Evolution im Computer (GFA)

Vielleicht gewinnt die Frage, wohin uns unsere Vernunft führen wird, allein schon dadurch eine neue Bedeutung, daß wir mit Hilfe des Computers zu ergründen suchen, wie die Vernunft in die Welt gekommen ist.

Zweifellos halten wir viel vom logischen Denken, zahlen es stolz zu einer unserer herausragenden intellektuellen Fähigkeiten. Dennoch müssen wir aus dieser Domäne einiges an den Computer abgeben, sind gezwungen, mitanzusehen. wie ein Automat gewisse mathematisch-logische Verknüpfungen in der Regel schneller bearbeitet als der Mensch und einige jener Problem Stellungen zuweilen auch löst. Dagegen. über Jahrzehnte in den Hintergrund der Aufmerksamkeit und Wertschätzung verbannt, rückt nunmehr ein anderer Aspekt der Intelligenz, nämlich die Fähigkeit, Analogien zu ziehen, in den Blickwinkel des Interesses. Noch kann diese Komponente menschlichen Denkens als nicht ‘computerisierbar' präsentiert werden und so im Vergleich zu den Maschinen verlorenes intellektuelles Terrain wiedergutmachen. Die wenigen existierenden Analogie-Programme (z. B. ANALOGY von Thomas G. Evans) halten einem Vergleich kaum stand, da hier keine wirklichen Analogieschlüsse stattfinden. sondern nur simple mechanische Verschiebungen vollzogen werden.

Allerdings, anders als erwartet, verhilft auch diese - bislang dem Menschen vorbehaltene - Fähigkeit dem Computer zu neuem Ansehen. Auf zweierlei Art: Zum einen wird der Rechner genutzt, um in einem quasi analogen Verfahren bestimmte natürliche Prozesse nachzuvollziehen, hierunter fallen u. a. Simulationsprogramme: zum zweiten dient die Maschine selbst als Analogieobjekt. beispielsweise als Modell zur Erklärung natürlicher Informationsspeicherung. Vom Computer als Analogiemaschine (wohlgemerkt, weder erkennt noch erzeugt der Computer irgendwelche Analogien, alles, was er tut, ist, in einem als vergleichbar postulierten Verfahren Ergebnisse analog natürlichen Ereignissen zu produzieren) und vom Computer als Analogieobjekt handelt dieser Artikel. Zugleich werden Informationen zur Evolutionstheorie mitgeliefert. Als Grundlage dient das meisterhaft geschriebene Buch “The Blind Watchmaker” von Richard Dawkins.

Bild 1: Biomorphe aus Dawkins "The Blind Watchmaker"

Dawkins, britischer Zoologe, Autor des Bestsellers “The Selfish Gene" (deutsch: “Das egoistische Gen"), Schüler des Nobelpreisträgers Niko Tinbergen, bietet in seinem 1986 zum ersten Mal erschienenen Buch „The Blind Watchmaker“ (ein Bestseller) eine Fülle von Daten und Fakten innerhalb einer exzellenten Argumentation zugunsten der klassischen Evolutionslehre nach Charles Darwin dar. Selbst Kritiker, die sich nicht so leicht damit abfinden wollen, daß alles, wie es ist, ziellos und rein aus blindem Zufall entstand, die auf irgendeinen Sinn der Vernunft hoffen, können sich nur schwer, manchmal gar nicht der überzeugend aufgebauten Argumentationskette und den ungewöhnlichen Thesen und Beispielen entziehen.

Der blinde Uhrmacher

Machen wir einen kurzen Abstecher und lassen wie Dawkins William Paley, einen Theologen des 18. Jahrhunderts, zu Worte kommen. Um die Existenz eines Schöpfers, verantwortlich für die Komplexität und Schönheit des Lebens, zu ‘beweisen’, erfindet er folgende kleine Geschichte:

„Über die Heide wandernd, nehmen wir an, stoße ich mit meinem Fuß gegen einen Stein und werde gefragt, wie der Stein dorthin gekommen ist. Ich würde möglicherweise antworten... er hat dort schon ewig gelegen ... Aber angenommen, ich hätte eine Uhr auf dem Boden gefunden, und es würde nachgefragt werden, wie die Uhr auf diesen Platz gelangt ist, würde ich kaum an die Antwort denken, die ich zuvor gegeben habe ... die Uhr muß einen Uhrmacher gehabt haben.“ (frei übersetzt)

