PKS-Edit - Wer bietet mehr?

Die Geschichte des Editors ist beinahe so alt wie die des Computers. Egal ob Sie Dokumentationen, Manuskripte, Briefe oder Programme auf dem Computer schreiben, als Eingabemedium wird neben der Tastatur immer noch ein Editor gebraucht. Im Laufe der letzten Jahre hat sich in diesem Bereich ein Programm einsam an die Spitze gesetzt, das vor allem durch seine atemberaubende Geschwindigkeit auffiel - die Rede ist natürlich von TEMPUS. Daß der ATARI ST nun wirklich seinen Kinderschuhen entwachsen ist, zeigt sich nicht nur im Vorhandensein des Nachfolgemodells IT. Dies manifestiert sich auch an der Quantität und vor allem der Qualität der für unseren Leib- und Magenrechner erschienenen Software. Und auch, was die Editoren angeht, konnte man in letzter Zeit eine starke Entwicklung beobachten.

Das Berliner Software-Haus Fahlen & Kraul, bekannt geworden durch seinen speziell auf das DTP-Programm Calamus abgestimmten Text-Editor PKS-Write, schickt nun einen weiteren ernstzunehmenden Kandidaten ins Rennen, der gegen den bisherigen Spitzenreiter antreten soll. Inwieweit das gelungen ist, soll der nachfolgende Testbericht zeigen.

Das Was und Wie

PKS-EDIT, so der Name unseres Testlings, stand uns zum Test in der Version 1.8+ zur Verfügung. Es wird auf einer doppelseitigen Diskette mit einem 138seitigen Handbuch (plus 4 Seiten Inhaltsverzeichnis und 8 Seiten Index) im DIN A5-Ring-buch ausgeliefert. Allein der Umfang des klar gegliederten und flüssig zu lesenden Handbuchs läßt vermuten, daß sich hinter diesem Produkt eine Vielzahl von Features verbirgt, die der Dokumentation bedurften. Die Diskette enthält neben dem eigentlichen Editor Hilfsdateien, Beispiellineale, Druckertreiber, das externe Druckermodul und einige Hilfsprogramme für Programmierer. Auf einen Kopierschutz hat man verzichtet, so daß einer Installation auf der Festplatte nichts störend im Wege steht. Doch vor der erstmaligen Benutzung muß ein Konfigurationsprogramm aufgerufen werden, das neben der Eingabe des Käufers eine Seriennummer und einen dazu passenden Aktivierungsschlüssel verlangt. Sodann wird man aufgefordert, das Zielverzeichnis anzugeben, in dem PKS-EDIT installiert werden soll. Nach der Eingabe des gewählten Druckertreibers, wobei man übrigens ruhig auf bereits vorhandene Treiber von lst_Wordplus zurückgreifen kann, da der Treiberaufbau bis auf eine Zeile identisch ist, ist die Installation abgeschlossen. Als Gegenleistung für diese kleine "Mühe" hat das Programm alle notwendigen Dateien in den angegebenen Directories angelegt.

GEM(ma) fensterln!

Fortan kann mit diesem Editor auf allen Atari ST mit Farb-, Monochrom- oder Großbildschirm gearbeitet werden. Bis zu 7 Dateien lassen sich in diesem GEM-unterstützten Editor gleichzeitig bearbeiten, was natürlich eine ausgeklügelte Fensterverwaltung zum bequemen Arbeiten voraussetzt. So hat man, um sich nicht permanent durch wildes Klicken durch die Fenster bewegen zu müssen, wenn man mehrere Dateien gleichzeitig geöffnet hält, eine Steuerung über Control-Tasten-kombinationen integriert. Nicht nur, daß jedes Fenster anwählbar ist, man kann auch zwischen dem aktuellen und dem darunterliegenden Fenster hin- und herspringen, die Liste aller Fenster der Reihe nach durchlaufen sowie zwischen horizontaler oder vertikaler Fensterlage auswählen.

