Calligrapher - Der Universalkünstler

Voll wird es auf dem Markt für Textverarbeitungen auf dem Atari ST. Wer da noch ein Stück vom Kuchen abhaben will, muß schon etwas besonderes bieten. Calligrapher ist ein Programm zur Text Verarbeitung, das mit einigen Extras aufwarten kann, die bisher auf dem Atari ST noch bei keinem Produkt in der endgültigen Verkaufsversion vorhanden waren. Allerdings ist das jetzt auf den Markt gebrachte Programm Nachfolger eines sehr „bombensicheren Vorgängers. Was die neue Version kann, und ob sie immer noch absturzfreudig ist, soll dieser Test zeigen.

Getestet wurde die Professional-Version von Calligrapher auf einem alteren Mega 4, und statt GDOS wurde Gplus+ von Codehead (Bela) verwendet. Gedruckt wurde mit dem GDOS-Treiber für den LQ800 von MiGraph. da dem Programm ein passender Treiber für diesen Drucker nur in Form des nicht so guten Treibers für den NB 15 beilag.

Installation -> GDOS

Vor die Arbeit mit Calligrapher haben die Autoren die Installation gesetzt. Diese ist ziemlich problemlos, wenn man noch kein GDOS installiert hat. Auch die Benutzer, die nur mit Diskettenlaufwerken arbeiten, haben keine Probleme. Ist man jedoch stolzer Besitzer einer Festplatte und verfügt wie der Tester gar noch über andere Programme, die mit GDOS arbeiten, z.B. Wordflair, Word-Up oder Easydraw, wird es knifflig. Am besten macht man in so einem Fall erst einmal ein Backup von der Festplatte - mit einem Streamer würde das ja auch schnell gehen.

Will man Calligrapher zusätzlich installieren, muß man fast alles von Hand machen. Man kommt jedoch nicht darum herum, für Calligrapher eine eigene ASSIGN.SYS anzulegen. Dies hat zum einen mit einer besonderen Art der Verwaltung der Zeichensätze zu tun. Zum anderen benutzt Calligrapher verkleinerte Fonts für die Bildschirmausgabe. Diese werden über eigene Gerätenummern installiert.

Am besten macht man zunächst eine automatische Installation in einen Ordner hinein und schaut dann, was man wohin kopieren muß. Immerhin gehören zum Lieferumfang verschiedene Hilfsprogramme. Darunter ist auch eines, mit dem man eine passende Datei ASSIGN.SYS aufbauen kann.

Calligrapher arbeitet mit vektororientierten Zeichensätzen unter GDOS, die mit einem Hilfsprogramm automatisch beim Drucken generiert werden. Eine etwas umständliche, aber für den Benutzer praktische, weil platzsparende Methode.

„Normale“ Textfunktionen

Nachdem die Installation gelungen ist, kann man herumprobieren wäre da nicht der leidige Kopierschutz. Beim Kauf von Calligrapher erhält man einen Diskettensatz von drei Disketten. Die erste Diskette ist kopiergeschützt. Sie muß bei jedem Programmstart von Calligrapher einmal eingelegt werden. Bei meinem Rechner funktionierte das auch. Auf einem neueren Rechner mit elektronischem Laufwerk gab es aber Probleme. Ständig nörgelte das Programm und verlangte nach seiner Hauptdiskette. Vielleicht kann das jemand bei Eclectron erklären. Auf jeden Fall ist das ärgerlich. Auf einem brandneuen dritten Rechner lief übrigens alles wieder problemlos.

Dem Käufer wird zwar versprochen, wenn er sich registriere, erhalte er eine personalisierte Diskette ohne Kopierschutz und mit weiteren Zeichensätzen, doch darauf warte ich jetzt, 6 Wochen nachdem Kauf und dem Absenden der Kundenkarte, immer noch. Besonders stört dabei, daß ein Zeichensatz mit wissenschaftlichen Zeichen, wie z.B. dem griechischen Alphabet und ähnlichem, erst in der Nachlieferung enthalten ist. Es ist ja durchaus verständlich, daß eine Software-Firma ihr Produkt schützt, besonders auf dem verhältnismäßig kleinen Atari-Markt. Nur muß bei solchen Maßnahmen dann auch der Service stimmen!

