Manche schwören auf Vektor-Fonts. Und wer nach Höherem strebt, dem funkeln die Augen, wenn der Name PostScript fällt. Wer allerdings keinen PS-fähigen Drucker auf seinem Schreibtisch sockelt, darf es beim Schielen belassen. In der großen weiten Welt jenseits des ST zerbricht man sich die Köpfe über die Streitfrage PostScript oder TrueType. Ja sogar DisplayPostScript, quasi die WYSIWIG-Variante von PostScript, die der NeXT so verlockend präsentiert, verhallt ungehört in den Laboratorien der ST-/ TT-Hardware-Entwickler. Typographie, sowohl jenseits von Adobe-Font-Format und von variabler Skalierbarkeit am Bildschirm, wie es von Mac-Programmen bekannt ist, als auch von relativ auflösungsunabhängiger Font-Vektorisierung ä la GDOS heißt für ST und TT Raster-Fonts Marke Signum-Font-Format.
Bei allen Versuchen, mit der GDOS-Entwicklung dem ST eine MAC-ähnliche Benutzerführung zu geben, setzen die Entwickler der zahlreichen Textverarbeitungsprogramme, die heute auf dem Markt sind, auf Rasterzeichensätze. Und das mit gutem Grund.
Mit dem Layout-Klassiker SIGNUM! arbeitet man auflösungsabhängig, d.h. man braucht zum Schreiben und Drucken immer ein Zeichensatzpaar zum Ansprechen der Bildschirm- und Druckerauflösung. Schnee von gestern ist die Legende, daß es mit Signum ein Textverarbeitungsprogramm zum erstenmal schaffte, die Maximalauflösung eines 24N-Druckers (360 dpi) anzusprechen. So aktuell wie zu Gründerzeiten allerdings ist das Format des SIGNUM-Zeichensatzes kaum. Ein Formatstandard, der seitdem die Font-Entwicklung für grafikorientierte Textverarbeitungen beherrscht. Die ersten SIGNUM!-Zeichensätze zeigten für das ästhetische Empfinden wenig berauschende Ergebnisse. Manchmal waren die Proportionen der Zeichen ungenau entworfen, manchmal fehlten spezielle Zeichen, oder die Interpunktion war lückenhaft realisiert. Schreiben miteinem tendenziell professionellen Layout-Paket heißt einiges mehr, als bloß die gängigen Zeichen des deutschen Alphabets zu setzen und zu druk-ken. Das ist die Stunde des Computertypographen und der professionellen Font-Entwicklung. Wie kompliziert das typographische Erarbeiten (‘Schneiden’) von Rasterzeichensätzen ist, mag man daran ersehen, daß jeder einzelne Zeichensatz für jede Textverarbeitung in der Nachfolge von SIGNUM!: also Script, Tempus Word, CyPress, speziell angepaßt werden müßte. Ursache sind zum einen das unterschiedliche Zeichenvorkommen und zum anderen das von den SIGNUM 2-Entwicklern festgelegte Font-Format, das bei Kapitälchen oder größeren Schriftkörpern (14 Punkt und größer) den Schriftentwickler Holger Schlicht zu unkonventionellen Lösungen veranlaßt. Im ersten Teil meines Artikels beschäftige ich mich mit den diversen Layout-Paketen aus dem Münchener Typographiehaus Semiotic Soft, in dem Pionierarbeit in Sachen Rasterschriften geleistet wird. Im zweiten Teil beleuchte ich die Anpassung der von TeX bekannten Schriftfamilie Roman Modem, die der Hamburger Computertypograph Holger Schlicht für SIGNUM! und SCRIPT vorgenommen hat. Augenmerk lege ich auf die unterschiedlichen Verfahren bei der Umsetzung der Schriftfamilie in das SIGNUM!-Font-Format.
