AMIGA-Konkurrenz? Atari 1040 STE


**Auf der ATARI-Messe ’89 wurde der neue 1040 STE vorgestellt. Was kann er? Was kann er nicht? Ist er kompatibel zum “alten" ST? Wir berichten von unserem Testgerät!**

Mit dem STE scheint ATARI dem AMIGA Konkurrenz machen zu wollen. Die durchaus überzeugenden technischen Daten dieses Geräts lassen es jedenfalls vermuten. Der STE soll Auge und Ohr verwöhnen. Dazu bietet er Stereo-Sound in CD Qualität, erzeugt von einem 8-Bit-PCM-Generator (“Pulse Code Modulation), der endlich auch den letzten AMIGA-Freak vor Neid erblassen lassen müßte. Dieser Generator ist übrigens ebenfalls im TT eingebaut worden. Doch auch in Sachen Grafik kann sieh “der Neue” sehen lassen: 16 von 4096 möglichen Farben lassen sich darstellen, und das bei einer Auflösung von 320 x 200 Pixeln im ATARI (teilweise wurde fälschlicherweise von 512 Farben aus 4096 berichtet). Das wird dadurch möglich, daß die Farbpalette um 3 Bit erweitert wurde, jeweils eines für die Farbinformationen Rot, Grün, Blau (RGB). Eine große Wirkung durch eine kleine Maßnahme! Natürlich bleibt der gewohnte 640 x 400 Pixel-Monochrom-Modus erhalten. Dadurch laßt sich auch der SM 124 weiterhin betreiben. Mit diesen Fähigkeiten scheint der STE wie geschaffen für Spiele und siehe da: Ihm wurden vier weitere Joystickports spendiert, also insgesamt sechs (!) Anschlußmöglichkeiten für Joysticks, Mäuse, Paddies und Lichtpistolen. Ob dies ohne Multitasking-Betriebssystem so sinnvoll ist, ist eine andere Frage. Für den Anschluß der vier weiteren Joysticks wird ein Adapter benötigt, da an einen Port jeweils 2 Joysticks angeschlossen werden. Damit der Spielspaß ungehindert seinen Lauf nehmen kann, ist es nun endlich möglich, ruckfrei horizontal und vertikal zu scrollen: hardwaremäßig! Dazu wurde eine neue Adresse im Videoshifter eingeführt, über die beispielsweise das horizontale Scrolling gesteuert werden kann. Eine weitere gute Neuerung beim Bildschirm: Er kann jetzt an eine beliebige Wortadresse gelegt werden. So kann man sich den Speicher so aufteilen, wie man es gerne hätte. Um das Abspielen der (Stereo )Hintergrundmusik muß sich der Programmierer nicht mehr kümmern - es existiert eine Routine im Betriebssystem, die diese Aufgabe interruptgesteuert erledigt, nicht einmal der Prozessor wird dadurch belastet, da hier mit DMA (“direct memory access”) gearbeitet wird.


Anwendungen

Fast die gesamte Palette der ST-Software kann auch auf dem STE benutzt werden. Nachdem wir unser Testgerät an eine Festplatte angeschlossen hatten, gaben sich alte Bekannte ein Stelldichein: 2 Bomben. Nachdem jedoch der Festplattentreiber (Eickmann) gegen den All-round-Treiber von Claus Brod ausgewechselt wurde, funktionierte alles einwandfrei. Natürlich funktioniert der Original-ATARI-Harddisk-Treiber ebenfalls ohne Probleme. Die eingebaute TOS-Version hat die Versionsnummer 1.6 mit einem Systemdatum vom 22.6.1989 und dürfte eine an den ST6 angepaßte Version des neuen TOS 1.4 (“Rainbow-TOS”: Wenn man “Desktop Info” in Farbe anklickt, schimmert das ATARI-Zeichen in vielen Farben) sein. Mit dem TOS werden die Zugriffe auf die Festplatte durch einen integrierten Cache-Speicher erheblich beschleunigt. Dadurch werden solch subtile Programme wie “Turbodos” überflüssig: Der STF arbeitet auch so schnell genug. Im Monochrommodus konnte kein ST-Anwenderprogramm gefunden werden, das nicht auch auf dem STE läuft. Getestet wurden u.a. Wordplus (3.x), GFA-BASIC, OMIKRON.BASIC, BECKERpage ST, Interlink, MagicBOX ST, Turbo C u.a. Anders verhält es sich aber zum Teil bei Spielen, da manche Spieleprogrammierer der Meinung sind, daß es vollkommen egal ist, ob man an eine Wortadresse ein Langwort schreibt. Bisher hatte dieses Uberschreiben noch keine Folgen, doch neuerdings wird ein Byte, das überschrieben wurde, genutzt. Wir wollen dieses Verhalten allerdings nicht verallgemeinern, da z.B. Spiele wie Starglider II, Flight Simulator II, Tetris, Kick Off und andere einwandfrei funktionierten.


