Zwischen Floppy und Festplatte: Das 12MB-Diskettenlaufwerk von Verbatim

Seit einiger Zeit gibt es, völlig unbemerkt vom größten Teil aller ST-Besitzer, ein 12MB-Laufwerk von Verbatim. Es fristet sein Dasein im Schatten der Harddisks - zu Unrecht, wie der folgende Artikel zeigt.

Worum geht’s?

Bei dem Verbatim 12MB-Laufwerk handelt es sich um eine Wechselplatte, die nach dem gleichen Prinzip wie eine Floppy Disk funktioniert. Die Disketten selbst erinnern an die bekannten 3,5"- Disketten, nur daß sie im 5,25”- Format sind. Durch eine stabile Plastikhülle und einen Metallschieber ist das Medium vor äußeren Einflüssen geschützt. Eine deutlich größere Kapazität als bei normalen Disketten wird durch eine höhere Aufzeichnungsdichte erreicht. Servospuren auf dem Medium ermöglichen eine genauere Positionierung des Schreib/Lesekopfes. Außerdem dreht sich das Medium mit 600 U/min statt wie bei Floppies üblich mit 300 U/min, was die Transferrate zusätzlich erhöht.

Diese Konstruktion hat Vor und Nachteile. Einerseits ist im Gegensatz zu Festplatten ein Headcrash im herkömmlichen Sinne nicht möglich, weil der Kopf direkt auf der Oberfläche der Diskette aufliegt. Auch die Betriebsgeräusche halten sich deutlich unter denen einer Festplatte, da die Umdrehungsgeschwindigkeit niedriger ist. Andererseits wird mit 600 U/min nicht eine so hohe Datentransferrate erreicht wie bei 3600 U/min schnellen Festplatten. Verbatim hat dem Laufwerk immerhin 16 kByte Cache spendiert, so daß sich Transferraten von bis zu 331 kB/s ergeben; viele PC-Besitzer wären froh, wenn sie diesen Wert mit ihren Festplatten erreichen könnten.

Da der Schreib/Lesekopf auf dem Medium aufliegt, nutzt er sich ab. Das Laufwerk schützt sich gegen diese Gefahr durch zwei Tricks: Nach zehn Sekunden wird automatisch eine benachbarte Spur angefahren, damit sich die Beanspruchung der Oberfläche verteilt. Außerdem schaltet sich die Platte nach einer Minute ab, wenn kein Zugriff mehr erfolgt. Wird sie später wieder angesprochen, läuft sie sofort wieder an und nimmt die Arbeit wieder auf.

Durch diese Maßnahmen erreicht das Laufwerk akzeptable Leistungen, und Verbatim gibt eine Lebensdauer der Disketten an, die im selben Bereich wie die von Festplatten liegt. Im einjährigen Betrieb ist jedenfalls noch kein Fehler oder gar Datenverlust aufgetreten.

Der Wechsel des Mediums ist einfach. Wenn die Platte noch läuft, tippt man kurz den Auswurfknopf an. Daraufhin stoppt die Umdrehung, und man kann das Medium wie bei einem Diskettenlaufwerk auswerfen. Nach Einlegen einer anderen Wechselplatte springt das Laufwerk wieder an und kalibriert sich kurz. Danach ist die Information der neuen Platte verfügbar.

Am Rande eine gute Nachricht für sicherheitsbewußte ST-Anwender: Die Disketten lassen sich mit zwei Schiebern auf zwei getrennten Zonen vor Schreibzugriffen schützen: Gib Viren keine Chance.

Die genauen technischen Daten zum 12-MB-Laufwerk und seiner größeren 24MB Ausführung finden sich in Tabelle 1.

Anschluß an den Atari

Das Verbatim 12-MB-Laufwerk ist ein SCSI-Gerät. Zur Verbindung mit dem Atari ist daher ein Hostadapter erforderlich, der die SCSI-Signale auf ACSI umsetzt. Wie bei SCSI-Geräten üblich, befindet sich auch hier einiges an Intelligenz im Laufwerk selbst. Es verfügt über eine selbständige Fehlerkorrektur und verwaltet intern eventuelle Fehler des Mediums, die beim Formatieren gefunden wurden. Für den Benutzer erscheinen sie gar nicht erst, kein Ärger also mit “bad sector lists”.

Im Test wurde ein Hostadapter der Firma GE-Soft verwendet, der sehr gut mit der Platte zusammenarbeitete. Allerdings mußte vorher der Parity Jumper des Laufwerks umgesetzt werden, da die Platte sonst streikte. Nach dieser kleinen Korrektur gab es keine Probleme mehr. Auch am SCSI-Hostadapter von MAXON funktioniert das Laufwerk sehr gut.

