Mit Clip klappt's: Die Festplatte für den Gürtel

Die Kapazitäten von Speichermedien haben in den letzten Jahren einen geradezu explosionsartigen Anstieg erfahren. Wer hat die gute alte 8"-Diskette nicht gekannt? Waren die ersten Festplatten (Winchester-Laufwerke) mit 2 oder 5 Megabyte Kapazität im 5 1/4"-Format (volle Bauhöhe) nicht eine unsagbare Sensation? Zur CeBIT '91 stellten einige Festplattenhersteller erstmals Hard-Disk-Laufwerke mit über 500 Megabyte im 3 1/2"-Format vor. Daneben wurden aber auch Festplatten im noch kleineren 2 1/2" Format gezeigt. Kaum größer als eine Zigarettenschachtel und doch eine vollwertige SCSI-Festplatte mit 20 oder 40 Megabyte Kapazität.

Nun sind die ersten anschlußfertigen Laufwerke in diesem Format im Handel. Auf der diesjährigen Atari-Messe konnte man sie erstmalig in Aktion bewundern. Sie kommen, wie zu erwarten war, aus dem „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“, den USA. Unter dem hübschen Namen „Clipper“ kann man einen dieser Winzlinge erstehen.

Vor dem eigentlichen Hardware-Test haben wir diversen Leuten, unter anderem auch Mitarbeitern unserer Redaktion, das Gerät gezeigt und sie raten lassen, was es denn wohl darstelle. Walkman?, Pocket-TV? Transistorradio?, Akkusatz für eine Videokamera? So lauteten die Antworten aus von Rätselfalten durchzogenen Gesichtern. Kaum einer kam auf den Gedanken, daß es sich hierbei um eine SCSI-Festplatte handeln könne. Wozu sollte der Gürtel-Clip da sein? Nun dieses Feature ist sicher typisch amerikanisch. Die Entwickler sind wohl davon ausgegangen, daß der erfolgreiche Yuppie abends nach getaner Arbeit sicher nichts anderes zu tun hat, als sich sein Tagewerk an den Gürtel zu „clippen“, um dann flott nach Hause (oder zu seinem Ferrari auf dem Parkplatz) zu joggen. Nein, mal im Ernst, der Gürtel-Clip ist sicher mehr ein Gag als ein unverzichtbares und verkaufsförderndes Argument. Um so erstaunlicher sind die Leistungen, die das kleine Gerät aufzubringen vermag.

Konkurrenz zur Wechselplatte?

Die Anschlußmöglichkeiten belaufen sich auf einen (durchgeschleiften) 25poligen Sub-D-Stecker, an dem die SCSI-Signale anliegen und eine (tatsächlich vom Walkman abgeschaute) Mini-Buchse für die Stromversorgung. Der Clipper braucht lediglich 5 Volt und hat eine Leistungsaufnahme von satten 2 Watt. Rein rechnerisch ergibt das einen Stromverbrauch von 400mA im Betrieb. Damit dürfte sogar Batterieversorgung denkbar sein. Diese günstigen Werte machen den Clipper sicherlich zu einer ernstzunehmenden Konkurrenz für Wechselplatten. Die Abmessungen unterbieten diejenigen eines Wechselplattenmediums deutlich, aber was das Wichtigste ist, man kann mit dem Clipper auch Daten zwischen Systemen austauschen, ohne daß diese mit einem speziellen Wechselplattenlaufwerk ausgerüstet sein müssen. Einfach anstecken, und los geht's!

Der Gnom kann direkt an den TT angesteckt werden.

Leider „nur“ SCSI

Doch nun zum ersten Dämpfer dieser Euphorie. Der Clipper verfügt „nur“ über einen SCSI-Anschluß. Dadurch ist er momentan lediglich am TT direkt anschließbar, da dieser zur Zeit der einzige Atari-Computer ist, der serienmäßig über einen SCSI-Port verfügt und auch den richtigen Schnittstellenstecker eingebaut hat. Hier braucht der Clipper also tatsächlich nur eingesteckt zu werden und ist sodann als SCSI-Gerät vom TT ansprechbar. Allerdings läßt sich der Clipper auch an bestimmten externen Festplattensystemen betreiben, die zusätzlich zum Atari-DMA-Anschluß auch einen SCSI-Port zur Verfügung stellen. Die Umsetzung der SCSI-Signale nach ACSI(Atari-Computer-System-Interface) übernimmt dann der Host-Adapter des Fremd-Festplattensystems. Damit stände der Clipper auch allen ST-Computern zur Verfügung. Durch einen kleinen Drehschalter im Gehäuse kann von außen, also ohne das Gerät zu öffnen, die SCSI-Adresse eingestellt werden. Da der SCSI-Port des Clippers durchgeschleift ist, können noch weitere SCSI-Geräte angeschlossen werden, theoretisch könnten sogar bis zu 8 Clipper hintereinander gesteckt werden. Inwieweit das sinnvoll ist, erschein fraglich, aber allein der Gedanke daran reizt zumindest zu einem Schmunzeln.

Der harte Praxistest

Im Praxisbetrieb erweist sich der Clipper als das, was man von einer SCSI-Festplatte erwartet. Schnelle und sichere Datenübertragung. Wir konnten unser 20-Megabyte-Testgerät ohne Probleme mit dem HDX-4.01-Programm von Atari formatieren und partitionieren. Das Testprogramm RATEHD von ICD gibt Aufschluß über das verwendete Laufwerk (Conner CP2020), die Transferrate und die mittlere Zugriffszeit. Wie man unschwer erkennen kann, braucht der Zwerg den Vergleich mit der internen TT-Festplatte (Seagate ST-157N) in keiner Weise zu scheuen. Auch harter Dauerbetrieb als virtueller Speicher (Outside) und große Kopieraktionen lassen Clipper förmlich kalt. Laut Dokumentation kann das verwendete Conner-Laufwerk zudem Beschleunigungskräfte bis 110g (hundertzehnfache Erdbeschleunigung) ohne Headcrash verkraften. Um diesen Wert zu erreichen, müßte man schon mit dem Clipper Tennis spielen. Die Sicherheit der Daten ist also durchaus gewährleistet.

Wenn Sie jetzt ernsthaft mit dem Clipper liebäugeln, dürfte allerdings die Sicherheit Ihres Bankkontos nicht mehr so ganz gewährleistet sein. Der Gnom ist nämlich leider noch sehr teuer. 1300,- DM muß man für die 20-Megabyte-Version berappen, der 40-Megabyte-Clipper schlägt gar mit ca. 1600,- DM zu Buche. Wenn man bedenkt, daß man dafür auch eine 100-Megabyte-SCSI-Platte im 3 1/2"-Format bekommen kann, erscheint der Preis extrem hoch. Aber High-Tech bzw. High-End hat schon immer seinen Preis gehabt. Wer Besonderes verlangt, muß auch bereit sein. Besonderes dafür zu zahlen. Geht man aber von der allgemeinen Preisentwicklung auf dem Computermarkt aus, wird auch der Clipper sicher bald zu erschwinglicheren Preisen erstehbar sein.

Bezugsadresse:

HG-ComputerSysteme Krugenofen 88-90 5100 Aachen

RATE HD zeigt deutlich die Fähigkeiten des Clipper

Im Clipper verrichtet ein winziges Conner-SCSI-Laufwerk im 2.5 "-Format seinen Dienst.


Christian Möller
Aus: ST-Computer 10 / 1991, Seite 20

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