Leonardo ST - Ein kleiner „Da Vinci“ für mathematische Zeichnungen

Auf dem schier unüberschaubaren Markt von Grafik-Software ist ein neuer Stern hinzugekommen: Leonardo, ein Programm, das nach Angaben des Herstellers eine Kombination aus vollwertigem CAD-System, Illustrationsprogramm und Programmiersprache darstellt. In einer Zeit, in der der Anwender aus einer riesigen Flut von fleißigen Grafikhelfern auswählen kann, sollte sich zeigen, ob das Programm diesen hohen Anforderungen auch wirklich entspricht. In einem intensiven Test haben wir Leonardo genauestens unter die Lupe genommen...

Mit Leonardo lassen sich Vektorgrafiken aller Art entwickeln, wobei das Hauptarbeitsgebiet sicherlich die technische Zeichnung ist. Durch zahlreiche Funktionen wird vor allem der Mathematiker unterstützt, der seine Diplomarbeit illustrieren muß oder als Hobby kleinere Konstruktionen auf dem Papier entwerfen will. Ganz klar muß Leonardo vom professionellen CAD-Bereich (Anm.d.Red.: CAD - Computer Aided Design, engl.: Computer unterstützter Entwurf) abgegrenzt werden, da das Programmen mit „Campus CAD“ oder „Technobox Drafter“ eindeutig nicht mithalten kann, auch wenn der Hersteller hiervon fest überzeugt ist.

Die Zeichen-Software läßt sich grob in fünf Abschnitte einteilen. Neben Standardzeichenfunktionen (Kreise, Linien. Rechtecke, Quadrate usw.) stehen „Werkzeuge“ (Aufbrechen von Kreisen, Abrunden von Ecken, Anlegen von Tangenten usw.) und Bemaßungsmöglichkeiten (Winkel, Strecken, Abstände, Durchmesser etc.) zur Verfügung. Ferner werden über 300 technische Symbole aus verschiedenen Bereichen (Elektronik, Pneumatik, Architektur und andere) mit geliefert, die auf Mausklick in die Zeichnung übernommen werden. Abgerundet wird Leonardo durch eine postscript-ähnliche Programmiersprache, mit der sich Zeichenmakros aller Art definieren lassen und in der eindeutig die Stärken des Programmes liegen.

Menü 1: Das Hauptmenü non Leonardo bietet zahlreiche Optionen.
Tabelle 1: Im Untermenü „Grafik" stehen die alltäglichen Standardzeichenfunktionen zur Verfügung.

Das Handbuch

Das DATA BECKER-Produkt wird als sogenannte „Bookware“ mit zwei doppelseitig formatierten Disketten im Buch geliefert. Samt Anhang und Stichwortverzeichnis umfaßt das Handbuch 200 Seiten. Der erste, „äußere“ Anschein des professionell gedruckten und gebundenen Buches erweckt leider einen falschen Eindruck über die „innere“ Qualität. Nicht nur, daß das Buch geradezu vor Rechtschreibfehlern strotzt, auch bei der Erklärung einiger Funktionen wird der Anwender stark im Stich gelassen. Dafür werden viele Eigenschaften als besondere Fähigkeit hervorgehoben, die bei den meisten Programmen längst zum Standard gehören.

Standardfunktionen

Den ersten Hauptabschnitt stellen die Zeichenfunktionen dar (siehe Tabelle 1). Hiermit lassen sich sowohl Standardgrafiken, wie Linien, Kreise, Polygone, Drei- und Rechtecke als auch Quadrate und Strahlen erstellen. Natürlich kann der mausgeübte Grafiker sich auch mit Freihandzeichnungen versuchen. Zusätzlich bieten sich mehrere Figuren aus dem mathematischen Bereich: Parallelogramme, Vielecke sowie parallele waagerechte oder senkrechte Linien. Ferner können Sie Vollkreise, Kreissegmente, Kreise und Kreisausschnitte durch drei Punkte und Ellipsenausschnitte zeichnen. Ergänzt werden die Grafikarten durch Bézier-Kurven und Splines und durch Bogen.

