CATO - Die Strategie wird mit uns sein

Für viele Börsianer ist es in höchstem Maße widersinnig, Entscheidungen über Geldanlage einem undurchsichtigen Elektronengehirn zu überlassen. Besonders als bekannt wurde, daß der Börseneinbruch (CRASH) im Oktober 1989 von automatisch verkaufender Börsen-Software ausgelöst wurde, scheint das Mißtrauen gegenüber zuviel Elektronik im Börsensaal weiter zuzunehmen.

So verlassen sich alte Parketthasen viel zu gerne auf den berühmten Riecher, und nur jüngere Semester greifen dann mal zu elektronischer Hilfe. Ist diese Angst vor dem alles beherrschenden Computer im Geldgeschäft wirklich angebracht? Wäre es nicht besser, sich die RAMs in unseren Zentraleinheiten so dienstbar zu machen, daß der Mensch noch immer den Überblick und damit die Macht (auch über sein Geld) behält?

Überproportional stark ist der Zulauf der Unter-Dreißigjährigen als Spekulanten in den vergangenen Jahren gewesen. Es scheint sich der Trend zu bestätigen, daß die alte Garde der Geldanleger, welche sehr stark auf Erfahrung und Wissen bauen konnte, unverhältnismäßig schnell von den sogenannten Yuppies” (Neulinge) abgelöst wird, welche noch nicht auf ein großes Know-How zurückgreifen können. Generationsbedingt bedienen sich diese Newcomer in stärkerem Maße elektronischer Hilfe. Wenn es nun aber Computer-Programme gibt, die uns helfen, aus der Fülle der Börseninformationen die wichtigsten Faktoren herauszulesen, und der Mensch bleibt nach wie vor bestimmende Größe, dann müßte doch der Anlageerfolg perfekt sein.

Wie wir in einem früheren Test zu dem Thema Chart-Analyse in dieser Zeitschrift sehen konnten, kann es durchaus interessante und erfolgversprechende Börsen-Software geben, bei der nicht alles in einer Art "Geheimsitzung” im Hintergrund abläuft und irgend eine nebulöse Anweisung dabei herauskommt. Diese Chart-Programme waren nichts anderes als umfangreiche Statistiker mit einem Grafikteil (mehr wollten und sollten sie auch nicht sein). Eine neue Richtung der Geldanlage, eine höchst riskante, aber dafür auch sehr spannende, ist seit dem 26. Januar 1990 auch für den Privatanleger gangbar: der Optionshandel. (Lesen Sie bitte hierzu auch die kurzen Ausführungen im Grundlagenartikel.)

Es hat nicht sehr lange gedauert, bis ein entsprechendes Programm (ausschließlich für Optionen) auf dem ATARI ST verfügbar war. Mit “CATO” soll ein ‘Aufbruch in die neue Dimension der Kapitalanlage’ (Original-Werbespruch) möglich sein. Um es aber gleich vorwegzunehmen: Der Autor dieser Zeilen hatte mangels Masse (damit ist das liebe Geld gemeint) leider nicht die Chance, den Anlageempfehlungen von CATO Folge zu leisten. Solch ein ‘heißer Test’ wäre wohl der beste Weg, die Leistungsfähigkeit von CATO abzuklopfen. So müssen wir uns hier auf Trockenübungen beschränken, die uns aber dennoch sehr anschaulich die Funktionsvielfalt des Programms aufzeigen.

Bild 1: Die Arbeitsmenüs für verschiedene Systemeinstellungen
Bild 2: Die reichlichen Strategie-Menüs. Vielleicht etwas zu viel für die Desktop-Leiste?

Die Börse wartet

Ausgestattet mit einem ATARI ST-Computer (mit mindestens 1 MByte RAM, CATO benötigt davon mindestens 700 kB!) sowie einem Schwarzweißmonitor könnte es eigentlich losgehen. Obwohl CATO mit einem Diskettenlaufwerk auskommt, wäre eine Festplatte sehr zu empfehlen. Auch ein Drucker ist für die Ausgabe von Protokollen und Grafiken recht nützlich. Ein Laserdrucker ist leider noch nicht ansprechbar. Das Programm hat keinen Kopierschutz und läßt sich problemlos auf der Festplatte installieren.

Der erste Schritt nach dem Programmstart führt uns (etwas abseits liegend) in das Menü Extras zur Eingabe der sogen. Fixdaten. Dort wird z.B. festgelegt, mit welchem Anlagebetrag (Investment) man beabsichtigt einzusteigen, was für Gebühren in welcher Höhe anfallen usw. Diese Werte liegen dann allen späteren Auswertungen zugrunde. Bei jeglicher Änderung der Fixdaten läuft sofort eine Neuberechnung in den Strategiefenstern (betrachten wir uns gleich noch genauer) ab.

