TmS Color Express - Bildverarbeitungssystem für ATARI ST

Eine Farbkopie des Bildschirms (MGE mit Color Express)

Der Markt für digitale Bildverarbeitung boomt. Professionelles DTP ohne hochwertiges Bildmaterial ist fast undenkbar. Mit Calamus können von Text- und Vektorgrafiken brillante Filme belichtet werden, aber Fotos wurden bisher nur mit einem sehr groben Raster, welches die Scanner selbst produziert haben, wiedergegeben.

Für den Grafiker, der Bilder noch verändern, verfremden oder retuschieren will, gab es bisher keine Möglichkeit, seinen Beruf auf dem ATARI ST zufriedenstellend auszuführen. Bisher arbeitete man auf dem Mac mit Graustufenbildbearbeitungen bzw. in 8-Bit-Farbgrafik. Erst seit kurzer Zeit arbeitet man auch dort mit 24 Bit, die ungefähr 16,8 Millionen Farben entsprechen. Das ist nun auch auf dem ST möglich, denn mit Color Express von TmS und (optional) einer MGE-Grafikkarte werden neue Maßstäbe gesetzt.

**Ladbare Formate:**

TIFF
GEM Image
Degas
Neochrome
IFF
Simplex
Extended Simplex
GFA Block
Screen Formate wie Doodle etc.

Speicherbare Formate:

TIFF
GEM Image
Degas
Neochrome
IFF
Simplex
Extended Simplex

Tabelle 1: Lade- und Speicherformat von Color Express

Für wen?

Die Programmkonzeption wurde sowohl für Laien als auch für professionelle Grafiker ausgelegt. Alle Arbeiten, die bisher noch mit einer “echten Dunkelkammer'* erledigt wurden, kann Color Express auf dem ST machen. Aber das ist noch nicht alles. Es können Bildmanipulationen vorgenommen werden, die ansonsten nur mit größtem fototechnischem Aufwand zu realisieren waren. Da Color Express sowohl Bitmap-. Grauton- als auch Farbbilder bearbeiten kann, verfügt es über eine große Anzahl von Formaten, die es laden und speichern kann (Tabelle 1). Intern arbeitet Color Express nur mit 3 Bildarten. Zum ersten gibt es die gewohnte Bitmap, als monochrome Bilder mit einem Bit pro Bildpunkt, wie sie von Raster-Scannern erzeugt werden. Zum zweiten arbeitet Color Express mit Grautonbildern mit bis zu 256 Graustufen. Wur den diese Bilder mit einem Farbscanner oder einer Farbvideokamera eingescannt, erfolgt deren Bearbeitung intern sogar mit 768 Graustufen. Graustufenbilder besitzen pro Bildpunkt nicht nur die Information Weiß oder Schwarz, sondern je nach Format bis zu 256 verschiedene Helligkeitswerte. Die dritte Bildart haben wir die 24-Bit-True-Color-Bilder, mit denen bis zu 16,8 Millionen Farben dargestellt werden können. Das menschliche Auge kann nur ca. 6 Bit pro Farbe, insgesamt also 18 Bit unterscheiden, wodurch die 24 Bit genügend Farben für höchste Ansprüche zur Verfügung stellen.

Monitore

Besitzer eines monochromen Monitors sehen die Grauton- und Farbbilder in geditherter Form auf dem Bildschirm. Dithering ist ein Verfahren, bei dem Grauton- bzw. Farbinformationen aus schließlich durch weiße und schwarze Bildpunkte wiedergegeben werden. Das Ergebnis ist ein fein gepunktetes Raster, das verschiedene Grauwerte durch mehr oder weniger gesetzte Bildpunkte wieder gibt. So kann die Bildbearbeitung auch an monochromen Monitoren erfolgen. Grafikkarten wie die MGE von MAXON erleichtern die Arbeit ungemein, da schon am Bildschirm die Grauwerte bzw. Farben beurteilt werden können.

