S.&P. CHART - Der feine Analytiker

Wenn man eine Vielzahl ähnlicher Programme betrachtet, die zudem ein enges Spezialgebiet abdecken, wird man sehr sensibel für Kleinigkeiten. So erging es mir bei der Arbeit mit S.&P.-CHART. Ein Programm zur Chart-Analyse, einfach zu bedienen, unproblematisch, mit Liebe zum Detail. Aber der Reihe nach:

Erst muß der Kopierschutzstecker in den ROM-Port geschoben werden. (Über Sinn und Unsinn dieser ‘Antikopiertechnik” soll hier nicht weiter philosophiert werden.) Danach gestalten sich Installation und Programmstart recht unkompliziert. Nach der Abfrage von Datum und Uhrzeit (was nach jedem neuen Programmstart geschieht) erscheint das Eröffnungsbild mit der Desktop-Menüleiste. Nun ist eine Datei mit den Kursdaten zu laden. Diese sind in drei Gruppen aufgeteilt: Aktien, Optionsscheine und “Diverses” (darunter verbergen sich z.B. Indizes, Währungen oder Edelmetalle).

Weniger aufregend sind die Menüpunkte Technik und Titel. Solche Tätigkeiten wie Bild laden und speichern (auch in dem STAD-kompatiblen “PAC”-Format), oder die Einzeleingabe von Kursen, das Anlegen neuer Titel und Ändern von Kennzahlen, sowie die Berücksichtigung von Kapitalmaßnahmen, dazu zählen z.B. Kapitalerhöhung, Splits, Aktienzusammenlegung, sollten Standard in jedem guten Börsenprogramm sein und braucht fast nicht weiter erwähnt zu werden.

Hervorzuheben bleibt die Parameterbox, bei der das Konzept von S.&P.-Chart, nämlich dem Anwender möglichst viele Freiheiten in der Analyse zu bieten, deutlich wird. In diesem Menüpunkt kann man frei wählbare Werte für Tagesdurchschnittslinie, Momentum und Trendbestätigungsindikator und Overbought/Oversold einstellen. So bleiben die Wahlmöglichkeiten nicht an feste Standardwerte wie z.B. 38/100/200-Tagelinien-GD oder 38-zu-100-T.B.I. gebunden. Noch interessanter gestalten sich die Punkte Charts und Analyse, die wir uns genauer anschauen wollen:

Chart

Nachdem aus der Kursdatei eine Aktie mit Hilfe eines Pop-Up-Menüs ausgewählt wurde, kann man sofort einen Chart erstellen lassen. Dazu stehen folgende Darstellungsarten zur Verfügung: Tages-, Wochen- (Balken-), Tag/Wochen-Vergleich (absolut oder relativ), mit eingeblendeten Momentum, TBI, vier verschiedene Oszillatoren oder OVB/OVS-Indexlinien. Zusätzlich kann wahlweise eine 38-, 100-, 200- und x-Tage-Durchschnittslinie, sowie eine Gewinnzone eingeblendet werden.

Ein Infoblock, im oberen Bildteil über dem Chart, beliebig ein- und ausblendbar, enthält neben dem Namen des Papiers und des letzten Kursdatums auch viele Hinweise auf Indikatoren und weitere technische Daten (immer bezogen auf das aktuelle Datum):

  1. Höchst- und Tiefstkurs, sowie deren prozentualer Abstand zum aktuellen Kurs;
  2. die Werte der vier Trendlinien mit einem Tendenzpfeil (Trendlinie steigend oder fallend);
  3. den Gewinn pro Aktie und das rechnerische Kurs/Gewinn-Verhältnis, bzw. Bezugspreis, Aktienkurs, Aufgeld, Hebel, imitierte Stückzahl, Fälligkeit und innerer Wert bei Optionsscheinen;
  4. die Dividende und deren Rendite;
  5. TBI, Momentum und Beginn der Gewinnzone.

Mit Hilfe des Menüpunktes Kursblatt gewinnt der Benutzer sofort einen Gesamtüberblick über alle Werte einer Datei. Dies sind alle Angaben aus dem Infoblock jedes einzelnen Papiers (Aktie, Optionsschein oder “Diverses”). Reichhaltig ist die Auswahl an Listen. Dieser Menüpunkt ist wichtig für Anleger, die etwa neu in einer Branche investieren wollen. Ein Beispiel: Jemand hat zuvor aufgrund der Branchenindizes den Chemiebereich favorisiert und möchte nun einen Titel auswählen. Er lädt als erstes die Chemiebranche ein und sucht nun mit der Funktion Listen nach Aktien (oder Optionsscheinen), die in den letzten Tagen, Wochen, Monaten oder Jahren (je nach Mentalität, ob Langfrist- oder Kurzfrist-”Moneymaker”) noch nicht sehr viel gestiegen sind, oder die 38-, 100-, 200-, bzw. x-Tagelinie durchbrochen haben. Weiterhin wären noch bestes Kurs/Gewinn-Verhältnis, günstigste Dividentenrendite und bestes Momentum als Liste tabellarisch zu erhalten.

Weitere Analysen sind überein ausgeklügeltes System von Parametern und Bewertungsfaktoren möglich. So kann der Bediener aus einer Liste von 10 Indikatoren, individuell nach seinen Bedürfnissen jene zusammenstellen, die er für maßgebend hält. Zusätzlich versieht er die gewählten Indikatoren mit einer Bewertungszahl, je nach persönlicher Einschätzung für die Gewichtung des Faktors.

