Bildbearbeitung in Farbe mit TmS Cranach: Bunt is beautiful

Farbretusche und Druckvorlagenherstellung für den Vierfarbdruck - davon wagten wir ATARIaner bis jetzt nicht zu träumen. Neidische Blicke in Richtung Appelmac und banges Warten auf neue EBV-Software resultierten aus diesem Umstand. Erste Gehversuche in Sachen Farbbildverarbeitung am ATARI ST erlaubt nun das Programm “Cranach” von der Firma TmS aus Regensburg. Eine Profiversion “Cranach Studio” ist für die ATARI-Haus-messe angekündigt.

TmS Cranach ist nicht sehr anspruchsvoll, was die Hardware anbelangt. Schon spärliche 1 MB Hauptspeicher und ein SM 124 Monitor reichen aus, um mit Cranach arbeiten zu können. Sinnvoll erscheint mir eine solche Konfiguration allerdings nicht: Da Farbbilder immerhin dreimal mehr Speicher benötigen als monochrome Halbtonbilder (je ein Byte für den Rot-, Grün- und Blauanteil eines Bildpunktes), wird der Speicher auch bei kleineren Bildern schnell knapp. Leider erlaubt TmS Cranach keine virtuelle Speicherverwaltung - vier MB Hauptspeicher können demnach bestimmt nicht schaden. So richtig bunt wird es erst, wenn Sie Ihrem ST eine Farbgrafikkarte (z.B. eine MGE-Karte) und einen Farb-MultiSync-Monitor verpassen. Cranach läuft dann komplett auf dem Farbbildschirm. Leider kann bis jetzt keine Grafikkarte alle 16.7 Mio Farben, die Cranach intern verwaltet, darstellen. 256 verschiedene Farben aus einer Palette von 16,7 Mio Farben sind das höchste der Gefühle. Aber dem tristes Grau gewohnten ST-User flimmert auch so eine neue - farbige - Welt vor Augen.

Die Benutzeroberfläche von Cranach erscheint wie die eines jeden “ordentlichen” GEM-Programmes: Alle Werkzeuge und Operationen sind über die Menüleiste zu erreichen. Auch Anfänger finden sich deshalb schnell mit Cranach zurecht. Die wichtigsten Operationen können Sie außerdem durch Tastendruck aktivieren.

Originalbild: Dieses Bild wurde herkömmlich...

Ob mit AMIGA, Mac oder PC: Durch die zahlreichen Formate wie TIFF, IFF und GEM-Image versteht sich Cranach blendend mit anderen Systemen. Sogar reine Rasterbilder, denen die Farb- bzw. Grauwertinformation fehlt, können in Bilder mit 24 Bit Tiefe umgewandelt werden. Damit steht den vielen Besitzern eines Raster-Scanners endlich die Welt der Halbtonbilder offen. Freilich erreicht ein solcherart umgewandeltes Bild nicht die Qualität eines Bildes, welches mit einem Halbton-Scanner erzeugt wurde.

Damit sind wir auch schon bei den Bildeingabegeräten: Zusätzlich zu Cranach können Sie den entsprechenden Treiber erwerben, der Cranach die Verständigung mit Ihrem Scanner erlaubt. Lieferbar sind Treiber für alle bekannten Scanner. Nachdem Sie in einem Prescan-Fenster einen Ausschnitt gewählt haben, wird Ihr Bild digitalisiert. Je nach eingestellter Scanner-Auflösung kann der Lesevorgang einige Zeit dauern. Das Bild erscheint dann in einem von sechs möglichen Fenstern, deren Inhalt jeweils über Rollbalken verschoben werden kann. Der Bildaufbau vollzieht sich auch bei Unterstützung durch eine Grafikkarte verhältnismäßig träge. Zudem wiederholt sich die Warterei jedesmal, wenn nach dem Schließen einer Auswahlbox das Bild wiederhergestellt werden muß. Wer schon einmal gesehen hat, wie schnell Grafikkarten Bilder über den Monitor huschen lassen können, wird sich fragen, weshalb diese Option bei Cranach unberücksichtigt blieb. Sei's drum - damit kann man leben - schließlich handelt es sich bei Cranach um das erste grafische Farbsystem für den ATARI ST. Und Trendsetter haben halt immer so ihre Macken.

Zur Manipulierung des Bildes stellt Cranach vielfältige Instrumente zur Verfügung. Alte Bekannte wie Stempel, Wasser, Pinsel, Finger, Spray, Lack und Kreide finden sich ebenso wie Funktionen zum Pausen, Aufhellen und Abdunkeln. Allen Werkzeugen gemein ist, daß der Wirkbereich eingestellt werden kann. So kann ein Farbintervall definiert werden, auf dem das betreffende Werkzeug wirken soll. Außerdem ist es möglich, bestimmte Bildbereiche zu maskieren, d.h. sie werden komplett vor etwaigen Veränderungen bewahrt. Die Malfarbe läßt sich entweder über eine Auswahlbox manuell - durch Eingabe der drei RGB-Werte - oder durch Aufnehmen aus dem Bild definieren. Die Auftragstärke ist bei allen Werkzeugen frei wählbar - von 1% bis 100%, transparent oder deckend, wie's beliebt. Haben Sie dem aktuellen Bild einen Undo-Puffer spendiert, können Sie das Bild mit der Funktion “pausen" an einer beliebigen Stelle lokal restaurieren.

