Berlin-Neukölln, ehemaliger Arbeiterbezirk und heute durch mehrere Neubauviertel noch immer der bevölkerungsreichste Bezirk Berlins mit vielen sozialen Problemen ... und viel zu wenig Geld, aber mit den meisten Gesamtschulen der Stadt.
Die Otto-Hahn-Oberschule - Gesamtschule (von Klasse 7 bis 10) mit gymnasialer Oberstufe - liegt im Süden Neuköllns auf einem Industriegelände nahe der ehemaligen „Mauer" ohne einen eigenen natürlichen Einzugsbereich. Ein unsäglicher Standort für eine Schule, dennoch von vielen Schülern (und Eltern) aus allen Teilen Neuköllns angenommen als eine Chance, hier zu einem besseren Schulabschluß zu kommen, als es die Prognose der Grundschule voraussagt.
Seit 10 Jahren bin ich an der Otto-Hahn-Oberschule als Mathematik- und Physiklehrer tätig; und vor etwa zwei Jahren begann ich, auch im Fach Arbeitslehre zu unterrichten. Als ich mir vor 5 Jahren meinen ersten Atari 520 ST+ kaufte, war bei uns an der Schule „Computer" ein Begriff aus einer anderen Welt, fern vom Unterrichtsgeschehen, der bei nicht wenigen Kolleg(inn)en Skepsis oder Ratlosigkeit hervorrief. Vier Kollegen besaßen schon einen eigenen Computer (C64, APPLE 1... und es gab auch schon 2 Atari ST). Aber wir hatten keinen Informatikbereich an der Schule, keine Informationstechnische Grundbildung, keinen Computereinsatz im Fachunterricht, und in der Verwaltung war die elektrische Schreibmaschine die letzte technische Errungenschaft.
Seit über einem Jahr sind nun bei uns 19 Atari ST im Einsatz. Am Fachbereich Arbeitslehre haben wir einen Rechenraum mit 16 Computer-Arbeitsplätzen eingerichtet. Hier findet seit Beginn dieses Schuljahres die „Informationstechnische Grundbildung" in Kleingruppen in der ganzen 8. Jahrgangsstufe statt, und im Wahlpflichtbereich arbeiten mehrere Schülergruppen aus Mathematik-Kursen und aus Arbeitslehre („kaufmännischer Bereich" und „Messen/Steuern/Regeln") an den Rechnern. Unsere jüngste Errungenschaft ist ein LC-Display, mit dem die notwendigen Lernschritte für alle Schüler sichtbar an die Wand projiziert werden können.
Je ein weiterer Atari ist in den Naturwissenschaften im Einsatz und bei der Organisation der Betriebspraktika behilflich, und ein Rechner steht bei der Schulleitung.
Das Wichtigste aber ist die Tatsache, daß
Wir haben es also endlich geschafft, uns dem Computer als gesellschaftlicher Herausforderung zu stellen und ihn - in relativ kurzer Zeit - auf breiter Grundlage in den Unterricht einzubeziehen.
Um Mißverständnissen vorzubeugen, möchte ich kurz anmerken, daß ich die Nutzung des Computers in der schulischen Ausbildung nicht für das größte und vordringlichste Problem halte. Die riesigen anonymen Schulen (Bildungsfabriken) mit den viel zu großen Klassenfrequenzen, die unzureichende Ausstattung, die abgehobenen Rahmenpläne und die sozialen Probleme (s.o.) sind ohne Frage schwerwiegender ... aber bei den derzeitigen bildungspolitischen Vorgaben auch viel schwerer zu verändern.
Zurück zum Computer! Worauf sollte man achten, wenn man neue Technologien in die Schule einführen will? Wie ist das bei uns gelaufen?
Ende 1987 wurde von den FBs Physik/Chemie der erste Atari ST angeschafft, aber nur 2 bis 3 Kollegen setzten ihn vereinzelt im Unterricht zu Demonstationszwecken ein. Nur wenige wußten von dieser Anschaffung, und kaum einer kam mit dem Rechner in Berührung. Computermäßig passierte sonst lange Zeit nichts weiter.