Color Express verfügt über ein modulares Konzept. Sämtliche Scanner- und Druckertreiber liegen als Accessories vor, die je nach Bedarf in den Arbeitsspeicher geholt werden können. Das trifft auch für spezielle Bildbearbeitungs-Tools zu. Eigene Druckertreiber für seltene Geräte der Anwendungen in der Industrie bzw. in der Lehre an Universitäten können da durch leicht in das Programm integriert werden.

Welche Scanner?

Color Express arbeitet mit vielen Scannern zusammen, beispielsweise auch mit Geräten wie HAWK CP14, SPAT. Panasonic FX RS505, Microtek etc. Mit diesen Scannern kann man Color Express als BitmapScanner benutzen. Dadurch ist nicht jeder Besitzer eines Raster-Scanners. der digitale Bildverarbeitung durch führen möchte, dazu verdammt, seinen teuren Scanner in den Ruhestand zu verbannen. um sich einen Grauton-Scanner zu kaufen.

Grauton-Scanner besitzen neben dem Raster- noch den Grauton- oder Multivalue-Modus und scannen pro Bildpunkt bis zu 256 Graustufen ein. Dabei sind Graustufen-Scanner nicht unerschwinglich. Geräte mit 64 echten Graustufen und 450 dpi, wie der Datacopy 730GS, sind für ungefähr DM 3000.- zu haben. Absolute Spitzen-Scanner wie der HP Scanjet Plus mit bis zu 600 dpi sind ein wenig teurer (DM 5300,-).

Wurde für den Scan-Vorgang ein Farb-Scanner verwendet, können für die Grautonberechnung 768 Graustufen genutzt werden, so daß auch schwierigste Bilder (z.B. schwarze Schrift auf rotem Grund) optimale Ergebnisse liefern. Die anschließende Ausgabe erfolgt dann mit den optimierten 256 Graustufen.

Ein Ausdruck auf einem 24-Nadeldrucker (NEC P6 Color)
Hier der gleiche Ausdruck mit einem Tintenstrahldrucker.
Ein Auge wurde eingescannt und in der rechten Hälfte mit einem farbverfremdeten Gesicht überlagert. Das TmS-Logo wurde mit dem Vektorzeichenprogramm TmS Graphics erzeugt und in Color Express eingeladen.

Farbbilder

Je nach verwendetem Scanner bzw. Videokamera werden bis zu 16,8 Millionen Farben eingelesen. Besitzt das Eingabegerät weniger Farben, wird intern auf 24 Bit umgerechnet. Da nicht alle Bildformate diese Farbenfülle speichern können, werden je nach Bedarf die Farben stufenlos auf bis zu 2 Farben oder Graustufen reduziert.

Color-Look-Up-Tabelle (CLUT): Color Express arbeitet als einziges ST-Programm permanent mit einer CLUT. Die Gamma-Korrektur wird erst auf ausdrücklichen Wunsch des Anwenders ins Bild übernommen. Diese Übernahme ins Bild bedeutet, daß unter Umständen der Kontrast, die Helligkeit oder die Farbzuordnung unwiderruflich geändert werden. Das bedeutet, daß auch nach längeren Arbeiten die ursprünglichen Farbwerte wiedererhalten werden können. Das Menü kann aber noch mehr: Der Kontrast kann verstärkt oder abgeschwächt werden, ebenso die Helligkeit. Mit dem sogenannten Histogramm läßt sich die Farbverteilung feststellen, so daß die Manipulationen der CLUT gezielt vorgenommen werden können. Natürlich sind noch weitaus mehr Manipulationen ausführbar, die jedoch unmöglich alle beschrieben werden können.

Masken...

