Es ist unglaublich, für welche Aufgaben der ST eingesetzt wird. Immer speziellere Anwendungsbereiche werden durch unseren “Haus- und Hof-Rechner” unterstützt. In Düsseldorf startete vor einigen Jahren ein Modellprojekt der Bundesregierung, mit dem die natürlichen Methoden der Familienplanung erforscht werden sollen.
Ausgeschrieben lautet der Name des Projekts "Natürliche Methoden der Familienplanung - Modellprojekt zur wissenschaftlichen Überprüfung und kontrollierten Vermittlung” und scheint bei den Anwendern einen recht großen Erfolg zu haben. Ins Leben gerufen wurde das Projekt von der Katholischen Bundesarbeitsgemeinschaft für Beratung e.V.
Für eben dieses Projekt wird zur Unterstützung ein ST eingesetzt. Er ist behilflich bei der Auswertung von mehr als 5 MB Daten, die von 1982 bis zum jetzigen Zeitpunkt gesammelt wurden. Nun werden einige von Ihnen nur noch “Bahnhof” verstehen. Worum geht es also?
Verhütungsmittel sind allseits bekannt. Doch es sind auch andere Methoden als Spirale, Pille oder Kondom möglich, die zudem auch keinerlei Auswirkungen oder Nebenwirkungen auf die Gesundheit haben. “NFP” ist die Abkürzung dafür, natürliche Familienplanung.
Die beiden (bei Frauen vorkommenden) Fruchtbarkeitsmerkmale Basaltemperatur und Beschaffenheit des Zervixschleims werden unabhängig voneinander betrachtet, um dann anhand des Merkmals, das zuerst auftritt, das Ende der fruchtbaren Phase zu determinieren. Soll heißen: Anhand von Temperaturmessungen und Schleimbeobachtungen kann bestimmt werden, wann eine Frau fruchtbar ist und wann nicht. Wird z.B. auf Geschlechtsverkehr in der fruchtbaren Zeit verzichtet, kann eine Schwangerschaft vermieden werden. Das genaue Verfahren zu erklären, würde den Rahmen des Artikels sprengen - wer will, kann sich mehr Informationen von der Benrather Frauenklinik besorgen (s.u.).
Jedes Paar, welches die NFP-Methode erlernen will, wird extra an einigen Abenden in die Methode eingewiesen, da einige Dinge dabei strikt zu beachten sind. In regelmäßigen Abständen führt dann die Frau Messungen durch (Temperatur und Schleim), die sie mit einigen anderen Angaben auf einem sog. “Zyklusblatt” an die Frauenklinik schickt, wenn sie am Projekt teilnimmt. So baut sich bei Dr. Bremme [erführt (u.a.) dieses Projekt mit Prof. Dr. Freundl durch] langsam aber sicher eine riesige Datenbank aus den gewonnenen Werten auf, die für wissenschaftliche Auswertungen genutzt werden kann - was auch geschieht, denn das Modellprojekt befindet sich bereits in der zweiten Phase; die dritte soll bereits in einigen Monaten starten.
Warum wird für ein solches Projekt ein Atari ST benutzt? Zum einen, weil er recht preiswert ist; zum anderen, weil eigentlich jeder ziemlich schnell mit ihm umgehen kann - was wichtig bei der Dateneingabe und -auswertung ist. Ohne den ST wäre die Arbeit längst nicht mehr möglich, denn inzwischen hat sich eine Datenmenge angesammelt, die per Hand (in Karteikästen) in dieser Form nicht mehr zu bearbeiten wäre.
Die Aufgabe des STs erstreckt sich nicht nur über das Sammeln der Personenstammdaten, sondern in bestimmten Zeitabständen schicken alle teilnehmenden Frauen Zyklusblätter ein, auf denen sie mit jeweils über 100 verschiedenen individuellen Zyklusdaten über Temperaturmessungen, Schleimbeobachtungen, Störungen usw. berichten. Das Programm zur Verarbeitung der Daten wurde von Dr. Bremme selbst geschrieben - er fand kein Programm, das die Problemstellung hätte adäquat lösen können. Inzwischen ist das Programm bereits so weit fortgeschritten, daß es zu einem umfangreichen, komfortablen, relationalen Datenbanksystem geworden ist und in erweiterter Form bald vertrieben werden soll. In der Schnelligkeit, dem Komfort und der Leistungsfähigkeit schlägt es viele andere Programme um Längen. Die Kommentare der Bediener sind einhellig positiv.