Die Geschichte des grafischen Zeichensatzes begann wohl mit SIGNUM!. Mathematische Formelverarbeitung mit dem bekannten Textverarbeitungssystem war bereits 1986 eine Sensation. Was Typographie auf dem ST mit SIGNUM erreichen kann, zeigte erstmals die Münchener Schriftwerkstatt Semiotic Soft mit ihrem Layout-Paket Korpus Bodoni, das nun in der dritten Auflage vorliegt. Eine mehrjährige Produktionszeit an dem Layout-Paket kennzeichnet die Handwerksarbeit des Typographen, die klassische Schriftfamilie der Aufklärungsepoche, den Korpus Bodoni, an die technischen Möglichkeiten eines bis dato nicht ausgereiften Satzsystems, nämlich SIGNUM!, das als Textverarbeitung hochgehandelt wird, anzupassen. Die Arbeit des Typographen ist in zweifacher Hinsicht kompliziert: einerseits widerspräche es dem handwerklichen Kodex, eigenhändig Eingriffe in die grafische Gestaltung der Schriftfamilie zu machen, andererseits steht er vor dem technischen Problem der Nachkonstruktion und Anpassung an die Arbeitsumgebung und Formatvorgaben, die SIGNUM! dem ernsthaften ‘ Schriftenarchitekten’ auferlegt. Da wird der Spielraum des Computer-Schriftsetzers sehr eng. Trotzdem: Vom Vorteil von Rasterzeichensätzen gegenüber Vektor-Fonts, den viele nicht sehen wollen, kann jeder sich überzeugen, der einen Vektor-Font in hohe Punktgrößen skaliert und sich über Ausfransungen wundert. Ausfransungen werden bei Raster-Fonts peinlichst vermieden. Eine detaillierte Schnittechnik gehört zum Vademecum der Computertypographie. Jedes Paar Raster-Fonts wird speziell für Bildschirmeditor und Drucker ausgearbeitet, indem es für alle vorgegebenen Punktgrößen fachmännisch ‘geschnitten’ werden muß: typographische Feinarbeit, die letztlich ein Arrangement bedeutet zwischen ästhetischem Empfinden, softwarespezifischer Realisierbarkeit und maschineller Reproduktionstechnik. Um die Raster-Font-Qualität zu erreichen und für Textverarbeitung und Druckerfabrikate gleichermaßen verfügbar zu machen, führt kein Weg herum um die Anwendung klassischer Schriftschnittechniken. Um den Korpus Bodoni an SIGNUM! anzupassen, orientiert sich der Typograph an der klassischen Stahlschnittechnik. Die Projektion der proportionalen Auszeichnungen des Schriftparadigmas auf die Matrix des SIGNUM!-Druckformats gehört in die Endphase des Schriftdesigns. Das typographische Anpassen jedes einzelnen Zeichens aus dem Schriftkorpus an die Formatvorgaben ist wie Handwerk live: sprich dem Schriftsetzer über die Schultern zugeschaut. Traditioneller Arbeitstechnik verdankt sich auch der erste Schritt des typographischen Arbeitsganges, der konsequent zum Computerschriftsatz führt.
Zu jedem Einzelzeichen des Schriftparadigmas wird eine Tuschestudie mit einer Versalgröße von 8 cm angefertigt. Die Resultate werden fotomechanisch verkleinert und mit einem Scanner digitalisiert. Bei Vektor-Fonts wäre ein Großteil der Arbeit hier schon geleistet, nicht so bei Matrixzeichensätzen. Diese müssen für die Sicherstellung der Druckqualität speziell nachbearbeitet werden. Hausintern existiert bei Semiotic Soft ein Programm, mit dem die digitalisierten Tuschevorlagen auf eine Matrix projiziert werden. Das ist ein Abgleichungsprozeß, denn für jeden Drucker-Pin und Laser-Dot ist zu entscheiden, ob er zu setzen oder nicht zu setzen ist. Jedes einzelne Pixel einer Serife (des Endstrichs eines Buchstabens), einer Strichkreuzung oder einer Balkenstärke ist eine Entscheidung, die im Einzelfall mit typographischen, ästhetischen und rein technischen Überlegungen zu legitimieren ist. Nicht immer können die typographischen Prinzipien in die Matrix des Drucker-Fonts umgesetzt werden, dann müssen unkonventionelle Lösungen gefunden werden. Ziel ist es, mit dem Font die höchste Druckqualität des benutzten Druckmediums anzusprechen. Deshalb muß jedes Zeichen aus dem Korpus Bodoni spezialbehandelt für Nadel- und Laserdrucker angepaßt werden. Bei den ca. 5300 Zeichen des BODONI-Layout-Pakets mag man sich vorstellen, wieviel Arbeit hier bei den Schriftgestaltern liegt.
