ATARI MACHT(S) L(E)ICHT

Lichtgewitter. Fast könnte man meinen, man wäre im vierten Teil der Star-Wars-Trilogie gelandet. Bunte Laserstrahlen huschen an einem vorbei. Nur fehlt das Krachen und Drohnen von Explosionen, die wir aus dem Weltraumepos kennen. Dafür klingt aus Lautsprechern Musik.

Die Erklärung ist einfach: Wir befinden uns nicht irgendwo zwischen Beteigeuze und Aldebaran sondern in einer Discothek im irdisch-bayrischen Voralpenland. Zusammengeführt hat uns, wie könnte es anders sein, ein ATARI ST, oder besser 3, die hier zur Grundsteuerung der Lichtanlage und seit kurzem auch als Steuersystem für die hauseigene Laseranlage eingesetzt werden.

Etwas versteckt liegt die Discothek schon, aber wenn man sie betritt, fallen dem interessierten Betrachter sofort einige Besonderheiten auf. Da ist zunächst die Ausgestaltung des Innenraumes mit Königsloge und Wandbemalung. Eine Grotte und ein Restaurant hinter Glas, von dem man einen guten Blick auf die Tanzfläche hat, stechen auch hervor.

Für den Computerenthusiasten ist aber die Musiktheke von besonderem Interesse, hinter der Disk- und Lightjockey verschwinden. Man kann den beiden bei der Arbeit über die Schulter schauen, was auch nicht alltäglich ist. Auf dem Tisch des Lightjockeys repräsentiert ein großes Display hinter Rauchglas mit LEDs die einzelnen Lichtkörper im Diskothekenraum.

Und dann sind da noch drei Computermonitore. Auf einem ATARI läuft die Grundsteuerung für die Lichtanlage, die den Lightjockey ein wenig entlasten soll. Für den Laser stehen zwei vollkommen unabhängige Computersysteme zur Verfügung. Eines wird zum Abspielen fertig eingekaufter ‚Konserven’ shows benutzt, die auch schon von hoher Qualität sind, aber das eigentlich neue an dem installierten System ist die Steuerung über den zweiten ATARI. Mit ihr wird es möglich, auf einem Grafiktablett eigene Objekte zu definieren und dann zu animieren. Dazu ist natürlich ein gewisser Aufwand nötig.

Bild 7: Definition eines Rotationskörpers im 3D-Teil.
Bild 8: Mit diesem ‚Mischpult’ lassen sich die Bahn- und andere Effekte für Objekte aus dem 2D-Editor festlegen.
Bild 10: Berechnungen an einem .ID-Körper. Hier im Hidden-Line-Modus.
Bild 12: Natürlich sind auch komplexere Bilder möglich. Hier ein bekannter Vertreter des öffentlichen Lebens.

Vom Strahl zum Bild

Das Laserrohr, ein Krypton-Weißlicht Laser, hat eine Energieaufnahme von ungefähr 50 kWh bei einer Lichtleistung von etwa 2 Watt. 50 kW entspricht der Energieaufnahme von 500 100 Watt-Glühbirnen. Das Rohr wird wassergekühlt. Da Laserlicht gefährlich für das Auge sein kann, muß eine solche Anlage durch den TÜV abgenommen werden. Auch muß Vorsorge getroffen werden, daß nie die volle Leistung in einem Strahl enthalten sein kann. Dazu wird der Lichtstrahl des Lasers durch Spiegelsysteme gestreut und abgelenkt. Am Strahlautritt sitzt eine Einheit, die für die Strahlen- und Showeffekte sorgt. Sie besteht aus mindestens 3 sogenannten Scannern. Das sind halbdurchlässige Spiegel aus Spezialglas, die auf galvanomelerähnliche Schrittmotoren montiert sind. Ein Spiegel hat eine Fläche von ca. 2-3 cm2, wobei allein das Glas ungefähr 400-500 DM kostet. Ein Scanner lenkt den Strahl in horizontaler (X-) Richtung ab, der zweite in vertikaler (Y-) Richtung und der dritte Scanner erledigt das ‚Blanking’. das Ausblenden des Strahles zwischen zwei Objekten. Problematisch ist an der Sache aber, da es sich bei den Scannern um mechanische Teile handelt, die eine gewisse Eigenträgheit besitzen. Aus diesem Grund können nur relativ enge Winkel (ca. ±30Grad) eingeschlossen werden.

