Nachrüstung: Eickmann EX110

Die Frankfurter Firma Eickmann Computer ist für solche Coups bekannt: Man nehme eine Original-ATARI-Platte mit all ihren Stärken und Schwächen, eliminiere letztere und präsentiere das Produkt dem staunenden Publikum. Wiederum so geschehen mit der neuen MEGAFILE-Serie von ATARI. Ob eine MEGAFILE 60 durch die Nachrüstung mit einem zweiten Laufwerk zur doppelten Nullösung wird oder oh mehr dahintersteckt, bleibt offen - bis zum Ende dieses Berichts.

Im Test war, wie angedeutet, eine aufgerüstete MEGAFILE 60 mit insgesamt 110 MB Speicherkapazität. Im Eickmann Jargon heißt die Platte denn auch EX110 (Bild 1).

Bild 1: EX110 im ATARI-Tarngehäuse

Aufgepäppelt

Wie man eine ATARI Platte denn überhaupt auf rüstet? Das ist relativ simpel: Man schließt an den Adaptec-Controller der ATARI Platten einfach ein zweites Laufwerk an. Der Controller ist darauf vorbereitet und erkennt das Zweitlaufwerk. Auf diese Weise hat man auch der EX110 zum Wachstum verholten: Neben dem 60 MB-Laufwerk der MEGAFILE 60 tut eine 48 MB-Platte der Firma PTI ihren Dienst. Die offiziellen Kenndaten dieses Laufwerkes: RLL-fähig (klar, denn die EX110 hat einen RLL-Controller), 3.5 Zoll, 35 ms mittlere Zugriffszeit, leise, geringer Stromverbrauch. So gering, daß man sogar auf die Einschaltverzögerung verzichten konnte, die man sonst einbaut, um das Schaltnetzteil der ATARI-Platte beim Hochfahren nicht zu überfordern. Man braucht sich also auch nicht an längere Hochlaufzeiten zu gewöhnen. Wenn Sie sich das Innenleben der EX110 ansehen (Bild 2), stellen Sie fest, daß es eng zugeht: Der Hardware-Zuwachs sorgt für gedrängte Verhältnisse.

Ein Zweitlaufwerk alleine wäre noch nicht besonders ungewöhnlich, wenn es auch für Backup-Zwecke fast ideal ist. Glänzen wollen die Eickmänner (nein! Hier wäre der Zusatz "und -frauen" falsch!) aber noch mit anderem.

Bild 2: Gedrängtes Innenleben

Sanfte Brise?

So wirbt man etwa mit dem Prädikat "leise". Nun haben Sie vielleicht im Test der MEGAFILE 60 [1] oder aus eigener Erfahrung (Beileid!) feststellen müssen, daß deren Laufwerk von Miniscribe alles andere als leise ist. Das gilt natürlich ebenso für die EX110. Obwohl man sich Mühe gegeben hat: Das Zweitlaufwerk von PTI ist an sich sehr leise. Der Lüfter ist fixiert, um Vibrationen zu vermeiden: die Lüfterverstrebungen an der Gehäuserückseite sind aus dem gleichen Grund abgesägt und durch ein Fliegengitter ersetzt worden (Bild 3); der Lüfter selbst ist durch einen Widerstand in der Stromzuleitung gedrosselt. Diese Kombination von Maßnahmen nennt der Hersteller übrigens “NR Kit”.

Immerhin: Die EX110 ist dank dieses Aufwands trotz Zweitlaufwerk nicht lauter als eine MEGAFILE 60. Viel leiser ist sie aber auch nicht, und das bedeutet für mich: Auf Dauer unerträglich.

Allein, man darf hoffen, und hier dürfen auch MEGAFILE-60-Aspiranten authorchen: ATARI will das Miniscribe-Laufwerk der MEGAFILE 60 durch ein Seagate-Laufwerk (wahrscheinlich wohl das ST277R) ersetzen. Das ist um einiges leiser - und auch schneller: Die mittlere Zugriffszeit liegt dann offiziell bei 40 ms (Miniscribe-Laufwerk: 61 ms, gemessen 70 ms). Diese Änderung käme natürlich auch der EX110 zugute. Seagate ST277 und PTI-Laufwerk sind mit Autopark ausgerüstet: vom Miniscribe-Laufwerk war es nicht sicher zu erfahren.

Und die Software?

Eben, das wollte ich auch gerade fragen. Die nämlich macht aus der aufgerüsteten MEGAFILE 60 erst eine EX110: Sie stammt (fast) komplett aus dem Hause Eickmann.

