Turbo 16 - 16 MHz-Takt im ATARI ST

Als im Juli Hypercache mit einem 16 MHz-Prozessor auf den Markt kam, waren viele ST-Anwender ganz aus dem Häuschen ob der Geschwindigkeitsvorteile, die diese Erweiterung bot. Ein schnellerer Prozessor ist schließlich eine sinnvolle Erweiterung. Nun geht das zweite Produkt ins Rennen: Turbo 16 von der Frankfurter Firma Eickmann Computer.

Der ST läßt sich gut erweitern - mit mehr Speicher, höheren Diskettenformaten, größeren Monitoren, Grafikkarten und vielem mehr. Warum also nicht den Prozessortakt verdoppeln? Ein "normaler" ST tuckert mit 8 MHz vor sich hin. Durch Turbo 16 wird der Takt verdoppelt, denn auf einer kleinen Zusatzplatine ist ein 68000-Prozessor enthalten, der mit 16 MHz arbeitet. So wird aus dem Trabbi-ST ein Porsche-ST. Neben dem Prozessor wird der ST aber auch noch durch einen 16 kB-Cache-Speicher erweitert, der viele Arbeitsvorgänge im Speicher um ein vielfaches erhöht.

Auf- und Einbau

Leider, und das ist bei fast allen Erweiterungen so, geht es auch bei Turbo 16 nicht ohne Löten. Der alte Prozessor hat ausgedient und muss seinem großen Bruder weichen. Dazu muss er entweder ausgelötet oder mit einer Zange entfernt werden, denn er befindet sich leider direkt auf der Hauptplatine. Auf den ursprünglichen Prozessorplatz wird ein Sockel gelötet, auf den dann die Zusatzplatine aufgesetzt wird. Schnell sind noch einige Drähte angelötet, um den Cache-Speicher an- und ausschalten zu können und den 16 MHz-Takt zu gewinnen. Der Prozessor ist übrigens ein CMOS-Baustein, wird also nicht so warm wie ein "normaler" Prozessor. Dadurch wird er beispielsweise auch für Grafikkarten interessant, die ja eine recht beträchtliche Eigenwärme entwickeln. Nachdem der Einbau geschafft ist, kann man sich zurücklehnen und den ST anschalten. Nun sollte nur noch das mitgelieferte Accessory installiert werden, mit dem sich der ST wiederjungfräulich auf 8 MHz zurücksetzen läßt. Auch der Cache-Speicher läßt sich hier softwaremäßig abschalten.

Wie schnell?

Im Gegensatz zu einem 68020-Prozessor, auf dem nicht alle Programme laufen würden, verrichtet hier der gleiche Prozessor wie immer seinen Dienst. Dadurch können kaum Kompatibilitätsprobleme auftreten. Ansonsten ist, bis auf den Cache-Speicher, alles beim alten geblieben, also sollten auch kaum Programme existieren, die nicht funktionieren, sofern sie "sauber" programmiert sind. Ich habe verschiedene Programme ausprobiert, alle sind anstandslos gelaufen. Auch kritische haben den Test überstanden, sowohl ST als auch Programme erfreuen sich bester Gesundheit.

Bei der Frage nach der Geschwindigkeitssteigerung wirft sich meine Stirn in Falten, denn diese Frage ist nicht ohne weiteres zu beantworten. Die.Erhöhung der Prozessortaktrate implementiert nicht zwingend eine Geschwindigkeitssteigerung bei allen Programmen. Der Prozessor selbst hat sich nicht geändert und benötigt für jeden Befehl die gleiche Anzahl von Taktzyklen wie sein kleiner Bruder. Diese werden lediglich doppelt so schnell abgearbeitet.

Cache

Normale, sogenannte CISK-Prozessoren haben den Nachteil, dass alle Befehle und Daten auf dem gleichen Platz liegen und über einen gemeinsamen Bus beim Prozessor ankommen. Der Prozessor ist ja nun auch nicht der schnellste und arbeitet alles der Reihe nach ab. Wenn der Bus belegt ist, muss halt jemand warten, bis er wieder frei ist. Dieses Problem hat man mit einem kleinen, aber feinen und sehr schnellen Cache-Speicher gelöst, der beispielsweise im 68020 und 68030 bereits serienmäßig eingebaut ist. Bei Turbo 16 ist der Cache-Speicher 16 k groß. Das ist eigentlich schon fast mehr als genug und beschleunigt den ST ungemein.