...oder: Atari unterstützt den „Schulkampf“ Vorbemerkungen: Die Otto-Hahn-Oberschule ist eine der vielen durch den Asbestskandal geschädigten Schulen. Nachdem uns das Ausmaß der Asbestbelastung unserer Schule bewußt geworden war und von seiten der Behörden nur hinhaltende Kommentare zu erhalten waren, griffen wir sehr frühzeitig zur Selbsthilfe. Eltern, Schüler und Lehrer waren sich einig, daß etwas getan werden mußte - und das so schnell wie möglich. Wir organisierten Versammlungen, Informationsstände in der Stadt, verteilten Flugblätter und führten gemeinsame Demonstrationen zum Rathaus durch.
Unser geschlossener Einsatz zeigte sehr bald Wirkung bei den zuständigen Behörden. Die Politiker wurden zusehends einsichtiger, und so konnten wir früher als andere Betroffene die Schließung unserer Schule und die Zusage für den Bau einer neuen durchsetzen. Wir wurden erst in andere Schulen ausgelagert und haben mittlerweile eine „Pavillon-Schule“ als zwischenzeitliche Unterkunft, bis unsere neue Schule gebaut ist. Dies nur als Hintergrundinformation.
Von Anfang an war Atari bei unseren Aktionen mit dabei. Die Einladungen zu den Versammlungen (s. Abb.), die Flugblätter und Dokumentationen wurden alle mit SIGNUM! gestaltet. Unser Emblem, der „Asbest-Hahn“, wurde mit dem SPAT -Scanner eigescannt, mit STAD bearbeitet und mit SIGNUM! ausgedruckt.
Und dann waren da noch die Buttons: sichtbarer Ausdruck unseres Protests und unserer Aktivitäten. Sie sollten einerseits auf die Mißstände aufmerksam machen, andererseits waren sie auch Symbol für unseren Willen, uns nicht einfach auf andere Schulen verteilen zu lassen, sondern baldmöglichst wieder eine eigene, neue Otto-Hahn-Oberschule zu bekommen.
Es gab über 100 verschiedene Motive, die von den Schülern liebevoll ausgemalt und zu Buttons verarbeitet wurden. 100 Motive waren nur möglich mit einem Scanner, mit CREATOR für kreisförmige Schriftzüge, durch die Pufferoperationen von STAD und nicht zuletzt die Schriftenvielfalt von SIGNUM! und dessen hochwertigen Grafikausdruck auf einem P6. Weit über 1000 Buttons konnten an der Schule und in der Stadt verkauft werden. Dies hat nicht zuletzt auch dazu beigetragen, das Mißtrauen gegenüber dem Computer abzubauen.
Ende 1988 machte ich eine Umfrage unter den Kolleg(inn)en, um den aktuellen Stand und das Interesse an einer Computerfortbildung festzuhalten: 14 Kolleg(inn)en hatten mittlerweile schon einen Rechner zu Hause (davon 8 Ataris), und über 30 Kolleg(inn)en waren an einer Fortbildung interessiert.
Die Computerlage in der Schule änderte sich aber erst, als am Fachbereich Arbeitslehre neue elektrische Schreibmaschinen angeschafft werden sollten. Eine Kollegin hatte eine geniale Idee, und tatsächlich konnten wir durchsetzen, daß von den zur Verfügung stehenden Investitionsmitteln statt der 30 Schreibmaschinen 15 Atari MEGA ST 1 mit der Textverarbeitung WORDPLUS gekauft wurden. Für mich ergaben sich dadurch optimale Bedingungen, mit meinen kleinen Wahlpflichtgruppen in Mathematik und in Arbeitslehre im kaufmännischen Bereich. Unterricht am Computer zu machen. Da aber kein anderer Kollege dieses Fachbereichs mit den Rechnern umgehen konnte, war als erster Schritt die Qualifizierung der Kollege inn)en notwendig: das lebhafte Interesse war bei der Befragungsaktion ja deutlich geworden.