Damit der weiße Strahl Farbe bekommt, muß noch ein Farbgebungselement (Color-Box) in den Strahlenverlauf eingebaut werden. Hier gibt es zwei Methoden. Eine (relativ) billige langsame, bei der Farbfilter in den Lichtstrahl gezogen werden, und eine teure schnelle. Bei der zweiten Methode wird der Strahl in drei Strahlen aufgeteilt, die ähnlich wie beim Farbmonitor oder Fernseher den Rot-, Grün- und Blauanteil darstellen. In jeden dieser drei Strahlen, wird wieder ein Scanner eingesetzt, der den Strahl aber nur teilweise ausblendet. Nachdem so die RGB-Anteile definiert sind, wird der Strahl wieder vereinigt und in die Ablenkeinheit geschickt. Das zweite System erlaubt, je nach Regelbarkeit der Scanner, viele Farbabstufungen. Bei 256 Stufen je Scanner, solche Werte sind heute schon üblich, sind das 2563 Farbstufen, also über 16 Millionen. Hingegen erlaubt das erste System nur soviele Farben wie Filter vorhanden sind, also ungefähr 8 Farben. Mehrere Filter in den Strahl zu ziehen wäre zwar technisch möglich, ist aber nicht sinnvoll, weil dann der Strahl zu schwach und damit unsichtbar würde. Und wen interessiert schon die Farbe von etwas, das er sowieso nicht sehen kann.

Ein bißchen Rechnen

Damit aber nun ein Bild entsteht, muß erst einmal ganz schön gerechnet werden. Die Anlage läuft momentan mit einem MEGA ST 4, einem 1040er und einer Festplatte. Dabei wird der 1040er nur als Signalprozessor für die Scanner und die Color-Box eingesetzt. Die Hauptrechenarbeit findet im MEGA ST statt. Um mit dem Laser ein Bild zu erzeugen, braucht man Vektorgrafiken. Die Scanner sind mechanische Teile und leider sehr viel träger als die elektromagnetischen Gegenstücke im Fernseher oder Monitor, weswegen pixelorientierte Grafiken unmöglich sind. Außerdem muß jedes Bild mindestens 10-20mal pro Sekunde neu gezeichnet werden, da man sonst gar nichts oder nur ein sehr stark flackerndes Bild sieht. Dank Assemblerprogrammierung in den zeitkritischen Routinen kann der ATARI mehr als 9000 Punkte pro Sekunde ansteuern, also insgesamt 9000 Linien zeichnen. Bedenkt man das jeweilige Neuzeichnen, kann man von etwa 500-700 Linienzügen ausgehen, die ein Bild enthalten darf. Damit sind schon sehr komplexe Bilder möglich. Anpassungen an runde Linienzüge nimmt das Programm übrigens automatisch vor, wodurch man einen Kreis auch mit relativ wenig Punkten erzeugen kann. Die beiden Rechner teilen sich die Arbeit sehr gut. Der MEGA ST liefert optimierte Linienzugfolgen. d.h. jedes Bild wird mit der minimalen Anzahl an Linien dargestellt, und der 1040er setzt dies in Pegel für die Scanner um und gibt sie über einen qualitativ extrem hochwertigen DA-Wandler an die Scanner weiter. Der DA-Wandler ist eine Eigenentwicklung der Hersteller und zeichnet sich durch außerordentlich kurze Reaktionszeiten und hohe Genauigkeit aus.

Bild 6: Arbeiten im 2D-Editor (dazu Fotoserie “LIVE“)

Grafikshow vs...

Nachdem wir nun wissen, wie ein Bild aus dem Rechner kommt, stellt sich die Frage, wie wird es hineingebracht. Dazu gibt es mehrere Möglichkeiten. Das Programm verfügt über einen 2D- und einen 3D-Editor. Im 2D-Editor kann man z.B. mit einem Grafiktablett Vorlagen abzeichnen und so in den Computer eingeben. Die so eingegebenen Vorlagen werden dann erst einmal linienoptimiert und können dann weiterbearbeitet werden. So kann jeder Linie eine eigene Farbe gegeben werden. Diese Farbgebung erfordert eine extreme Koordination von Zeichnen und Farbgebung und ist hier zum ersten Mal in dieser Art realisiert worden.

