TeX: Der stille Superstar

Bild 1: Der Verarbeitungsprozeß mit TeX

Neben der herkömmlichen Textverarbeitung und dem Desktop-Publishing gibt es noch einen dritten Weg zu druckreifen Dokumenten: TeX, das Satzsystem.

Im Reigen der vielen Textverarbeitungen fällt TeX völlig aus dem Rahmen: logische Manuskriptauszeichnung, höchste Qualität bei der Formatierung und Schriftgestaltung, vollständige Programmierbarkeit, die über Makros weit hinausgeht, Rechner-, Betriebssystem- und Druckerunabhängigkeit, Public Domain-Verfügbarkeit und eine Fangemeinde gegliedert in TeXhacker, TeXperts, TeX-Masters und dem “Grand Wizard of TeXarcana”, Donald E. Knuth. Doch der Reihe nach.

TeX ist ein Formatierprogramm. Ein Manuskript wird mit einem beliebigen Texteditor als ASCII-Datei erzeugt. Die TeX-Eingabe besteht aus dem eigentlichen Text und darin eingestreuten Formatierungsanweisungen. TeX erzeugt daraus eine Datei, in der das Dokument fertig gesetzt erscheint. Dabei sind diese Dateien völlig unabhängig vom Ausgabegerät - dasselbe DVI-File (DeVice-Independent) kann mit einem Treiber auf den Bildschirm, auf einen 9-Nadel- oder Laserdrucker oder auf einen Laserbelichter geschickt werden.

Zur Ausgabe werden ein oder mehrere Treiberprogramme benutzt, die die im DVI-File enthaltenen primitiven Anweisungen verarbeiten. Sie sehen den gesamten Verarbeitungsprozeß in Bild 1 grafisch dargestellt.

A TeXample

Ein Beispiel für eine TeX-Eingabe finden Sie in Bild 2, oben das Ergebnis und unten den Quelltext. Jedes TeX-Kommando wird (normalerweise) mit dem Backslash-Zeichen \ eingeleitet. Das vordefinierte Makro “\TeX” erzeugt so z.B. das TeX-Logo. Da nach einem TeX-Kommando alle Blanks ignoriert werden, muß danach mit “~” ein fester Leerraum eingefügt werden.

Sonderzeichen (hier die griechischen Buchstaben) können über vordefinierte Namen angesprochen werden. Da es sich um Zeichen handelt, die normalerweise in Formeln erscheinen, wird TeX vorher mit “$” in einen speziellen Math-Modus geschaltet, der auf Formelsatz in Textblöcken spezialisiert ist. “\tau\epsilon\chi” ergeben die drei griechischen Kleinbuchstaben. Das zweite “$” schaltet wieder in den normalen Textmodus.

In den folgenden Zeilen kommen verschiedene Schriftvariationen und -familien zur Anwendung. ‘\bf’ schaltet z.B. eine halbfette Schrift ein. An dieser Stelle kommt das “Grouping” ins Spiel. Alles, was zwischen “{“ und “}” steht, bildet eine Gruppe. Die Kommandos in dieser Gruppe wirken auf alle Zeichen in der Gruppe. Ein direktes Zurückschalten der halbfetten Schrift gibt es also nicht; TeX kehrt beim Ende der Gruppe in den Zustand zurück, der vorher gültig war. Dieses Konzept ist etwa vergleichbar mit Blöcken und lokalen Variablen in Programmiersprachen.

Die zwei folgenden Formelbeispiele sind im Display-Style gesetzt, bei dem eine Formel eine ganze Zeile einnimmt und mit etwas anderen Parametern gesetzt wird als der obige Formelsatz im Text. Schaut man sich die Quellen für die Formeln an, sieht man den logischen und einfachen Aufbau der Befehle. ‘\overbrace” setzt eine horizontal geschweifte Klammer über die folgende Gruppe. Das “^{k...}” setzt den Text der folgenden Gruppe über den der vorherigen. ‘;’ ist dabei ein kleiner Zwischenraum.

Das zweite Beispiel zeigt, wie TeX automatisch Symbole - hier das Wurzelzeichen - schachteln kann, “\sqrt” setzt ein Wurzelzeichen über die folgende Gruppe. Ist darin wieder eine Wurzel enthalten, wird die Größe automatisch angepaßt. Bei weiteren Verschachtelungen benutzt TeX z.B. andere Neigungen des Aufstrichs beim Wurzelzeichen. Ebenso kann man natürlich auch mit Integral- und anderen mathematischen Zeichen sowie mit Klammem arbeiten.

Einfach ist auch das Summenzeichen. Es wird mit “\sum” gesetzt, darunter kommt mit “_{n=1}” der Anfang der Summation, mit “^{m}” darüber das Ende. Mathematischer Formelsatz ist eine Satzkunst für sich; TeX beherrscht sie meisterhaft und ist dabei einfach zu bedienen.

