Nachgemessen: Festplattenlaufwerke am Atari ST

Da sich die Festplattensubsysteme für den Atari ST immer mehr in der Ausstattung ähneln, müssen die Hersteller ganz schön strampeln, um sich vom Hauptfeld der Konkurrenten abzusetzen. Gerne wirft man daher in der Werbung mit Zahlen um sich, die von der Geschwindigkeit der verwendeten Laufwerke künden. Doch weiß man selten, wie diese Zahlen erhoben wurden - und so bleibt dem Kunden oft nur der Weg zu einem Plattenguru in der Bekanntschaft oder die Zuflucht zur schwarzen Magie, um sich ein Bild von der relativen Leistungsfähigkeit zweier Platten zu machen. Um ein einheitliches Meßverfahren zu schaffen und es allen ST-Anwendern zugänglich zu machen, entstand CHECKHD.

CHECKHD war und ist ein Teil der Diskette zu [1]. Aus den oben genannten Gründen ist CHECKHD aber auch auf der PD-Diskette 217 der „ST-Computer“ bzw. in der neuesten Version auf Diskette 454 zu finden. Außerdem wird CHECKHD auch von einigen Plattenherstellern auf deren Systemdiskette in Lizenz mitgeliefert. Dadurch hat CHECKHD eine gewisse Verbreitung erfahren. In der Dokumentation zu CHECKHD bitte ich darum, mir Meßergebnisse zu schicken, damit ich sie sammeln kann. Nicht wenige Leser haben das auch getan, und so hat sich im Laufe der Zeit eine Liste von Meßdaten für die verschiedensten Platten entwickelt. Diese Liste kann für die Kaufentscheidung natürlich wichtig werden, stellt sie doch einen halbwegs fairen Vergleich von Leistungsdaten dar. Aus diesem Grund haben wir uns entschlossen, die Liste in der „ST-Computer“ zu veröffentlichen.

Schneller ist nicht gleich besser

Damit nun kein Aufruhr entsteht: Geschwindigkeit ist bei weitem nicht alles. Viele andere Faktoren spielen bei der Kaufentscheidung für eine Festplatte eine wichtige Rolle: solider Aufbau, verwendeter Host-Adapter, Anschlußmöglichkeiten, Laufgeräusch, Kapazität, Preis, mitgelieferte Software und vieles mehr. Unsere Liste soll Ihnen die Entscheidung leichter machen, wenn Sie entweder von den widersprüchlichen Herstellerangaben zur Geschwindigkeit verwirrt sind, oder wenn Sie zwischen zwei ansonsten gleich gut scheinenden Platten entscheiden müssen. Sie liefert hingegen keinen absoluten Vergleichsmaßstab für Festplatten. Wenn Sie sich für eine Festplatte interessieren, studieren Sie bitte grundsätzlich auch die Tests in den Fachzeitschriften, oder fragen Sie Bekannte nach ihren Erfahrungen. Wenn Sie bei Ihrem Händler kaufen, lassen Sie sich beraten. Beim Versandhändler sollten Sie vorher anrufen, wenn Ihnen etwas nicht klar ist. Dabei gewinnen Sie dann auch gleich einen Eindruck vom Kundenservice, der ja im Versandgeschäft nicht immer so leicht im voraus zu beurteilen ist.

Bevor ich Sie in die Tabelle entlasse, müssen allerdings noch ein paar Worte zu den Meßmethoden fallen. Die dahinterstehenden Überlegungen sind in [1] und [2] zwar bereits dokumentiert, doch sollen sie hier in Kürze wiederholt werden.

Was mißt CHECKHD?

Zwei Überlegungen stecken hinter CHECKHD:

Die Zugriffszeiten

Unter der Zugriffszeit einer ausgewählten Platte versteht man die Zeit, die die Leseköpfe des Laufwerks brauchen, um zu bestimmten Spuren zu gelangen. Je schneller das geht, desto flotter können Sie mit Ihrer Platte arbeiten.

Die meisten Hersteller geben mindestens die mittlere Zugriffszeit an; das ist die Zeit, die im Mittel für den Zugriff auf eine Spur benötigt wird. Die Hersteller arbeiten dabei oft mit dem Zwei-Drittel-Test; dabei werden die Leseköpfe über eine konstante Strecke hin- und herbewegt, die etwa zwei Drittel der gesamten Plattenoberfläche ausmacht. Eine andere Meßmethode für die mittlere Zugriffszeit läßt den Kopf auf zufällig bestimmte Spuren fahren und berechnet dann einen Durchschnittswert. Beide Varianten wendet CHECKHD an; sie liefern bei den allermeisten Platten ähnliche Ergebnisse.