Als zweites müssen die ‘technischen' Daten der Option im Menüpunkt Optionen Eingabe erfaßt sein. Hierfür stehen 16 Bildschirmseiten zur Verfügung, die jeweils ein PUT und ein CALL mit allen wichtigen Einzelinformationen zu einer Aktie aufnehmen. Wahlweise kann auch die Übernahme aus einer schon bestehenden Liste (im RAM) oder von einer Datendiskette geschehen. Ein besonderes Bonbon ist das Anwählen einer sogenannten BTX-Datei, die ein spezielles Steuerprogramm (Software-Dekoder, separat zu erwerben) von Informationen aus dem Bildschirmtextsystem der Bundespost zusammengestellt hat. CATO empfiehlt zur automatischen Kurseinlesung den “BTX/Vtx-Manager" aus dem Hause Drews, Heidelberg. Anmerkung zu BTX: Es gibt derzeit keine preisgünstigere Art, tagesaktuelle Daten zu Optionen zu erhalten, als über Bildschirmtext.

Wenn diese Rahmendaten feststehen, kommt die eigentliche Arbeit von CATO: das Auswerten und Anzeigen verschiedener Strategien. Es stehen insgesamt 30 dieser ‘Spekulationswege' offen. Natürlich sollte der Benutzer mit den grundlegenden Gesetzmäßigkeiten des Optionsmarktes vertraut sein. So gibt es auch nicht DIE optimale Strategie, sonst wären die restlichen 29 ja sinnlos. Allein der Anleger soll aus seiner Markteinschätzung und seiner Risikobereitschaft die optimale Strategie herausfinden. CATO kann ihm dabei nur Werkzeug sein - entscheiden muß der Anleger selbst.

Es würde an dieser Stelle zu weit führen, alle 30 Strategien vorzustellen und die Gegebenheiten für ihre Anwendung abzuprüfen. Wichtig ist uns nur: Wie werden die verschiedenen Strategien anschaulich gemacht?

Ein Bild sagt mehr

Wie schon an anderer Stelle festgestellt, kann selbst der erfahrungsreichste Börsenprofi mit einer Riesenliste von Zahlenkolonnen kaum etwas anfangen. Nichts ist übersichtlicher und aussagekräftiger als eine statistische Kurve. So kommen wir zu dem Haupttätigkeitsfeld von CATO: den Grafikfenstern.

Üblicherweise ist das Hauptarbeitsfenster in zwei Hälften geteilt. Dort können zwei unterschiedliche Strategien sogar zu zwei völlig verschiedenen Optionsscheinen nebeneinander verglichen werden. Dies macht durchaus Sinn! Oft ähneln sich Marktsituationen, so daß auch die Resultate der Strategien (für einen Titel) sehr ähnlich sein können. Andererseits ist es denkbar, daß sich ähnliche Titel (mit derselben Strategie) identisch ent wickeln. Das Doppelfenster macht diese Vergleichsanalyse sehr gut sichtbar.

Bild 3: Typische Arbeitseinteilung mit zwei getrennten Strategiefenstern
Bild 4: Die komplette Strategie übersieht mit Minidiagrammen
Bild 5: So sieht die Datenübernahme aus einer Tabelle aus.
Bild 6: Das Datenblatt für eine Aktie mit Kauf- und Verkaufsoption

Supergraph

Wen das stört, kein Problem: Die Funktion Supergraph läßt eine der Skizzen zur genaueren Betrachtung über den ganzen Bildschirm erscheinen. Sogar eine Überlagerung von maximal 4 Graphen ist in dieser Ganzseitendarstellung möglich. Die Funktion “Superposition” arbeitet fast so ähnlich. Bei manchen Strategien kann es sinnvoll sein, die Varianten in einem Bild zusammenzufassen. Bei Superposition werden zwei Strategievarianten zu einer Optionsposition zusammengerechnet. Hier führt CATO also eine Addition bzw. Subtraktion der Graphen durch und zeichnet das Ergebnis als dickere Linie ein.

Automatik starten

Es passiert wahrscheinlich nicht gerade selten, daß man bei der Fülle der Strategien ‘vor lauter Bäumen den Wald nicht sieht'. Eine Strategieautomalik kann nun auf einen Optionstitel angewandt werden, so daß CATO alle 30 Variationen hintereinander durchrechnet. Da CATO diese dabei auch gleich mitzeichnet, sieht man auf dem Bildschirm in Windeseile die Diagramme vorbeiblitzen. Das bringt dem Zuschauer leider nichts. Weit interessanter ist das Resultat: Es wird eine Rangliste ausgegeben, die entsprechend der statistischen Durchschnittsrendite sortiert ist (Anmerkung für Kenner: “Kainer-Hofbeck-Modell”). Die derzeit effektivste Strategie steht demnach an erster Stelle. Auch der zu erwartende Gewinn/Verlust ist für jede Strategie abzulesen. (Wertung: sehr nützlich)