Der dritte Schritt ist dem Font-Editor SCARABUS Vorbehalten. Die vorbearbeiteten Font-Dateien werden mit Scarabus in die vorgegebenen SIGNUM!-Font-Formate transportiert. Die Feinabstimmung des Zeichensatzes beansprucht ein geduldiges Ausprobieren und Tunen der Proportionalwerte. Beim Kerning werden häufig vorkommende Buchstabenkombinationen zusammengezogen auf das durchschnittliche Maß der beteiligten Schriftzeichen (Dikten) skaliert. Speziell für diese Typographenarbeit existieren Tabellen, in denen der Proportionalitätsfaktor jedes Zeichens, der Ligaturen (Doppelzeichen: z.B. ff, ph, pf) und aller übrigen statistisch häufigen Zeichenkombinationen registriert werden. Dieses Überprüfen und Korrigieren der „Grauwertskalen“, in denen die Proportional werte der Schrittweiten gesammelt werden, erfordert langwierige Testphasen, bis ein repräsentabler Zeichensatz auf den Bildschirm und zu Papier gebracht werden kann. Es wird klar, daß die Erarbeitung des Korpus Bodoni zur Verfügbarkeit in grafikorientierten Textverarbeitungen nicht bloß als technische Anpassung bezeichnet werden kann. Es ist darüber hinaus die Nachschöpfung einer Schriftfamilie, die neben der grauen Theorie des Typographen auch die Praxis des Schriftsetzers erfordert.
Die Arbeit mit den verschiedenen Layout-Paketen von Semiotic Soft erfordert mehr als eine Laune zur ästhetischen Gestaltung. Kenntnisse aus der Computertypographie und Grundwissen aus dem ABC des Text-Layouts rangieren vor der Arbeit mit den grafischen Schriftenpaketen.
Spektakulär ist ein sprachwissenschaftliches Schriftenpaket auf der Basis des Korpus Bodoni, das sich an Klassische Philologen, mathematische Logiker, Indogermanisten, Slawisten, Romanisten und Germanisten gleichermaßen wendet. Die sprachwissenschaftlichen Zeichensätze werden in verschiedenen Punktgrößen mit vielen auf die phonologischen Besonderheiten der transkribierten Sprachen abgestimmten Sonderzeichen angeboten.
Mit dem sprachwissenschaftlichen Sprachpaket dürfte die Gestaltung eines Wörterbuchartikels kein Hindernis sein.
Dieses „DTP im Kleinens“ wird dann mustergültige Resultate bringen, wenn der Satzspiegel harmonisch gestaltet ist. Und das ist eine Frage des Know-hows und des ästhetischen Empfindens. Als Bezugsrahmen können Vorlagen des klassischen Buchdrucks dienen. Doch die ‘wohlgestalte’ Proportionierung des Satzspiegels hängt letztlich von der Art des Textkörpers (der Textsorte) ab, dem ein harmonisch-einheitliches Layout gegeben werden soll. Besonders entscheidend für die Ausgewogenheit des Layouts sind die Funktionen für Absatz- und Seitenformatierung in den einzelnen Textsystemen. Kaum zu überbieten an Angeboten von speziell eingerichteten Absatzformaten bis zur Bildschirmkontrolle der Seitenformatierung ist wohl Tempus Word. Leider ist das absatzinteme Microspacing nicht so gut realisiert wie beim Klassiker SIGNUM! Microspacing ist eine wichtige Maßnahme für die Feinarbeit an Wort- und Buchstabenabständen. Mit SCRIPT sieht man sich hier leider auf dem Holzweg stehend. Auch Lesepsychologie spielt beim Aufbau des Satzspiegels eine nicht unerhebliche Rolle.