Alle eingehenden Daten werden vom ST verarbeitet. So können auch Problemstellungen wie “Korrelation zwischen Alter der Frau und mittlerer Zykluslänge” grafisch dargestellt werden, oder man erhält Datenmaterial über “alle katholischen Frauen über 25 mit einem bis zu 30 Jahre alten Mann, höchstens 2 Kindern und mindestens 12 Zyklusblättern”. Dabei entstehen dann solche Tabellen wie in Bild 2, die für wissenschaftliche Auswertungen hervorragend herangezogen werden können.
Auch solch theoretische Zahlen wie der “Pearl-Index” (die Zahl der ungewollten Schwangerschaften pro 100 Frauenjahre), der sich aus “Zahl der ungewollten Schwangerschaften * 1200 / Zahl der Anwendungszyklen” errechnet, können problemlos mit dem Programm berechnet werden. Der Pearl-Index der NFP-Methode beträgt nach den Untersuchungen dieses Projekts 1,6 (nicht repräsentativ) und liegt damit ziemlich niedrig. Der überwiegende Teil der Teilnehmerinnen (und Teilnehmer) erachtet die NFP-Methode als gut und wird sie auch weiterhin durchführen. Laut Dr. Bremme ist die Methode ungefähr so sicher wie die Spirale oder die Pille, sofern (!) sie korrekt erlernt und angewendet wird - also eine echte Alternative für die Zukunft. Alle Frauen, die die Pille nicht mögen oder Männer, die Kondome stören, sollten sich eingehender über die Methode informieren.
Im NFP-Büro in der Frauenklinik wird der Datenschutz sehr groß geschrieben. Alle am Projekt teilnehmenden Personen werden nur über eine Teilnehmernummer verwaltet, so daß nie eine Adresse auf dem Monitor erscheint. Der Kontakt wird stets über die vertrauten Berater hergestellt.
13 Länder nehmen bereits an einem “Europe-NFP-Project” teil, und alle sind vom ST und dem dazugehörigen Programm begeistert. So macht der ST seinen Weg nun auch in andere Länder, in denen er bislang nicht so häufig auftrat. Die Ergebnisse der ersten Projektphase sind bereits veröffentlicht und beim Bundesminister für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit, Postfach, 5300 Bonn 2, erhältlich unter dem Namen “Natürliche Methoden der Familienplanung - Modellprojekt zur wissenschaftlichen Überprüfung und kontrollierten Vermittlung” (ISBN 3-17-010593-0).
Dr. Bremme sucht weiterhin Paare, die an dem Projekt teilnehmen wollen. Es können natürlich auch Paare in die NFP eingewiesen werden, ohne gleich ihre Daten dem wissenschaftlichen Projekt zur Verfügung zu stellen. Außerdem interessiert ihn ein weiteres Problem brennend:. Er sucht einen Algorithmus, der exakt den Eisprung einer Frau anhand vorliegender Daten Voraussagen kann. Das notwendige Datenmaterial liegt vor und könnte zur Verfügung gestellt werden. Der fertige Algorithmus könnte dann in Geräten eingesetzt werden, die sicher den Eisprung Voraussagen - laut Dr. Bremme “nur eine Tüftelarbeit, für die ich keine Zeit habe”. Interessenten sollten sich also auf jeden Fall bei ihm melden.
MP
Literatur:
[1] Der Bundesgesundheitsminister fiir Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit (Hrsg.): Natürliche Methoden der Familienplanung -Modellprojekt zur wissenschaftlichen Überprüfung und kontrollierten Vermittlung, W. Kohlhammer Verlag, 1988, ISBN 3-17-010593-0
[2] Dr. med. Michael Bremme: Computerbased System for the Input and Retrieval ofNFP Data
Info:
Frauenklinik Benrath - Projekt NFP -Urdenbacher Allee 83 4000 Düsseldorf 13