Reinhold Seitl
Calamus-Praxis
Wien, 1990
155 Seiten
DM 775,-
Eigentlich hätte Desktop Publishing DER Zukunftsmarkt für den Atari ST werden sollen, Ideen gab es genug, und die Hardware ist hervorragend dazu in der Lage. Was fehlte, war immer der Anwendungsbezug, denn der unbedarfte DTP-Neuling wurde mit seiner Hard- und Software-Ausstattung regelmäßig im Regen stehen gelassen.
Diesen Mißstand haben einige Insider schnell erkannt und reagierten mehr oder weniger effektiv. Es sei kurz an diverse Druckwerke deutscher Verlage erinnert, die im Grunde nur das Originalhandbuch rezitierten. Es gibt aber auch lobenswerte Beispiele, die versuchten, das Anwendungsloch zwischen Idee und Wirklichkeit sinnvoll zu schließen. Dazu möchte ich ein Druckstück zählen, das uns in den letzten Wochen aus Österreich vorgelegt wurde: Calamus-Praxis, ein Lehrbuch für grafische Anwendungen in 12 Teilen.
Wie der Untertitel schon aussagt, ist das Werk in 12 eigenständige Kapitel unterteilt. Sehr oft wird auch von einem „Lehrgang“ in 12 Kapiteln geschrieben. Zunächst wird das Werkzeug von DTP. also Hard-und Software (Atari ST und CALAMUS), kurz vorgestellt, aber schon nach 5 Seiten ist man „in medias res", also mitten in der Konstruktion eines Briefkopfes. Da werden auch gleich wichtige theoretische Grundlagen vermittelt wie: Check-Liste zum Programmstart, Vorbereitung des Entwurfes und Rohskizze auf dem Papier.
Lektion 2 steigt voll in das Setzerwissen ein und zeigt, was bei den unterschiedlichen Schrifttypen und -größen zu beachten ist. Gleichzeitig sind auch hierzu fertige Beispiele zu sehen. Das nächste Kapitel beschäftigt sich ausführlich mit der Typografie, also mit der ganzseitigen Ausgestaltung einer Idee. Wie muß der Text im Seitenaufbau angeordnet sein, gestalten wir mehrspaltig und evtl, auch im Blocksatz? Sehr schön unterscheidet der Autor die verschiedenen Fälle und zeigt, welche Gestaltung wofür sinnvoll oder unschön wirkt. Dann geht der rote Faden weiter zu Satzspiegel, Textumbruch auf mehrere Seiten. Rahmenkonstruktion usw. (Kapitel 4).
Lektion Nr. 5 konzentriert sich wieder mehr auf das Programm CALAMUS und erläutert Tastaturmakros, Klemmbrettfunktionen, Schrifteffekte und deren Auswirkungen in der Arbeit. In Kapitel 6 kommt der Unterschied Raster- zu Vektorgrafik zur Sprache, verschiedene Hilfsroutinen (Fadenkreuz, Rastergitter, Textfluß, Rahmengruppen), während sich Kapitel 7 sehr auf die Seitenmontage konzentriert. Mehr über die Funktionen des eingebauten Editors nebst Wörterbuch erfahren wir dann aus Kapitel Nr. 8. Vektor- und Rastergrafik für Fortgeschrittene bringt uns Kapitel 9. Auch in der Fortsetzung bis zum Buchende sind sehr ausgefeilte Tricks für den Profi zu finden.
Das Buch von Reinhold Seitl zeichnet sich durch konsequent systematischen Aufbau aus. Es beginnt mit sehr einfachen Beispielen, erklärt geduldig, wie man zu welchen Ergebnissen kommt und schreitet von Kapitel zu Kapitel fast unmerklich fort. Es sind ständig neue Beispiele abgedruckt (Briefbogen, Werbeprospekt, Zeitungsseiten), die der Leser mit Leichtigkeit nachvollziehen kann. Selbst die Grundlagenthemen sind an den notwendigen Stellen behutsam eingeflochten, so daß der Leser nicht von zu viel Neuem erschlagen wird. Sehr angenehm sind die großen Abbildungen von Dialogboxen und Seitenmontage. Für meine Begriffe ist das Buch Calamus-Praxis logisch aufgebaut. Der Preis von 115 DM (alles inklusive) ist für Privatanwender wahrscheinlich eine Idee zu hoch. Bestellungen erledigt Herr Seitl direkt aus Österreich.
DK
Bezugsquelle:
Firma Layout.Grafik Reinhold Seitl Hehragasse 1/11 A 1090 Wien