Auf der Softwareseite leistet der bewährte CBHD-Treiber von der Kleisterscheibe [ 1 ] seine Arbeit. Formatieren und Partitionieren sind mit dem SED 4.40 kein Problem, obwohl die Platte etwas ungewöhnliche Parameter hat - 300 Tracks, 2 Seiten und 39 Sektoren pro Track. Nach dem Partitionieren zeigt die Disk Info 9932800 Bytes freien Speicher an, also weniger, als der Name des Laufwerks vermuten läßt. Allerdings ist die Angabe der unformatierten Kapazität im Festplattenbereich leider üblich, so faßt z.B. eine Seagate 157N auch nur 46.3 MB, und nicht 57MB, wie der Name vermuten läßt. Beim Verbatim Medium ist der Unterschied vermutlich auf die Bereiche zurückzuführen, die intern für die automatische Verwaltung von bad sectors verwendet werden und dem Benutzer nicht direkt zur Verfügung stehen. Außerdem wird das Megabyte zu 1000000 Bytes statt den korrekten 1024*1024 = 1048576 Bytes gerechnet, was die Kapazitätsangabe nochmals erhöht.

Leider meldet das Verbatim-Laufwerk keinerlei Diskettenwechsel. Darum funktionieren gängige Wechselplattentreiber auch nicht wie gewohnt. Unter TOS 1.4 kann man sich einigermaßen behelfen, indem man nur Medien mit identischer Partitionierung verwendet und nach dem Wechsel im DESKTOP die ESC-Taste drückt. Doch gibt es einen Lichtblick: In einer kommenden CBHD-Version wird man nach Auskunft des Autors den Treiber “von Hand” dazu auffordern können, die Partitionenstruktur auf dem Medium neu einzulesen.

Kompatibilität

Was nutzt einem die schönste Festplatte, wenn sie nicht mit allen Programmen zusammenarbeitet? Glücklicherweise gibt es hier beim Verbatim Laufwerk keinerlei Probleme. Die Verträglichkeit mit dem Atari ist sehr gut, man kann auch von einer Wechselplatte booten. Auch Programme wie Aladin und Minix, die nicht alle Festplatten vertragen, laufen hervorragend. Durch die Autoboot-Fähigkeit ist es z.B. möglich, sich für jede größere Anwendung eine eigene Wechselplatte zusammenzustellen, die eine individuelle Kombination von Accessories und Autoordnerprogrammen hat. Damit entfällt das leidige Auswählen von Start Programmen. Man legt einfach die entsprechende Wechselplatte ein, und schon hat man eine Signum-Arbeitsdisk mit allen nützlichen Accessories und viel Platz für Dokumente. Auf einer anderen Platte installiert man vielleicht eine kleine Bootpartition und stellt den Rest des Platzes für Aladin zur Verfügung, fertig ist die selbststartende Mac-Umgebung. Diese Methode ist viel flexibler als das Aufteilen einer großen Festplatte in viele kleinere Partitionen, zumal gerade Aladin und Minix nur die ersten vier davon erkennen da wird es schon eng. Außerdem sind 10 bis 20MB eine recht praktische Größe für eine Anwendung, man hat nicht zu viele verschiedene Anwendungen auf einem unübersichtlichen Haufen. Und wem 10 MB am Stück zu klein sind, der kann auf die neuere 20MB Version zurückgreifen. Sie bietet unter anderem auch eine etwas höhere Übertragungsrate, da ihre Medien schneller rotieren.

Preis/Leistungsverhältnis

Nun, und welche Auswirkungen hat dieses Gerät auf den Geldbeutel des Anwenders? Die Preisangaben im folgenden beziehen auf die 20MB-Laufwerke, die inzwischen dabei sind, die getestete 10MB Version abzulösen. Das Laufwerk schlägt mit einem Anwenderpreis von 1498 DM zu Buche. Dazu kommen noch die Kosten für Gehäuse, Netzteil und den nötigen SCSI-Hostadapter. Ist diese Grundanschaffung erst einmal erledigt, dann zeigt sich die Wechselplatte von ihrer preis-freundlichen Seite: Eine Wechselplatte mit 20 MB Kapazität kostet 94 DM. Das heißt, daß man mit die 100 MB Grenze schon mit weniger als 480 Mark durchbricht.

Wer schon eine SCSI-Festplatte hat, kann sich die zusätzlichen Kosten übrigens sparen und die Wechselplatte mit ins vorhandene Gehäuse einbauen. In der zweiten Hälfte des Tests wurde z.B. die Wechselplatte mit einer Festplatte des Typs Seagate ST 157N-1 kombiniert. Diese 3,5M-Festplatte ist mit ihren gut 46 MB und einer Zugriffszeit von 28 ms eine passende Ergänzung zum Verbatim Laufwerk. Sie bietet die hohen Transferraten für ein intensives Arbeiten, und die Wechselplatte stellt einen flexiblen Massenspeicher und ein schnelles Backupmedium dar.