Plattentreiber und das passende Zubehör bieten einiges, was nicht unbedingt selbstverfreilich anmutet. Der Plattentreiber etwa unterstützt maximal 8 Partitionen pro Laufwerk (bei solchen Plattengrößen auch bitter nötig); dabei hält er sich leider nicht an einen Quasi-Standard für maximal 12 Partitionen, wie er etwa in [2] dokumentiert und angewendet wird. Eine Anpassung an diesen Standard soll aber bald folgen, und 8 Partitionen sind ja auch schon etwas.

Dazu kommt, daß der Plattentreiber von jeder dieser Partitionen booten kann - Tastendruck beim Booten genügt. Allerdings sind Accessories davon ausgenommen - die kommen immer von C:; um das zu umgehen, muß man vor dem Booten alle Accessories auf C umbenennen eine lästige Prozedur, die nicht unbedingt nötig ist, wie FLEXDISK und die Software aus [2] beweisen. Trotzdem: Dieses flexible Booten ist durchaus nicht selbstverständlich und löblich.

Der Eickmann Treiber (übrigens wie fast die gesamte restliche HDPLUS-Software von Alfred Schilken verfaßt) tut auch etwas gegen die leidige 40-Ordner Misere: Für jedes Plattenlaufwerk kann man festlegen, wieviel zusätzlicher interner GEMDOS-Speicher bereit gestellt werden soll, um das dräuende Chaos durch allzuviele Ordner möglichst lange hinauszuzögern. Herr, schick uns ROM TOS 1.4!

Die gesamte Installation erledigt die GEM-Anwendung HDPLUS; hier kann man sich Informationen über angeschlossene Laufwerke geben lassen. Platten formatieren (auch mit wilden Formaten, die man über Textdateien ähnlich dem ATARI-WINCAP einspeist), Partitionen löschen, Partitionen anlegen - all dies ist Standard.

Der Treiber wird nicht als Programmdatei in einer Partition abgelegt, sondern in einigen reservierten Sektoren auf der Platte, die von keiner Partition belegt werden dürfen. Dazu knapst der Platteninstallateur HDPLUS zwangsweise (!) 10 kB vom Plattenspeicherplatz ab, egal ob der Treiber nun wirklich auf dem betreffenden Laufwerk installiert werden soll oder nicht.

Noch viel weniger gefiel mir, daß HDPLUS in der vorliegenden Version 4.05 noch einen Fehler beim Formatieren aufwies, der dazu führt, daß das nachgerüstete, zweite Plattenlaufwerk grundsätzlich mit Interleave 2 formatiert wurde, obwohl der Controller der ATARI/Eickmann-Platten locker Interleave 1 verträgt. Daß das Laufwerk dadurch etwa um die Hälfte langsamer wurde, ist klar. Ich mußte hier mit eigener Software (SED von der KLEISTERSCHEIBE) arbeiten, um das Zweitlaufwerk vernünftig zu formatieren. Der Fehler ist laut Hersteller inzwischen erkannt und behoben.

HDPLUS glänzt durch einige ungewohnte Maßnahmen zur Datensicherheit auf Platten. So läßt sich vor Änderungen des Plattenformats der alles entscheidende Rootsektor. in dem die Konfiguration der Platte abgelegt ist. in eine Datei sichern; geht aufgrund eines Fehlers irgendwann die Information im Rootsektor verloren, kann das HDPLUS mit dieser Sicherheitskopie wiedergutmachen. Die FATs der einzelnen Partitionen kann man ebenfalls in Dateien auslagern und nach einem Fehler wieder zurückschreiben; das bringt ein wenig mehr Sicherheit gegen Viren. Platten- und Systemfehler - Verzeichnisse, Bootsektoren und Rootsektoren kann man noch vergleichsweise einfach rekonstruieren, doch bei den FATs hört auch bei mir die Geduld auf. Da die FATs sich ständig verändern, wird man in der Regel nicht mehr alle, sondern nur noch die meisten Dateien retten können aber das ist viel besser als nichts.

Bild 3: Erste Hilfe im HD-Accessory
Test Laufwerk 0 (Miniscribe, 60MB) Laufwerk 1 (PI 1,49 MB) SH205 (Tandon TM262)
Spur-zu-Spur-Wechsel 10.5 ms 8.4 ms 9.5 ms
mittlere Suchzeit 69.7 ms 41.0 ms 84.0 ms
maximale Suchzeit 143.0 ms 60.0 ms 200.0 ms
Datenrate 670 kB/s 655 kB/s 406 kB/s

Tabelle 1: Was die Hardware der EX110 leistet.