Auf den ersten Blick

PKS-EDIT verfügt über ein eigenes Desktop, auf dem sich neben den vorgegebenen Icons für die Ablage (GEM Clipboard), dem Papierkorb, dem Rettungsring (UNDO-Funktion) und dem Drucker auch eigene Applikations-Icons installieren lassen. Diese sind natürlich besonders für Programmierer interessant, da der Aufruf von Programmen (Compilern) mit Parametern und Kommandozeile durch einfaches Anklicken möglich ist. Für den besseren Überblick sorgt am unteren Rand des Bildschirms ein Balken, in dem die momentan eingestellten Optionen und die Belegung der Funktionstasten dargestellt werden, und die natürlich durch Mausklick anwählbar sind. Die Funktionstasten weisen im übrigen jeweils in Kombination mit der Alternate-, der Control-oder der Shift-Taste eine andere Belegung auf, wobei die gerade aktuelle Lage oben rechts in der Menüleiste angezeigt wird. Einen flüchtigen Überblick über den Funktionsumfang erhält man bei einem Streifzug durch die Pulldown-Menüs (Bild 1), doch das ist längst nicht alles, was der Editor zu bieten hat. Ein großer Teil verbirgt sich hinter den Tastenkombinationen, die, hat man sich erst einmal eingearbeitet, ein flüssiges Arbeiten ohne den ständigen Griff zum elektronischen Nager ermöglichen. Als recht praktisch für den PKS-EDIT-Einsteiger hat sich die beiliegende, auf Karton gedruckte Schnellübersicht über die Tastenfunktionen herausgestellt. Alle Tasten sind in PKS-Edit frei definierbar, das geht sogar soweit, daß auch die Belegung der Maus konfigurierbar ist.

Lineal? Wozu?

Mittlerweile habe ich das Kürzel Control E im Kopf und kann so eine Datei zur Bearbeitung in den Speicher laden. Die am häufigsten benötigten Kommandos wurden in der Standard-Tastenbelegung möglichst auf Tasten gelegt, die einhändig (mit Ctrl und Alt) erreicht werden können. Dabei werden, wenn gewünscht, direkt beim Laden bestimmte Einstellungen, die man in den sogenannten Linealdateien festgelegt hat, für den entsprechenden Dateityp übernommen. So wird z.B. bei Dateien des Typs *.PAS sofort das Pascal-Lineal mitgeladen, oder das Binär-Lineal bei der Endung *.PRG. Linealdateien enthalten unter anderem die Einstellungen für die Tabulatoren, die Zeilen-endekennzeichen, den rechten Rand, die Font- und Schriftgrößen sowie die Anzeige-Optionen und die Edierautomatismen. Diese Zuordnung zwischen Dateityp und zu berücksichtigendem Lineal ist ebenfalls frei einstellbar und, wie alle einmal vorgenommenen Einstellungen und Parameteränderungen, in PKS-EDIT speicherbar (Bild 5). Wie wichtig diese Linealdateien sind, zeigt vielleicht der Versuch, ein ausführbares Programm von 110 kB Länge in den Editor zu nehmen. Dies verkraftete der Editor klaglos, und dank der automatisch mitgeladenen Linealdatei für Binärdateien funktionierte das Programm nach erneutem Abspeichern genauso klaglos wie vor der Manipulation im Editor. Möglich macht dies die Voreinstellung des Zeilentrenners im Binärlineal.