Turbo 16 stellt dem Prozessor ebenfalls einen Cache-Speicher zur Verfügung, der Einfachkeit halber allerdings extern. Dadurch ist gewährleistet, dass der Ablauf (fast) aller Programme beschleunigt wird, wenn auch nicht gerade um 100 Prozent. Nun habe ich aber immer noch nicht die Frage nach der Geschwindigkeitssteigerung beantwortet. Hier kann ein ganz leichter Grundsatz festgestellt werden.
Langsame Programme wie Wordplus werden wesentlich schneller, schnelle Programme wie TEMPUS hingegen kaum oder gar nicht. Wenn zu Turbo 16 auch noch Turbo ST (der Softwareblitter) und der Blitter eingesetzt werden, steht dem pausenlosen Arbeiten nichts mehr im Wege.

Zum Schluß bleibt eigentlich nur die Frage, warum solche Erweiterungen nicht von ATARI selbst entwickelt bzw. angeboten werden, vielleicht gar serienmäßig. Solange private, innovative Anbieter diese Lücken entdecken und schließen, wird der ST immer weiter verbessert, doch Hunderte von Utilities warten darauf, vermarktet zu werden. Turbo 16 jedenfalls ist eine äußerst lohnenswerte Anschaffung und sollte bei keinem ernsthaften ST-Anwender fehlen. Davon sollte auch der auf den ersten Blick recht hohe Preis von DM 798,-, der sich auf jeden Fall rechtfertigt, nicht abhalten.

Benchmarks

Um einige Geschwindigkeiten zeigen zu können, habe ich mehrere Programme für Sie getestet.

Die Ergebnisse sehen Sie in der Tabelle. Bei 1st Wordplus wurde ein 620zeiliger Text mit jeweils 80 Zeichen eingeladen und einmal von oben nach unten gescrollt. Dabei waren der WP-Modus, das obere Lineal und der Blitter ausgeschaltet. Bei Tempus wählte ich das gleiche Verfahren, allerdings mit 3000 Zeilen. Interessant ist bei Tempus, dass es in allen Stellungen genau gleich schnell ist.

Sieb des Eratosthenes
Manche natürlichen Zahlen lassen sich als Faktoren schreiben. So gilt z.B. 8=24 oder 20=54. Es gibt aber einige Zahlen, die nicht so darstellbar sind: 17, 11 etc. Es handelt sich dabei um die sogenannten Primzahlen, wobei Eins nicht zu ihnen zählt, Zwei als einzige gerade Zahl dagegen schon. Um solche Zahlen unter den natürlichen Zahlen zu finden, hatte sich Eratosthenes, ein griechischer Mathematiker, der u.a. als erster den Umfang der Erde berechnet hatte, eine Methode ausgedacht, die bis heute ihre Gültigkeit noch nicht verloren hat:
Man denke sich ein Sieb, das zuerst alle Zahlen ausfiltert, die durch Zwei teilbar sind, außer der Zwei selbst, dann die, die durch Drei teilbar sind, außer der Drei selbst usw. Alle Zahlen, die durch dieses Sieb durchgehen bzw. am Ende übrig bleiben, sind Primzahlen.

Fibonacci-Zahlen
Nach Leonard Fibonacci, einem italienischen Kaufmann und Hobbymathematiker aus dem 13. Jahrhundert, sind eine bestimmte Folge von Zahlen, die heute als Fibonacci-Zahlen bekannt sind, benannt. Jede Zahl dieser Reihe (außer der Eins) wird aus der Summe der beiden vorangehenden Zahlen gebildet: nm = nm-1 + nm-2 Betrachten wir nun die ersten Zahlen dieser Reihe:
1, 1, 2, 3, 5, 8, 13, 21, 34, 55, 89, ..... Die Logik dieser Reihe ist leicht zu erkennen.

Fließkommaoperationen
Um den Prozessor richtig zu traktieren, habe ich ihn mit einigen Fließkommaoperationen gequält.
Apfelmännchen Beim Apfelmännchen-Test sind die Unterschiede zwischen den einzelnen Konfigurationen besonders deutlich zu sehen.

GFA-Compiler
Mit dem GFA-BASIC 3.0-Compiler wurde ein Programm mit 13180 Zeilen compiliert. Wer häufig programmiert, wird gerade hier die Geschwindigkeitssteigerung auf keinen Fall mehr missen wollen.

Programm	16 MHz	16 MHz	16 MHz	8 MHz   8 MHz
                        Cache   Cache/          Turbo ST
                                Turbo ST
Apfelmännchen	1552,81	980,15	980,15	1836,55	1836,55
Wordplus	119,00	86,00	86,00	135,00	95,00
GFA-Compiler	230,48	138,85	138,85	235,30	235,30
Eratosthenes	6,24	4,02	4,02	6,50	6,50
Fibonacci	9,42	6,07	6,07	9,82	9,82
Fließkomma	14,12	9,75	9,75	18,74	18,74
Tempus          121,00	121,00	121,00	121,00	121,00


Aus: ST-Computer 01 / 1990, Seite 13

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