Die neue Lage der Midi-Buchsen und der zusätzliche Joystickport

Zutaten


Der PCM-Generator sorgt für den richtigen Sound.

Auch die Innereien des STE können sich sehen lassen. Der MC68k-Prozessor ist (natürlich) noch vorhanden, allerdings einem gesockelten, quadratischen gewichen. Der Glue und die MMU wurden in einen (Fat-)Chip zusammengefaßt. Dieser ist leider in SMD Technik festgelötet und dürfte, sofern er einmal defekt ist (was bei der MMU nicht selten ist), ein kleines Vermögen kosten. Ein näherer Blick auf den Soundchip enthüllt, daß noch immer der gute, alte Yamaha YM 2149 tätig ist. Dieser verrichtet seinen Dienst jedoch nur der Kompatibilität zum ST wegen: Die Platine wurde (wie bereits oben erwähnt) um den 8-Bit-PCM-Soundprozessor erweitert, welcher in seinen Funktionen tatsächlich (und endlich) mit dem des AMIGA zu vergleichen ist.

Nach dem Systembus sucht man vergeblich; er ist nicht vorhanden. Geschickt ist man bei eventuellen Speichererweiterungen vorgegangen: Der STE kann mit SIMM-Steckkarten, die auch schon beim Mac Verwendung finden, um jeweils 1 Megabyte erweitert werden. Sollte also ein Chip auf einer Steckkarte defekt sein, kann man getrost die gesamte Karte dem Mülleimer anvertrauen, da man beim Auslöten alle anderen Chips mit Sicherheit beschädigen würde. Als Laufwerk wurde ein Epson-Laufwerk eingebaut. Ohne mich beschweren zu wollen, meine ich, daß man die Wahl doch hätte geschickter wählen können. Erfreulich:

Dem Laufwerksschacht wurde endlich eine Staubschutzklappe spendiert, die ungebetenen Schmutz und Zigarettenqualm fernhält, sofern keine Diskette eingelegt ist. Hin und wieder scheint also auch ein Entwickler mitzudenken! Leider wurde das Gehäuse des 1040 ST übernommen, so daß auch die Nachteile dieses Rechners in Kauf genommen werden müssen: Um die Maus zu befestigen, muß man sich wieder im Fingerhakeln üben, da sie, 1040-üblich, unter dem Rechner in einen engen Schacht bugsiert werden muß. Hier werden viele Frauenfingernägel ihr Leben lassen müssen. Warum in aller Welt konnte man dieses Manko nicht ändern? Auch bei den neuen Joystick-Anschlüssen liegt einiges im Argen: Um vier Joysticks an zwei Ports anschließen zu können, wird ein Adapter benötigt. Warum dieser Adapter nicht gleich eingebaut wurde, bleibt ungeklärt: So jedenfalls liegt ein Kabel mehr im Weg. Zur Abwechslung gibt es auch noch etwas erfreuliches zu vermelden: Der Videoshifter ist nun endlich über die Monitorbuchse synchronisierbar. Dadurch werden Genlock-Anwendungen überhaupt erst sinnvoll möglich, da nun endlich das Computerbild mit dem Videobild extern synchronisiert werden kann. Im Bereich Grafik hat man den Käufern noch etwas gutes beschert, was bislang nur den Mega ST-Benutzern Vorbehalten war: Der gute, alte Blitter verrichtet hier (langsam wie eh und je) seinen Dienst. So wird dem von Natur aus etwas langsamen Desktop doch noch etwas auf die Sprünge geholfen (und die Kaffeemaschine kann ruhen). Die Midi-Buchsen liegen jetzt übrigens ebenso wie die zusätzlichen Joystick-Buchsen auf der linken Seite neben dem ROM-Port.

Also?

Wer sich heute einen ST kaufen will, sollte lieber warten bis der STE lieferbar ist. Warum sollte man schließlich auf die Vorteile verzichten, die er bietet? Man kann getrost sagen, daß der STE zu 99% kompatibel zum ST ist. Außerdem ist tatsächlich auch im Spielebereich eine gute Alternative zum Konkurrenten AMIGA geschaffen worden. Wer “siegen” wird, wird die Zukunft zeigen. Der offizielle Verkaufspreis für den 1040 STE mit 1MB und Monitor SM 124 liegt bei 1598,-DM. Die Auslieferung soll etwa sechs Wochen nach der ATARI-Messe stattfinden, also etwa Anfang Oktober. Laut ATARI sind die Geräte auch bereits lieferbar. Ein Besuch beim Händler lohnt sich also.

MP


Die SIMM-RAM-Bänke im 1040 STE


Aus: ST-Computer 10 / 1989, Seite 22

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