...und dieses mit Cranach separiert

Die umfangreichsten Möglichkeiten von Cranach verbergen sich hinter dem Menüpunkt Collage. Hier können Sie Bilddteile nach Herzenslust drehen, kopieren, verschieben und skalieren. Den Bildbereich selektieren Sie durch einen einfachen Rahmen, einen Kreis oder durch einen beliebig geformten Polygonzug. Dabei kann auch hier der Deckungsgrad des Objektes eingegeben werden. Außerdem besteht die Möglichkeit, den Bildbereich farblich an die neue Umgebung anzupassen. Aus welchen Gründen auch immer die Entwickler auf eine Zoom-Funktion verzichtet haben - das detailgenaue Ausschneiden von kleineren Bildbereichen ist nahezu unmöglich. Wirklich schade - denn die Collagefunktionen von Cranach eröffnen ganz neue Perspektiven in der Farbbildmontage.

Für die Erstellung von Druckvorlagen ist es meist nötig, die Gradation bzw. die Farbwertverteilung des Bildes zu ändern. Bei Cranach geschieht dies mit Hilfe der CLUT (Color-Look-Up-Table). Dabei gibt es nicht nur eine Gradationskurve wie bei monochromen EBV-Programmen, sondern derer drei. Die Farbwertverteilung eines jeden Farbkanals kann hier komfortabel geändert werden. Bei Verwendung einer Farbgrafikkarte lassen sich die Veränderungen sofort am Bild verfolgen, da es nicht ganz vom Clut-Editor-Fenster überdeckt wird.

Die CLUT-Einstellung bei TmS Cranach

Die für die Bildschirmdarstellung verwendete RGB-Trennung kann für den Druck nicht verwendet werden. Hier verwendet man ein Modell mit vier Farbauszügen: Cyan, Magenta, Gelb (Yellow) und Schwarz - das CYMK-Farbsystem. Cranach bietet die Möglichkeit an, ein Bild vom RGB-Modell in das CMYK-Modell umzurechnen. Dabei finden wichtige Parameter Berücksichtigung. So können Sie den maximalen Farbauftrag und die Tiefenkorrektur festlegen sowie bestimmen, ab welchem Grauwert, der durch die Mischung aus den drei Farben (CMY) entsteht, ein Schwarzanteil(K) hinzugefügt werden soll. Das alles ist nicht ganz einfach zu verstehen - schon gar nicht von einem blutigen “Farbanfänger". Die separierten Farbauszüge können als Halbtonbilder auf Festplatte abgelegt werden. Danach ist jeder Farbauszug einzeln nachbearbeitbar. So kann man sich Schritt für Schritt an ein optimales Druckergebnis herantasten. Um sich von der Qualität des Bildes zu überzeugen, ist es angebracht, das Ergebnis mit Hilfe eines Proof-Ausdruckes zu kontrollieren. Erst dann sollte man die endgültigen Farbauszüge belichten lassen. Da Cranach das Rastern komplett anderen Programmen überläßt, hängt das Ergebnis stark von den verwendeten Raster-Algorithmen ab. Die Bilder in diesem Bericht wurden mit Cranach separiert und von einem Calamus mit Rastermodul aufgerastert und belichtet.

Wie gesagt: Optimale Ergebnisse lassen sich bestimmt nicht aus dem Stand erreichen. Bis zur originalgetreuen Reproduktion eines Farbbildes ist es ein langer und steiniger Weg. Zu viele Parameter und Faktoren sind zu beachten, um sofort zufriedenstellende Ergebnisse zu erzielen. Wenn Sie sich in das Reich der Farbbildverarbeitung wagen wollen, werden Sie kaum an intensiver Lektüre diverser Fachliteratur vorbeikommen. Das Werkzeug ist inzwischen vorhanden - trotz einiger gravierender Mängel bietet Ihnen Cranach die Möglichkeit, Bilder zu separieren und zu bearbeiten. Sicherlich wird die große “Studio"-Version diese Nachteile nicht mehr aufweisen. Die neue Oberfläche ist der von Calamus nachempfunden. auch detailgenaues Arbeiten wird mit der Zoom-Funktion möglich sein - Cranach Studio wird eine wichtige Bereicherung auf dem immer professioneller werdenden DTP-Sektor am ATARI. Für diejenigen, die jetzt schon fleißig “üben" wollen, bietet Cranach für etwa 370 Mark auf jeden Fall eine Fülle von Möglichkeiten, um die nötigen Erfahrungen zu sammeln.

LR

Bezugsadresse

TmS GmbH Cranachweg 4 H400 Regensburg Tel. 0941 95163



Aus: ST-Computer 09 / 1990, Seite 26

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