Auf unsere Zeit übertragen: Glauben wir, daß es den Computer schon immer gegeben hat? Natürlich nicht. Er ist ein relativ junges Produkt des Menschen. Gleichwohl kennen wir bereits eine Evolutionsgeschichte des Computers, angefangen bei frühen, rein mechanischen Konstruktionen über Röhren werke, Transistorenvernetzungen. den integrierten Schaltungen bis schließlich zu den superdichten Schaltungen des letzten Stands der Technik. Den Menschen nun, hat es ihn von Urbeginn an gegeben? Nicht nur orthodoxe Darwinisten verneinen dies. Sie führen eine lange Abstammungsliste auf, beginnend bei der heutigen Menschheit über menschenähnliche und tierische Vorjahren bis hin zu den allerersten Formen des Lebens; sie zeichnen mit Akribie einen Baum des Lebens, dessen eine Wurzel sich irgendwo in der Urzeit der Erde vor etwa 3,5 - 4 Milliarden Jahren verliert. Die Neodarwinisten schließen einen seine Arbeit überdenkenden Uhrmacher, der mit weiser Voraussicht nach einem sinnvollen Plan all die wunderbaren Formen des Lebens erschaffen haben könnte, aus. Auch sie glauben (und das ist wörtlich zu nehmen, so finden wir ein ‘Glaubensbekenntnis' Konrad Lorenz' an die Macht der Selektion am Schluß seines Buches “Das sogenannte Böse”) an die natürliche Auslese, und diese hat per Definition keinen Verstand, keinen Plan, kein Ziel; sie ist blind, Gefährtin des Zufalls. Die natürliche Auslese, wird uns gesagt, ist die stetige Schöpferin allen Werdens eine blinde Uhrmacherin.

Wer dies nicht einzusehen vermag, der sollte sich von Dawkins erzählen lassen, wie das Auge, ein hochkomplexes Gebilde, aus dem Nichts hat entstehen können. Nicht in einem großen Sprung, dazu hätte es ja eines intelligenten Schöpfers bedurft, nein, in unendlich vielen, winzigen Schritten, deren jeder sich im Druck der Außenwelt bewähren mußte, aufbauend auf den Ergebnissen aller Schritte, die vordem als erfolgreich ausgelesen wurden, bewertet nach den Prinzipien der kumulativen Selektion. Es ging, argumentiert Dawkins, beim Aufbau des Auges nicht um die alleinige Alternative zwischen den Extremen sehen und nicht sehen. Bereits die Unterscheidung von hell und dunkel - ein bißchen sehen also - brachte einen entsprechend kleinen Vorteil gegenüber der totalen Blindheit. Das gleiche Prinzip soll auf Flügel, Ohren, das Sonarsystem der Fledermäuse, die elektrischen Eigenschaften einiger Fische, die Giftzähne der Schlangen, das Verhalten der Ameisen und vieles mehr zutreffen.

Die Analogie von der DNS und dem ROM

„Es regnet DNS“, schreibt Dawkins, und meint damit die Samen von Weiden oder Pusteblumen, die an ihren Fallschirmen im leichten Wind durch die Luft segeln. Ohne Ironie, so bemerkt der Autor, hätte er schreiben können: ‘Es regnet Instruktionen, Programme, Algorithmen, ja, im übertragenen Sinne, es regnet Floppy-Disketten.' Warum? DNS - eine Abkürzung für das Riesenmolekül, auf dem die Erbinformationen gespeichert sind - wird verglichen, sogar gleichgesetzt mit dem Festwertspeicher eines Computers, dem ROM. DNS = ROM. Nur einmal, wie auch beim ROM, wird in der DNS die Gesamtinformation fest ‘eingebrannt', und zwar in dem Augenblick, wenn ihre Bestandteile bei der Geburt der Zelle, in der sie sich befinden, neu zusammengestellt werden. Mit jeder Zellteilung der Mutterzelle teilt sich im folgenden auch die DNS, und ihre Informationen werden je nach Bedarf anschließend millionenfach ausgelesen, die dort gespeicherten Instruktionen und Programme steuern mit Hilfe von Enzymen (Eiweißen) den Aufbau des frisch gezeugten Lebewesens, ob Pusteblume oder Mensch.