Seit August 89 führe ich - zeitweise zusammen mit einem anderen Kollegen - Einführungs- und Fortbildungskurse an der Schule durch, an denen bisher ca. 30 Kolleg(inn)en teilgenommen haben. Schwerpunkt dieser Kurse war der praktische Umgang mit den Atari-Rechnern, insbesondere anhand der Arbeit mit WORDPLUS, der Datenbank ADIMENS, mit SIGNUM und STAD. Als besonderen Service gab es dazu ein selbsterstelltes „kleines Atari-Lexikon“ ... aus der Praxis - für die Praxis.
Breite Qualifizierung ist die eine Seite, mindestens ebenso wichtig ist aber zu zeigen, was man mit dem Rechner tatsächlich praktisch machen kann.
1. Erstellung von Arbeitsbögen - insbesondere mit SIGNUM!
Die meisten Kollegen erhoffen sich vom Einsatz des Computers vor allem die Möglichkeit, rationell attraktive Arbeitsbogen für den Unterricht erstellen zu können. Wenn an einer Schule so weitgehend mit einem einzigen Computersystem gearbeitet wird, ergeben sich riesige Möglichkeiten, mit Hilfe standardisierter Layouts, Text- und Bildbibliotheken Bausteine für Arbeitsbögen zu erstellen und auszutauschen, so daß jeder Arbeit spart und doch eigene, individuelle Arbeitsmaterialien gestalten kann.
Für die von mir unterrichteten Fächer Mathematik. Physik, Arbeitslehre hatte ich angefangen, für den Pflicht- und Wahlpflichtbereich Arbeitsbögen zu erstellen, und entsprechend wuchs allmählich eine Bibliothek von allgemeinen Grafiken, Rahmen, Tabellen, geometrischen Grundfiguren. die die fehlenden Grafikfähigkeiten von SIGNUM ausglichen, bis hin zu Karo- und mm-Papier und von Fachgrafiken, die das Erstellen eigener Arbeitsbögen für den Unterricht - fast zu einem Kinderspiel machen.
2. Verwaltung von Schülerdaten mit einer ADIMENS-Datenbank
Vor vier Jahren hatte ich begonnen, eine Datenbank zu entwickeln, insbesondere um das mühsame Schreiben der Zeugnisse zu automatisieren. Inzwischen benutzen mehrere Kollegen diese Datenbank, um halbjährlich ihre Zeugnisse auszudrucken: Zuerst mit einem WORDPLUS-Mischformular und einem speziell dafür entwickelten Druckertreiber, jetzt mit SIGNUM! und SDO.MERGE. Die Umstellung auf ADIMENS ST plus hat hier wesentliche Vorteile gebracht im Hinblick auf leichtere Bedienbarkeit durch das Erstellen von Batch-Dateien und bessere Übersicht z.B. über die leistungsmäßige Entwicklung eines Schülers durch die Anlage von jahrgangsübergreifenden Verbunden.
Sind die Daten erst einmal erfaßt, ergibt es sich fast von selbst, daß man Noten- und Adreßlisten ausdruckt, Serienbriefe schreibt ... und zu allem Überfluß noch weitere neue Vordrucke und Formulare entwickelt..
Es soll hier zumindest kurz angemerkt werden, daß der notwendige Datenschutz in diesem Zusammenhang ein großes Problem darstellt. Selbstverständlich sind die Datenbanken paßwortgeschützt, aber es bleiben noch viele bisher ungeklärte Probleme: Welche Daten dürfen überhaupt gespeichert werden, wer darf speichern und wann müssen diese Daten wieder gelöscht werden? Hier gibt es leider noch keine einheitlichen, verbindlichen Regelungen. Als Datenschutzbeauftragter der Schule bleibt mir bisher nur der Trost, daß es unter der bisher üblichen „Zettelwirtschaft“ mit dem Datenschutz eher noch schlechter bestellt war als heute mit einer kompakten Datenbank auf einer Diskette.
