!
3D-Punktwolke zur Darstellung mehrerer Datenreihen mit mindestens 3 Merkmalen
# Do it yourself

Alle von X-ACT erzeugten Diagramme können als STL-Datei abgespeichert werden, um später als Vorlage für andere Diagramme zu dienen. Diese können dann wie ein eigenständiger Diagrammtyp behandelt und für oft wiederkehrende Aufgabe eingesetzt werden. Gegenüber dem bisherigen Abspeichern von Skalierungen mit oft schwer interpretierbaren Namen bringt dieses neue Konzept entscheidende Vorteile. STL-Dateien enthalten nicht nur reskalierbare Grafiken, sondern auch vom Anwender gezeichnete oder importierte Vektorgrafik. Wird eine STL-Datei als Vorlage für neues Datenmaterial benutzt, werden die Achsenskalierungen aus dem Datenmaterial neu berechnet, alle anderen Informationen, also Farben, Lage im Raum, Lage auf der Arbeitsfläche usw. jedoch aus der Vorlage übernommen.

Übrigens lassen sich fast alle Diagrammtypen unter Beibehaltung der vom Anwender veränderten Einstellungen in andere Diagrammtypen umwandeln. So kann man schnell und bequem herausfinden, mit welchem Diagrammtyp sich das Zahlenmaterial anschaulicher darstellen läßt bzw. welcher Diagrammtyp besser in ein vorgegebenes Layout paßt.

Verbessert wurde auch die exakte numerische Einstellung des Fluchtpunktes. Dieser ist jetzt numerisch auf die Grafik selbst bezogen. So führt eine Eingabe von 0 für die Höhe des Fluchtpunktes bei der Zentralperspektive zu einer Augenhöhe, die exakt der Standfläche der Balken entspricht. Möchte man z.B., daß die Oberkanten der Mauern exakt in einer Linie fluchten, muß für die Höhe des Fluchtpunktes die Länge der y-Achse eingegeben werden.

Kein Zurück!

Die momentane Programmstruktur erlaubt leider noch immer keine ‘richtige’ UNDO-Funktion. Einzig ein ‘Pseudo’-UNDO ist vorhanden: wenn man z.B. aus Versehen ein Objekt verschiebt, springt dieses, solange es noch nicht abgesetzt ist, durch Drücken der rechten Maustaste wieder an seinen alten Platz zurück.

Beim Arbeiten fehlt mir bei X-ACT leider auch die Option, den Bildschirmaufbau vorzeitig abzubrechen. Denn bei häufigem Wechsel der Vergrößerungsstufe bekommt auch ein ATARI TT - bei extrem aufwendigen Grafiken - ‘weiche Knie’. Immerhin besteht jetzt die Möglichkeit, den ständigen Neuaufbau der Grafiken nach jeder Parameteränderung zu unterdrücken. Der Befehl ‘Neuberechnen’ erledigt dieses dann separat.

What a combination...

X-ACT ermöglicht den gleichzeitigen Einsatz von Vektor- und Bitmap-Fonts! Man kann sowohl herkömmliche GEM-Rasterschriften als auch beliebig skalierbare Satzschriften der Firma Bitstream (im sog. ‘Speedo’-Format) benutzen. Die Bitstream-Fonts, die auch in kleinsten Schriftgraden von hervorragender Qualität sind (bei Vektorschriften keinesfalls selbstverständlich!), verfugen über einen umfangreichen Sonderzeichenvorrat und brauchen für den Bildschirmaufbau kaum länger als die gewohnten Pixel-Fonts. Neben den in der Wissenschaft geforderten Schrifttypen ‘Helvetica’ und ‘Times’ - jeweils als Roman, Italic, Bold und Bold Italic - enthält das Bitstream-Font-Paket auch zwei mathematisch-wissenschaftliche Zeichensätze. Diese beinhalten vom kompletten griechischen Alphabet bis hin zu Indizes eine Fülle von Sonderzeichen in Satzschriftqualität! Diese Fonts, mit denen auch Formelsatz möglich ist, decken somit auch die Bedürfnisse des Wissenschaftlers ab.

Sämtliche Texte lassen sich in 90-Grad-Schritten drehen. Textattribute wie ‘Fett’ und ‘Kursiv’ beeinflussen natürlich nur noch evtl, installierte Pixel-Fonts; bei Vektor-Fonts existieren für diese Modifizierungen eigene Schriftschnitte. Einzig die Funktion ‘Unterstreichen’ wirkt sich auf alle installierten Fonts aus.

Übrigens erscheint nun die allseits beliebte (und auf den ersten Blick in X-ACT vermißte) Sonderzeichen-Box erst nach Druck auf die ‘Insert’-Taste. Per Mausklick können so alle Zeichen des angewählten Zeichensatzes per Mausklick an der momentanen Cursor-Position eingefügt werden. Leider ist der erste Aufbau einer solchen Box auch auf einem ATARI TT prinzipbedingt recht langsam (Vektorschriften ...); dafür ist die Box bei erneutem Aufruf dank Cache blitzschnell zur Stelle.

Bei den ‘nicht-linearen Fits’ wird per Formel eine Kurve durch eine Punktwolke gelegt.