Doch nun zum Programm selbst. Nach dem Start erscheint eine prallvolle Menüleiste über einem großen Fenster. Eigentlich kann man gleich losschreiben. Der Cursor ist ein dünner Strich und wird mit dem Text weiterbewegt. Da mit GDOS-Zeichensätzen gearbeitet wird, kann man auf eine ganze Anzahl von Schriftarten zurückgreifen. Wer dies nicht möchte, kann in einen Textmodus umschalten, in dem der Bildschirmaufbau einiges schneller ist.

Calligrapher verfügt über alle gängigen Funktionen, die heute von einem Textverarbeitungsprogramm erwartet werden können. Bis zu 7 Texte können gleichzeitig geöffnet sein. Es gibt ein Klemmbrett, mit dem sich Ausschnitte aus einem Dokument verschieben und kopieren lassen.

Auch die Suchfunktion und das Ersetzen sind vorhanden. Allerdings ist hier Calligrapher weitaus leistungsfähiger als die Konkurrenz. Man kann nämlich nicht nur nach Textstellen suchen, sondern auch nach bestimmten Attributen. Grafiken und überhaupt nach so ziemlich allem, was Calligrapher an Elementen kennt, die in einem Dokument Vorkommen können. Bei der Suche sind auch Quantoren (Joker) definierbar.

Bild 1: Die Menüleiste (offensichtlich)

Text

Daß Text importiert und als ASCII-Datei exportiert werden kann, versteht sich heute ebenfalls praktisch von selbst. Mit Calligrapher lassen sich aber auch Dateien aus Wordplus übernehmen. Ferner kann man aus Tabellenkalkulationen Dateien im DIF-Format (ein standardisiertes Format für den Datenaustausch) einlesen. Leider beherrschen nur wenige Programme auf dem ST dieses Format.

Grafik

Die Professional-Version von Calligrapher ist modular aufgebaut. Ein Programm-Modul beherbergt einen sehr guten Grafik-Import. Mit diesem Importmodul lassen sich Grafiken im Grafikformat von Degas (auch Elite) und Neochrome importieren. Dabei werden sie in IMG-Dateien umgewandelt. Diese Umwandlung geschieht mit nur geringem Qualitätsverlust. Man kann auch Bildausschnitte wählen und diese mit einigen einfachen Funktionen überarbeiten. Schade ist nur, daß Calligrapher das bei uns sehr verbreitete STAD-Format nicht kennt. Man muß hier das Format eben erst entsprechend umwandeln. Direkt importieren kann man Metadateien (.GEM) und Dateien im .IMG-Format. Das ist das Grafikformat, das auch das neue Wordplus benutzt.

Lineale

Der Text in Calligrapher ist, ähnlich wie bei Wordplus, an Linealen orientiert. In diesen Linealen werden verschiedene Einstellungen festgelegt, z.B. der Zeilenabstand. die Anordnung der Textspalte(n), die Ausrichtung des Textes sowie die verschiedenen Tabulatoren. Text kann links- oder rechtsbündig, zentriert oder im Blocksatz in einer Spalte gesetzt werden. An Tabulatortypen kennt Calligrapher drei Texttabulatoren (linksbündig, rechtsbündig. zentriert) und den Dezimaltabulator. Dabei kann der Anwender festlegen, ob er Komma oder Punkt als Dezimaltrennzeichen verwenden möchte.

Es ist möglich, Kopf- und Fußzeilen auf den Seiten zu plazieren. Dabei wird zwischen linken und rechten Seiten unterschieden. So läßt sich z.B. für Bücher auf linken Seilen die Seitennummer links aussen und auf rechten Seiten rechts außen plazieren.

Eine Fußnotenverwaltung ist ebenfalls in Calligrapher integriert. Hier kann man festlegen, ob man mit Zahlen. Buchstaben oder Symbolen arbeiten will und ob die Numerierung in einem Text durchgehend sein oder auf jeder Seite neu beginnen soll.