3. Berechnung der Abschlußprognosen: Haupt- oder Realschulabschluß oder Versetzung in die Gymnasiale Oberstufe
Für die ADIMENS-Datenbank habe ich mit einem anderen Kollegen ein ADITALK-Prognose-Programm geschrieben mit sehr komfortabler Menüführung und selbstverständlich mit Paßwortschutz, mit dem für jeden Schüler automatisch ein individueller Prognosebogen ausgedruckt werden kann, der den augenblicklichen Leistungsstand und den zu erwartenden Abschluß dokumentiert und ausweist, welche Leistungen für einen höherwertigen Abschluß noch zu erbringen sind:
4. Anwendungsprogramme für alle Fächer
Um der gesellschaftlichen Bedeutung des Computers in der Schule Rechnung zu tragen, muß dieser auch im Fachunterricht eingesetzt werden, und das gilt nicht nur für die Naturwissenschaften! Für den ST gibt es ausgezeichnete PD-Programme für den mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterricht, aber auch für Sprachen, für Geographie, Kunst, Musik... Die neuen Möglichkeiten - und Grenzen - der gezielten Nutzung ausgewählter Computerprogramme im Fachunterricht müssen in der Schule angeboten und vorgestellt werden; so werden Fachlehrer nach und nach dazu übergehen, diese Programme auch selbst im Unterricht einzusetzen. Einige positive Erfahrungen hierzu liegen auch bei uns schon vor.
Die Problematik dieser Entwicklung darf auch nicht verschwiegen werden: Der Computer sollte „mediengerecht“ eingesetzt werden, d.h. dort, wo seine besonderen Leistungsmerkmale zum Tragen kommen... so wenig wie möglich, aber so viel wie notwendig. Er kann und darf den Lehrer nicht ersetzen.
Aller Anfang ist schwer! Und deshalb haben wir neben den Einführungskursen für die Kolleg(inn)en den Computerraum zu einem allgemein zugänglichen Service-Zentrum gemacht. Hier kann jeder Kollege seine „Hausaufgaben“ machen, wann immer der Computerraum nicht durch Schülergruppen belegt ist. Hier werden Erfahrungen ausgetauscht, Tips gegeben, PD-Programme weitergereicht...
Wir sind schon ein wenig stolz darauf, daß der Umgang mit dem Computer nicht einigen wenigen „Freaks“ vorbehalten ist; der Atari ST ist mittlerweile - wirklich ein sehr benutzerfreundliches System, das sich gerade für den Einstieg in den Umgang mit diesem neuen Medium besonders gut eignet.
Für den Computerunterricht im engeren Sinne, sei es Informatik oder Informationstechnischer Grundkurs, braucht man natürlich Spezialisten. Aber auch ein „Computerfreak“ wurde nicht als Spezialist geboren, und an allen Fachbereichen der Schule gibt es genügend Kolleg(inn)en, die bei entsprechendem Interesse in relativ kurzer Zeit „Spezialisten“ werden könnten. Für den geplanten ITG-Unterricht habe ich im letzten Schuljahr eine Planungsgruppe ins Leben gerufen, die fast ausschließlich aus Kolleg(inn)en besteht, die früher noch nie etwas mit Computern zu tun hatten.
In dieser Gruppe haben wir gemeinsam eine Unterrichtskonzeption für die Informationstechnische Grundbildung in Klasse 8 entwickelt, konkrete Unterrichtsmaterialien erstellt, Lehrerhandreichungen zu den einzelnen Programmen, Disketten zusammengestellt und organisatorische Fragen geklärt. Im Rahmen von drei durchgeführten Projekttagen wurden diese Materialien zuerst von den Kolleg( inn)en selbst und anschließend in Form von Probeunterricht mit Schülern getestet.
Ein halbes Jahr später - mit Beginn dieses Schuljahres - haben dann die ersten 5 Kolleg(inn)en mit dem ITG-Unterricht erfolgreich begonnen.
In den vergangenen zwei Jahren sind verschiedene kleinere Projekte durchgeführt worden:
Kontakt: Michael Schoettler
Bürknerstr. 17
W-1000 Berlin 44