Ferner kann der Zeichner das gewünschte Füllmuster einstellen und seine Zeichnung mit Vektorzeichensätzen „garnieren“. Hierbei unterscheidet das Programm zwischen zwei Arten: Strich- und Outline-Zeichensätze. Erstere besitzen die von technischen Zeichnungen her bekannte Qualität, die „Outlines“ dagegen können sich durchaus sehen lassen und reichen fast an CALAMUS-Fonts (Anm.d.Red.: Font = engl., Zeichensatz) heran. Wahlweise lassen sich die Zeichen als Umriß oder gefülltes Zeichen darstellen. Hierbei kann der Grafiker zwischen verschiedenen Parametern wählen und damit seine Schrift - wahlweise schräggestellt (kursiv), unterstrichen, proportional, gespiegelt oder um einen Winkel gedreht - darstellen (siehe Bild 1). Die Zeichenbreite läßt sich zwischen Schmalschrift und zweieinhalbfacher Breite einstellen. Bei Strichzeichensätzen ist zusätzlich noch Fettschrift möglich. Der Text-Editor erinnert ein wenig an den des Programmes CALAMUS (siehe Bild 2) und ermöglicht auch mehrzeilige Texte. Leider ist der Editor noch spartanischer gehalten als das „Vorbild“, denn der Cursor läßt sich weder auf Tastendruck an Anfang und Ende der Zeile setzen, noch kann er mit der Maus positioniert werden und springt am Ende der Zeile auch nicht automatisch an den Anfang der nächsten. Somit gestaltet sich das Edieren längerer Texte eher mühsam.

Mit dem Editor kann jedoch ASCII-Text eingeladen und mit dem Standard-Vektorzeichensatz in das Bild übernommen werden (siehe Bild 3). Zwar kann man den Text auch in einen (schöneren) Umrißzeichensatz „konvertieren“, dann fehlen jedoch alle Zeilen-Vorschübe. Der (nun einzeilige) Text, der über die Seitenbreite hinausgeht, ruht unwiederbringlich im Nirwana rechts neben der Seite. Daß in Texten vorhandene Kommas als Zeilenvorschub interpretiert werden, macht die Importier-Funktion für Texte zwar nicht unbrauchbar, aber nur bedingt nutzbar. Dafür lassen sich Texte, die im Editor eingegeben werden, als ASCII-Text abspeichern. Beim Komfort (vor allem in bezug auf die Cursor-Bewegungen), der bei der Texteingabe geboten wird, wollen Sie demnächst sicher alle Texte nur noch mit dem Leonardo-Editor eingeben und dann für den Ausdruck mit TEMPUS abspeichern ...?

Sieht man einmal von der Textoption ab, arbeiten die restlichen Zeichenfunktionen hilfreich und zuverlässig. Angenehm fällt dabei ein Hilfskasten auf, der wahlweise schon in der Entstehung Winkel oder Fläche von Objekten anzeigt, etwa wenn ein Parallelogramm gezeichnet wird (Bild 4). Die schraffierten Füllmuster sind durch einstellbaren Linienabstand gut zu handhaben und allen Bedürfnissen anzupassen.

Bild 1: Auch die Leonardo-Zeichensätze lassen sich mit Textattributen versehen.
Bild 2: Äußerst spartanisch ausgerüstet ist der Text-Editor. Die Texte lassen sich als Vektor-Objekte in die Zeichnung übernehmen.
Bild 3: Eine fertige Zeichnung (für des Elektronikers Herz)

Werkzeuge

Gerade für den Mathematiker ist der zweite Funktionsabschnitt mit zahlreichen „Werkzeugen“ interessant (siehe Tabelle 2), mit denen sich bereits gezeichnete Objekte nachträglich in ihrem Aussehen beeinflussen lassen. Der Benutzer kann so zwei Linien gegeneinander trimmen oder aber Tangenten an Kreise anlegen. Die Aufteilung einer Linie in mehrere gleichlange Teillinien ist ebenso möglich wie das Abrunden von Ecken, das Konstruieren von Winkeln oder das Fällen von Loten (eine Linie, die durch einen bestimmten Punkt verläuft und auf einer zweiten Linie senkrecht steht). Weiterhin lassen sich Eckpunkte einer Figur bewegen oder Kreise mit gleichem Mittelpunkt (konzentrische Kreise) erzeugen. Der Nicht-Mathematiker wird mit diesen Zeichenfunktionen weniger anfangen können.