Die Strategien

Man kann die Taktik der Vorgehensweise in vier Grundtypen aufteilen, je nachdem, welche Markttendenz für die Aktien erwartet wird:

Für die hohe Schule der Optionen ist eine fünfte Strategiefamilie eingebaut: die “Kalenderblätter” (engl. time spreads). Diese Berechnungsart unterscheidet sich sehr stark von den genannten vier ‘einfacheren’ Typen, und es sollten sich wirklich nur absolute Kenner auf diesen schwierigen Pfaden tummeln. Die Berechnung dieser Strategien setzt voraus, daß nach Laufzeitende von kürzer laufenden Optionen die länger laufenden verkauft werden. (Anmerkung für Kenner: Die Restwertbestimmung zum Verfalltag und damit die Berechnung bzw. zeichnerische Darstellung von Gewinn oder Verlust erfolgt auf dem “Black-Scholes-Modell”). Gewinn oder Verlust können sich bei ungenauer Wahl der Eingabeparameter extrem verschieben. Deswegen sollten alle technischen Daten der Option sorgfältig nachgeprüft werden - alles in allem eine sehr heikle Angelegenheit. Für den Laien erscheinen die Namen der Strategien als sehr belustigend: “Butterfly Backspread", “Short Combo Strangle”, “Synthetic Long”, um nur einige zu nennen.

Bild 7: In das linke Diagramm ist die Schwankungsbreite der Aktie eingezeichnet (grauer Balken).
Bild 8: Auch per Tastenkombinationen läßt sich CATO bedienen.
Bild 9: Die linke Grafik zeigt sehr schön den Zeitwertverfall einer Option.
Bild 10: Hier sind Zeitwertverfall (links) und Schwankungsbreite der Aktie (rechts) gegenübergestellt.
Bild 11: Ein Superbonbon von CATO: Rechts im Bild ist eine Vorschlagsliste aller Strategien zu sehen, nach Erfolgsaussicht sortiert.
Bild 12: Zwei Schwankungsbreiten in der Supergraph-Darstellung.

Zusammenfassend

Besonders die Datenübernahme aus dem günstigen BTX-Netz der Bundespost hat mir sehr gut gefallen. Zu beachten ist aber, daß die meisten Anbieter im Bildschirmtext für das Bereitstellen von aktuellen Kursdaten ihrerseits Gebühren verlangen. Hier sollte man unbedingt die Kosten vorher vergleichen. Schauen Sie mal bei folgenden Anbietern nach:

Ebenfalls sinnvoll ist das Auslösen aller Programmfunktionen per Tastenkombination (Maus in die Falle), denn die Menüs sind mir ein klein wenig zu überladen. Der Grafikaufbau geschieht sehr schnell, skaliert sich automatisch und ist, trotz kleiner Beschriftung, sehr gut zu interpretieren.

CATO ist ein umfangreiches Programmpaket zur Optionsanalyse. Zeitungen wie “Wirtschaftswoche” und “Handelsblatt“ sind voll des Lobes. Mit großem Bedauern muß der Autor dieser Zeilen (zu seiner eigenen Schande) bekennen, daß er nicht die Möglichkeit hatte, CATO “live” zu testen. Wer hat schon mal 20.000 DM (Mindesteinsatz) übrig, um zu beweisen, daß ein Programm richtig rechnet? Selbst o.g. Zeitungen haben das nicht getan. So muß ein ‘Trockentester' von dem ausgehen, was er an ähnlichen Programmen kennt, und im ‘freien Spiel der grauen Zellen' mutmaßen, wozu ein solches Programm fähig sein könnte.

Wenn man das Handbuch als Qualitätsmaßstab herannimmt, wird sich CATO im Alltagseinsatz sicher bewähren. Die annähernd 250 Seiten in einem handlichen DIN A5-Ordner erläutern sehr ausführlich den Optionshandel im allgemeinen und die einzelnen Menüpunkte und Funktionen von CATO im speziellen. Sehr großen Raum nimmt mit ca. 100 Seiten die Erklärung aller 30 Strategien ein. Eine klare Gliederung, reichlich Bilder und eine verständliche Sprache tun ihr übriges. Nur stellenweise sind mir die Erklärungen doch etwas zu langatmig.

CATO kostet 1298,- DM. Da habe ich einen bekannten Bankangestellten gefragt und er antwortete mir: “Wer sich als ernsthafter Anleger mit Optionen befaßt, bewegt sich in solch hohen Dimensionen, daß dieser Preis sicher nicht zu hoch ist." Ob sich seine Bank auch einmal für CATO entscheiden würde, wollte er nicht mit Bestimmtheit sagen.

DK

Bezugsquelle für Händler

H. Richter Distributor
Hagener Straße 65
5820 Gevelsberg

Informationen zum Programm:

knowledge EDV-Anwendungen
Beskidenring 11
8858 Neuburg-Donau



Aus: ST-Computer 09 / 1990, Seite 176

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