Trendsetter: CRANACH Studio, der Bildermacher aus Regensburg

Der Trend in der digitalen Bildbearbeitung auf Atari-Rechnern geht zur Zeit zielstrebig in Richtung Farbe. Jegliche Speicherplatz- und Geschwindigkeitsprobleme ignorierend, bemühen sich immer mehr Programme, Farbe in die bisher graue Atari-DTP-Welt zu bringen. Mit den umfangreichen Mitteln der elektronischen Bildverarbeitung verwischen diese Programme immer mehr die Grenze zwischen Grafik und Fotografie und erweitern diese Bereiche um neue Ausdrucksmöglichkeiten. Der Kampf um die Krone unter den EBV-Programmen hat begonnen, und die Regensburger Software-Schmiede tms hat mit ihrem CRANACH Studio ein sehr heißes Eisen im Feuer.

Für den folgenden Test stand mir die CRANACH Studio-Version mit Vektormodul, im folgenden kurz ‘CRANACH Studio V’ genannt, zur Verfügung. Wie bei immer mehr Software-Produkten, wird nun auch bei tms-Programmen Modularität groß geschrieben. Je nach Bedarf lassen sich diverse Module in CRANACH Studio V einklinken. Neben dem Vektormodul sind das z.B. Farbpalettenmodule, Calamus-Ausgabetreibermodule, Calamus-Font-Lademodule usw. Der Eindruck, der hierbei entsteht, wurde auch auf der diesjährigen Atari-Messe bestätigt: Die beiden Software-Firmen DMC und tms haben sich zur einer Kooperation entschlossen. Ein begrüßenswerter Schritt, der Schule machen sollte.

Einer für alle...

Das Zusammenfließen des Know-Hows beider Unternehmen soll die Entwicklungszeiten für neue Software-Projekte wesentlich verkürzen. Erste Früchte dieser Zusammenarbeit: CRANACH Studio V ist in der Lage, mit sämtlichen Calamus-Ausgabetreibern Daten auszugeben, neben Druckern so also auch Belichter anzusteuern. Da die Calamus-Anwender die Rasterqualitäten ihres Publishers kennen, entfallen somit aufwendige Tests mit neuen Rastern, Rasterformen oder -weiten; denn CRANACH Studio V benutzt dieselben Raster wie Calamus SL. Hieraus ergibt sich für den Anwender neben einer Zeit- auch eine nicht zu unterschätzende Kostenersparnis. Fernerlassen sich alle ab September ausgelieferten tms-Programme direkt von Calamus SL als externe Programme aufrufen. Somit ist nicht mehr der umständliche Wechsel zwischen Calamus und tms-Programmen nötig. Außerdem einigten sich tms und DMC darauf, bei zukünftigen Software-Entwicklungen für gleiche Funktionen gleiche Icons und Symbole zu verwenden. Na denn...

Zum Lieferumfang von CRANACH Studio V gehören neben 10(!) Disketten, die zum größten Teil Bildbeispiele enthalten, zwei dicke DIN A5-Ringbuchordner im stabilen schwarzen Schuber. Deren 740 Seiten schrecken zunächst einmal vom Lesen ab; hat man sich dann jedoch überwunden, erfährt man außer über das Programm - dessen Funktionen detailliert erläutert werden - viel Wissenswertes über die diversen Bildformate sowie über die Bilddatenein- und ausgabe. Ein Teil des Handbuches widmet sich ausführlich dem Vektorteil des Programms und leistet als Tutorial wertvolle Hilfe beim Einstieg in die Vektorverarbeitung von CRANACH Studio V.