Bemaßen

Für das Bemaßen von Strecken und Abständen stehen ebenfalls Routinen zur Verfügung (Tabelle 3). Hierbei hat der Anwender die Wahl zwischen Streckenbemaßung. horizontalem und vertikalem Abstandsmaß, Radius-, Durchmesser- und Winkel- sowie Sonderbemaßung (bei der der Text mit einer Linie an einen freien Platz geschrieben wird). Neben vollautomatischer Bemaßung stehen auch halbautomatische und manuelle zur Verfügung.

Auf Wunsch kann auch die obere und untere Toleranz (bei Montagefertigung notwendig) angegeben werden.

Die Bemaßungseinheit läßt sich ebenso einstellen wie die Anzahl der Stellen hinter dem Komma und der Maßstab. Natürlich darf der Abstand zur Bemaßungslinie nicht fehlen. Zusätzlich läßt sich ein Sonderzeichen (Durchmesser-, Flächen-, Plusminus-, Ungefähr- oder Gradzeichen) in den Bemaßungstext aufnehmen und die Eckpunktkennzeichnung der Bemaßungslinie einstellen.

Symbole

Eine besondere Eigenschaft von Leonardo ist die Verwendung von technischen Symbolen. Auf den Disketten befinden sich insgesamt über 300 bereits vordefinierte Symbole aus den Bereichen Architektur. Elektroinstallation, Elektronik sowie Pneumatik und Hydraulik, die den entsprechenden DIN- beziehungsweise ISO-Normen entnommen wurden (siehe Tabelle 4 am Textende). In den Funktionsbereichen Sym1 bis Sym4 lassen sich jeweils bis zu 32 Symbole ablegen, so daß gleichzeitig 128 Symbole ohne Nachladen im Speicher gehalten werden können. Der Benutzer kann beliebig viele weitere Symbole definieren oder ergänzen, die nicht in der Bibliothekssammlung enthalten sind. Um nicht bei jedem Programmstart alle 128 Klemmbrettpositionen einzeln neu einladen zu müssen, lassen sich die Klemmbretter mit 32 Symbolen komplett abspeichern. Durch sie können außerdem Bildteile zwischen mehreren Arbeitsblättern ausgetauscht und kopiert werden.

Bild 4: Bei mathematischen Objekten (hier ein Parallelogramm) werden nicht nur x- und y-koordinate angezeigt, sondern auch Länge und Fläche (bei manchen Objekten auch der Winkel).
Tabelle 2: Zahlreiche „Werkzeuge" für Mathematiker erleichtern halbprofessionelle technische Zeichnungen.
Tabelle 3: Neben Strecken und Abständen lassen sich auch Winkel, Radien und Durchmesser bemaßen.

Seitenformate

Leonardo kann - als technisch orientiertes Grafikprogramm - natürlich die üblichen DIN-Seitenformate bearbeiten. Dabei fällt auf, daß nicht nur (normalerweise übliche) Seitengrößen von DIN A5 bis A3 bearbeitet werden können. Die maximale Seitengröße beträgt im metrischen Format DIN A0 mit 118,9 mal 84,1 Zentimetern, im metrischen Überformat sogar 123 mal 88 Zentimeter (entweder als Quer- oder Hochformat). Für Architekten bietet sich eine Maximalgröße von 48 mal 36 Zoll. Mit Hilfe der Lupe kann der Benutzer einen Rahmen aufziehen, der den neuen Anzeigeausschnitt definiert. So kann man problemlos einen Teil der Grafik in höherer Auflösung ansehen. Durch drei Zusatzsymbole am oberen Fensterrand läßt sich ein Arbeitsblatt gleichzeitig in mehreren Fenstern darstellen. Wahlweise können Sie sich zwei Fenster nebeneinander, zwei untereinander oder vier Fenster öffnen. Hilfreich beim Zeichnen ist das einstellbare Raster, das für x- und y-Achse getrennt eingestellt werden kann. Ferner lassen sich auch Lineale am Rand der Seite einblenden.