Die Seitennumerierung geschieht automatisch. Man muß nur angeben, wo die Seitennummer stehen soll. Neben der Numerierung der Seiten kann man auch die Absätze durchnumerieren. Dazu stehen arabische und römische Ziffern sowie Buchstaben zur Verfügung. Mit der Absatznumerierung kann man ein Dokument hervorragend strukturieren. Zur Strukturierung eines Dokumentes bietet Calligrapher noch wesentlich mehr, doch dazu kommen wir später noch.

Schließlich kann man noch ein Datum in den Text einfügen. Dies kann ein fixes Datum sein, aber auch ein variables. Ein variables Datum erhält immer das Datum des Tages, an dem das Dokument wieder geladen und dann gedruckt wird. Variable Daten sind dann wichtig, wenn man sich Briefformulare anlegt, die man immer wieder benutzen will.

Stilvorlagen

Eine hübsche Sache sind Stilvorlagen. In einer Stilvorlage kann man verschiedene Attribute für Text vordefinieren und dieser Summe von Definitionen einen Namen geben. Etwas ähnliches gibt es bei Calamus oder dem Fleet Street Publisher. Bis zu zehn Stilvorlagen können einem Text zugeordnet werden.

Z.B. bietet sich an, für verschieden wichtige Überschriften und normalen Text entsprechende Definitionen vorzunehmen. In Bild 3 kann man einen Textausschnitt mit 3 Ebenen von Überschriften und normalem Text sehen. Die große Überschrift hat die Kombination 24-Punkt-Swiss, unterstrichen und fett, die zweite Überschriftebene I8-Punkt-Swiss fett, und die dritte Ebene hat die Attribute 14-Punkt Dutch normal. Die Stilvorlage für den normalen Text heißt Bodytext und die Definition 12-Punkt-Dutch normal. Zwischen diesen Stilvorlagen kann man jederzeit durch Drücken einer Tastenkombination umschalten.

Noch ein Wort zur Organisation von Texten. Bei Wordplus ist es möglich, Absätze zu definieren, die nicht getrennt werden sollen. Man kann diese Option einsetzen, um zu vermeiden, daß einzelne Zeilen oben oder unten auf einer Seite erscheinen, wenn man die Seiten umbricht. Diese Möglichkeit gibt es auch in Calligrapher Hier markiert man einen Abschnitt mit der Maus und verbindet diesen dann.

Man kann auch angeben, wieviele cm eines Textes verbunden werden sollen. Dies ist besonders dann nützlich, wenn man in einem Text Platz lassen will, um später ein Foto oder ähnliches hineinzukleben. Problematisch ist am Verbinden nur. daß später die verbundenen Textstellen nicht auf Anhieb zu erkennen sind.

Formeln und Tabellen

Nach dem, was wir bis jetzt gesehen haben, scheint Calligrapher ein sehr guter Ersatz für Wordplus zu sein. Aber das Programm kann noch einige Stärken aus-spielen. Eine der für mich interessantesten Funktionen von Calligrapher ist die Möglichkeit, Formeln zu definieren. Dazu gibt man in den Text eine Formeidefinition ein, klickt auf die Funktion Formel und schwupp - steht die Formel im Dokument. Man kann sie jederzeit ändern, indem man erst die Formel auflöst, die Änderungen vornimmt und dann aus der neuen Definition wieder eine Formel macht. Ein Beispiel für die Anwendung von Formeln findet sich in Bild 2.

Die zweite Funktion, die sich nicht nur an die Schreiber wissenschaftlicher Texte wendet, ist die Möglichkeit, Tabellen zu erstellen. Der Benutzer kann in Calligrapher äußerst einfach Tabellen eingeben. Zwischen den einzelnen Elementen einer Zeile setzt man einfach den senkrechten Strich (|). Beim Import von Dateien im .DIF-Format geschieht dies automatisch. Wenn man dann auf die Funktion Tabelle klickt, erscheint ein Dialogfeld, in dem sich noch verschiedene Einstellungen machen lassen, die das Aussehen einer Tabelle beeinflussen: Sollen senkrechte und waagerechte Trennstriche gezeichnet werden? Sollen die einzelnen Spalten gleich breit sein, usw.