Neben der aktuellen Version des Layout-Pakets Bodoni, das mit speziellen Bold-, Kursiv- sowie Kapitälchen (Zeichensatz besteht aus Großbuchstaben) angeboten wird, lagen mir aus der Typographiewerkstätte Semiotic Soft Exemplare aus den drei Schriftfamilien Boxerface und Caslon und SansSerif in den Konsultationsgrößen 13 bzw. 14 Punkt vor.
Bei dem Begriff „PostScript-fähiges Satzsystem“ denken die meisten Programmierer gleich an den Knuth-Klassiker TeX. Genau das hat Holger Schlicht auch getan und den für TeX klassischen Zeichensatz
Roman Modern für SIGNUM umgesetzt und angepaßt. Genaugenommen ist das METAFONT-Produkt Roman Modern eine Umsetzung der alten Monotype-Schrift Modern 8A. Die Benutzung der Roman Modern in SIGNUM-Dokumenten und in Dokumenten anderer Textverarbeitungen macht einen Unterschied. Diesem Unterschied nachzugehen, heißt, sich in die Geheimnisse der Computer-Typographie einführen zu lassen. Das Zeichensatzpaket Roman Modem wird in zwei Anpassungen für SIGNUM! und SCRIPT geliefert. Beiden Schriftenpaketen liegen sorgfältig ausgearbeitete Einführungen bei, in denen Holger Schlicht die technischen Aspekte des Computerschnitts der Roman Modern erklärt und mit Kritik an der festgelegten SIGNUM-Zeichenmatrix nicht hinter dem Berg hält. Er spricht das generelle Problem aller Rastertypographie auf der Basis des SIGNUM-Zeichensatzformats an. Die Matrix des Normalzeichens ist insgesamt zu klein, vor allem ist der Stein des Anstoßes eine irreguläre Höhenbegrenzung. So können in der Matrix Zeichen einschließlich bis sechzehn Punkt dargestellt werden. Bei sechzehn Punkt großen Fonts müssen aber die Dickten (die Laufweite des einzelnen Zeichen) proportional verschmälert werden.
Gleich zu Anfang wird ein überzeugendes Argument geboten, warum Raster- neben Vektortypographie bestehen kann. Die Physiologie des menschlichen Auges nimmt geometrische Verhältnisse unscharf wahr. Bei der Skalierungstechnik von vektororientierten DTP-Programmen werden diese ‘physiologischen Unschärfen ’ geleugnet. Statt dessen werden dem Betrachter reine mathematische Proportionen per Software suggeriert. Eine kleine typographische Relativitätstheorie. Der Typograph hat bei der Schriftentwicklung den Sehgewohnheiten des Menschen Rechnung zu tragen. Das Erschaffen ausgewogener Größenverhältnisse und proportionaler Dickten einer Schriftgröße ist ein typographisches Handwerk, das gegen die Technik der Vektorisierung verteidigt wird. Der Typographie-Theoretiker Adrian Fratiger stand bei dem Argument wohl Pate.
