Fixcard - Bitte 7 DM einwerfen

Majestätisch: ein ST verrichtet in einen Visitenkartendruckei in der S-Bahnstation Konstablerwache in Frankfurt seinen Dienst.

Der Arbeitstag ist beendet. Es ist mal wieder der absolut letzte Abgabetermin für die Artikel. Ich bin froh, daß ich den ST nicht mehr sehen muß. Nichtsahnend setze ich mich in die S-Bahn und fahre nach Hause.

Tatort: Konstablerwache, mitten auf Frankfurts Einkaufsstraße Zeil. Selbst um diese Uhrzeit, acht Uhr, ist die Stadt noch sehr belebt, denn es ist langer Donnerstag. Hundert Meter weiter steht der Obstverkäufer mit den orangefarbenen Tüten und ruft seine letzten Tomaten laut aus. Menschenmassen zwängen sich durch die S-Bahnstation, ein Wirrwarr aus unzusammenhängenden Wortfetzen strömt mir entgegen. Und doch muß sich irgendetwas geändert haben seit gestern, denn aus der Ferne höre ich Geräusche, die mir nur zu bekannt vorkommen. Ein süßes Geklingel, genau 2400 Hz.

Nach kurzer Suche stoße ich auf ein Gerät, das ich nie zuvor gesehen habe. Also untersuche ich es genauer. An der Rückwand befindet sich eine Werbetafel mit der Aufschrift Fixcard und einigen Visitenkarten. Ich suche weiter nach bekannten Punkten. Aha, der Automat besitzt eine Tastatur. Sie kommt mir zwar nicht bekannt vor, es muß sich aber immerhin um einen Computer handeln, der Töne erzeugen kann. Unten links ist ein Münz-einwurfschlitz. Ich suche weiter. Aha, unter einer schrägen Scheibe befindet sich ein Schwarzweißmonitor. Ich trete etwas näher und untersuche ihn näher. "Bitte 7 DM einwerfen" flackert es mir vom Monitor entgegen. Er kommt mir ziemlich bekannt vor, obwohl ich nur die Mattscheibe, nicht aber den Rahmen des Sichtgeräts erkennen kann - letzterer ist nämlich durch die ansprechend blaue Verkleidung abgedeckt. Die Schrift, die mich auf dem Monitor begrüßt, deutet sofort auf einen Macintosh hin. Doch die Ecken des Bilds sind nicht abgerundet, ein Mac kann es also unmöglich sein. Auf jeden Fall befindet sich auf der Oberseite eine Gummitastatur, die an einen ZX81 erinnert: weich, wabbelig und aus Plastikfolie. Ziemlich verdattert suche ich nach der Erklärung für dieses merkwürdige Gerät.

Probleme mit Kleingeld

Oben auf der Werbetafel steht "Fixcard -Visitenkarten für jedermann". Darunter sind einige hübsche Visitenkarten, wie man sie kennt. Name, Beruf, Adresse. Natürlich kann ich dem Gerät fortan nicht mehr widerstehen und muß unbedingt sieben Mark einwerfen, was sich als nicht so einfach erweist. Ich gehe also zum Obstverkäufer und versuche, zwei Fünfziger in eine Mark zu wechseln, was sich als unmöglich erweist: Einer der Fünfziger ist eine portugiesische 2,50-Münze, der Obstverkäufer beschwert sich lautstark und sagt, er wolle jetzt sein Geschäft schließen.

Letztendlich hat es aber doch geklappt, das Wechselgeld eines Fahrkartenautomaten mußte herhalten. Gespannt werfe ich die Münzen ein. Die Anzeige wechselt von "Bitte 7 DM einwerfen" in "Bitte 2 DM einwerfen", bis sie endlich auf Nuli angelangt ist. Lange genug hat es gedauert, bis ich die entsprechenden Münzen zusammengesammelt hatte. Das Gerät verlangt nun, daß ich meine bevorzugte Visitenkartenform eingebe. Gesagt, getan, und mit einem lauten 2400 Hz-"Ping" bestätigt das Gerät meine Eingabe. Das Geräusch kommt mir seltsam vertraut vor, auf der Atari-Messe hört man es von jedem Stand.

2400 Hz-"Ping"

Spätestens hier muß es jedem eindeutig und klar sein: Das eigensinnige Geplinge muß von einem ST stammen - es ist das Geräusch, das bei einem Tastendruck entsteht. Laut schallt es durch die S-Bahnstation. Einige interessierte Passanten schauen mir bereits über die Schulter, um zu sehen, was ich an diesem neuartigen Gerät wohl mache.

Jetzt will Fixcard von mir noch Namen, Vornamen, Adresse und Telefonnummer haben. Nach kurzer Überlegung, wann die nächste Werbung bei mir eintreffen wird, gebe ich meine wahre Adresse und meine Mailbox-Telefonnummer ein. Inzwischen hat sich um mich herum eine dicke Menschentraube gebildet. Die Eingabe meiner Daten ist inzwischen beendet, und ich hoffe, daß niemand meine Adresse mitgeschrieben hat - Datenschutz über alles. Kurze Zeit später fängt etwas laut an zu röhren, was ich zunächst für eine Original-Atari-Festplatte halte - das Geräusch ist normalerweise unverwechselbar (laut). Weit gefehlt, denn an der Seite schnellen vierzig Visitenkarten aus dem Auswurfschacht. Hübsch bedruckt, ein Druckermeister könnte es für diesen Preis weder so schön, noch so schnell machen. Es war also keine Festplatte, sondern ein Drucker, der die merkwürdigen Geräusche von sich gegeben hat.

