Nicht nur bei Profis werden Scanner immer beliebter - die Zahl der Heimanwender, die auf diese Technik nicht mehr verzichten wollen, wächst ständig. Ein Scanner erschließt dem Benutzer zwar völlig neue Gestaltungsmöglichkeiten, stellt ihn aber oft vor ein großes Problem: Mit steigender Auflösung steigt natürlich der Speicherbedarf. Deshalb ist geeignete Software unverzichtbar, die diese Datenflut überhaupt bewältigen kann. MegaPaint meistert dies, wie allgemein bekannt, mit Leichtigkeit.
Rechtzeitig zur CeBIT bietet Tommy Soft wäre MegaPaint Professional in der Version 2.3 an. Für DM 799.- versprechen die Berliner ein “DTP-Designer Paket". das zusätzlich über ein Vektormodul und eine Serienbrieffunktion verfügt. Ob der Zusatz “Professional" den stolzen Preis rechtfertigt, soll folgender Test zeigen.
Das äußere Erscheinungsbild von MegaPaint ist im großen und ganzen dasselbe geblieben. Die Menüs sind jetzt dem GEM-Standard angepaßt, man findet zum Beispiel den Programmende-Eintrag wie in jedem "ordentlichen" Programm als letzten im Menü DATEI. Sie lassen sich nun auch einwandfrei bedienen.
Auch der liebgewonnene “Spot" ist geblieben. Mit ihm ist es ein Kinderspiel, punktgenau zu positionieren, denn er zeigt immer die nähere Umgebung des Mauszeigers vergrößert an. Genauso gibt es noch die Pop-Up-Menüs (zwei im Raster und zwei im Vektorteil), die alle wichtigen Funktionen beinhalten und immer dort “aufpoppen", wo man sie braucht. Sie können nach eigenem Geschmack bestückt werden und erlauben eine zügige Arbeitsweise. Zusammenfassend kann man sagen, daß der Umgang mit der Benutzeroberfläche von MegaPaint eine wahre Freude ist.
Auch der wuchtige Schuber mit der sehr ausführlichen und gut strukturierten Anleitung sieht genau so aus wie ehedem (bis auf den kleinen Klarsicht-Aufkleber mit der Aufschrift "Professional"). Mit mehr als 380 Seiten, davon alleine 130 für das neuen Vektor- und Serienbriefmodul, ist die Beschreibung sehr umfangreich.
Außerdem fällt sehr positiv auf. daß die Entwickler von MegaPaint weiterhin auf einen Hardware-Kopierschutz verzichten. Dies ist bei einem Programm dieser Preiskategorie nicht selbstverständlich. Der Benutzer muß lediglich “sein" MegaPaint mit seinem Namen installieren, eventuelle Kopien lassen immer Rückschlüsse auf den Käufer zu.
Zum Programm: Ein Bildpunkt im Rasterteil von MegaPaint entspricht nach wie vor einem Drucker-Pixel. Deswegen muß der Anwender zuerst die "Arbeitsfläche" dem Drucker anpassen. Aus diesem Grund kann man auch nicht beliebig “herumzoomen”, denn der Bildausschnitt bleibt immer gleich groß. Bearbeitet man zum Beispiel eine mit 300 dpi eingescannte Din A4 Seite, die immerhin eine Größe von 2336 x 3386 Pixeln besitzt, kann man leicht die Orientierung verlieren. Aber dazu gibt es die Funktion Bildübersicht, mit deren Hilfe die ganze Seite verkleinert dargestellt werden kann. Es werden Treiber für die gängigsten Drucker mitgeliefert. Wollen Sie einen "Exoten" ansteuern - kein Problem, Sie können die benötigten Parameter direkt im Programm eingeben. Auch eine Scanner-Schnittstelle ist eingebaut: unterstützt werden zur Zeit Print Technik Universal Scanner/Hawk CP 14, Epson GT 4000, GT 6000 und der Print Technik Professional Scanner 2.
Die Montage mehrerer Vorlagen zu einem Gesamtbild ist mit MegaPaint problemlos möglich. Bilder stufenlos drehen, verkleinern, vergrößern, mit Rahmen versehen, Ausschnitte entfernen usw. - all dies ist mit dem Programm ein Kinderspiel.