Vierzehn und größere Punktgrößen sind von den Typographen nur mit Kompromissen zu realisieren. Die beschränkte Matrix des SIGNUM-Font-Formats provoziert bei den Schriftentwerfern ein unterschiedliches Denken und Handeln. Leider äußern sich die Vollender der SIGNUM-Typographie von Semiotic Soft nicht zu diesem heiklen Thema. Anders als bei der Roman Modern kommt der Korpus Bodoni ohne Makros bei den hohen Punktgrößen aus. Die beiden kritischen Buchstaben in den oberen Konsultationsgrößen lauten M und W. Ihre Zeichenkörper sind in 14-bzw. 16-Punktgrößen bloß mit Tricks auf die SIGNUM-Font-Matrix zu projizieren. Die Schriftenspezialisten Scheppe und Schlicht wenden unterschiedliche Techniken an, um zu verhindern, daß der SIGNUM-Benutzer keine Rumpfbuchstaben in seine Texte druckt. Die einfachere, vielleicht aber problematischere Technik ist das proportionale Verkleinern des kompletten Zeichensatzes. Problematisch deswegen, weil in die Größenrelation der verschiedenen Punktgrößen zueinander technisch eingegriffen wird. Zwischen einem sechzehn Punkt großen Zeichen auf dem Papier und einer sechzehn Punkt großen Bodoni Letter existiert ein unnatürliches l:l-Verhältnis. Die normierte Font-Matrix stellt eine Beschränkung für hohe Punktgrößen dar. Schaugrößen jenseits von 16 Punkt können bislang von den SI-GNUM-Typographen nicht realisiert werden. Und das solange nicht, bis der SIGNUM-Entwickler sich ein erweitertes Font-Format ausdenkt. Kompatibilität mit den zahlreichen Schriftfamilien, die auf der Basis der SIGNUM-Zeichenmatrix aufbauen, heißt hier die ernstzunehmende Forderung.
Der Projektionsfähigkeit der Pixel-Fonts in höhere Schriftgrade durch eine erweiterte Matrix, was der Erweiterung des Schrifttableaus um die wichtigen Schaugrößen für Überschriften gleichkäme, würde damit Tür und Tor geöffnet werden. Mit den Schaugrößen jenseits von sechzehn Punkt wäre eine wichtige Barriere durchbrochen und die Konkurrenz der Raster- zu Vektor-Fonts noch deutlicher zugunsten der Raster-Fonts verschoben.
Dann bräuchte Holger Schlicht sich auch keine Tricks mehr einfallen zu lassen, um die Vierzehn- und Sechzehn-Punktgrößen der Roman Modern auf den Bildschirm und auf Papier zu bringen. Die Roman Modern-Anpassung wird im echten 1:1 -Verhältnis dargestellt. Nicht minder interessant als der Entwurf eines harmonischen Satzspiegels ist die technische Seite des Schriftenentwurfs auf der Basis der SIGNUM-Zeichenmatrix.
Die Schwierigkeit mit den hohen Schriftgrößen liegt am Überlauf der rechten und oberen Ränder bei den kritischen Lettern M und W. Im Layout-Paket wird dieses Handicap speziell für SIGNUM per Makroprogrammierung bereinigt. Auf Diskette werden spezielle Makros mitgeliefert, die im Huckepackverfahren die fehlenden Striche an die Lettern anhängen. Das ist, wenn auch typographisch sauber gelöst, problematisch mit Blick auf die tägliche Arbeit am Text mit Kontrollaus-drucken. Von Mal zu Mal könnte die Textgestalt sich erheblich verschieben, so daß die Makrobearbeitung der Buchstaben gegenstandslos würde.
Speziell an der Beschränkung der Obergrenze der Font-Matrix krankt die Darstellung der Diphthonge Ä, Ö, Ü, deren Oberlängen nach unten versetzt dargestellt werden müssen. Nachbearbeitung per Microspacing ist vorprogrammiert. Beides sind Probleme, die beim Durchprobieren der Roman Modern durch die verschiedenen grafikorientierten Textverarbeitungen wiederkehrten.
Per Makroaufruf in SIGNUM! oder per Such- und Ersetze-Funktion kann man beiden satztechnischen Problemen zu Leibe rücken. So verzichtet die Anpassung der Roman Modem auf die Beigabe der 16-Punkt-Größe zum Layout-Paket für die Textverarbeitung SCRIPT, die bekanntlich aus demselben Software-Haus wie der Senior der grafikorientierten Textverarbeitungen, SIGNUM!, kommt.