Die Folientastatur istfast unverwüstbar.

Das interessiert mich jetzt doch etwas mehr, und deshalb besuche ich die Firma Fotofix in Krefeld, um das Gerät von innen begutachten zu können. Welch Wunder: Im Inneren verrichtet ein handelsüblicher ST seinen Dienst. Bei Fotofix selbst ist man überzeugt von der Leistung des ST, löst allerdings überall das Atari-Zeichen ab, "da der ST immer noch als Spielcomputer gilt". Die Firma Fotofix hat vorher hauptsächlich Schnellfotoautomaten aufgestellt, doch eigentlich sei man ein Automatenauf steller und deshalb auch nicht abgeneigt, neue Ideen wie diesen Visitenkartendrucker ins Programm zu nehmen.

Auch mit nicht-computerisierten Menschen haben die Hersteller des Geräts Nachsicht bewiesen, denn hier gibt es weder "Space" noch "Backspace". Ersteres heißt hier "Abstand" - eine merkwürdige Bezeichnung für die Leertaste, doch für den unbedarften Bediener genau das richtige. "Backspace" nennt sich hier ebenfalls anders, nämlich "Korrektur". So dürften auch absolute Tastatur-Neulinge keinerlei Probleme mehr haben, das Gerät zu bedienen, zumal jederzeit Bedienungshinweise auf dem Monitor zu sehen sind. Die "Return"-Taste heißt natürlich auch anders. Hier sind allerdings nicht solche Wortungetüme wie bei der Deutschen Bundespost entstanden ("Wagenrücklauftaste"), sondern sie nennt sich schlicht und einfach "Weiter".

Das Programm selbst wurde von zwei Franzosen geschrieben, als Programmiersprache benutzten sie den GFA-Assembler. Die gesamte Ausrüstung besteht aus einem 1040 ST mit eingebautem Diskettenlaufwerk, einem S M 124, einem Drucker und einer Programmdiskette, die natürlich autostartfähig ist. Wenn also mal der Strom ausfällt, muß nicht extra ein Techniker anreisen, sondern das Gerät bringt sich selbst in einen betriebsfertigen Zustand zurück. Sicher, das ist auch mit einem IBM-Kompatiblen möglich, doch der bietet nicht von Haus aus eine so hübsche und leicht programmierbare Grafik wie der ST.

Der Drucker, der im Fixcard-Gerät seinen Dienst verrichtet, soll aus Wettbewerbsgründen nicht näher beschrieben werden. Deshalb nur einige Worte dazu: Es ist ein Thermo-Transfer-Drucker mit Rollenpapier, das sofort die richtige Breite für Visitenkarten hat, damit nur noch ein Schnitt pro Karte gemacht werden muß -und gerade geschnitten sind die Karten wahrhaftig.

Das Innere des Geräts: Der 1040 hängt an der Vorderseite herunter, dahinter ist z.T. der Thermodrucker zu sehen. Über dem ST: das Anschlußkabel für die Folientastatur. Unten ist die Papierrolle zu sehen, auf die die Visitenkarten gedruckt werden.

Problemloser Betrieb

Probleme habe man beim Betrieb nicht, doch man sei auf den Winter gespannt, konnte ich von der Geschäftsleitung erfahren. "Die Geräte werden unter anderem auch im Freien aufgestellt, wir wissen noch nicht, bis zu welchen Temperaturen der ST betrieben werden kann. Wenn es zu kalt wird, müssen wir es so wie bei unseren Schnellfotogeräten machen: Eine Heizung müßte eingebaut werden." Auch vor Vandalismus hat man sich wirkungsvoll geschützt. Wer dieses Gerät zerstören will, braucht schon fast eine Bombe. Allein der Monitor ist ziemlich schwierig durch Schläge zu erreichen, er ist durch eine dicke Zusatzscheibe gesichert. Die Folientastatur ist fast unzerstörbar, da sie sehr robust gebaut wurde. Der kluge Mann sorgt vor.

Die Idee bei den Visitenkarten ist, daß man für wenig Geld schnell eigene Karten erhält. Für sieben Mark (in einigen Städten ist es noch preiswerter) gibt es jedenfalls kaum eine Druckerei, die innerhalb von 12 Minuten Visitenkarten herstellen kann, die dazu auch noch gut aussehen! Wo die Geräte zu finden sind? Da, wo auch die Schnellfotoautomaten aufgebaut sind. Wenn Sie kein entsprechendes Gerät finden, sollten Sie am besten bei Fotofix in Krefeld nachfragen.

Bei der Bedienung muß man übrigens keine Angst haben, später in einer Flut von Werbebriefen zu ertrinken, denn die Adressen werden nicht weitergegeben. Sie werden zwar für eventuelle Reklamationen festgehalten, nach einer bestimmten Zeit wandern sie aber in den Reißwolf. Insgesamt ist das Gerät eine schöne Idee!

MP

Anbieter:

Fotofix GmbH Viersener Straße 147 4150 Krefeld



Aus: ST-Computer 12 / 1990, Seite 22

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