Wirklich geschickt ist, daß man Tabellen mit Formeln kombinieren kann. Nicht nur dem Studenten der Naturwissenschaften erleichtert dies die Arbeit beim Schreiben von Tabellen in Protokollen erheblich.

Bild 2: Mit Calligrapher lassen sich Formeln leicht erstellen.
Bild 3: Praktisch sind die Stilvorlagen, mit denen sich bis zu 10 Attribute zuordnen lassen.

Glossar

Ein weiteres Bonbon von Calligrapher ist das Glossar. Mit diesem Wort wird die Möglichkeit umschrieben, sehr mächtige Makros innerhalb von Calligrapher zu benutzen. Um dem Glossar ein Element hinzuzufügen, muß es in den Puffer des Klemmbretts kopiert werden. Dann ruft man die Funktion Glossar auf und gibt einen Namen an. Fortan steht das Makro zur Verfügung. Ändern kann man ein Makro nicht. Will man dies, muß das Makro in seiner neuen Form in das Glossar übertragen werden, und die alte Definition ist zu löschen.

Man kann wirklich alles mögliche in das Glossar aufnehmen. Besonders angenehm ist, daß dies auch für Stilvorlagen gilt, die normalerweise immer an das Dokument gebunden sind, in dem sie erstellt wurden. Benutzt man statt der Funktion Stilvorlagen das Glossar, kann man dieselben Definitionen in verschiedenen Dokumenten be nutzen.

Seitenübersicht

Gut gelungen in Calligrapher ist die Seitenübersicht. Bis zu 8 Seiten sind gleichzeitig in der Übersicht darstellbar. Dabei lassen sich auch beliebige Seiten eines Dokuments in die Übersicht holen. Daneben kann man auch zwei oder nur eine Seite in der Übersicht betrachten. Diese Seite(n) werden dann etwas größer dargestellt als in der achtseitigen Übersicht.

Grafische Elemente

Neben dem Import von Grafiken und Bildern aus anderen Programmen ermöglicht Calligrapher auch das Erstellen von Grafiken in speziellen Grafikrahmen. Innerhalb eines solchen Grafikrahmens kann man objektorientierte Grafiken anfertigen. Dazu steht eine ausreichende Anzahl von Zeichenwerkzeugen zur Verfügung. Das Konzept ist auch hier sehr einfach. Ein Objekt kann nicht mehr verändert werden, wenn es einmal gezeichnet ist. Es ist aber jederzeit möglich, es wieder in den Vordergrund zu holen, zu löschen und neu zu zeichnen.

Auch Formeln und Tabellen gelten als grafische Elemente, wenn sie einmal erstellt sind. Insbesondere den Formeln merkt man dies an, da es eine Fülle von Möglichkeiten gibt, in „Formeln“ Grafikelemente ein/ubauen. Das Mischen von Text und Grafik ist möglich. Auch hier ist es notwendig. mit dem Klemmbrettpuffer zu arbeiten.

Kapitelliste

Calligrapher bietet noch mehr. Wenn mehrere Dokumente in einem Ordner stehen, kann man sie als Kapitel eines größeren Textes betrachten. Calligrapher übernimmt dann automatisch die Verwaltung der Seitennummern über die Kapitel hinweg, und es gelingt auch, Markierungen in verschiedenen Kapiteln direkt anzuspringen.

Serienbriefe

Ein Textprogramm gilt nicht als vollwertig, wenn es nicht über eine Serienbrieffunktion verfügt. Also kann man auch mit Calligrapher seine Verwandtschaft und Geschäftspartner mit persönlichen Rundschreiben bedenken. Die Übernahme von Daten in Calligrapher aus verschiedenen Datenbanksystemen gestaltet sich ziemlich problemlos. Man muß aber wissen, wie die einzelnen Datenfelder und Datensätze getrennt sind. Bei Adimens ist das z.B. beide Male die Kombination CR/LF (Wagenrücklauf und Zeilenvorschub = Cursor Return / LineFeed). In den Text fügt man Platzhalter ein, die die Nummer des gewünschten Datenfeldes innerhalb eines Datensatzes enthalten. Benutzt man aber solche Platzhalter mitten im Text, kann es schon einmal zu unschönen Ausfransungen des Textes oder großen Abständen der Buchstaben kommen. Man kann die genaue Plazierung von Text auf dem Papier bei Serienbriefen nicht vollständig kontrollieren.