Im 3D-Editor kann man ähnlich wie bei CAD 3D ein 2-dimensionales Objekt erzeugen und diesem dann eine Tiefe geben. Dabei kann ein solches 3D-Objekt entweder als Drahtmodell oder mit Hidden-Lines (unsichtbare Linien werden nicht gezeichnet) dargestellt werden. Der Hidden-Line-Algorithmus ist einer der besten, die auf dem ST bisher realisiert worden sind, allerdings leidet er unter der zu geringen Rechengenauigkeit des ST. Die gesamte Arithmetik ist übrigens reine Integerarithmetik.

Um nun eine Grafikshow zu erzeugen, kann man entweder einzelne Objekte nehmen und eine Bahn für sie definieren, wobei auch die Größe des Objekts verändert werden kann, oder aber man arbeitet wie bei einem Film, indem man mehrere Bilder aneinanderhängt.

Strahlenshow

Nun kommt aber eine Tatsache ins Spiel, die man zunächst gar nicht so recht glauben mag, sobald man aber eine Vorführung erlebt hat, kann man es verstehen. Matthias, der die Hardware für das Steuerungssystem realisiert hat, formuliert das so: “Der Programmieraufwand steht reziprok im Verhältnis zur Spektakularilät der Effekte.“ Damit spielt er auf den Aufwand für die Grafik- und die Strahlenshows an.

Das System ist nämlich in der Lage, ohne teure und empfindliche Spiegelbank Strahleneffekte zu erzeugen. Bei herkömmlichen Systemen kann so eine Spiegelbank locker einige zehntausend Mark kosten. Da es sich dabei um empfindliche, mechanisch bewegte Glasteile handelt, sind auch die Kosten während des normalen Betriebs nicht zu verachten. Bei der ATARI-Steuerung fallen diese zusätzlichen Kostenpunkte einfach weg. und der Aufwand für Pflege und Instandhaltung des Systems wird auf ein Minimum reduziert.

Durch geschickte Anordung von Spiegeln und anderen reflektierenden Elementen wird bei einer Strahlenshow normalerweise der gesamte Diskothekenraum ausgenutzt, während bei den vorhin erklärten Grafikshows meistens auf einer Leinwand gearbeitet wird. Damit die Strahlenshows allerdings wirken, muß unbedingt Nebel vorhanden sein. Das Licht bricht sich an den kleinen Tröpfchen und wird so erst richtig sichtbar. Das Ergebnis sind dann Tunneleffekte, breitgespannte Fächer und anderes.

Laufschriften

Mit dem Laser lassen sich auch Laufschriften erzeugen, wobei man sich Zeichensätze selbst erstellen kann. Verschiedene Textattribute sind auch möglich.

Im üblichen Betrieb wird die Anlage meist über ein anschließbares Keyboard betrieben, daß mit frei definierbaren Effekten belegbar ist. Dadurch wird letztendlich der Mensch wieder zum entscheidenden Faktor, denn ohne einen guten Lightjockey nutzt die tollste Lichtanlage nichts. Danke für die Vorführung, Andy.

Natürlich darf die Entwicklung eines so komplexen Systems wie der Lasersteuerung nicht Stillstehen, denn die Konkurrenz schläft nicht. Die Pläne für die Zukunft sind zahlreich und erste Schritte sind bereits wieder unternommen worden. So soll der 1040er gegen einen echten Signalprozessor ausgetauscht werden, ähnlich dem, der im NeXT-Rechner von Steve Jobs für den Datenaustausch zuständig ist.

Desweiteren wird an einem Programm gebastelt, mit dem HPGL-Dateien eingelesen werden können. Damit wäre eine Brücke zu CAD-Systemen geschlagen, mit deren Hilfe sich dann Shows in Industriequalität schnell entwickeln lassen. In Planung ist auch eine Möglichkeit zur Umwandlung von Pixelgrafiken in Vektorgrafiken mit Übernahmemöglichkeiten von einem Videodigitizer.

Wir dürfen gespannt sein, wie sich dieses System durchsetzt; wer weiß, vielleicht sehen wir demnächst öfter einen ATARI, wenn wir in die Disco gehen. Auf jeden Fall möchte ich mich bei Matthias, Jens, Andy und dem Team vom ‚Luggi’ herzlich für die Vorführung bedanken, und bei Matthias für die technischen Hinweise, die diesen Artikel überhaupt erst möglich gemacht haben.

CSM

Die Aufnahmen entstanden in der Discothek ‚Luggi’ in Peißenberg.



Aus: ST-Computer 07 / 1989, Seite 38

Links

Copyright-Bestimmungen: siehe Über diese Seite