DesaShell - Desktops wundersame Neugeburt

Daß das von ATARI mitgelieferte GEM-Desktop sehr spartanisch ist, bedarf keiner weiteren Diskussion. Aus diesem Grunde versuchen mehrere Hersteller, diesem Manko durch selbst programmierte Desktop-Programme abzuhelfen. Nach Neodesk schickt sich nun die Firma DesaSoft aus Berlin mit ihrem Programm DesaShell an, der Benutzeroberfläche auf die Sprünge zu helfen.

Nach der Installation des Bootprogramms in einem Auto-Ordner soll das Programm automatisch gestartet werden. Dies scheint jedoch nicht immer zu klappen, so auch nicht, wenn man die inoffizielle TOS 1.4-Version installiert hat, dann wird es notwendig, die Shell per Hand zu starten. Nach dem Start präsentiert sich der ATARI mit einer neuen grafischen Oberfläche, die recht ansprechend gestaltet ist, lediglich die Laufwerkssymbole wirken etwas klotzig. Dem kann jedoch abgeholfen werden, wenn man die Symbole mit einem Icon-Editor nach seinen eigenen Vorstellungen ändert. Die Funktionen des Original-Desktop wurden vollständig übernommen. Einige Funktionen wie „Disk-Info“ oder „Formatieren“ sind durch ein Pop-Up-Menü erreichbar, das jederzeit durch Betätigung der rechten Maustaste aufklappen sollte. Leider macht es das keineswegs immer, sondern nur in Abhängigkeit der vorher gestarteten Accessories. Das von mir benutzte Uhrenprogramm, das die Uhr am rechten oberen Rand anzeigt, scheint jedenfalls das Aufklappen des Pop-Up-Menüs gänzlich zu verhindern, wodurch man mit DesaShell nicht mehr zufriedenstellend arbeiten kann. Leider scheint sich auch „Protos“ nicht so recht mit DesaShell vertragen zu wollen, da ähnliche Probleme auftraten. „QuickMouse“ und ein selbstgeschriebener Bildschirmkonverter funktionierten einwandfrei. Doch zur Bedienung von DesaShell.

Wie auch bei Neodesk können bei DesaShell beliebige Dateien auf das Desktop verlagert werden, um sie direkt von dort aus starten oder anschauen zu können. Dabei haben die verschiedenen Dateiarten ihre eigenen Icons, damit man sie auseinanderhalten kann. Weiterhin können beliebig viele Mülleimer, Drucker und Modems auf dem Desktop verteilt werden, denen man natürlich auch verschiedene Namen zuteilen kann. Sehr vorteilhaft ist es, daß man sein Desktop unter verschiedenen Namen abspeichern und natürlich auch wiedereinladen kann. So kann man sich für verschiedene Anwendungen verschiedene funktionelle Desktops zusammenstellen und z.B. die Laufwerke, die man für eine Textverarbeitung nicht braucht, nicht anmelden. Das schafft Übersicht.

Die Directory-Windows können 4 verschiedene Formen annehmen. Die ersten beiden sind bereits aus dem Standard-Desktop bekannt, es sind „Bilder“ und „langer Text“. DesaShell bietet zusätzlich die Möglichkeit, „kleinen Text“ und „kurzen Text“ anzeigen zu lassen. Beim kurzen Text werden jeweils nur die Dateinamen ohne Länge und Erstellungsdatum angezeigt. Wählt man dagegen „kleiner Text“ aus, werden ebenfalls nur die Namen angezeigt, dies jedoch im kleinsten Systemfont (6 mal 6 Pixel). Diese Schrift ist zwar nicht sehr augenschonend und schlecht zu überblicken, aber sehr praktisch, wenn man sehr viele Dateien auf einem Laufwerk bzw. in einem Ordner abgespeichert hat. Weiterhin kann man, wie bereits beim Original-Desktop, die Dateien nach Art. Datum. Größe und Namen ordnen lassen. Endlich wird auch den versteckten Dateien ein Ende bereitet, denn mit DesaShell kann man sich auch diese anzeigen lassen. Um Speicherplatz zu sparen, kann man gar angeben, wieviele Einträge eines Ordners höchstens eingelesen werden sollen. Dabei läßt sich unterscheiden zwischen 112, 224, 336 und 448 Dateien. Interessant bei der Darstellung der Directory-Windows ist auch, daß die 4 Darstellungsarten kombinierbar sind. So kann man beispielsweise in Laufwerk C Bilder anzeigen lassen, während Laufwerk D kleine und Laufwerk E große Schrift anzeigt. Das ist dadurch möglich, daß eine Änderung erst gilt, sobald ein neues Fenster geöffnet wird: die bereits geöffneten Fenster werden durch die Änderungen nicht beeinflußt.