Das letzte Beispiel benutzt einige mächtige TeX-Befehle, um eine kleine Spielerei zu treiben. Die Kommandofolge ‘\hbox to...” bewirkt umgangssprachlich: “Baue einen Kasten mit 5cm Breite. Er soll vertikal auf 2,5cm mit einem Kasten gefüllt sein. Dieser Kasten wird horizontal mit dem TeX-Logo aufgefüllt.” Das Ergebnis sehen Sie im Bild. Auf den ersten Blick erscheint das vielleicht kompliziert, auf den zweiten wird es sehr logisch, sehr eingehend und schließlich auch einfach zu benutzen.

Sie sehen auf diesen Seiten noch einige weitere Beispiele (Bild 3 und Bild 4). Sie stammen aus dem TeXbook und wurden mit DVI.PRG aus dem TooLS-TeX auf einem ATARI-Laser in 300 dpi ausgegeben.

Wer sich jetzt etwa durch die vielen Befehlsfolgen abgeschreckt fühlt, kann beruhigt werden. Bei normalem Fließtext sind natürlich erheblich weniger Kommandos notwendig. Im Manuskript wird der Text einfach hintereinanderweg geschrieben, ohne daß irgendwelche Formatierungen notwendig werden. Lediglich ein neuer Absatz muß durch eine Leerzeile gekennzeichnet sein.

Eine besonders hohe Qualität bei der Absatzformatierung erzeugt TeX dadurch, daß es zunächst einen kompletten Absatz einliest und dann die Formatierung durchführt. Herkömmliche Textverarbeitungen arbeiten auf Zeilenbasis. Durch eine unterschiedliche Verteilung von Leerräumen und Trennungen werden nun verschiedene mögliche Formatierungen erzeugt und bewertet. Dabei erhält ein besonders ungleichmäßig formatierter Absatz mehr “Strafpunkte” als ein kompakter. Aufgrund dieser Bewertung wird die optimale Formatierung gewählt.

Die automatische Textgestaltung ist sehr ausgefeilt. So wird z.B. nach einem Satzendezeichen - typographisch korrekt - ein etwas größerer Leerraum gelassen als zwischen Worten im Satz. Automatisches Kerning ist über die Zeichensatzbeschreibungen eingebaut; für Trennungen verwendet TeX Trennmuster. Diese Pattern liegen inzwischen auch für die deutsche Sprache vor und erreichen eine sehr hohe Trefferquote. Notfalls ist es möglich, in einer Liste von Ausnahmen die Trennungen für Problemfälle festzulegen.

Bei der Seitenformatierung beherrscht TeX z.B. schon längst den “vertikalen Keil”, der bei Desktop Publishing-Programmen erst jetzt als neueste Errungenschaft präsentiert wird. Dabei schiebt TeX die Absätze auf einer Seite auseinander, so daß der untere Rand auch bei Verwendung unterschiedlicher Schriftgrößen auf jeder Seite abschließt. Die Vermeidung von Hurenkindern (letzte Zeile eines Absatzes am Anfang einer Seite) und Schusterjungen (erste Zeile eines Absatzes am Ende einer Seite) ist ebenfalls automatisiert. Werte wie Einrückung der ersten Zeile eines Absatzes, Abstand zwischen den Absätzen, “Strenge” bei der Erkennung von Hurenkindern und Schusterjungen etc. sind jederzeit frei veränderbar.

TeX übernimmt bei der Textformatierung alle Aufgaben in höchster Qualität und berücksichtigt extrem viele Feinheiten, die bei anderen Systemen manuell durch den Anwender beachtet werden müssen.

Bild 2: Beispiel für eine TeX-Eingabe

TeX-Programmierung

Was TeX so mächtig macht und aus allen anderen Systemen heraushebt, ist die Programmierbarkeit. TeX enthält einige grundlegende eingebaute Funktionen, die restlichen sind als Makros in “Formats” festgelegt. Die bekanntesten Formate sind Plain, wie von Knuth entworfen, und das davon abgewandelte LaTeX von Lamport. Darüberhinaus sind noch erhältlich die Pakete AMSTeX von Spivak und das TeX info, das beim Shareware-Betriebssystem GNU (UNIX-kompatibel) eingesetzt wird.

Das Kommando zum Erzeugen des TeX-Logos ist z.B. nicht fest eingebaut - es ist ein simples Makro. Der Anwender wird jedoch nicht nur solche Primitiven schreiben. Man kann sich eigene Makros für Layouts, spezielle Tricks und, und, und programmieren.

TeX kann auch als Compiler angesehen werden. Dabei ist die compilierte Sprache Text plus Makros. TeX kennt Variablen, Kontrollstrukturen und andere Merkmale von Hochsprachen. Prinzipiell läßt sich jedes Problem, das in einer Hochsprache gelöst werden kann, auch in TeX programmieren, auch wenn die Hauptaufgabe natürlich die Textformatierung ist. TeX-Makros sind also eher Programme denn z.B. die Zusammenfassung einfacher Befehlsfolgen.