Ideenprozessor

Ein letztes Schmankerl von Calligrapher habe ich mir bis jetzt auf gehoben. Ich habe ja bereits erwähnt, daß man mit Calligrapher Dokumente hervorragend strukturieren kann. Dabei hilft der Ideenprozessor. Wenn man den Ideenprozessor öffnet, erscheint ein Fenster, in dem man die Ideen oder Überschriften in einen Zusammenhang stellen kann. Bild 4 zeigt eine solche Übersicht.

Nachdem man so die grobe Struktur eines Dokumentes erstellt hat, kann man diese Überschriften in den Text übernehmen und das Skelett mit Fleisch, sprich Text, füllen. Dabei ist es jederzeit möglich, in den Ideenprozessor zurückzukehren, wobei die Texteinfügungen übernommen werden. Im Ideenprozessor kann man dann jederzeit eine Idee einfügen, die Ideen vertauschen und die Ordnung des Dokumentes ändern. Wird eine Überschrift verschoben, so folgt der gesamte zugehörige Abschnitt. Da kann das Schreiben wirklich Spaß machen.

Drucken

Der Ausdruck von Dokumenten ist auf zwei Arten möglich: entweder als Grafikdruck in GDOS-Qualität oder als schneller Textausdruck im Textmodus. Der Ausdruck unter GDOS gestaltet sich problem los, wenn man GDOS und andere benötigte Zusatzprogramme richtig installiert hat. Seltsamerweise ist die Qualität beim Ausdruck importierter Metadateien nicht ganz so gut wie beispielsweise mit dem Programm OUTPRINT von Migraph. Trotzdem, die Ausdrucke können sich sehen lassen.

Das Drucken im Textmodus bietet die Möglichkeit, schnell und flexibel Korrekturfahnen von Dokumenten zu erstellen.

Das funktioniert auch ganz gut - mit einigen Einschränkungen. Es treten im Ausdruck oft Verschiebungen des Zeilenabstands auf. die sowohl auf dem Bildschirm als auch in der Seitenübersicht und beim Drucken mit GDOS nicht vorkommen.

Der Platz in den Eingabezeilen für die Druckerparameter ist zu klein. Gerade am Beginn eines Dokumentes schicke ich immer eine ganze Liste von Befehlen an den Drucker. Das ist mit Calligrapher nur über Tricks möglich. Es hat auch Nachteile , daß die Codes für die Druckersteuerung direkt in das Programm gespeichert werden und nicht extern nachladbar sind. So muß jeder Anwender mindestens einmal die ganze Liste der Steuerfolgen eingeben.

Bild 4: Einmalig ist bisher der Ideenprozessor von Calligrapher.

Handbuch

Nachdem wir die einzelnen Möglichkeiten des Programms betrachtet haben, wollen wir einen Blick, oder besser zwei, ins Handbuch wagen. Auf den ersten Blick erscheint es sehr vollständig: Es gibt ein Inhalts- und ein Stichwortverzeichnis, der Druck ist sauber und gut lesbar. Die Seiten sind in einem praktischen Ringbuch abgelegt. Doch schon der zweite Blick stimmt skeptischer. Viele Erklärungen sind recht knapp geraten und gehen nicht auf die auftretenden Schwierigkeiten ein. An einigen Stellen fehlen Beschreibungen möglicher Optionen und ganzer Menüeinträge. Das Deutsch im Handbuch ist nicht das beste. Man merkt deutlich, daß hier nicht sorgfältig genug Korrektur gelesen wurde. Bei einem Programm für vierhundert Mark kann man etwas mehr Sorgfalt bei der Dokumentation erwarten.