Bild 2 : Biomorphe, kreiert vom Programm UHRMACHER

Sowohl im Computer als auch in der DNS - eine weitere These Dawkins’ - werden Informationen in digitalen, d. h. qualitativ unterscheidbaren Werten abgelegt; in der Datenverarbeitung kennt man zwei Schaltzustände, die Natur verwendet in der DNS vier verschiedene Basen. Die Annahme einer digitalen Informationstechnik der Gene ist geradezu eine notwendige Voraussetzung für eine neodarwinistische Evolutionstheorie. Denn: Würden Informationen nicht in diskreten Einheiten gespeichert, erhielte man bei gemischter Vererbung gemischte Nachkommen, aus denen die ursprünglichen Eigenschaften nicht mehr rekonstruierbar wären. Zum Beispiel: Weißer Farbstoff vermengt mit schwarzem ergibt einen Grauton. Sooft auch Grau und Grau zusammengemischt werden, es ist nahezu ausgeschlossen, die ursprünglichen Farbanteile wieder zum Vorschein zu bringen. Seit den Versuchen Johann Gregor Mendels aber wissen wir, daß in der Nachkommenschaft zweier genetischer Mischformen einige Generationen später die reinen Ausgangstypen erneut auftreten werden.

Ein Computerlaie, der. jenseits des Schutzes der Dateiverwaltung seines Betriebs systems, mit einem sogenannten Diskettenmonitor direkt die Speicherwerte auf der Diskette unter die Lupe nimmt, wird erstaunt sein, in welcher scheinbaren Unordnung Datenstücke großer Dateien durcheinander zu liegen gekommen sind. Bald jedoch wird er erkennen, daß die Lage der Dateisektoren auf dem physikalischen Datenträger im Prinzip unwichtig ist, die geordnete Zusammengehörigkeit verschiedener Bruchstücke einer Datei wird im Disketteninhaltsverzeichnis oder in speziellen Dateien vermerkt. So können ohne weiteres Teile bereits gelöschter oder überschriebener Dateien sich noch lange auf einer Diskette befinden. Eine Löschung muß nicht unbedingt bedeuten, daß alle Werte auf Null gesetzt werden, es reicht, einen Zeiger auf den Beginn der Datei zu löschen. Die solchermaßen getilgten Dateien werden vom Betriebssystem ignoriert, da im Inhaltsverzeichnis kein Zeiger diese Stellen der Diskette mit einem existierenden Dateinamen in Verbindung bringt, ihr Platz wird vom Betriebssystem zum Neubeschreiben freigegeben.

Im gleichen Sinne charakterisiert Dawkins auch die DNS, in der als ‚Introns‘ bezeichnete Bruchstücke neue Bedeutung gewinnen. Diese Stellen im Text der DNS wurden bisher als sinn- oder inhaltslos eingestuft. In der neodarwinistischen, zugleich reduktionistischen Sicht [in welcher die Eigenschaften des Lebens vollständig auf die Gesetze der Physik zurückgeführt werden; die Existenz irgendeiner ‘Lebensschwungkraft’ oder ‘élan vital' (Bergson) wird vollkommen ausgeschlossen] vermutet man in ihnen Reste alter Programme, die längst aus dem aktuellen Repertoire der DNS gestrichen worden sind.

Leben ist im Prinzip Information, so lautet eine der Hauptthesen Dawkins’ (oder wie ein methodologischer Reduktionist. der Eigen-Schüler Bernd-Olaf Küppers, schreibt: „Leben = Materie + Information“). Eine Information, die wie im Computer digital abgespeichert wird.

Da hier nicht der Ort ist. wissenschaftliche Dispute auszutragen, empfehle ich allen am Thema Interessierten unbedingt abweichende (Hypo-) Thesen zu lesen, beispielsweise Arthur Koestlers "Der Mensch - Irrläufer der Evolution" oder die Aufsätze der beiden Physiknobelpreisträger Werner Heisenberg und Erwin Schrödinger in B O. Küppers “Leben = Physik + Chemie?" oder “Die Natur des Vitalismus" vom Entdecker der DNS, Francis H. C. Crick oder “Evolution from Space" von Sir Fred Hoyle und Chandra Wickramasinghe oder die zahlreichen Ausführungen Karl R. Poppers zum Reduktionismus oder insbesondere “Das Geheimnis der Evolution" von Gordon Rattray Taylor.