...und Bildintervalle können unabhängig voneinander gewählt werden. Maske ist eine Funktion, mit der bestimmte Bildbereiche vor Veränderungen geschützt werden können. Die Maske kann direkt in Color Express erzeugt und/oder verändert werden. Es lassen sich aber auch Bilder als Masken laden, was mitunter sehr interessante Effekte ergibt. Das Farbintervall beschreibt einen Farb- oder Grautonbereich, der nicht verändert werden darf. Damit lassen sich Bildpartien einer bestimmten Farbe wirkungsvoll schützen. Diese Option kann beispielsweise dann angewendet werden, wenn etwa das Anlegen einer Maske zu schwierig ist, weil sehr kleine Bereiche zu schützen sind.

Bearbeitung der Bilder

Verschiedene Werkzeuge, die teilweise ihre Analogie in der herkömmlichen Reprotechnik haben, stehen dem Anwender zur Verfügung. Die bereits erwähnten 16,8 Millionen Farben können mit verschiedenen Werkzeugen bearbeitet werden. Lackfarbe beispielsweise überdeckt eine Bildpartie vollkommen, während Kohle erst nach mehrmaligem Überstreichen der Bildpartie deckend wird. Mit der Funktion “Aquarell” lassen sich die gleichen Effekte erzielen wie mit der “normalen” Aquarellmalerei.

Stift und Pinsel können mit allen drei Farbarten malen. Der Stift behält seine Form unbeschränkt bei, während der Pinsel je nach den eingestellten Werten seine Farbe verliert. Für beide Werkzeuge können die Farben aus einer Farbwahlbox, oder auch direkt aus dem Bild aufgenommen werden.

Bei Aufhellern und Abdunklern werden, je nach eingestelltem Wirkungsgrad, die überstrichenen Bildbereiche aufgehellt bzw. abgedunkelt. Dadurch lassen sich falsch belichtete Bereiche nachträglich in ihrer Helligkeit verändern.

Vorteilhaft ist, daß ein Undo-Puffer existiert. Wenn ein Bild in diesem Puffer vorliegt, können die alten Werte in das aktuelle Bild zurückgeholt werden, ohne daß alle Veränderungen verloren sind. Durch geschickten Einsatz dieses Tools lassen sich interessante Effekte erzielen.

Mit einem Werkzeug namens “Finger” lassen sich die Farben in den Bildbereichen, die er überfährt, verwischen, ohne sie zu vermischen. Flat man also harte Konturen in einem Bild, lassen sich diese problemlos mit dem Finger verwischen.

Wie es auch in der normalen Aquarellmalerei möglich ist, kann man bei Color Express je nach Intensität die Farben eines Bilds vermischen. Auch mit einem Stempel läßt sich retuschieren. Mit ihm werden Bildausschnitte aufgenommen und an anderer Stelle wieder eingefügt. Besonders bei der Retusche schwieriger Bildpartien, wie es z.B. bei der Retusche eines Gesichts vorkommt, lassen sich mit dem Pinsel sehr gute Ergebnisse erzielen.

Collage-Möglichkeiten

Was im Desktop des ATARI vergessen wurde, ist bei Color Express selbstverständlich eingebaut: Bildbereiche lassen sich auch mit unregelmäßigen Umrissen selektieren. Wird die Fenstergrenze erreicht, scrollt das Bild weiter. Dadurch gibt es bei der Selektion eines Bildausschnitts keine Größenbeschränkung. Die ausgewählten Bereiche lassen sich in das gleiche oder ein beliebiges anderes Bild integrieren. Dabei können verschiedene Operationen durchgeführt werden, deren Ergebnis direkt am Bildschirm sichtbar wird und die sofort nach Bedarf*korrigiert werden können. Der zu kopierende Bereich kann stufenlos vergrößert und verkleinert werden. Durch nichtproportionales Ändern der x- und y-Koordinaten läßt sich das Bild linear verzerren. Neu für den ST sind auch nicht-lineare Verzerrungen. Dazu müssen nur eine oder alle Ecken des Bilds angewählt werden, worauf man das Bild nach Herzenslust zerren und biegen kann. Natürlich können die Rildausschnitte auch stufenlos gedreht werden. Sollten dann die Farben des kopierten Bereichs nicht mit denen des Zielbilds harmonieren, kann man durch “automatischen Farbangleich” die Farben automatisch anpassen. Schließlich kann noch ausgewählt werden, ob der zu kopierende Bereich den Zielbereich, oder beide Bilder sich prozentual überlagern sollen. Alle hier erwähnten Operationen arbeiten wahlweise unter Beachtung der Maske und des Farbintervalls.