Äußerst kompliziert stellt sich die Anwahl einzelner Objekte dar. Will der Benutzer etwa zwei gegenüberliegende Seiten eines Sechseckes anwählen, so ist dies zwar laut Handbuch, in der Praxis jedoch bisher nicht möglich. Es lassen sich nämlich nur Linien anwählen, die in ein Markierungsrechteck passen. Die Anwahl mehrerer einzelner Objekte mittels SHIFT-Mausklick war mit der vorliegenden Version V1.1 leider nicht möglich.

Besonders interessant gestaltet ist die UNDO-Funktion. Mit Vorwärts- und Rückwärtspfeilen, wie bei einem Videorekorder. lassen sich alle gezeichneten Objekte einzeln löschen. An die Stelle der ehemaligen Objekte, die noch immer in einem Puffer gespeichert sind, können Sie sich neue Objekte setzen. Natürlich kann man die im Puffer gespeicherten Objekte auch wieder per Tastendruck einzeln zurückholen.

Verbindung zur Außenwelt

Mit Leonardo lassen sich mehrere Arbeitsblätter gleichzeitig bearbeiten. Die Anzahl der geladenen Dokumente hängt dabei jeweils von der Anzahl der gezeichneten Objekte und vom Arbeitsspeicher ab und ist somit immer verschieden. Natürlich muß der neue Grafikhelfer von DATA BECKER sein eigenes Dateiformat haben, und zwar *.LVG für Leonardo-Vektor-Grafik. Positiv fällt dagegen auf, daß sich die Dateien mit einem Password schützen lassen, das beim Speichern und beim Laden angegeben werden muß. Somit lassen sich „geheime" Daten vor unliebsamen Blicken Unbefugter schützen.

Um eine Anbindung an die „Software-Außenwelt" zu schaffen, kann die Grafik auch als Metafile mit der Endung *.GEM abgespeichert werden, das andere Programme (zum Beispiel CALAMUS, EASY-DRAW. GEM-DRAW, um nur wenige zu nennen) lesen können. Ferner lassen sich Ausschnitte der eigenen Zeichnungen im Standard Picture-Format (32000 Bytes) abspeichern. Jedoch funktionierte diese Funktion bei der vorliegenden Version V1.1 noch nicht fehlerfrei, da nur ein Teil der Objekte abgespeichert wurde und andere nach dem Speichervorgang plötzlich im aktuellen Dokument fehlten.

Wer gerne Accessories der Menüleiste benutzt, hat Pech gehabt. Er wird in dieser Hinsicht von Leonardo enttäuscht, da die Accessories gegen Zugriff gesperrt sind. Hier bleibt nur die Möglichkeit, das Programm zu verlassen, falls sich das Accessory nicht über eine Tastenkombination aufrufen läßt. Eine Umschaltung auf eine zweite Menüleiste, die die Benutzung der fleißigen Menüleisten-Helferlein erlaubt, wäre ja wohl kaum ein Programmierproblem im Hause DATA BECKER gewesen, oder?