Bild 1: Die sparsam ausgestatteten Pull-Down-Menüs

Das Programm

Getreu dem tms-Motto ‘Möglichst ein einziges Programm für möglichst viele Fälle der Bildverarbeitung’ wurde CRANACH Studio V sehr reichhaltig mit über 250 Funktionen ausgestattet. Einmal auf Bilddaten ‘losgelassen’, erweist sich das Programm als wahrer Speicherfresser; ein sinnvolles Arbeiten mit CRANACH Studio V ist erst ab einem Arbeitsspeicher von 4 MByte möglich. Optimale Voraussetzungen bietet natürlich der Atari TT; nicht nur wegen des größeren Arbeitsspeichers und der deutlich höheren Geschwindigkeit, sondern auch wegen der TT-eigenen Möglichkeiten der Farbdarstellung. Wem diese nicht ausreichen, tut gut daran, eine Grafikkarte zu installieren. Da sich CRANACH Studio V am GEM-Reglement orientiert, verträgt es sich mit allen auf dem Markt erhältlichen Karten. Aufgrund des enormen Speicherplatzbedarfes, den Farbbilder einnehmen können, bietet CRANACH Studio V die Möglichkeit der virtuellen Speicherverwaltung. Hierbei werden die Bilddaten, die nicht mehr in den Arbeitsspeicher des Rechners passen, auf Festplatte ausgelagert und nur der Teil des Bildes im Arbeitsspeicher gehalten, der momentan bearbeitet wird. Daß hierbei für ein einigermaßen flüssiges Arbeiten eine möglichst schnelle und große Festplatte erforderlich ist, versteht sich von selbst, tms bereichert den Markt um ein weiteres Grafikformat: das ‘Enhanced Simplex-Format’, kurz ESM. Hierbei handelt es sich um das Hausformat von tms. Es speichert sowohl reine Bitmaps als auch Graustufen- und Farbbilder samt Masken und Farbtabellen. Dieses Format läßt sich auch problemlos in den neuen Calamus SL einlesen. Neben verschiedenen TIF-Formaten lädt und speichert CRANACH Studio V die wuchtigsten auf dem ST gebräuchlichen Grafikformate.

Auf geht’s...

Nun aber zu unserem kleinen Projekt, bei welchem viele Funktionen von CRANACH Studio V zur Anwendung kommen werden. Das Endresultat sollte folgendermaßen ausschauen: Über zwei Bildern mit einem Löwenkopf liegt eine Brille, durch deren Gläser die zwei Bilder scharf erscheinen; der Rest ist unscharf. Den Hintergrund soll ein linearer Verlauf bilden, auf den abschließend noch eine Textzeile plaziert wird. Zuerst sind die erforderlichen Scans anzufertigen. Hierzu ist es erforderlich, daß sich der entsprechende GDPS-Scanner-Treiber im Rechnerspeicher befindet. Das von tms entwickelte GDPS-Konzept (‘Graphic-Driver-Programming-Service’) ermöglicht die Ansteuerung verschiedenster Ein- und Ausgabegeräte von jedem Programm heraus, das dieses Treiberkonzept unterstützt. GDPS-Programme liegen prinzipiell als Accessory vor und haben eine eigene Oberfläche; so lassen sie sich bequem aus der aktuellen Applikation heraus aufrufen. tms bietet bereits diverse GDPS-Treiber für Einheiten zur Bilddatenerfassung an. Hierzu gehören z.B. neben Scannern von Opto-Tech, Epson und Panasonic auch die Trommelscanner von Crossfield und Hell, letztgenannte für den absoluten Profibereich.

Cranach Studio separiertes Bild
Bild 2: Für jede der über 200 Funktionen ist auf den 15 Modulblöcken 1 Icon vorhanden.
Bild 3: Dem Datenaustausch mit anderen Programmen steht nichts im Weg.

Die Bilddatenausgabe erfolgt ebenfalls über entsprechende GDPS -Treiber auf alle gängigen Laserdrucker, Farbthermotransfer- und Farbsublimationsdrucker sowie auf Belichter (Linotronic, Compugraphic, DMC-Ultre) bis hin zu Trommelbelichtern der Firmen Crossfield und Hell.