Wer suchet, der findet

Für sich häufig wiederholende Begriffe oder Eingaben stellt das Programm neben den sogenannten Escape-Makros (nach Eingabe von Escape und dem definierten Zeichen erscheint an der Cursor-Position der zuvor definierte Text) auch sogenannte Shortcuts zur Verfügung - z.B. wird die Eingabe von "MFG" automatisch zu "Mit freundlichen Grüßen" expandiert. Noch komplexere Funktionen sind mittels des eingebauten Recorders möglich, der nach Aktivierung alle Benutzeraktionen mitschneidet und zum jederzeitigen Abspielen zur Verfügung hält. Einen besonderen Punkt nehmen die Suchfunktionen ein. Selbstverständlich kann man Wildcards benutzen, Verweise, sofern eine Kreuzverweisliste vorhanden ist, Suchen und all das, was andere Programme auch bieten, ist mit diesem Editor ebenfalls realisierbar. Zusätzlich ist jedoch die Suche in Ordnern möglich, wobei auf dem Datenträger in bis zu drei Pfaden mit einstellbarer Suchtiefe alle Dateien nach dem Begriffdurchsucht werden. Das Ergebnis der Suche steht dann zur weiteren Bearbeitung in einer Textdatei zur Verfügung. So lassen sich z.B. alle C-Files eines Ordners nach C-Typendefinitionen durchsuchen. Eine weitere mächtige Funktion stellen die sogenannten "Regulären Ausdrücke" dar. Mit deren Hilfe lassen sich beispielsweise alle kleingeschriebenen "o"s, die am Anfang eines Wortes stehen, finden. Durch die Gruppierungsmöglichkeit der Ausdrücke sind auch weitaus komplexere Formulierungen möglich. Diesem Anwendungsbereich wurde eigens ein separater Teil des Handbuchs gewidmet, der auch mit Beispielen nicht geizt.

Spaltenblock

Ebenso praktisch wurden die Blockfunktionen gelöst. Blöcke markieren kann man wahlweise über die Tastatur oder durch Aufziehen eines Rechtecks mit der Maus. Beim Ausschneiden von Blöcken wurde auch die Integration des GEM-Clipboards nicht vergessen, so daß einem in der Konzeption des GEMs vorgesehenen Datenaustausch zwischen verschiedenen Programmen nichts im Wege steht. Eine Besonderheit stellt die Möglichkeit dar, Blöcke auch in Spaltenfonn zu definieren (Bild 4). so daß man auch mitten aus mehreren Textzeilen Teile kopieren kann, ohne deit Anfang oder den Rest der Zeilen mitausschneiden zu müssen. Ein selektierter Block kann durch einfaches Ziehen auf das Druckersymbol ausgedruckt werden. Gedruckt werden kann nicht nur über die parallele, sondern auch über die serielle Schnittstelle sowie in eine Datei. Der Ausdruck von Dateien, die im lst_Wordplus-Format vorliegen, erfolgt dabei mit allen Attributen, inklusive der Fußnoten.

Geändert und gesichert "

Im Gegensatz zu den meisten anderen Programmen erkennt PKS-EDIT beim Verlassen des Programms, ob an den im Speicher vorhandenen Dateien tatsächlich Änderungen vorgenommen wurden und, sollte dies der Fall sein, macht es darauf aufmerksam. Hat man die entsprechenden Optionen aktiviert, werden beim Programmende automatisch alle modifizierten Dateien inklusive einer *.BAK-Version gesichert. Es existiert eine bis zu 10 einstellbare Tiefe von Löschpuffern. Dieses UNDO gilt sogar für komplexe Makros. Weitere Features, die PKS-EDIT bietet und die noch erwähnt werden sollen, sind die Umwandlung von Spaces in Tabs (und umgekehrt), der Vergleich von Dateien auf Unterschiede (die differierenden Zeilen werden schwarz unterlegt) und das Sortieren von Texten. Dabei kann nicht nur alphabetisch, sondern auch nach vorgegebenen Schlüsselfeldern sortiert werden.