CHECKHD liefert außerdem die minimale Zugrijfszeit (die Zeit, die beim Wech-sel von Zylinder n auf Zylinder n+1 verstreicht) und eine maximale Zugriffszeit, die Zeit, die vergeht, wenn der Kopf zwischen höchstem und niedrigstem Zylinder hin- und herbewegt wird.

CHECKHD-Ergebnisse

Laufwerk | Host-Adapter/Controller | Kapazität | Cyl, Spt, Hd | zufäll. Wechsel | mittl. Zugriff | Transfer I | Transfer II -------- | -------- | -------- | -------- | Fujitsu M2611S | GE-Soft | 43 MB | 1336, 34, 2 | 23 | 26 | 490 | 657 Fujitsu M2612S | Vortex Datajet | 86.6 MB | 1336, 34, 4 | 245 | 25.3 | 560 | 660 Maxtor LXT213S | Atari | 200 MB | ? | 16.4 | 17.3 | 1090 | 1270 Quantum P40S | MAXON | 40 MB | 834, 28/35. 3 | 23.5 | 22 | 794 | 794 Quantum P105S | ICD | 100.1 MB | 1019, 28/35. 6 | | 26 | 756 | 860 Quantum LPS52 | c’t | 49.9 MB | 1219, 49, 2 | 185 | 19.7 | 883 | 1000 Rodime R03000T | Atari | 200.3 MB | 1216, 41.9 | 187 | 19.2 | 717 | 847 Seagate ST125-0 | protar | 20.5 MB | 407, 26, 4 | 25.5 | 273 | 606 | 755 Seagate ST138N | protar | 30.7 MB | 613, 26, 4 | 30.7 | 29.8 | 606 | 755 Seagate ST157N-1 | ICD protar | 46.3 MB | 613, 26, 6 | 36.5 31.4 | 33.5 30.9 | 655
655 | 764
764 Seagate ST296N | SH204-HA
(interleave 2) | 81 MB | 817, 34, 6 | 31.3 | 323 | 465 | 503 Seagate ST296N | c't (Interleave 1) | 81 MB | 817, 34, 6 | 34.6 | 30 3 | 752 | 1000 Seagate ST1096N | c‘t | 80 MB | 906, 26, 7 | 23.2 | 24.6 | 678 | 775 Seagate ST1201N | Atari | 164 MB | 1068, 36, 9 | 15.2 | 15.5 | 763 | 763 Seagate ST251-1 | SH205 | 40.8 MB | 820, 17, 6 | 30.4 | 30.8 | 437 | 510 Seagate ST277R-1 | Atari | 62.5 MB | 820, 26, 6 | | 35 | 668 | 780 Syquest SQ555 | MAXON | 42.3 MB | 1275, 34, 2 | 35.6 | 25.6 | 456 | 913 Vortex HDplus 31 | OMTI 8251 (nachgerüstet) | 31 MB | 615, 26, 4 | 72.4 | 72.6 | 390 | 445 Vortex HDplus 60 VBIOS 1.11 | Vortex HDplus | 62.3 MB | 613, 26, 8 | 34.5 | 35.1 | 250 | 271

Beim Messen der Zugriffszeiten per CHECKHD entsteht ein kleiner Meß-Overhead. Wenn also der Wert für die mittlere Zugriffszeit um 1 bis 2 ms über der offiziellen Angabe liegt, hat das noch nichts zu bedeuten.

Die mittlere Zugriffszeit hat im täglichen Umgang mit der Platte vor allem Einfluß auf Operationen wie das Anlegen oder Suchen von Dateien. Da bei diesen Operationen die Kosten der Dateiverwaltung unter GEMDOS aber besonders hoch sind, wird sich eine nur halb so große Zugriffszeit sicher nicht in der doppelten Suchgeschwindigkeit niederschlagen. Dies gilt insbesondere für TOS-Versionen vor TOS 1.04.

Nebenbei: Wer eine Platte am ST unter TOS 1.00 oder 1.02 betreibt, ist selbst schuld. Die typischen Plattenoperationen sind ab TOS 1.04 erheblich schneller als in den alten Versionen.

Die Transferrate

Neben den Zugriffszeiten bestimmt die Transferrate einer Platte die Geschwindigkeit im täglichen Gebrauch. Was Transferrate heißt? Dazu gibt es verwirrend viele Definitionen.