Nun werfen wir einen genaueren Blick auf die Leistungen des Verbatim 12 MB-Laufwerks im Vergleich zu anderen übli chen (und unüblichen) Massenspeichern. Tabelle 2 ist recht aufschlußreich: Der Testkandidat liegt in der Mitte zwischen Disketten und reinen Festplatten. Die Transferrate schwankt zwischen 98 und 343 kB/s. Grund dafür ist der eingebaute Cache, der das mehrfache Lesen einer einzigen Spur stark beschleunigt, aber beim Lesen mit Spurwechsel nicht mehr effektiv ist. Mit einer “blitzschnellen Zugriffszeit von 85ms” wurde von einigen Herstellern vor noch nicht einmal drei Jahren geworben, inzwischen ist man allerdings bessere Werte gewohnt. Immerhin liegt die Wechselplatte mit ca. 60 ms noch recht gut im Rennen.

  12 MB-Version 24 MB-Version
Tracks 301 506
Sektoren/Track 39 39
Köpfe 2 2
Kapazität unformatiert 11739 kB 23,9 MB
formatiert 9769 kB 20,2 MB
Umdrehungen/Min 600 720
Aufzeichnungsdichte 333 tpi 666 tpi
Leistungsaufnahme 19 Watt 17 Watt
maximal 28 Watt 28 Watt

Messungen für das 12 MB-Laufwerk

  Herstellerangabe CheckHD RateHD
Zugriffszeit 65 75.2 59
Transferrate
ohne Supurwechsel 350 343.6
mit Spurwechsel 97.5 97

Tabelle 1: Technische Daten der Verbatim Laufwerke

Im Diagramm 1 ist das Preis/Leistungsverhältnis von 3,5"-Disketten, den beiden Verbatim Laufwerken und der Atari Megafile 44 grafisch dargestellt, unter Berücksichtigung der Anschaffungspreise für das jeweilige Laufwerk. Man sieht, daß die Verbatim-Platten deutlich unter der Megafile 44 liegen, während die Disketten immer noch am günstigsten abschneiden. Neben dem Preis pro Megabyte gibt es natürlich auch weitere Kriterien wie Geschwindigkeit oder Kapazität eines einzelnen Mediums, die im Diagramm nicht berücksichtigt sind.

Anzumerken ist noch, daß die Preise auf dem Massenspeichermarkt ständig in Belegung sind. Die Angaben können sich also durchaus innerhalb weniger Monate zugunsten des einen oder anderen Geräts weiterentwickeln - vor dem Kauf empfiehlt es sich deshalb immer aktuelle Preislisten zu befragen.

Fazit

Das Verbatim 12 MB Laufwerk stellt einen guten Mittelweg zwischen einer normalen Floppydisk und einer Festplatte dar, sowohl im Preis wie auch in der Leistung. Seine Anwendungsgebiete sind vielfältig, vom schnellen und flexiblen Backupmedium bis zu individuellen Anwendungsumgebungen. In Verbindung mit einer flinken, kleinen Festplatte spielt es seine Fähigkeiten voll aus. Aber auch als einzelner Massenspeicher hat es seine Vorteile, wenn man nicht übermäßig Wert auf hohe Geschwindigkeiten legt.

Diagramm 1: kosten pro Megabyte für verschiedene Wechselmedien

Literatur:

[1] Scheibenkleister II, Claus Brod/Anton Stepper, MAXON Computer GmbH 1989

[2] Handbuch zum Verbatim 12 MB-Diskettenlaufwerk

Bezugsquelle (Verbatim Vertretungen):

Steinwald electronic GmbH
Augustenstraße 79
8000 München 2

ABC Electronic Import
Detmolder Straße 165
4792 Bad Lippspringe

Gerät Kapazität formatiert [MB] Zugriffszeit [ms] Transferrate [kB/s] Preis pro Medium [DM] Preis pro MB [DM] ca.Preis [DM] Grundgerät
Wechselplatten
3,5”-Laufwerk 0,7 <140 25 2 2.8 250
Verbatim 12MB 9,7 60 97..331 50 5.0 1300
Verbatim 24MB 20 60 ca. 200 94 4,7 1498
Megafile 44 44 25 498 298 6,5 2498
Optical 650 98 206..310 698 1,1 9800
CD ROM >540 ca.400 150 * * 1300
Festplatten
Megafile 30 30 65 650 998 33,3 998
Megafile 60 60 65 680 1498 24,9 1498
Seagate ST296N 85 28 407 1650 19,5 1650

Tabelle 2: Vergleich mit anderen Massenspeichern (Geschwindigkeitsangaben mit RateHD gemessen)


Stefan Hänßgen
Aus: ST-Computer 11 / 1990, Seite 60

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