Chart-Publishing

Gerade im Hinblick auf die komplette Umstellung auf Vektorschriften wäre es ratsam, die Textfunktionen in späteren Versionen deutlich zu erweitern. Denn dann werden Textattribute wie ‘Outlined’ und ‘Shadow’ bzw. in beliebigen Winkeln gedrehter Text leicht zu realisieren sein. Zum totalen Chart-Publisher-Feeling fehlte dann eigentlich nur noch ein Texteditor für kleinere Fließtexte, z.B. für erläuternde Begleittexte zu den jeweiligen Charts. Meines Wissens ist aber schon für das nächste Update ein ‘Textobjekt’ geplant, das genau diese Aufgabe übernehmen wird!

Momentan bleibt es also bei der Beschränkung auf einzelne Textzeilen. Diese lassen sich jedoch - wie andere Vektorobjekte auch - automatisch anordnen bzw. ausrichten. Die neue Funktion ‘gleicher Abstand’ im Menüpunkt ‘Lage/Anordnung’ verteilt z.B. sämtliche angewählten Textzeilen gleichmäßig zwischen der obersten und untersten Zeile, so daß man blitzschnell einen gleichmäßigen Zeilendurchschuß erhält.

Sämtliche Sonderzeichen eines Zeichensatzes lassen sich per Mausklick in den Text einfügen.
Ein Radial-'Spinnennetz'
X-ACT beherrscht bis zu vier unabhängig skalierbare Achsen in einem Diagramm!

Calamus ade

Der Export komplett beschrifteter Diagramme in Calamus, PPM oder Didot-Professional gestaltet sich dank der Vektor-Fonts nun endlich völlig unproblematisch. Sofern man für die Beschriftungen der Diagramme Vektor-Fonts benutzt, werden die gefüllten Umrisse sämtlicher Zeichen als Bézier-Vektorobjekte mit in den Publisher übernommen; das nachträgliche, mühsame Beschriften der Charts gehört also der Vergangenheit an. Und wenn ein Kunde tatsächlich einmal exotische Fonts wünscht, speichert man die Diagramme eben ohne Beschriftung ab und holt dieses wie gewohnt manuell im Publisher nach.

Import/Export

Während sich X-ACT beim Grafikimport nach wie vor unnötig ‘zugeknöpft’ präsentiert - es lassen sich nur GEM-Metafiles importieren - zieht es beim Grafikex-port einen Trumpf nach dem anderen aus dem Ärmel: neben PostScript- und EPS-Dateien für den Export in PC- und MAC-Programme exportiert X-ACT in den Formaten Calamus-CVG, Ventura Publisher, GEM-Artline2 und HP/GL. Zum Export in Calamus 1.09N bietet sich das Ventura-Format an, welches keine Farbinformationen beinhaltet. Volle Farbenpracht im Calamus S/SL erreicht man durch den Export der Graphen im GEM-Artline-Format. Systemübergreifend bietet sich z.B. für die MACs das EPS-Format an. Auch die Dia-Ausgabe ist über das (E)PS-For-mat problemlos und in bestechender Qualität möglich.

Hungry like the wolf...

Durch die vielfältigen Erweiterungen hat natürlich auch der Programmcode von X-ACT gehörig zugenommen. Unter 1,5 MByte Arbeitsspeicher und ohne Festplatte ist ein Arbeiten mit X-ACT nicht mehr möglich. Anwender mit bescheidener Hardware müssen sich halt noch mit dem ‘guten alten’ SciGraph behelfen.

Auch das klassische ATARI-Output-Programm kann mit den Erfordernissen von X-ACT nicht mehr Schritt halten, weshalb SciLab dem X-ACT-Programmpaket eine Weiterentwicklung dieses bewährten Ausgabeprogrammes mit dem passenden Namen ‘Xout' spendierte. Dieser auch optisch aufpolierte Nachfolger ist sehr komfortabel zu bedienen und stellt ebenfalls die bekannten Funktionen sowohl zum Ausdrucken als auch zur Dia-Show mit weichen Überblendungen zur Verfügung.

Nice price

X-ACT 3.0 ist für die Betriebssysteme ATARI ST/TT, MS-DOS und Flex OS mit gleichem Leistungsumfang lieferbar. ATARI-User zahlen für das normale Upgrade von SciGraph auf X-ACT 138,- DM; das ‘Profi-Upgrade’ (inkl. 10 Bitstream-Satzschriften u. spezieller TT-Version) kostet 298,- DM. Der Neupreis für das ‘normale’ X-ACT beträgt 599,- DM, für die ‘Profi-Version’ 799,- DM. Sowohl in Anbetracht der gebotenen Leistung als auch hinsichtlich der Qualität der Vektor-Fonts erscheinen mir diese Upgrade-Preise durchaus angemessen. Für die ‘MS-DOSen’ kostet X-ACT inklusive der Satzschriften übrigens DM 1.590,-.

Resümee

X-ACT präsentierte sich während des Tests als ein verläßliches, weitgehend ausgereiftes und im Detail bestechendes Produkt. Die noch bestehenden Unzulänglichkeiten (kein UNDO, kein freies Rotieren von Objekten) mindern den realen Anwendungswert des Programmes nicht. Die enorme Anzahl an (untereinander kombinierbaren) Diagrammtypen mit bis ins Detail ausgefeilten Features sowie die Möglichkeit der automatisierten Datenaufbereitung externer Zulieferprogramme machen X-ACT zu einem höchst effektiv einsetzbaren Werkzeug.

Bezugsquelle: SciLab GmbH IseStraße 57 2000 Hamburg


Matthias Ficht
Aus: ST-Computer 07 / 1992, Seite 36

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