Viele Laufwerkshersteller geben als maximale Transferrate utopische „Burst-“ oder „Bustransferraten“ an. Diese Zahlen zeigen, welche maximale Transferrate der Controller einer Platte erreichen könnte, wenn er nie auf die Daten vom Laufwerk warten müßte, der Datentransfer vom Laufwerk zum Controller also unendlich schnell wäre. Mit der Wirklichkeit hat das wenig zu tun.

Andere, seriösere Hersteller geben maximale Bit-Transferraten an. Diese korrespondiert in etwa zur Flußwechseldichte, also zur Anzahl zur Bits auf einer Spur, und bezieht außerdem die Umdrehungsgeschwindigkeit des Laufwerks mit ein. Laufwerke mit 3600 Umdrehungen pro Minute kommen bei MFM-Aufzeichnung beispielsweise auf eine Bit-Transferrate von 625 kB/s, bei RLL-Aufzeichnung auf 937 kB/s.

Aber auch diese Zahlen sind Blendwerk, denn neben den eigentlichen Nutzdaten befinden sich auf einer Spur noch Verwaltungsinformationen; die Nutzdaten belegen meist weniger als 80 Prozent einer Spur. Selbst wenn man dies berücksichtigt, hat man noch nicht alle Eventualitäten erfaßt: Wenn eine Spur komplett gelesen ist, wird auf den nächsten Kopf des aktuellen Zylinders umgeschaltet, um die nächste Spur zu lesen. Dieses Umschalten kostet eventuell Zeit, wodurch Plattenumdrehungen nutzlos verlorengehen können; auch beim Wechsel zwischen zwei Zylindern können zusätzliche Umdrehungen eingelegt werden, während derer keine Daten übertragen werden. CHECKHD versucht, solche Totzeiten zu erfassen. Dazu werden zwei leicht verschiedene Transfertests durchgeführt: Der erste (Transfer /, „mit Zylinderwechsel“) liest mehrfach alle Sektoren eines Zylinders und errechnet aus der dafür benötigten Zeit eine Transferrate. Bei diesem Test geht meistens eine Umdrehung am Ende des Zylinders verloren, weil nicht fix genug vom letzten Sektor des Zylinders auf den ersten umgeschaltet werden kann (Kopfumschaltzeiten). Der zweite Transfertest {Transfer II, „ohne Zylinderwechsel“) versucht, diese Totzeit durch einen kleinen Trick zu eliminieren; dadurch erhält man die maximale Transferrate innerhalb eines Zylinders.

Anders als die Zugriffsgeschwindigkeit schlägt die Transferrate einer Platte bei bestimmten Alltagsoperationen - insbesondere beim Lesen und Schreiben von längeren Dateien - sehr direkt (fast proportional) durch.

Schlanker als vermutet

Nun mag man vielleicht noch einsehen, daß Geschwindigkeitsdaten einer Festplatte von der Meßmethode abhängen und jeder seine eigenen Meßmethoden anwendet. Inzwischen sind allerdings nicht einmal mehr die Kapazitätsangaben von Festplatten vergleichbar. Warum? Zum einen wird oft die Kapazität einer Festplatte im unformatierten Zustand angegeben. Eine solche Information nutzt dem Anwender wenig. Je nach Art der Formatierung werden verschieden große Teile der Plattenkapazität für Verwaltungsdaten verwendet, wodurch man für die Daten letztlich deutlich weniger Platz hat. Glücklicherweise geben alle Laufwerkshersteller neben der Kapazität im unformatierten Zustand auch das Fassungsvermögen im formatierten Zustand an. Trotzdem wird durch diese beiden Angaben gerade bei unerfahrenen Anwendern viel Verwirrung gestiftet.

Tückischer ist für den Anwender die Definition einiger Hersteller für Megabyte. Ich verstehe unter einem Megabyte 1024 Kilobyte und unter einem Kilobyte 1024 Bytes - so werden auch Hauptspeicherkapazitäten in Rechnern angegeben. Über den Sinn dieser nur im Computerbereich bekannten Interpretation von „Mega“ mag man streiten; wichtig ist, daß dies die übliche Interpretation ist. Einige Laufwerkshersteller meinen aber nicht etwa 10241024 = 1048576 Bytes, wenn sie „MB“ sagen, sondern 10001000 = 1000000 Bytes.

So werden beispielsweise aus den 46.3 echten MB, die das Laufwerk Seagate ST157N bietet, in der Herstellerangabe plötzlich 48 MB. In einem dem Autor bekannten Fall ließ sich der Hersteller eines Plattensubsystems für den ST von solchen irreführenden Zahlen blenden und gab seinem Produkt großzügig einen Namen wie Werner Speedy 50 („Ist ja nur ein bißchen aufgerundet.“). Und so werden aus 46.3 MB in der Werbung plötzlich 50 MB, immerhin ein Unterschied von 8 Prozent. Auch Atari übernimmt bei dem Laufwerk ST157N-1, das für den MegaSTE und den TT verwendet wird, die Herstellerangabe von 48 MB. Folgte man diesem Usus auch bei den Hauptspeicherangaben, hieße der TT/8 nicht TT/8, sondern TT/ 8.388...