Programmer's Paradise

Für den Programmierer dürfte besonders interessant sein, daß durch die Definition von Compiler-Formaten eine Zusammenarbeit von PKS-EDIT mit den Fehlerlisten nahezu jeden Compilers möglich ist. Zum Lieferumfang gehören auch zwei Hilfs-programme für C- und Pascal-Programmierer, die Kreuzverweislisten erstellen, in denen Funktionsdeklarationen, Typdefinitionen und Defines (für Pascal: Prozedurvereinbarungen und Konstanten-Deklarationen) enthalten sind. Bei eingeschalteter Klammern-Option prüft PKS-EDIT während des Edierens die Paarigkeit von Klammern. Die Klammersymbole lassen sich natürlich frei definieren und auch entsprechenden Linealen zuordnen. Eine Turbo-C ähnliche Auswertung von Programmbeschreibungen, die neben dem Programmnamen eine Modul- und Link-Liste enthalten, wurde durch die "Builder-Option" geschaffen. Es erkennt selbständig welche Module geändert wurden und für den Fall, daß Änderungen vorliegen, werden die entsprechenden Aktionen eingeleitet. Für die Freunde von Shells bleibt noch anzumerken, daß PKS-EDIT auch mit Argumenten aufgerufen werden kann. So bereitet die Integration in die PKS-oder eine andere Shell (Mupfel) ebenfalls keine Probleme. Apropos Shell: PKS bietet jetzt auch eine UNIX-Shell an (Testbericht folgt demnächst). Besonders interessant für Programmierer dürfte dabei das Entwicklungspaket (PKS-Edit und PKS-Shell) sein. Mit der integrierten Shell-Funktion von PKS-Edit können dem aufgerufenen Programm neben einer Kommandozeile auch weitere Optionen, die man durch Anwahl der entsprechenden Buttons auswählt, übergeben werden. Wohl auf Wunsch der Anwender wurde noch eine Anpassung an die alte TEX-Shell vorgenommen, so daß auch bei den TEX-Fans kein Wunsch mehr offen bleiben sollte.

Zum guten Schluß

Die Liebe zum Detail zeigt sich in vielen Kleinigkeiten, wie z.B. der abschaltbaren und benutzerkonfigurierbaren eigenen Fileselectbox (Bild 5) oder der für Großbildschirmbenutzer nützlichen Option, Formulare an der Mausposition erscheinen zu lassen. Auch an der Tatsache, daß der Cursor beim Zeilenwechsel spaltenstabil bleibt, sowie der Einbindung der FLASH-Option, die bei Auftreten eines Fehlers keine akustische, sondern eine optische Warnung ausgibt, zeigt sich, daß man sich im Hause Fahlen und Krauß den Sinn für nützliche Kleinigkeiten bewahrt hat. Die Benutzerführung des Programms ist logisch und durchdacht. Das Scrollen durch Texte kann neben der Tastatursteuerung auch mit der Maus, ähnlich wie bei Signum, geschehen. Die Assembler-Programmierung der Bildschirmverwaltung läßt sich hier nicht verleugnen. Fehlt der Überblick über einen größeren Textbereich, kann auch auf die kleineren System-Zeichensätze 8x8 oder 6x6 umgeschaltet werden. Sofern GDOS geladen ist, steht auch der Verwendung beliebiger nichtproportionaler Zeichen sätze nichts im Wege.

Was ich persönlich noch vermisse, sind der mittlerweile doch schon zum Standard gehörende Screensaver, der den Bildschirm flach einer gewissen aktivitätslosen Zeit - dunkel schaltet, und die Möglichkeit, in einstellbaren Zeitintervallen automatisch Zwischenspeicherungen vorzunehmen. Abgesehen von diesen Punkten stellt PKS-EDIT sicherlich ein sehr leistungsfähiges und mächtiges Werkzeug für alle Schreiberlinge dar, das sich durchaus vom Funktionsumfang und Handling mit TEMPUS messen kann. Für eine Überraschung sorgte noch ein Test, bei dem in einem 390888 Bytes langen Text mit 10760 Zeilen alle "e" durch ein "l" ausgetauscht werden sollten. TEMPUS benötigte für die 39713 Ersetzungen rasante 22,54 Sekunden. PKS-EDIT verrichtete die gleiche Aufgabe aber sogar in 21,53 Sekunden. Wird bei. der Suche noch die Undo-Funktion ausgeschaltet, benötigt das Programm sogar nur knapp 18 Sekunden!

PKS-Edit ist ein ernstzunehmender Konkurrent für Tempus, was sich nicht nur in den Zeiten niederschlägt, sondern auch im Bedienungskomfort des Programms. Der Preis von 148 DMist für die gebotenen Leistungen sicherlich nicht zu hoch angesetzt. Das Entwicklungspaket zusammen mit PKS-Shell kostet 248 DM- ebenfalls ein akzeptabler Preis. PKS-Edit hat im Test überzeugt und kann nur empfohlen werden.

Dietmar Hendricks



Aus: ST-Computer 12 / 1990, Seite 31

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