Ein recht aufwendiger und auch langwieriger Sektortest (wahlweise nicht zerstörend) stellt durch Testmuster fest, welche Sektoren die ihnen feilgebotenen Daten nicht halten können - diese Sektoren kann man in den FATs der betroffenen Partitionen aussortieren lassen. Das Ergebnis der Lesetests wird in *BAD' Dateien festgehalten. so daß man nicht immer gezwungen ist, nach dem Partitionieren oder Formatieren oder was auch immer eine Viertelstunde (!) pro Partition fürs Test lesen zu investieren.

Zugabe

Ein weiteres Mitglied der HDPLUS-Softwarefamilie ist das HD-Accessory (Bild 3). Es faßt nützliche Plattenoperationen zusammen:

Letztere Option ist besonders interessant. Meldet der Plattentreiber einen Fehler (“Daten auf Disk ? defekt..."), kann man hernach diesen Menüpunkt anwählen; das Accessory zeigt daraufhin an, bei welcher Sektornummer der Fehler auftrat. Diesen armen Sünder kann man nachträglich in der FAT der betreffenden Partition brandmarken lassen, so daß der wankelmütige Sektor hinfort von GEM-DOS links liegengelassen wird. Auf der Installationsdiskette findet man ansonsten ein buntes Programm:

Anzumerken bleibt: Die Eickmann-Software ist kopiergeschützt! Mit einer unzulässigen Kopie funktioniert das Aktivieren des “Autoboot" nicht. Kopierschutz ist mir immer etwas unverständlich, in diesem Falle aber gerade noch erträglich, da man die Originaldiskette nur braucht, um einen autobootfähigen Treiber zu installieren - alles andere funktioniert auch so.

Schneller, höher, weiter

Kein Plattentest ohne Geschwindigkeitsangaben: Dazu habe ich den "ST-Computer"-Plattenbenchmark (anderswo in diesem Heft beschrieben) auf die EX110 losgelassen. Teil 1 dieses Benchmarkpakets (CHECKHD.PRG) testet die Hardwareparameter der Platte (s. Tabelle 1).

Wie Sie sehen, glänzt die PTI-Platte vor allem durch rasante Beschleunigung: Braucht sie für ein Drittel aller Spuren (“mittlere Suchzeit") noch 41 ms, entwickelt sie über die volle Distanz Sprinterqualiläten und schneidet mit 60ms sehr gut ab. Laut Hersteller betragen die mittleren Suchzeiten 61 ms (Miniscribe) bzw. 35 ms (PTI).

Teil 2 des Benchmarks (TRANSFER.PRG) benutzt ausschließlich BIOS-Routinen und ist daher geeignet, die Qualität des Treibers zu beurteilen (s. Tabelle 2).

Die getesteten Partitionen bei diesem Test lagen am Anfang der Platten und umfaßten jeweils 10 MB. Wie Sie sehen, gibt der Treiber die besseren Hardwaredaten fast ungehindert ans BIOS weiter (der ATARI-Treiber erzielte praktisch identische Werte) - GEMDOS hätte im Prinzip also freie Bahn. Was es daraus macht, enthüllt Tabelle 3, mit HDBENCH.PRG und TOS 1.0 ermittelt. Dieser Tabelle laßt sich zunächst entnehmen, daß die EX110 - wie auch die Original-MEGAFILE 60 - ihre kleine Schwester SH205 um etwa 10 bis 20 Prozent im täglichen Umgang mit ihr schlägt: beim Laden von langen Programmen ist der Vorteil noch etwas größer, mithin spürbar.

Weiterhin: Das mitgelieferte Cache-Programm HDCACHE von V. Annuss (hier in verschiedenen Größen ausprobiert) arbeitet effizient; bemerkenswert ist, daß HDCACHE bereits bei einer Puffergröße von 8 kB beim Test 2 spürbare Auswirkungen zeigt, obwohl hier jeweils 50 kB an Daten eingelesen werden. Die Erklärung: Dieses Cache-Programm “ahnt" voraus, welche Sektoren wahrscheinlich als nächste geladen werden sollen, und hält sie für künftige Zugriffe bereit. Mehr als 128 kB Puffer anzulegen, hat allerdings auch keinen Sinn: Darüber konnte man bereits nachmessen, wie das Programm beim Suchen in den großen internen Pufferlisten Zeit verlor. Vielleicht kann man da noch etwas feilen.

Bild 4: Intime Daten von der Platte

Und nun?