Für die Scans steht mir ein Epson GT6000 zur Verfügung, der einen sogenannten PreScan unterstützt: Hierbei wird die Seite zuerst grob gescannt und eine verkleinerte Bitmap der Seite angelegt. Auf dieser wird dann in einem ‘Zweitdurchlauf ’ der zu scannende Bereich mit einem Rahmen definiert. Dieses Feature wird man schnell zu schätzen wissen, muß man doch so den zu scannenden Bereich nicht ‘blind’ festlegen bzw. die ganze A4-Seite in hoher Qualität einscannen.

Ich bestimme also den gewünschten Ausschnitt (in diesem Falle den Kopf eines Löwen) und scanne das Farbfoto ein. Auch wenn die Vorlage ein Schwarzweißfoto wäre und das Endresultat ein Schwarzweißbild sein würde, sollte ein Foto generell im Farbmodus gescannt und ‘offiziell’ auch als Farbbild weiterverarbeitet werden. Dies hat seinen guten Grund, hat doch ein Farbbild mit über 16 Millionen Farbtönen im Vergleich zu einem Grautonbild mit256 Graustufen eine um das 65536fach feinere Abstufung. Aufgrund dieses bedeutend größeren Informationsgehaltes ist es daher durchaus sinnvoll, nach Möglichkeit im Farbbildmodus zu arbeiten und -falls am Ende ein SW-Bild gewünscht ist, am Ende das Farbbild in ein Grautonbild zu wandeln. Im Wandeln von Bildformaten ist CRANACH Studio V übrigens ein wahres Multitalent: es konvertiert vom Vektor- bis zum Farbbild sämtliche Bildarten untereinander.

Kontrastprogramm

Das gescannte Bild ist ein wenig kontrastarm; daher regele ich mit zwei Schiebereglern Kontrast und Helligkeit des Bildes nach. Auch die Farben bedürfen einer Nachbehandlung, welche ich im CLUT-Menü vornehme (CLUT = Color-Look-Up-Table = Farben-Nachschau-Tabelle). Dieses bietet umfangreiche Möglichkeiten zur Manipulation sämtlicher im Bild enthaltenen Färb- und Grauwerte. Mit ein wenig Geschick lassen sich mit den CLUT-Funktionen durch Verändern der Bildintensitäten Bilder minderer Qualität noch in brauchbares Material umwandeln. Gesagt, getan. Mit den entsprechenden Icons zur Manipulation des Histogramms (Histogramm = grafische Darstellung der im Bild enthaltenen Grauwerte) wird der Scan noch weiter optimiert.

Auf dem Bildschirm sieht das Bild nun schon recht ansehnlich aus .Doch der Bildschirmeindruck entspricht in den seltensten Fällen exakt dem späteren Druckergebnis (z.B. durch unreine Druckfarben). Ferner arbeitet ein Monitor nach der additiven Farbmischung, ein Farbdruck nach der subtraktiven UND optischen Mischung; dieses geht auf dem Monitor schon rein physikalisch nicht. Um zumindest annähernd einen Eindruck des gedruckten Bildes zu erhalten, lassen sich in CRANACH Studio V durch Eingabe von Erfahrungswerten in der CLUT Korrekturkurven für das geplante Ausgabemedium erstellen. Mit deren Hilfe kann dann das Bild alternativ geeicht für den Bildschirm oder für den Drucker angezeigt und bearbeitet werden. Da mir jedoch solche Erfahrungswerte (noch) nicht zur Verfügung stehen, muß ich mich dieses Mal noch auf die Bildschirmdarstellung verlassen.

Bild 4: Der Bitmap-Filter entfernt vor der Vektorisierung störende Punkte.