Außerdem kann man Strecken, Radien, Winkel und Durchmesser automatisch in DIN 406-Schrift bemaßen und beschriften lassen. Es gibt einen kompletten Texteditor (Proportionalschrift, Blocksatz, links-, rechtsbündig und zentriert), ja sogar gescannte Buchstaben als Zeichensatz zu definieren, ist mit MegaPaint Professional kein Problem. Der Anwender kann, je nach Speicherplatz, neben dem Puffer bis zu vier Bilder gleichzeitig im Speicher behalten und diese ineinander in verschiedenen Intensitäten einblenden.
Die Beschreibung jeder einzelnen Funktion des Rasterteils würde den Rahmen dieses Tests bei weitem sprengen; die Menüeinträge sprechen auf jeden Fall für sich.
Freilich hat der Rasterteil auch einige systembedingte Einschränkungen: Da es keine Funktion Block laden bzw. Block speichern gibt, muß man immer indirekt über den Puffer arbeiten. Will man zum Beispiel mehrere kleine Bilder laden, geht dies nur auf Umwegen über den Puffer, dessen Inhalt man dann auf die Arbeitsseite übertragen muß. Außerdem gibt es Schwierigkeiten beim Laden von Bildern, die größer sind als die vorab vereinbarten maximale Bildausmaße: Es folgt eine Fehlermeldung und das Laden wird abgebrochen. Man muß also erst den Arbeitsbereich vergrößern. Da ein Bildpunkt immereinem Drucker Pixel entspricht, ist im Rasterteil leider kein Zoomen möglich.
Vielleicht werden Sie fragen, was eine Serienbriefoption in einem Zeichenprogramm zu suchen hat. Sicherlich eine berechtigte Frage, aber genauer betrachtet ist diese Möglichkeit nicht zu verachten: Sie können zum Beispiel eine Einladungskarte für die nächste Geburtstagsparty gestalten und in die von Ihnen definierten Textfelder werden dann beim Druck aus der Datenbank bestimmte Datensätze geholt. Dabei sind die Standardparameter von Adimens, Lotus 1-2-3 und dBASE schon vorgesehen, es ist aber ein Kinderspiel auch andere Datenbanken anzupassen, da man direkt wie beim Druckertreiber die nötigen Parameter eingeben kann. Ein gewisses Manko besteht darin, daß nur eine Helvetica in vier verschiedenen Größen mitgeliefert wird: Abhilfe schafft ein SIGNUM!-Zeichensatzkonverter, der im Lieferumfang enthalten ist. Außerdem sind bei TommySoftware Zusatz-Fonts erhältlich. Alles in allem kann man sagen, daß die Serienbrieffunktion eine nette Dreingabe für den verwöhnten Anwender ist.
Im DTP-Zeitalter erfreuen sich Vektorgrafiken zunehmender Beliebtheit, da sie stufenlos verzerrbar sind. Man kann zum Beispiel ein Logo entwerfen, das dann im DTP-Programm beliebig groß dargestellt werden kann, ohne daß die gefürchteten “Treppenstufen” auftreten. MegaPaint kann derzeit sein eigenes (VEK) und Calamus-Vektorformat (CVG) bearbeiten. Die Einbindung des GEM Metafile-Format (GEM) ist derzeit in Arbeit, was eine Rückfrage bei TommySoftware ergab.
Die Speicherverwaltung im Vektorteil ist vollkommen anders aufgebaut als die im Rasterteil. Hier belegt ein Bild keinen eigenen Speicherplatz. Ein "Bild” im Sinne einer Grafik besteht aus einem oder mehreren Objekten. Ein Objekt ist zum Beispiel eine Linie, ein Rechteck oder ein komplexes Outline-Gebilde. Es lassen sich nur ein paar charakteristische Punkte speichern, die die Form des Objektes wiedergeben. Bei einer geraden Linie werden also nur Anfangs- und Endpunkt. Linienbreite und -muster sowie einige andere Parameter gespeichert. Das heißt, das Objekt benötigt einen gewissen Speicherplatz, der nur von seiner Form, nicht aber von seinen Ausmaßen abhängt. Es lassen sich vier Ebenen mit den gigantischen Ausmaßen von 7680 x 7680 Pixeln bearbeiten, die ein- und ausgeblendet werden können. Beim Druck werden solche “Plakate” in einzelne DIN A4-Seiten zerlegt.die später mit Hilfe von Passermarken wieder zusammengefügt werden können.