Möchte man sich eine Datei anzeigen lassen, so existiert dafür ein eigenes Fenster. Man kann sogar angeben, mit wievielen Zeichen pro Zeile der Text angezeigt werden soll, allerdings bleibt das Fenster immer in der gleichen Größe. Weiterhin läßt sich man angeben, ob der Text mit oder ohne Zeilennummern ausgegeben werden soll. In einem weiteren Auswahlfenster sind die üblichen Voreinstellungen (Kopieren. Verschieben mit Abfrage etc.) festlegbar. Glücklicherweise läßt sich aber der Blitter einstellen, sofern er eingebaut ist. Ein Manko ist, daß man ein Fenster nicht ohne weiteres zweimal öffnen kann. Hierzu ist es notwendig, ein wenig mit den Ordnern zu jonglieren. Öffnet man nämlich ein Laufwerk, so wird es de-selektiert, und man kann es nicht mehr anklicken. Um nun ein weiteres Fenster mit dem gleichen Laufwerk zu öffnen, muß man die Shift-Taste halten und einen Ordner im gleichen Laufwerk öffnen. Das ist nur unmöglich und lästig, wenn im Laufwerk keine Ordner vorhanden sind.

Ein wirklicher Leckerbissen dagegen ist der „Command-Line-Interpreter“, der ähnlich wie MS-DOS aufgebaut ist. AMIGA-Besitzer sollten den CLI schon kennen und w erden ihn nicht mehr missen wollen. Der CLI hat eine Reihe leistungsfähiger Befehle eingebaut, mit denen man Programme starten und manipulieren kann. Weiterhin lassen sich mit Befehlen Laufwerke anmelden, das Aussehen des Desktops manipulieren, Dateien anzeigen etc. Mit [Ctrl]+[Help] schaltet man in den CLI um. Mit weiteren Tastenkombinationen sind ein Software-, ein Hardware-Reset oder ein Programmabbruch durchführbar. Nach einem Programmabbruch ist der ST aber oft so verwirrt, daß er nicht mehr arbeiten möchte, sondern sich stattdessen lieber in die ewigen Jagdgründe begibt, bei denen nur der Griff nach dem Reset-Taster noch hilft. Im CLI gibt es die sehr gelungene Möglichkeit, Batch-Files (Scripts) ablaufen zu lassen. Das kann zum Beispiel sehr nützlich sein, wenn man den Rechner gerade gestartet hat und seine Normalkonfiguration einladen möchte. In einem Batch-File kann gar ein weiteres Batch File aufgerufen werden! Der CLI-Befehl „alias“ dient dazu. Befehlen oder Programmen einen neuen Namen zuzuweisen. Weist man beispielsweise dem Programmpfad „E:\UTIL\TEXT\PROG\WORDPLUS\WORDPLUS.PRG“ den Befehl „wp“ zu, kann man Wordplus einfach durch Eingabe des eigenen Befehls „wp“ starten. „wp foo_bar.txt“ übergibt dann gar „foo_bar.txt“ als Environment an Wordplus, so daß die Textdatei gleich geladen wird.

Aber auch an die geplagten Programmierer wurde gedacht, denn bei einem Programmabsturz zeigt DesaShell, ohne den Bildschirm zu löschen, in einer Dialogbox noch die Inhalte aller Register, den Stand des Programmzählers sowie das Prozessorstatuswort an. Zusätzlich wird dem Benutzer überlassen, ob das Programm, in dem der Fehler aufgetreten ist, abgebrochen oder der Rechner per Soft-Reset neu gestartet werden soll.

Ein kleiner Einblick in die vielfältigen Optionen der DESASHELL

Zum Lieferumfang von DesaShell gehören einige „.UTP“-Programme (vergleichbar mit „.TTP“-Programmen, jedoch speziell für DesaShell geschrieben), einige sogar im C-Sourcecode. Mit diesen Anwendungen kann man beispielsweise Disketten formatieren (die Formatierroutine benötigt für eine zweiseitige Diskette mit 9 Sektoren und 80 Spuren 2 Minuten und 44 Sekunden...), eine recht komfortable Drucker-Anpassung, eine NEC P6-Druckeranpassung, ein Programm zum stellen der Uhr und zwei Dateiinformationsprogramme. Als letzte Anwendung reiht sich eine Anwendung ein, die einige statistische Informationen zu einem Laufwerk anzeigt. DesaShell ist insgesamt nicht so leistungsstark, wie man es sich erhofft. Auch der Preis von DM 189.- schreckt ab, zumal man ähnliche Programme bereits für unter 100,- DM oder gar als Public Domain-Programme bekommt. Wer jedoch eine leistungsstarke CLI-Shell für seinen Rechner braucht und nebenbei ein recht brauchbares Desktop, dem kann DesaShell mit den oben genannten Einschränkungen empfohlen werden.

MP

Bezugsquelle:

DesaSoft GhH

Andreas Fahrig, Christian Stamm
Systemsoftwareentwicklung
Rudolstätter Straße 14
1000 Berlin 31



Aus: ST-Computer 09 / 1989, Seite 161

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