Bild 3: Bildschirmanzeige des Programms UHRMACHER

Im Reigen der Biomorphe

Nach der Theorie die Praxis: Dafür setzen wir den Computer als Analogiemaschine ein und simulieren mil Hilfe eines kurzen, auf ein Minimum reduzierten und vereinfachten Programms die Grundzüge von Zellteilung, Mutationen und Vererbung im Prozeß der Evolution. Das Programm wird weniger komplex als Dawkins' Version sein, differenzierter aber als A. K. Dewdneys Vorschlag im Scientific American (1988/2). Die Resultate seines Programms nennt Dawkins Biomorphe, nach einer Bezeichnung von Desmond Morris (bekannt durch sein Buch “Der nackte Affe"). Biomorphe sind figürliche Gebilde, die Formen und Gestalten des Lebens verkörpern.

Was braucht man? Ein Programm, das Zellteilung, Wachstum. Mutationen und eine evolutive Entwicklung graphisch nachbildet. Auf die Simulation verschiedenartiger Geschlechter kann man verzichten, eine Darstellung ungeschlechtlicher Vermehrung, wie sie ja in der Natur häufig vorkommt, reicht aus.

Als Zellteilungsregel analog der Embryonalentwicklung, stark simplifiziert, hat Dawkins ein rekursives two-way branching-Verfahren gewählt. Das bedeutet: Zuerst wird eine vertikale Linie gezeichnet (entfällt in diesem Programm), die sich dann in zwei abknickende Geraden gabelt. Jede dieser beiden Verzweigungen erhält wiederum zwei Abzweigungen. die sich ebenfalls teilen usw. Die Entwicklung der Figur verläuft symmetrisch und ähnelt dem Wachstum von Bäumen.

Drei ‘Gene' stehen zur Verfügung:

  1. die Länge der zu zeichnenden Linien,
  2. der Knickwinkel und
  3. die Anzahl rekursiver Verzweigungen.

Die Mutation eines Gens wird dadurch symbolisiert, daß entweder Länge. Winkel oder die Anzahl der Verzweigungen um jeweils einen bestimmten Betrag vergrößern werden oder aber die Werte -sozusagen in einer Null-Mutation - gleichbleiben. Bei drei Genen und zwei Mutationszuständen (unverändert = <0>; vergrößert = <+>) sind sieben verschiedene Kombinationen möglich, in denen mindestens eines der drei Gene sich verändert, nämlich: <00+>, <0+0>, <+00>. <0++>, <++0>, <+0+> oder <+++>. Die Mutationsrate wird der Einfachheit halber auf ein Maximum gesetzt, d. h. in jeder Generation treten alle Mutationsformen auf.

Die Aufgabe der Selektion übernimmt der Anwender, indem er sich für eine der sieben Mutationen entscheidet, die dann zum Ausgangsobjekt (Elter) für die nächste Generation wird usw. Auch ein Zufallsgenerator könnte dazu eingesetzt werden. Dawkins malt sich ein Programm aus, das Blumenbilder farbig auf einen berührungsempfindlichen Bildschirm ausgibt, um mit seinen Farben Insekten anzulocken, die, wenn sie gegen den Bildschirm stoßen, durch die Berührungen selektiv die Evolution im Computer steuern: so entstünden auf natürlichem Weg biomorphe Blumen.

Wegen der leichten Programmierbarkeit graphischer Ausgaben und der problemlosen rekursiven Programmierung wurde der Algorithmus in der Sprache LOGO umgesetzt und anschließend auf GFA-BASIC angepaßt. Das Unterprogramm, in dem die Verzweigungsregel vorherrschend ist, nennen wir - nach Dawkins - ENTWICKLUNG. ENTWICKLUNG selbst ist dem Teilprogramm REPRODUKTION untergeordnet, das schließlich in das Hauptprogramm EVOLUTION eingebettet ist.

Als Dawkins sein Programm, das einen differenzierteren Aufbau als das hier vorgeschlagene aufweist (u. a. Einbezug einer größeren Anzahl von Genen und Mutationszuständen), zum ersten Mal laufen ließ, da erwartete er allenfalls Figurenvariationen nach dem Muster von Bäumen.

Weder seine Intuition als Biologe noch die zwanzigjährige Erfahrung mit der Programmierung von Computern, schreibt er, hat ihn ahnen lassen, welche Ergebnisse er tatsächlich erhalten würde. Dann aber zeichneten sich Generation um Generation immer schärfer die Figuren von Insekten ab. „Deutlich hörte ich im Inneren die triumphalen Eröffnungsakkorde von ‘Also sprach Zarathustra (Filmmusik aus ‚2001’)“, berichtet Dawkins und fährt fort: „Ich konnte nicht essen, und als ich in jener Nacht versuchte einzuschlafen, schwärmten ‚meine‘ Insekten hinter meinen Augenlidern.”