Vom Pixel zum Vektor

Die Strichzeichnung einer Brille dient als Vorlage für den zweiten Scan. Da ich hiervon eine Vektorgrafik erzeugen möchte, erfolgt der zweite Scan im Strich-Modus. Resultat dieses Scans ist ein Bitmap-Grafik. Doch bevor es an die automatische Vektorisierung geht, sind noch ein paar Optimierungen an dem Scan vorzunehmen. Klar: Je besser die Bitmap-Vorlage, desto exakter und unproblematischer die Vektorisierung. Die gescannte Brille ist an vielen Stellen ausgefranst und fleckig; ein gefundenes Fressen für CRANACHs Filterfunktionen. Nach Einstellen der Parameter und anschließendem Filtern sind die störenden Flecken verschwunden, und auch die Umrisse der Brille sind nun ansehnlicher. Für die nun folgende Vektorisierung der Brille stehen mir drei verschiedene Möglichkeiten zur Auswahl, die je nach gewünschtem Resultat Anwendung finden. So dient die sogenannte Rasterzeilenvektorisierung dazu, ein Rasterbild zu vektorisieren. Da diese Funktion jedoch nur sehr selten sinnvoll einzusetzen ist, werde ich hierauf nicht näher eingehen.

Die Linienvektorisierung findet immer dann Anwendung, wenn die Umrisse von Objekten oder der Verlauf von Linien von Interesse sind, wie z.B. für die Aufbereitung eingescannter Schaltpläne und deren Ausgabe auf Pen-Plottern. Ich entschließe mich für die letzte Art der Raster-Vektor-Konvertierung, die Flächenvektorisierung. Diese hat ihr Einsatzgebiet bei Schriften, Logos und Zeichnungen, die keine Schraffuren oder gerasterte Bereiche enthalten und ist u.a. auch für die Ausgabe auf Schneideplottem geeignet. Nachdem die Linien-Vektorisierung abgeschlossen ist, optimiere ich die einzelnen Objekte mit unterschiedlichen Parametern. Hierbei werden Linien zusammengefaßt und - soweit sinnvoll - auf Kurven optimiert. Sowohl Linien als auch Bézierkurven erkennt CRANACH Studio V sicher und schnell; die Undo-Funktion erlaubt es, die Vektorisierung einzelner Objekte schnell mit verschiedenen Parametern durchzuspielen. Wem dieser Weg zu umständlich ist, der kann seine Rastergrafik auch vollautomatisch vektorisieren und optimieren lassen. Die Ergebnisse hierbei sind meist vollkommen ausreichend.

Danach ist noch ein wenig Feinarbeit erforderlich. Hierzu stelle ich die Original-Bitmap-Grafik hellgrau in den Hintergrund und korrigiere die Vektorgrafik mittels eines winzigen Pop-Up-Menüs. Dieses stellt leider nur die notwendigsten Edierfunktionen zur Verfügung. Z.B. können Punkte verschoben, gelöscht oder eingefügt werden, Bézier-Kurven in Geraden und umgekehrt gewandelt sowie Pfade aufgetrennt werden. Dieses Pop-Up-Prinzip hätte übrigens auch den Rasterbild-Modulen gut zu Gesicht gestanden, um die Icon-Flut auf ein erträgliches Maß zu reduzieren.

Bild 5: Zugriff auf 16,7 Millionen Farben

Um die fertige Brille in das Endbild einmontieren zu können, wandle ich sie in ein Farbbild. Hierbei erzeugt mir CRANACH Studio V auf Wunsch automatisch eine entsprechende Maske, um ein deckendes Einfügen in das Endbild zu erleichtern.

Übrigens: CRANACH Studio V ist in der Lage, mittels der meines Wissens einzigartigen Funktion, Farbeindrücke zur Maskierung heranzuziehen, auch nuancenreiche Farbflächen auf schnelle Art zu maskieren und so vor Manipulationen zu schützen..

Das Vektormodul bietet weiterhin die Möglichkeit, jede Vektorgrafik in ein Farb- oder Grautonbild oder in eine Bitmap-Grafik zu konvertieren, die dann in entsprechende Bilder eingearbeitet werden können. Überhaupt läßt sich jede Bitmap-Grafik als Maske benutzen. Durch die Wandlung eines Vektorbildes in eine Bitmap kann z.B. auch Text, der in einem Vektorgrafik-Programm erstellt wurde, in CRANACH Studio V im GEM-oder CVG-Format importiert und als Headlines in Farb- oder Graustufenbilder einmontiert werden.