Tabellarischer Plattenlebenslauf

Nach soviel Theorie seien Sie hiermit in die Praxis entlassen. Der Tabelle 1 können Sie die diskutierten Meßwerte entnehmen.

Die Spurwechselzeiten sind in Millisekunden angegeben, die Transferraten in kB/s. Unter „Cyl, Spt, Hd“ stehen die Anzahl der Zylinder, der Sektoren pro Spur und der Köpfe des jeweiligen Laufwerks.

Für das Laufwerk Seagate ST157N-1 haben wir wegen seiner Verbreitung sehr Viele Meßwerte bekommen; daher habe ich hier die besten und die schlechtesten Ergebnisse bei den Zugriffszeiten angegeben. Es scheint, daß es bei Plattenlaufwerken doch recht deutliche Schwankungen in der Zugriffszeit auch innerhalb eines einzelnen Plattentyps gibt.

Die mittlere Zugriffszeit hat übrigens nichts mit der Wahl des Host-Adapters zu tun. Für die Transferrate gelten andere Gesetze: Bei der ST296N von Seagate beispielsweise ist es wichtig, den richtigen Host-Adapter zu haben. Dieses Laufwerk hat 34 Sektoren pro Spur, aber nur einen internen Sektorpuffer von 4 kB. Damit alle Sektoren einer Spur innerhalb einer Umdrehung gelesen werden können (Interleave 1), muß der Host-Adapter so schnell sein, daß der knappe Sektorpuffer der ST296N nicht überläuft. Schafft er das nicht, legt die ST296N unnütze Warteumdrehungen ein - man kann sich dann nur behelfen, indem man das Laufwerk mit Interleave 2 formatiert, so daß eine Spur innerhalb von zwei Umdrehungen eingelesen wird; dann ist auch der langsamste Host-Adapter schnell genug. Allerdings bedeutet dies, daß sich die Transferrate fast halbiert!

Frommer Wunsch

Ich hoffe, daß Ihnen die Daten bei Ihrer Kaufentscheidung ein wenig weiterhelfen .Trotz unserer B emühungen, CHECK-HD zu verbreiten, haben wir bisher allerdings nur von relativ wenigen Platten typen genaue Daten. Das liegt einerseits daran, daß wir wohl zu wenig die Werbetrommel geschlagen haben, andererseits aber auch daran, daß immer wieder die gleichen Laufwerke in verschiedenen Platten für den ST auftauchen.

Um diesen Service für Sie, die Leser der „ST-Computer“, aufrechterhalten und die Liste erweitern zu können, brauchen wir Ihre Mithilfe. Wenn Sie CHECKHD besitzen und ein Laufwerk betreiben, das nicht in der Tabelle auftaucht, messen Sie dessen Kenndaten und schicken Sie sie an die folgende Adresse:

Claus Brod Am Felsenkeller 2 8772 Marktheidenfeld

Bitte beachten Sie, daß CHECKHD vor der Version 7.0 nicht für Platten der HD-plus-Reihe von Vortex geeignet ist. Eine spezielle Version für Platten, die mittels der c’t-Billiglösung an den ST angeschlossen sind, ist über den Autor zu erhalten. Ein Leser des SCHEIBENKLEISTERS, Walter Marquardt, hat sich bei der Anpassung von CHECKHD für solche Gespanne gehörig mit Ruhm bekleckert.

Wenn genügend neue Daten einlaufen, werden wir von Zeit zu Zeit weitere Übersichten veröffentlichen. Damit möglichst viele Anwender und nicht nur die Leser des SCHEIBENKLEISTERS an CHECKHD herankommen, werden aktuelle Versionen in der PD-Sammlung der „ST-Computer“ erscheinen (neueste Version auf ST-PD 454). Außerdem ist CHECKHD in einigen Mailboxen zu haben, unter anderem im Mausnetz und auf ftp-Servern des Internet.

Literatur:

[1] Brod, Stepper: SCHEIBENKLEISTER II, MAXON Computer, Eschborn 1991
[2] Brod: „Reichlich vermessen“, ST-Computer 6/89, S. 52ff


Claus Brod
Aus: ST-Computer 11 / 1991, Seite 152

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