Diese Vielfalt des Dawkinsschen Programms (s. Bild 1) kann unsere Version in der jetzigen Form nicht erzeugen, aber immerhin kommt es über die Ebene reiner Baumstrukturen hinaus (s. Bild 2 und 3). Man sollte mit dem Programm spielen, die Ausgangswerte verändern, neue Gene einbauen, ihre Mutationsmöglichkeiten vervielfachen etc. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt, und unserer Analogiefähigkeit?

Zurück zum Anfang

Beschäftigen wir uns nun mit der Frage, wie Leben entstanden sein könnte. Wirklich nur aus dem Nicht-Leben in kleinsten Schritten, allein durch blinde Selektion weiterentwickelt? Auch darauf weiß Dawkins eine Antwort. Die ‘Ursuppen-Theorie' nach der man nur die Bestandteile der Ur-Atmosphäre, also Wasserstoff, Wasserdampf, Ammoniak, Kohlendioxyd und Methan zusammenmischen und - Gewitter simulierend elektrische Entladungen zuführen muß, um anschließend auf die Wie-von-selbst-Entstehung der Bausteine des Lebens zu warten, hat er fallengelassen. Aus dem Grund, da sich in hunderten oder tausenden dieser Versuche immer nur Bausteine des Lebens, tote Bausteine ergaben, niemals aber ein Molekül des Lebens gewinnen ließ.

Der Zeitfaktor relativiert den Zufall, was in hundert Jahren ein seltenes Ereignis ist, erscheint in der Dimension von 100 Millionen Jahren als durchaus alltäglich. Und nach der Inorganic mineral' Theorie von Graham Caims-Smith, auf den sich Dawkins beruft, kann Leben in seinen ursprünglichsten Strukturen in großen Zeitdimensionen aus kristallinen Lehm- oder Tonkörnchen erwachsen sein. Die Kristallstruktur besitzt Speicherfähigkeit; Kristalle sind reproduktionsfähig, und warum sollten nicht immer flexiblere Kristalle Selektionsvorteile erhalten haben?

Und ... in einer nach Äonen zählenden Zeitspanne vollzog sich in unendlich kleinen Schritten der Übergang aus anorganischer Materie zu Urformen der RNS oder DNS. Das Leben, aus Staub geformt, geführt in Milliarden Jahren vom Zufall zu all der heutigen Vielfalt; unsere Vernunft, blind und ohne Vernunft entstanden?

Zurück zum Anfang. Bemerkenswert bleibt die Fähigkeit des Menschen, Analogien jeglicher Art zu ziehen, aus Graphiken Biomorphe zu machen und auch von simplen Computerspielereien auf die Entwicklung des Lebens und der Vernunft zu schließen.

Erläuterungen zum Programm UHRMACHER:

Das Programm, geschrieben in ATARI ST-LOGO, entwickelt graphische Gebilde nach neodarwinistischen Prinzipien (s. Dawkins. R., ‘The Blind Watchmaker', Penguin 1986).

  1. Das "Graphic Display" des LOGO-Interpreters auf maximale Größe einstellen.
  2. Programm laden und mit "EVOLUTION" starten.
  3. Die 1. Generation bestimmt das Programm selbst über einen Zufallsgenerator, die nächsten Elternformen muß der Anwender auswählen durch Angabe einer Zahl zwischen 1 und 7, entsprechend den 7 Mutationsmöglichkeiten.
  4. Links oben wird die Anzahl der Generationen eingeblendet, darunter stehen die Werte für Verzweigung (Z), Strecke (S) und Winkel (W).
  5. Gezeichnet werden jedesmal der Ursprung (die I Zufallsgeneration), die gewählte Elterngeneration (im Zentrum des Displays) und rundherum ihre 7 Mutationsvarianten.

Für Interessierte:

Auf der letzten Seite seines Buches “The Blind Watchmaker" gibt Richard Dawkins eine Bestelladresse für sein Programm an; leider ist es nur für den Apple Macintosh (oder aladin-Besitzer) zu haben. zum Preis von 31 US$ plus 5,40 US$ Versand- und Verpackungsgebühr;

W. W. Norton Company Limited 37 Great Russell Street London WC1B 3NU

LOGO-Neulinge und langjährige ST-COMPUTER-Leser möchte ich auf den LOGO-Kurs in den Heften 1-3 der ST-COMPITER 1986 hinweisen, in dem auch der der Algorithmus des Unterprogramms ENTWICKLUNG zu finden ist.