Ausdruck

Der Ausdruck eigener Kunstwerke kann mit verschiedensten Druckern erfolgen. Neben 9- und 24-Nadeldruckern unterstützt der kleine „Da Vinci" auch den ATARI-Laserdrucker. Zusätzlich wird ein Treiber für Plotter geboten, die die HPGL-Standardsprache beherrschen. Besonders erwähnenswert erscheint uns eine mitgelieferte Druckeranpassung für postscript-fähige Drucker! Da alle Druckertreiber als ASCII-Datei vorliegen, sollte eine Anpassung an einen exotischen Drucker keine Schwierigkeiten bereiten. An Druckerpuffer stellt das Programm minimal 64 kByte zur Verfügung. Auf Wunsch kann der Puffer erhöht werden.

Beispielhaft ist der Ausdruck von zu großen Seiten auf dem Drucker gelöst. Will man etwa eine DIN A3-Seite auf einem A4-Drucker ausgeben, kann die Seite entweder auf DIN A4 verkleinert ausgegeben werden, oder es lassen sich mehrere Einzelteile drucken, die sich dann zusammenfügen lassen. Gedrehter Ausdruck stellt ebensowenig ein Problem dar wie verkleinerter oder vergrößerter Ausdruck auf einen eingestellten Maßstab.

Ebenen & Kopien

Wie von CAD-Programmen bekannt, arbeitet auch Leonardo mit Ebenen. Diese Ebenen muß sich der Benutzer als mehrere Klarsichtfolien vorstellen, die paßgenau übereinander gelegt werden. So läßt sich zum Beispiel bei einem Gebäudegrundriß jedes einzelne Zimmer auf eine einzelne Ebene zeichnen. Insgesamt lassen sich maximal 250 Ebenen verwirklichen, die auf Wunsch ein- oder ausgeblendet werden können. Weiterhin können einzelne Ebenen gelöscht oder aktiviert werden. Dies ist nötig, da eine nichtaktivierte Ebene zwar angezeigt wird, sich aber nicht bearbeiten läßt.

Einzelne Objekte lassen sich auf vielerlei Arten kopieren. Durch den Menüeintrag „Lineares Aufreihen eines Bereiches" kann ein markierter Bereich beliebig oft auf einer virtuellen Linie in regelmäßigen Abständen kopiert werden. Durch „zirkulares" Aufreihen werden die Kopien nicht auf einer Linie abgelegt, sondern auf einem Kreis. Beim „Rotieren" werden die Kopien ebenfalls auf einem Kreis abgelegt, wobei die Kopien jeweils um einen bestimmten Winkel gedreht sind.

Natürlich kann man einen Bereich auch drehen oder spiegeln, ohne eine Kopie anfertigen zu müssen. Wie von CALAMUS bekannt, lassen sich einzelne Bereiche als Gruppen bzw. Nichtgruppen definieren. Dies ist vor allem dann sinnvoll, wenn sie mit einer zusätzlichen Funktion in den Vorder- oder Hintergrund gebracht werden sollen (zum Beispiel schraffierte Flächen). Weiterhin können Sie Bereiche fixieren, so daß sie gegen weitere Bearbeitung (Bewegen, Löschen. Verändern usw.) geschützt werden, bis die Fixierung aufgehoben wird. Da durch einige Programmfunktionen mitunter der Bildschirm teilweise zerstört oder nicht aktualisiert wird, muß man dann mit dem entsprechenden Menüeintrag sein "Bild neu aufbauen“.

Makros / Programmierung

Eine besondere Programmeigenschaft von Leonardo sind Makros. Mittelseines Programmier-Editors lassen sich eigene Makros erstellen, die ein ganzes Programm ablaufen lassen, die wahlweise im Makro-Interpreter oder als compilierte Version direkt übereine Funktionstaste aufgerufen werden können. Hierzu bietet der Makro-Editor verschiedene Funktionen zur Eingabe des Quelltextes, die wesentlich umfangreicher sind als die des Schrifttext-Editors. Zusätzlich steht hier eine Hilfs-Menüleiste zur Verfügung, die Auskunft über verschiedene Programmieroptionen gibt (siehe Menü 2).