Gesagt, getan: Der Headline-Text sowie die Buchstaben L und K für das Wort ‘Look’ liegen bereits im CVG-Format vor. Sie werden importiert, mit Farb- und Linienattributen versehen und in ein Farbbild gewandelt. Nicht unerwähnt sollte die Funktion ‘Optimiertes Freihandzeichnen’ bleiben: Wie bei einem ‘Pixel-Programm’ zeichnet man mit dem Stift beliebige geschwungene oder gerade Linien, die bei Beendigung der Funktion automatisch in optimierte Bézierkurven umgewandelt werden.

Jetzt fehlt eigentlich nur hoch der Verlauf, den ich für den Hintergrund vorgesehen habe. Im Fenster-Modul öffne ich mir hierfür ein neues Fenster und wechsele ins Modul ‘Grafische Elemente’. Hier habe ich die Möglichkeit, lineare Verläufe in beliebigen Richtungen sowie diverse Kreisverläufe zu erzeugen. Nach Auswahl der Start- und Endfarbe lege ich die Verlaufsrichtung fest. Eigentlich hatte ich vor, den Verlauf exponentiell ansteigen zu lassen. Nach ein paar erfolglosen Versuchen, die Kurve für den Verlauf mit der Hand neu zu definieren, gebe ich dieses Unterfangen jedoch auf; denn schon kleine Stufen in der Verlaufskurve machen sich störend bemerkbar. Wie schön wäre hier eine Bézier-Funktionen, mittels der man die Verlaufskurve komfortabel edieren könnte. Letztendlich steht einem zwar noch die Möglichkeit offen, die Daten der Verlaufskurve mit einem Texteditor zu edieren; jedoch erscheint mir dieser Weg für meinen Zweck als zu aufwendig.

So, nun aber zur Montage der einzelnen Bildelemente. Hierzu definiere ich in dem ‘Löwen-Scan’ mit einem rechteckigen Lasso den Bildbereich, den ich in das Endbild einmontieren möchte. Neben weiteren geometrischen Lassoformen wie Kreis- und Polygonlasso lassen sich Bildbereiche auch durch ein freies Lasso ‘einfangen’. Dessen 4.000 mögliche Stützpunkte sind auch für die genaue Definition von unregelmäßigen Strukturen ausreichend, zumal man insgesamt 6 Lassos zur Verfügung hat. Leider kann man einmal erstellte Lassos zwar in ihrer Gesamtform, nicht jedoch an ihren Stützpunkten ändern. Hier würde es sich anbieten, Vektorpfade als Lassos zu verwenden, also eine Schnittstelle zwischen Lasso- und Vektorteil herzustellen. Diese Funktion wäre bei der Programmversion ohne Vektorteil dann eben gesperrt. Aktive Lassos können mit dem Anzeige-Icon sichtbar gemacht werden; jedoch nur bei gedrückter linker Maustaste. Warum hat man dieses Icon nicht als Schalter konzipiert, der auf Wunsch ständig über die Lage der Lassos informiert? Man kann sich zwar auch aus anderen Modulen heraus über die Lage aktiver Lassos informieren, indem man mit der rechten Maustaste auf das Lassomodul-Icon klickt; jedoch leider auch hier nur bei gedrückter Maustaste.

Bild 6: Diverse Möglichkeiten, Kreisverläufe zu erzeugen
Bild 9: Mit dieser Dialogbox lassen sich die Bilder beliebig skalieren.
Bild 7: Bei der Farbseparation gestattet CRANACH Studio V die manuelle Änderung diverser Parameter.
Bild 8: „Übersichtlich...“, das Pop-Up-Menü des Vektor-Editors

Auf Montage...