Auf einen HAWK CP14 wurde die Vorlage mit 200 dpi und 16 Graustufen eingelesen und anschließend mit Color Express in ein Graustufenbild umgerechnet.
Auf einem Panasonic EX-KS505 mit 200 dpi eingelesen und in ein Graustufenbild gewandelt. Im oberen Bild eine Bitmap, in der Mitte Bitmap/Grautonbild, unten ein Grautonbild.

Die Möglichkeiten bei der Wandlung eines Farbbilds in ein Grautonbild. Es wurden verschiedene Farbanteile bzw. verschiedene Mittelwerte zur Erzeugung des Grautonbilds berücksichtigt.

Ausgabe

Die Ausgabe der bearbeiteten Bilder kann direkt vom Programm aus erfolgen. Alle Druckertreiber entsprechen dem GDPS-Standard, dem auch alle anderen TmS-Produkte folgen. Das bedeutet, daß Sie nur einen Treiber für Ihren Drucker benötigen, der von sämtlichen Programmen benutzt wird. Auf monochromen Druckern können die Bilder als geditherte oder gerasterte Bitmap ausgegeben werden. Auf farbfähigen Druckern können auch Farbausdrucke erzielt werden, die durchaus professionellen Ansprüchen gerecht werden. Selbst auf Nadeldruckern werden akzeptable Ergebnisse erzielt, da die Druckertreiber mit speziellen Algorithmen ein Farbdithering vornehmen, das das letzte aus dem Drucker holt. Tintenstrahldrucker liefern oft bessere Ergebnisse, da die Farben beim Druck auf dem Blatt noch mischbar sind und das Verlaufen der Farben die horizontalen Streifen verhindert, die von Nadeldruckern oft erzeugt werden.

Auch ein professioneller Fotosatz ist möglich. Ab Calamus 1.1 sind frei definierbare Rasterweiten und Winkel möglich, wodurch die Folien für den Vierfarbdruck erzeugt werden können. Grautonbelichtung und Farbbelichtung sind schon heute bei einigen speziellen Belichtungsdiensten möglich. Diese Folien können dann mit bis zu 2540 dpi belichtet werden und geben Ihnen im Druck eine unübertreffliche Qualität.

Zur CeBIT erscheint eine weitere Version des Programms, die für noch speziellere Anwendungen konzipiert worden ist und wiederum einen Meilenstein in der digitalen Bildverarbeitung setzen soll. Man darf gespannt sein. Color Express-Kunden können es im Zuge eines Upgrade-Services erwerben. Mehr über das Programm wollte man uns bei TmS noch nicht verraten.

Preise

Für das Programm selbst müssen DM 369,- bezahlt werden. Der Löwenanteil des Gesamtpreises fällt auf die Geräte, die zum Einscannen oder zur Ausgabe der Bilder benötigt werden. Ein entsprechender Epson-Scanner (200 dpi, interpoliert bis 400 dpi) kostet beispielsweise DM 4998,-. Allerdings können, wie bereits erwähnt, auch preiswertere Geräte mit ähnlich guten Ergebnissen eingesetzt werden. Der Tintenstrahldrucker, auf dem unsere Bilder ausgedruckt wurden (Canon FP-510) ist für DM 10400,- zu bekommen. Als Grafikkarte wurde bei unseren Beispielen eine MGE von MAXON verwendet (ab 1800,- DM). Für knapp 17000,- DM erhält man also ein Bildverarbeitungssystem, das auch höchsten Ansprüchen gerecht wird.

MP

Bezugsquelle:
TmS GmbH
Cranachweg 4
8400 Regensburg



Aus: ST-Computer 01 / 1990, Seite 16

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