Für die Erstellung von Makros steht die Programmiersprache PS+ zur Verfügung, die nach Angaben des Herstellers weitestgehend an den Postscript-Standard angelehnt ist. PS+ ist "speziell auf die Bedürfnisse des LEONARDO-Anwenders zugeschnitten, der durch umfangreiche Grafik- und Arithmetikbefehle optimal unterstützt wird“, heißt es im Handbuch. Auf die Programmiersprache genauestens einzugehen, würde jedoch den Rahmen dieses Artikels sprengen, weshalb wir uns auf eine Auflistung der Befehle in Tabelle 5 beschränken. Eine Auflistung mehrerer Programmbeispiele im Handbuch mit ausführlicher Erläuterung würde den Einstieg in PS+ sicherlich noch erleichtern. So bleibt nur die Möglichkeit, die auf der Diskette enthaltenen Makros einzuladen und auszuprobieren.

Gerade in der Benutzung der sehr leistungsfähigen Makros liegen die Stärken von Leonardo. Bereits an den Demos läßt sich erkennen, was durch PS+ - bei richtiger Anwendung, die erst einmal gelernt sein will - möglich ist. Neben der Erstellung von Tabellen nach DIN für technische Zeichnungen auf Knopfdruck, lassen sich etwa die Lötpunkte eines ICs in richtigem Abstand und maßstabsgetreuer Größe zeichnen. Deshalb scheint uns gerade dieses Kapitel im Handbuch mit 18 Seiten viel zu kurz geraten, wo doch hier Leonardo seine Fähigkeiten erst richtig demonstrieren kann.

Fazit

Leonardo bietet im Bereich der Standardzeichenfunktionen gegenüber anderen Programmen keine wesentlichen Neuerungen. Die Textfunktionen waren für den Hersteller allem Anschein nach nur ein notwendiges Beiwerk, damit die technischen Zeichnungen beschriftet werden können. Gerade in diesem Bereich wäre etwas Komfort wünschenswert, wenn das Programm auch als nichttechnisches Zeichenhilfsmittel eingesetzt werden soll. Anders sieht es aus bei den Werkzeugen, die dem Hobby-Mathematiker hinreichende Möglichkeiten bieten, kleinere mathematische Zeichnungen zu erstellen (etwa für Schulhausaufgaben). Die äußerliche Professionalität des 200seitigen Handbuches hätte auch der Inhalt verdient. Neben den vielen Tipp- und manchen sachlichen Fehlern, die den Einsteiger verwirren können, mangelt es teilweise an ausreichender Beschreibung der Funktionsbedienung.

Wer ein CAD-Programm erwartet, mit dem alle Wünsche befriedigt werden können, sollte lieber auf ein professionelles CAD-Programm umsteigen, das zwangsläufig den Geldbeutel stärker belastet. Die großen Stärken von Leonardo ST liegen eher in der halbprofessionellen, technischen Zeichnung. Hier sind mitunter die einstellbaren Schraffurmuster hilfreich. Durch die komplette Verwendung von vektorisierten Objekten lassen sich nachträglich alle Objekte verschieben und verändern, was bei punktorientierten (Pixel-)Grafiken nicht ohne weiteres möglich ist. Durch die Export-Funktion in *.PIC- und *.GEM-Format sind die nötigsten Schnittstellen zu anderen Software-Produkten im Grafikbereich abgedeckt. Sinnvoll wäre zumindest jedoch das Einlesen von *.GEM-Dateien, damit auch Grafiken anderer Programme weiterbearbeitet werden können.

Der Preis von unter DM 100,- scheint für die Funktionen, die das Programm bietet, angemessen. In der uns zum Test vorliegenden Version V1.1 müssen jedoch einige Prozeduren noch überarbeitet werden, bevor der kleine „Da Vinci“ voll einsatzfähig ist. Dies bezieht sich vor allem auf das Markieren von Objekten, da sonst ein korrektes Arbeiten mit dem Programm kaum möglich scheint. Hat man sich erst einmal in die Makro-Programmiersprache PS+ eingearbeitet, entdeckt man die Vorzüge des Programmes, die für häufig wiederkehrende Standardzeichnungen von großem Nutzen sind.