Nun wechsle ich in das Verlaufsbild und lege das ‘Löwenbild’ als Quellbild fest. Sofort erscheint das in diesem Bild definierte Lasso, welches ich an die gewünschte Position schiebe und in seiner Größe proportional so ändere, daß es wie geplant auf dem Verlauf steht. Bevor ich das Kommando zum Einfügen gebe, sichere ich mir den Verlauf durch Druck auf die Help-Taste in einen Zwischenspeicher, um bei Bedarf einen UNDO-Befehl geben zu können. Aber alles klappt zufriedenstellend, so daß ich mit dem zweiten Löwenkopf genauso verfahre. Um nun die Brille über den beiden Löwenköpfen zu plazieren, definiere ich zunächst die Hintergrundfarbe der Brille als Blindfarbe, welche beim nun folgenden Einkopieren ignoriert wird.

Nun markiere ich mit einem freien Lasso die Brille, die ja später scharf erscheinen soll. Der anschließende Befehl zum Setzen der Maske bleibt jedoch anscheinend ohne Wirkung; es ist keine Maske zu sehen. Ich springe aus dem Masken- ins Retusche-Modul, um zu überprüfen, ob der Arbeitsbereich auf Maskenebene geschaltet ist. Ein weiterer Sprung - diesmal in das Anzeige-Modul - bringt die Lösung: die Maskendarstellung war noch gar nicht eingeschaltet. Peinlich..., aber dennoch vermeidbar: hätten die Programmierer nämlich sämtliche Maskenfunktionen - und dazu gehört meiner Meinung nach auch das Ein- und Ausschalten der Maskendarstellung - in das Maskenmodul gesteckt, wäre es bestimmt nicht zu diesem Rätselraten gekommen.

Hier offenbart sich auch das Problem von CRANACH Studio V: das Programm steht sich häufig selbst im Weg. tms hat es bisher noch nicht geschafft, die enorme Funktionsvielfalt des Programms so nach ergonomischen Gesichtspunkten auf die einzelnen Module zu verteilen, daß ein Springen zwischen diesen auf ein Minimum reduziert wird. Jedoch wurde mir auf der Atari-Messe glaubhaft versichert, daß an genau diesem Problem momentan fieberhaft gearbeitet wird. Doch genug gemeckert. Die Maske ist nun fertig und bedeckt die gesamte Brille. Dem Rest des Bildes möchte ich nun die Schärfe nehmen. Die Funktion hierzu findet sich im Filter-Modul. Filter gehören zu den mächtigsten Werkzeugen in der elektronischen Bildverarbeitung; letztendlich hängt es von den geforderten Aufgabenstellungen ab, welcher der diversen Filter zum Einsatz kommt. Nun bearbeite ich das Bild mit dem Unschärfe-Filter. Genauso ließen sich natürlich auch Bildbereiche schärfen, wodurch z.B. schlecht erkennbare Details besser sichtbar würden.

Sollte tatsächlich einmal nicht der benötigte Filter vorhanden sein, lassen sich für spezielle Anforderungen - z.B. im naturwissenschaftlich-technischen Bereich - auch eigene Filtermatrizen definieren; hierzu sind natürlich umfassende Kenntnisse über die Prinzipien des digitalen Filtems notwendig.

Nach exakt demselben Schema wie vorhin die Brille werden nun auch die Textzeile sowie die Buchstaben ‘L’ und ‘K’ in das Endbild einmontiert. Um kleine Ungenauigkeiten in meiner Collage zu beseitigen, bediene ich mich der diversen Mal- und Retusche-Werkzeuge, welche CRANACH Studio V zur Verfügung stellt, wie z.B. Finger und Wasser. Hier hat sich jedoch noch ein kleiner Fehler versteckt: durch Drücken der rechten Maustaste wird eine neue Zeichenfarbe aufgenommen. Eigentlich sehr praktisch; hat man aber durch Drücken der Alternate-Taste dem Programm angekündigt, daß man eine Linie zeichnen möchte, diese Funktion dann jedoch mittels der rechten Maustaste wieder abgebrochen, bewirkt dieser Mausklick außer dem Abbruch der Funktion auch gleich das Aufnehmen einer neuer Farbe. Hier hätten die Programmierer mehr Sorgfalt walten lassen sollen und eine neue Farbwahl erst nach erneutem Betätigen der rechten Maustaste zulassen sollen. So ist man jedoch gezwungen, den Mausklick über der Menüleiste auszuführen, um eine Änderung der Malfarbe zu vermeiden.