Dr. Ebeling

' EVOLUTION v. Dr.A.Ebeling
'
' (c) MAXON Computer GmbH
DO
  evolution
LOOP
END
'
PROCEDURE evolution
  initalisieren
  ein=RANDOM(7)+1
  SELECT ein
  CASE 1
    w=w+1
  CASE 2
    s=s+s1
  CASE 3
    z=z+z1
  CASE 4
    s=s+s1
    w=w+w1
  CASE 5
    z=z+z1
    s=s+s1
  CASE 6
    z=z+z1
    w=w+w1
  CASE 7
    z=z+z1
    s=s+s1
    w=w+w1
  ENDSELECT
  gen=gen+1
  CLS
  PRINT AT(30,1);"E V O L U T I O N"
  PRINT AT(15,2);gen;"  GEN"
  PRINT AT(30,2);"z: ";z
  PRINT AT(45,2);"s: ";s
  PRINT AT(60,2);"w: ";w
  elter
  ursprung
  mut1
  mut2
  mut3
  mut4
  mut5
  mut6
  mut7
  WHILE INKEY$<>" "
  WEND
RETURN
'
PROCEDURE initalisieren
  PRINT "inittalisieren"
  xpos=420
  ypos=120
  ypos1=100
  zweige=2.5
  strecke=1.5
  winkel=105
  z=zweige
  s=strecke
  w=winkel
  z1=0.5
  s1=0.5
  w1=11
  dehn=3
  xd=50
  yd=40
RETURN
'
PROCEDURE ursprung
  x=xpos-ypos*2-xd
  y=ypos-yd
  ausgabe$=" Ursprung"
  reproduktion(zweige,strecke,winkel)
RETURN
'
PROCEDURE mut1
  ausgabe$="MUT1 00 +"
  x=xpos-ypos
  y=ypos-yd
  reproduktion(z,s,w+w1)
RETURN
'
PROCEDURE mut2
  ausgabe$="MUT2 0+0"
  x=xpos+xd
  y=ypos-yd
  reproduktion(z,s+s1,w)
RETURN
'
PROCEDURE mut3
  ausgabe$="MUT3 + 00"
  x=xpos+xd
  y=ypos1*2
  reproduktion(z+z1,s,w)
RETURN
'
PROCEDURE mut4
  ausgabe$="MUT4 0+ +"
  x=xpos+xd
  y=ypos1*3+yd
  reproduktion(z,s+s1,w+w1)
RETURN
'
PROCEDURE mut5
  ausgabe$="MUT5 + +0"
  x=xpos-ypos
  y=ypos1*3+yd
  reproduktion(z+z1,s+s1,w)
RETURN
'
PROCEDURE mut6
  ausgabe$="MUT6 +0+"
  x=xpos-ypos*2-xd
  y=ypos1*3+yd
  reproduktion(z+z1,s,w+w1)
RETURN
'
PROCEDURE mut7
  ausgabe$="MUT7 0+0"
  x=xpos-ypos*2-xd
  y=ypos1*2
  reproduktion(z+z1,s+s1,w+w1)
RETURN
'
PROCEDURE elter
  ausgabe$="ELTER "+STR$(ein)
  x=xpos-ypos
  y=ypos1*2
  reproduktion(z,s,w)
RETURN
'
PROCEDURE reproduktion(z,s,w)
  DRAW "co 13"
  x1=x-35
  y1=y+35
  TEXT x1,y1+20,ausgabe$
  DRAW "co 6"
  DRAW "pu"
  SETDRAW x,y,0.35
  DRAW "pd"
  entwicklung(z,s,w)
RETURN
'
PROCEDURE entwicklung(zweige,strecke,winkel)
  IF zweige<>0 THEN
    DRAW "lt",winkel," fd",strecke*zweige*dehn
    entwicklung(zweige-z1,strecke,winkel)
    DRAW "bk",strecke*zweige*dehn," rt",winkel
    DRAW "rt",winkel," fd",strecke*zweige*dehn
    entwicklung(zweige-z1,strecke,winkel)
    DRAW "bk",strecke*zweige*dehn," lt",winkel
  ENDIF
RETURN


Aus: ST-Computer 07 / 1989, Seite 140

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