Wir erreichen die Ziellinie: Was soll man von der EX110 halten? Ich will es so sagen: Wie die Eickmann-Platten hätten die ATARI-Platten von Anfang an sein müssen. Eine brauchbare Software, die einen nicht alleine läßt, wenn man etwas anderes braucht als die 4-Partitionen-Einheitskost: die zudem mit Installations-, Cache- und Backup-Programmen ausreichend umfangreich ist. Eine Hardware, die den ATARI-Lowcost-Controller ausnutzt: zwei Laufwerke, von denen eines (das nachgerüstete) durch passable Zugriffszeiten und ruhigen Lauf zufriedenstellt. Kleine Details wie der gedrosselte Lüfter und die Software-Optionen zur Datensicherheit, die Praxisbezug verraten.

Die Platte hat sich auch als betriebssicher erwiesen: Ein paar Monate hat sie mir nebenher treue Dienste geleistet; auch den rauhen CeBIT-Aufenthalt hat sie überlebt. Natürlich ersetzt das keinen Langzeittest, aber es ist ein Indiz. Meine Ohren werden den rauschenden Abschied von der Testplatte begrüßen, mein nervöser Mausklickfinger (“wann hat er denn endlich geladen...”) nicht.

Kritik muß sein: Der Preis von 3498 DM wird viele Interessenten abschrecken. Die Treibersoftware ist zwar schnell, könnte aber noch aufgepäppelt werden (mehr als 8 Partitionen, Accessories von anderen Laufwerken als C: booten, Interleave-Fehler in der Formatiersoftware, schnelleres Testlesen). Ansonsten vererben sich auf die EX110 natürlich alle Hardware-Sünden, die ATARI bei der MEGAFILE 60 begangen hat: Das Säge- äh... Laufwerk von Miniscribe mit seinem trägen Zugriff und der raumfüllenden Geräuschkulisse, die DIP-Schalter zur Einstellung der Einheitennummer, die vor allen Zugriffen garantiebewußter Anwender in den Eingeweiden der Platte versiegelt sind. Sollte ATARI tatsächlich in Zukunft zum besagten Ersatzlaufwerk greifen und die Firma Miniscribe auf ihren Rauschgeneratoren sitzenbleiben, kann man die EX110 empfehlen. Im Moment jedoch ist sie noch zu laut (ganz anders übrigens als die EX40 aus dem gleichen Hause, die ohne Lüfter auskommt und das leise PTI-Laufwerk beherbergt).

Ein Lob erntet das Handbuch der EX110, das erfrischend zu lesen und einfach zu verstehen ist, auch für Festplatteneinsteiger. Es hebt sich wohltuend vom sonst üblichen Technikerdeutsch ab. Außer zum Rootsektorformat findet man allerdings keine Programmierhinweise - vielleicht auch zuviel verlangt. Und noch ein Tip: Spielen Sie während des Bootens mit dem Eickmann-Treiber mal mit den SHIFT-Tasten...

Literatur: [1] Claus Brod: "Klotzen statt kleckern", ST Computer 2/89

[2] Brod/Stepper: SCHEIBENKLEISTER II, MAXON Computer, Eschborn 1989

[3] Claus Brod: "Kleine Helfer", ST Computer 1/88

Laufwerk Transferrate mit Positionierung
C: (Miniscribe) 625 kB/s 545 kB/s
H: (PTI) 609 kB/s 533 kB/s
C: (SH205. Tandon TM262) 357 kB/s 330 kB/s

Tabelle 2: EX110 im BIOS-Transfertest

Miniscribe-Laufwerk

Test 0K Cache 8K 32K 64K 128K 256K
1 5.0 5.0 5.0 5.0 5.0 2.2
2 86.6 18.3 16.3 7.8 6.9 7.9
3 18.3 17.2 17.2 17.3 17.8 17.9
4 3.0 2.1 2.1 2.1 1.6 1.8
5 5.0 5.2 5.1 4.3 4.4 4.4

PTI-Laufwerk

Test 0K Cache 8K 32K 64K 128K 256K
1 5.1 5.1 5 1 5.1 5.1 2.2
2 88.7 18.8 18.8 7.8 6.9 7.9
3 17.3 16.5 16.4 16.6 16.8 16.9
4 2.8 2.1 2.1 2.1 1.6 1.8
5 4.6 4.9 4.9 4.3 4.2 4.3

SH205, Tandon-Laufwerk

Test 0K Cache 8K 32K 64K 128K 256K
1 6.7 6.7 6.7 6.7 6.7 2.2
2 89.1 20.2 20.2 6.9 7.8 7.7
3 22.5 21.7 21.5 21.6 21.7 21.9
4 3.8 2.7 2.7 2.7 2.1 2.2
5 6.3 6.6 6.6 5.1 5.5 5.4

Tabelle 3: EX110 im GEMDOS Test


Claus Brod
Aus: ST-Computer 06 / 1989, Seite 56

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