So, endlich ist es geschafft! Für die Ausgabe des Bildes entscheide ich mich für den Import der Grafik in den Calamus SL, welches durch das ESM-Format problemlos möglich ist. Jedoch bestehen für den erfahrenen EBVler auch umfangreiche Möglichkeiten, die Farbseparation in CRANACH Studio V selbst vorzunehmen. Dreifarb- und Vierfarbseparation sind für CRANACH Studio V kein Problem; bei aktivem ‘4er-Serie-Button’ erzeugt das Programm - genügend freie Fenster und freien Speicherplatz vorausgesetzt - auf Wunsch automatisch die Farbauszüge. Als TIF-Dateien gespeichert, lassen sich diese beim Belichtungsservice rastern und belichten. Da CRANACH Studio V über spezielle Druckertreiber auch Diabelichter ansteuern kann, steht auch einer konventionellen Litho vom Dia nichts im Wege.

Beim Drucken ist übrigens erwähnenswert, daß mit den meisten Druckern ein Posterdruck möglich ist. Übergroße Bilder werden hierbei in mehrere Teile aufgeteilt; die minimalen Druckränder der jeweiligen Drucker werden hierbei berücksichtigt, so daß die Einzelteile später exakt aneinander passen. In Verbindung mit einem Farbdrucker wie z.B. dem Spectra-Star lassen sich auf diese Weise Präsentationen von Plakaten kostengünstig realisieren.

Cranach Studio separiertes Bild
Bild 10: Die Arbeitsfläche von CRANACH Studio V

Übrigens...

Die Daten für den zweiten Farb-Scan in diesem Test wurden auf einem Crossfield-Trommel-Scanner eingelesen. Danach wurden die reinen Scan-Daten im Atari TT mit CRANACH Studio V bearbeitet und anschließend auf einem Trommelbelichter desselben Herstellers wieder ausgegeben; dies konnte bisher weder der MAC- noch der PC-Markt und dürfte in der DTP-Welt eine absolute Neuheit sein! Da sich natürlich kaum ein Anwender einen Trommel-Scanner für eine halbe Million Mark leisten kann, wird tms in naher Zukunft einen Scan-Service auf Crossfield-Scannern anbieten. Der Anwender schickt hierzu dann die Vorlage und ein Wechselplattenmedium an tms und erhält das gescannte Bild zurück.

Fazit

Als Pionieren in Sachen Farbbildbearbeitung auf dem ST ist dem Team von tms mit ihrem CRANACH Studio V sicherlich ein großer Wurf gelungen. Das Programm läuft sehr stabil, und fast sämtliche Funktionen arbeiten zuverlässig. Die im Bericht erwähnten Unstimmigkeiten in der Benutzerführung und die kleinen Fehler trüben die Freude an der Arbeit mit diesem Programm nicht, zumal tms bereits an deren Beseitigung arbeitet. Der Preis von 1990,-DM für die CRANACH Studio V-Version mit Vektormodul (ohne Vektormodul 1498,-) ist nicht zu hoch angesetzt, zumal lobend erwähnt werden sollte, daß bereits diverese Ein- und Ausgabetreiber im Lieferumfang enthalten sind. CRANACH Studio V kann bereits in der jetzigen Version jedem experimentierfreudigen EBV-ler ans Herz gelegt werden. Die bisher noch nicht dagewesene Funktionsvielfalt sowie die Kombination von Bildretusche und Vektorverarbeitung bilden ein nur schwer zu schlagendes Gespann.

Bezugsquelle:

tms GmbH
Dr.-Gessler-Str. 16
W-8400 Regensburg


Matthias Ficht
Aus: ST-Computer 11 / 1991, Seite 28

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