Diese Parameter und Bewertungsziffern können separat für jeden Titel abgespeichert werden. Nach dieser Voreinstellung errechnet S.&P.-Chart unter dem Menüpunkt Analyse Kauf- und Verkaufssignale für das ganze, zur Verfügung stehende Kursmaterial des gewählten Papieres. Diese sind dann entweder grafisch mit “K” für Kauf und “V” für Verkauf in den Chart eingezeichnet, oder als Liste mit Gewinn/Verlustbilanz ausgegeben.

Bild 1: Die Menüs von S.&P.-CHART
Bild 2: Ein Linienchart mit vielen zusätzlichen "Einbauten". Rechts unten die Toolbox.

Ein Beispiel: Der Anleger möchte einen bestimmten Wert genauer im Auge behalten und auch kaufen, wenn sich eine günstige Gelegenheit ergibt. Er wählt im Menü die Kauf Signale an und bestimmt die Kriterien in etwa so: 1. Durchbruch der 200-Tage-Linie um 2% sind ihm 3 Funkte wert; 2. Momentum über Null wird mit 2 Punkten gewichtet und 3.100-Tage-Oszillator über Null soll auch mit 2 Punkten in die Rechnung eingehen.

Die Punktzahl bei der gekauft wird kann noch frei bestimmt werden, d.h. legt man zum Kauf fünf Punkte fest, so muß Kriterium 1 auf jeden Fall, und mindesten eines der anderen auch noch erfüllt sein. Genauso wird mit den Verkaufssignalen verfahren.

Die Auswertung all dieser Kriterien erfolgt dann in dem Menüpunkt Chart-Analyse. Hier werden jetzt alle zur Verfügung stehenden Kurse bis ca. sechs Jahre zurück nach Signalen durchforstet und Käufe bzw. Verkäufe mit dem entsprechenden Gewinn oder Verlust angezeigt. Man kann nun so lange an den Kriterien feilen, bis weniger oder keine Minuskäufe mehr sichtbar sind. Signale die sich so über Jahre bei einem Papier bewährt haben, geben sicherlich in der Zukunft eine große Hilfe - und um die Zukunft geht es ja schließlich beim Spekulieren.

Toolbox

Ein Chart soll nicht nur aus Kursverläufen, Durchschnittslinien und nüchternen Zahlen bestehen. Anschaulicher wird eine typische Entwicklung, d.h. die Ausbildung eines Trends oder Formation (siehe auch Grundlagenartikel in Heft 2/ 90) durch deren grafische Einbindung in den Chart. Um nun diese Formationen (Trendkanäle, “W"-, “M"-, Dreieck-, Rechteckformen) in ein Chartbild einzeichnen zu können, gibt es in S.&P.-CHART die Toolbox. Ein Druck auf beide Maustasten ruft die Toolbox an jede beliebige Stelle im Chart auf. Das Zeichnen von Linien (einfach, mehrfach parallel, vertikal und horizontal), Kreise und Vierecke wird hierüber ausgelöst. Auch Texte für Kommentare, Schriftgröße und Drehwinkel, sowie Strichdicke sind dort anwählbar.

Ein Pufferspeicher nimmt Bildteile auf, die dann in anderen Charts frei wieder positioniert werden können. Es kann mit dieser durch beispielsweise sehr leicht eine Aktie mit einem Aktienindex verglichen werden. Mit der Funktion Kursbestimmung plaziert man kleine Boxen mit Hinweispfeil, die die Höhe einzelner Kurspunkte im Chart kennzeichnen. Die Zoomfunktion erlaubt das beliebige Vergrößern einzelner Kursabschnitte, die dann automatisch maßstabsgerecht neu entstehen.

Datenherkunft

Die Entwickler von S.&P.-CHART wissen, daß die Chartanalyse täglich “frische" Informationen braucht. So arbeiten sie an einer Anbindung des Programms an das Bildschirmtextsystem der Bundespost (BTX). Bis dies realisiert ist, kann im monatlichen Rhythmus eine Datendiskette für Aktien, Optionsscheine, Indizes und Währungen zusätzlich für DM 33,50 bestellt werden.

Ein Fazit

Man merkt S.&P.-CHART an, daß die Entwickler selbst in der Anlageberatung tätig sind. Das Programm bietet Charts, die in der Börsenwelt üblich sind. Es zeichnet sich dadurch aus, daß alle gehandelten Werte (Aktien, Optionsscheine, Währungen) und auch synthetische Werte (Branchen- und Länderindizes) grafisch dargestellt werden können. Außerdem unterscheidet sich S.&P.-Chart von der Konkurrenz durch die Möglichkeit, daß der Anwender sich selbst Kauf- und Verkaufskriterien herausarbeiten kann, um anschließend ihre Wirksamkeit an allen gespeicherten Werten zu prüfen.

S.&P.-CHART geht mit der Weiterentwicklung der technischen Wertpapieranalyse mit. So versicherten die Entwickler, daß auch in Zukunft Ideen in das Programm implementiert werden. Man merkt die Liebe fürs Detail und spürt eine sinnvolle, übersichtliche Konzeption. Auch das Handbuch darf lobend erwähnt werden. Auf 90 Seiten DIN-A5 hat man mit leicht verständlichen Worten und vielen Bildern alle Funktionen des Programms, sowie einige theoretische Aspekte der Chartanalyse ausführlich erklärt.

DK

Bezugsadresse:

H. Richter Hagener Straße 65 5820 Gevelsberg

Bild 3: Das Auswahlfenster für die eigentliche Analyse, hier werden Kriterien für Kaufsignale festgelegt.
Bild 4: Zwei Charts übereinander lassen einen direkten Vergleich zu.


Aus: ST-Computer 03 / 1990, Seite 28

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