Das Programm eignet sich also in erster Linie für Mathematiker, die halbprofessionelle Zeichnungen erstellen wollen. Wer gerne umfangreichere Vektorzeichnungen oder professionelle CAD-Entwürfe anfertigen möchte, dem sei eher zu einem Konkurrenzprodukt geraten.

RP

ISBN 3-89011-818-6, 200 Seiten,
Unverbindlich empfohlener Verkaufspreis DM 99,-

Bezugsquelle:

DATA BECKER Merowinger Str. 30 4000 Düsseldorf 1

Elektronik:
DIN40700.BIB Schaltzeichen der Elektrotechnik
DIN40712.BIB Schaltzeichen der Elektrotechnik

Elektroinstallation:
DIN40717.BIB Schaltzeichen zur Elektroinstallation

Fluidtechnische Systeme und Geräte:
ISO_1219.BIB Schaltzeichen zur Hydraulik/Pneumatik

Architektur:
ARCHITEK.BIB Symbole für Architektur und Innenarchitektur, Maßstab 1:100

Tabelle 4: Zu diesen DIN- und ISO-Normen werden insgesam über 300 fertige Symbole mitgeliefert.

Menü 2: Der neuen Technik von „Pulldown-Menüs in Fenstern" folgt das Menü des Makro-Editors.

Arithmetikbefehle:

abs Absolutwert
acos Arcuscosinus
add Addition
asin Arcussinus
atn Arcustangens
cos Cosinus
dec Erniedrigen
div Division
even Gerade
idiv Ganzzahldivision
inc Erhöhen
log Logarithmus
log 10 Zehnerlogarithmus
mod Divisionsrest
mul Multiplikation
neg +/- Vorzeichenwechsel
odd Ungerade
rnd Zufallszahl
sin Sinus
sqr Wurzel
sub Subtraktion
tan Tangens
! Fakultät

Ein- und Ausgabebefehle

alert Hinweisbox ohne Buttons (Knöpfen)
dialog Alert-Box mit Buttons (Knöpfen)
getcursor holt Mauskoordinaten
getkey wartet auf Tastendruck
inp getkey mit Wertabfrage
show schreibt Wort / String

Definitionsbefehle

scalefont stellt Schrifthöhe ein
setdash wählt Linienstil
setfont wählt Zeichensatz
setpen wählt aktuellen Stift
textrotate setzt Textdrehung

Grafikbefehle

arc zeichnet Kreisausschnitt gegen Uhrzeigersinn
arcn zeichnet Kreisausschnitt im Uhrzeigersinn
box zeichnet Rechteck
circle zeichnet Vollkreis
closepath schließt zusammenhängende Linien
ellipse zeichnet Ellipse
lineto zeichnet Linie vom aktuellen Punkt an
moveto setzt aktuellen Punkt neu
rbox zeichnet relatives Rechteck vom aktuellen Pkt.
rlineto zeichnet relative Linie vom aktuellen Pkt.
rmoveto bewegt aktuellen Punkt relativ

Strukturbefehle

endif Ende eines Programmteiles
call Ruft Unterprogramm auf

Setzt eine Marke

return Rücksprung aus Unterprogramm

Logische Operatoren

and Und
eqv Äquivalenz
or Oder
not Nicht
xor Entweder-Oder
eq Gleichheit
ge Größergleich
gt Größer
le Kleinergleich
lt Kleiner
ne Ungleich

Variablen und Stack

clear löscht den Stack (engl. - Puffer)
dup verdoppelt oberstes Stack-Element
exch vertauscht die beiden oberen Stack-Elemente
getdate schreibt Systemdatum auf den Stack
gettime schreibt Systemzeit auf den Stack
timer schreibt Timer-Wert auf den Stack
pop löscht oberstes Stack-Element

Tabelle 5: Die leistungsfähige, technisch orientierte Programmiersprache „PS" versteht die oben aufgeführten Befehle*



Aus: ST-Computer 11 / 1990, Seite 39

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