Eigenheiten

Bevor ich das Programm endgültig bewerte, möchte ich noch auf einige Schwierigkeiten hinweisen, die beim Test auftraten. Das größte Manko von Calligrapher ist eine unhaltbare Trägheit beim Bildschirmaufbau. Das Programm kommt beim Schreiben nur knapp mit, tippt man etwas schneller, muß man schon vollkommen blind schreiben. Benutzt man Sondertasten wie Backspace und Delete, wird es noch schlimmer. Es können durchaus ein bis zwei Sekunden vergehen, bis der Cursor wieder auftaucht. Hier muß unbedingt noch an dem Programm gearbeitet werden.

Ein zweites Problem, das wahrscheinlich mit den eben genannten Geschwindigkeitsproblemen zusammenhängt, besteht darin, daß der Mauszeiger oft nicht sofort erscheint, wenn die Maus bewegt wird. Hin und wieder blieben im Test auch einzelne Punkte von Buchstaben auf dem Bildschirm zurück, wenn diese verschoben wurden.

Was noch störend auffiel, war, daß die verschiebbaren Markierungen in den Randbalken des Fensters nicht richtig berechnet werden. Sie haben immer eine feste Größe, was bei kurzen Dokumenten zu Problemen führt, wenn man die Schieber benutzen will.

Doch nicht nur solche Unschönheiten traten auf, über die man in einem gewissen Rahmen hinwegsehen kann, es gab auch richtige Programmierfehler. Zum Glück konnte ich nur einmal einen Absturz produzieren, was aber nicht heißt, daß ich alle Möglichkeiten gefunden habe. Liest man z.B. beim Einfügen einer Datei kein Calligrapher Dokument, sondern einen ASCII -Text ein, so erscheint zunächst auch richtigerweise ein entsprechender Hinweis, doch dann hagelt's Bömbchen.

Beim Übertragen von Ideen aus dem Ideenprozessor soll es möglich sein, Stilvorlagen für die verschiedenen Ebenen zu setzen, die dann beim übertragen berücksichtigt werden sollen. Trotz mehrfacher Versuche und Nachfragen war dies nicht möglich. Ärgerlich ist auch, daß die Hilfetexte nur in Französisch auf der ausgelieferten Diskette waren.

Ein letztes Ärgernis ist meines Erachtens die Menüleiste. Diese ist ziemlich schlecht organisiert. Viele ähnliche Funktionen tauchen in verschiedenen Menüs auf, manche Menüpunkte sind unglücklich benannt. Hier müßte nochmals am Design des Programmes gefeilt werden.

Fazit

An sich ist Calligrapher ein hervorragendes Programm mit vielen Möglichkeiten und wirklich tollen Funktionen. Doch leider macht die geringe Arbeitsgeschwindigkeit, besonders beim Aufbau des Bildschirms, die Arbeit mit dem Programm fast unerträglich. Solange hier nicht Besserung eintritt, kann man dieses Programm nur eingeschränkt empfehlen.

Obwohl Calligrapher das bisher einzige Programm ist, das ich kenne, welches eine Formel Verarbeitung und Tabellenverwaltung ermöglicht, sind auch noch ein paar Wünsche für zusätzliche Funktionen vorhanden. Zunächst wäre da die Möglichkeit, eine spezielle Markierung bei bestimmten Wörtern anzubringen, aus denen sich dann ein Stichwortverzeichnis generieren läßt. Die Erstellung eines Inhaltsverzeichnisses ist ja mit dem Umweg über den Ideengenerator schon möglich. Gefallen hat mir die Idee, die Menüs auch über die Tastatur erreichen zu können. Nur daß man mit den Pfeiltasten erst auf den gewünschten Menüeintrag rollen muß. wird auf die Dauer lästig. Schneller wäre mit Sicherheit, alternativ auch die ersten Buchstaben der Menütitel und Einträge benutzen zu können.

Also, wie gesagt, ein Programm mit vielen hervorragenden Ansätzen, aber (Geschwindigkeits-)Optimierung tut not.

CSM

Bezugsadresse:

DTZ DataTrade AG Landstrasse 1 CH-5415 Rieden/Baden



Aus: ST-Computer 12 / 1990, Seite 45

Links

Copyright-Bestimmungen: siehe Über diese Seite