Im Vektorteil kann der User nun auch stufenlos zoomen (von 1 % bis, 900%). Die Zeichenfunktionen sind, wie man an den Pull-Down-Menüs sehen kann, identisch mit denen des Rasterteils. Der große Vorteil des Vektormoduls ist, daß der Anwender gezeichnete Objekte im nachhinein verändern kann. Dazu ruft er eine Info-Box auf, in der er Füllmuster, Farbe (schwarz oder weiß), Linienbreite und -muster, Ebenenzuordnung etc. einstellen kann. Außerdem kann er Objekte als Gruppe vereinigen, Gruppen auflösen, Objekte skalieren (beliebig oder proportional), drehen, spiegeln, verzerren usw. Sehr elegant ist das Selektieren von Objekten gelöst worden: Man platziert seinen Mauszeiger in die Nähe des gewünschten Objektes und drückt nun so lange auf die TAB-Taste, bis es selektiert ist.
Eine feine Sache sind die Hilfspunkte, die man beliebig plazieren oder als Konstruktionshilfe vom Computer errechnen lassen kann (Schnittpunkte Lote, Körnen etc). Befindet sich der Mauszeiger in der Nähe eines solchen Hilfspunktes, läßt er sich vom Anwender durch Druck der Control-Taste “einfangen” Außerdem ist es möglich, die Koordinaten per Tastatur einzugeben, wodurch immer ein genaues Positionieren erreicht wird.
Eine der wichtigsten Anwendungen von Vektorgrafik ist das “Vektorisieren” von gescannten Vorlagen. Dabei kommt es darauf an. die Umrisse der Vorlage möglichst genau mit speziellen Kurven nachzuziehen. Hierzu verwendet man Bézier-Kurven, die alle zusammen ein “Outline”, sprich die Kontur der Vorlage ergeben. Dazu kann man in MegaPaint ein gescanntes Logo, welches sich im Rasterteil befindet, in den Vektorteil einblenden. Nun ist es ein leichtes, die Konturen der Vorlage mit der Outline-Funktion anzupassen. Systembedingt muß das eingeblendete Bild mit dem Zoom-Faktor des Vektorteils übereinstimmen. Knifflige Ecken können so nur ohne die Rastervorlage eingegeben werden.
Der Vektorteil verfügt ebenso wie das Rastermodul über eine ausgereifte Symbolverwaltung. Bestimmte Objekte kann der User als “Symbol” definieren und als solches in einer Bibliothek archivieren. Im Moment gibt es eine Symbolsammlung für den Notensatz bei TommySoftware zu kaufen.
Halbautomatisches Bemaßen und Beschriften mit vektororientierter Normschrift nach DIN 6776 ist im Vektormodus selbstverständlich auch möglich.
Schön wäre es, wenn die Programmierer MegaPaint Professional einen Taschenrechner - wie etwa bei OUTLINE ART - spendiert hätten. Schwierige Projektionsaufgaben oder wiederholtes Kopieren bei gleichzeitiger Objektveränderung wären so leichter möglich gewesen. Laut TommySoftware wurde darauf aber bewußt verzichtet, da es sonst zu Speicherplatzproblemen beim 1040 ST kommen kann.
Alles in allem kann man sagen, daß TommySoftware mit MegaPaint Professional ein ausgereiftes Produkt anbietet. Das Programm ist sehr absturzsicher und es läßt sich flüssig damit arbeiten. Die Druckerausgabe vermag durch Qualität und Geschwindigkeit (gut doppelt so schnell wie bisher!) überzeugen. Das Vektormodul bedarf zwar noch einiger kleiner Korrekturen, jedoch ist die gelungene Synthese von Raster und Vektorgrafik ein dickes Plus.
Bezugsadresse:
Lars Reckmann
TommSoftware
Selchower Str 32
1000 Berlin 44