Daß besonders für die Erweiterung der Zeichenmatrix eine Lösung gefunden werden muß, wird vollends klar am Autorensystem TempusWord, das ohne Makrofähigkeit auskommt. Damit schlägt der Griff in die Trickkiste, der bei SIGNUM erfolgreich angewendet werden muß, mit dem Ergebnis fehl, daß übergroße Lettern unvollkommen auf dem Bildschirm dargestellt und gedruckt werden. Auch CyPress bietet keine Alternative, ein unerträglicher Zustand, zumal die transponierte Roman Modern eine wirkliche gelungene Serifen-Schrift ist. Die Makrotechnik, wie sie bei der Roman Modem angewendet wird, um die Identität der Größenrelationen (ohne proportionale Verkleinerung) zu erreichen, sollte als Auslaufmodell der Vergangenheit angehören. Bei der Vielfalt von grafikorientierten Textverarbeitungen würde es kaum Zukunft haben, wenn für jedes Textsystem ein speziell makrosiertes Schriftpaket angeschafft werden müßte. Jeder Schriftschnitt der Roman Modern (sie wird in ‘regulär’, ‘bold’ und ‘kursiv’ präsentiert) liegt als Standard- und Sonderzeichensatz vor. Besondere Sorgfalt ist in den Sonderzeichensätzen den Ligaturen und Akzenten gewidmet. Hier findet man auch die wichtigsten altgriechischen Lettern, typographisch exakt wird zwischen Trenn-, Binde- und Gedankenstrich unterschieden, noch immer das schwierigste Problem des Computerschriftsatzes. ‘Gänsefüßchen’ werden selbstverständlich in Ab- und Abführungszeichen unterschieden. Ein weiteres schwieriges Elaborat ist die Zahlendarstellung, die proportional gelöst ist: d.h. der Raum, den eine 1 in der Matrix einnimmt, hat dieselbe horizontale Ausmessung wie zur Darstellung einer 6. Leider enthält das dem TeX-FONT nachempfundene Roman-Modem-Schriftenpaket keine Sonderzeichen für den mathematischen Formelsatz. Die Integration von solch typographischen Artistenstreichen wie Integrale oder Wurzelzeichen würde dem TeX-Vorbild Runzeln ins Gesicht treiben. Auch hier verordnet das SI-GNUM-Font-Format dem typogra-phen Manschetten.
Rastertypographie mit SIGNUM! oder TempusWord, SCRIPT oder CyPress ist eine echte Alternative zu Calamus. Semiotic Soft präsentiert dem für Typographie und Layout Aufgeschlossenen eindrucksvolle Resultate, um komplizierte Satzaufgaben zu lösen. Das Gleiche gilt wohl von der Roman Modem von Holger Schlicht. Trotzdem: Die Rastertypographie auf dem ST wird nur dann ihre Zukunft wahren, wenn die grafikorientierten Textsysteme sich den satztechnischen Aufgaben stellen und dahingehend mit Layout-Werkzeugen erweitert werden. Mehrspaltensatz mit Marginalien, Fuß- und Endnoten- sowie Kopf-und Fußtextverwaltungen müssen auf Feinabstimmung getrimmt werden. Absatzformate müssen vorgewählt werden können. Hier ist Tempus Word Vorbild. Alles in allem sind wirklich zufriedenstellende Satzsysteme, die den Feinheiten der Computertypographie Kompromisse aufzwingen, die sich dann als nicht so glücklich herausstellen, noch nicht voll ausgereift. Ich bin mir allerdings sicher, daß daran gearbeitet wird. Darin liegt schließlich die Zukunft der Rastertypographie auf dem ST. Auf anderen Rechnersystemen scheint sie fast ausgestorben zu sein.
Ralf Blittkowsky