Mit einigem Nachdenken kann man TeX z.B. so umprogrammieren, daß reine Hex-Folgen wie “09A855AA3B” automatisch als Bitmuster ausgegeben werden. Anwendung war ein Makro, das einen Doodle-Bildschirmdump in den Text einfügt. Ein “A” wird dabei nicht mehr als Buchstabe interpretiert, sondern löst eine Routine aus, die das Bitmuster “101 Überzeugt. Die Größe der Pseudo-Pixels ist natürlich frei wählbar, also sind Vergrößerungen und Verkleinerungen kein Problem mehr, sondern Gestaltungsmittel.

Als weiteres Beispiel für die Tricks, die man mit TeX treiben kann, der Verweis auf einige Makros zur Ausgabe von Schachstellungen von Wolfgang Appelt (veröffentlicht in TUGboat 3/88). Die Aufgabe war, bestimmte Stellungen in einem Schachspiel auszugeben, und zwar in einer grafischen Darstellung der Figuren und des Brettes, so wie man es aus Schachproblemen kennt.

Die relativ kurzen Makros erlaubten einen Eingabetext für TeX:

\move e2-e4  \move c7-c6 
\move d2-d4  \move d7-d5 
\move Sb1-d2 \move d5xe4 
\move Sd2xe4 \move Sb8-d7 
\move Sg1-f3 
\showboard

Ergebnis war die Ausgabe des Schachbretts nach den mit \move angegebenen Zügen. Durch eine kleine Modifikation wurde gleichzeitig auch noch eine entsprechende Zugliste gesetzt. Eine Anwendung wie diese ist fast schon nicht mehr Textverarbeitung. Daß sie so einfach möglich ist, zeigt die Mächtigkeit von TeX. Mit keinem anderen Textsystem können Sie solche Dinge treiben. Ein solches Schachbrett kann natürlich auch einfach in eine Tabelle aufgenom-men werden oder anstelle der Kapitelbezeichnung in die Kopfzeile kommen. Kein Problem!

TeX beinhaltet eine Programmierbarkeit, die bei keinem anderen Textsystem vorhanden ist. Es läßt sich über Makros auf praktisch jede beliebige Situation einstellen. Es gibt Makros, die ein Freistellen für Bilder erlauben: man könnte TeX auch so programmieren, daß es 1st Word-Dateien automatisch verarbeitet. Weitere Beispiele sind inzwischen bekannt, z.B. die Verarbeitung von Halbtonbildern; es gibt aber immer noch eine riesige Fülle weiterer Programmiermöglichkeiten von TeX. Utilities unterstützen das TeX-Format, so z.B. der TGRIND, der Quelltexte in Pascal, C, Modula-2 und anderen in höchster Qualität mit Hervorhebung der Schlüsselworte formatieren kann. Bei entsprechender Programmierung ist es auch kein Problem, Serienbriefe zu erstellen, oder Bestandteile von Dokumenten beim Formatieren interaktiv abzufragen.

2 weitere Beispiele zum Arbeiten mit TeX

LaTeX

Während die eingebauten und in Makros definierten Funktionen von plain-TeX noch auf einem eher niedrigen Niveau arbeiten, stellt das Makro-Paket LaTeX mächtige Kommandos zur Auszeichnung eines Manuskripts bereit.

Kapitelüberschriften werden z.B. mit “\chapter {Kapitelüberschrift}” markiert und dann automatisch in einer entsprechenden Größe gesetzt und in ein Inhaltsverzeichnis übernommen.

Mit LaTeX wird ein Manuskript logisch ausgezeichnet, wobei TeX die eigentliche Arbeit, also das Numerieren und Setzen der Fußnoten, das Weiterzählen der Kapitelnummern etc. übernimmt. Es ist z.B. möglich, Seitenreferenzen einzusetzen, wenn Sie sich auf eine andere Stelle im Manuskript beziehen wollen. Dazu braucht nur eine Marke mit “\label {name}” an die entsprechende Stelle gesetzt zu werden. Mit “\ref{name}“ und “\pageref{name}“ wird dann die entsprechende Kapiteloder Seitennummer eingesetzt, die sich ja erst beim Formatieren ergibt.

In einer Reihe von Umgebungen stellt LaTeX die wichtigsten Layouts für Listen, Tabellen und Diagramme zur Verfügung.

Wer größere Dokumente setzen will, wird den Komfort von LaTeX schnell zu schätzen wissen. Für den reinen Anwender, der nicht in TeX programmieren will oder kann, führt kein Weg um LaTeX herum.

PublicDomain?

Im Prinzip ist TeX Public Domain. Aber nur im Prinzip. Frei erhältlich (über Netze oder bei der TUG) sind der TeX-Sourcecode, sämtliche Hilfsprogramme und die Schriften als Quelle. Wer sich berufen fühlt, kann TeX so auf seinem System implementieren; eigentlich braucht man nur einen Pascal- oder C-Compiler. Wer Ahnung hat, wird dabei sogar erfolgreich sein.

Treiber für konkrete Ausgabegeräte müssen selber geschrieben werden, Knuth hat diese Aufgabe ausgespart. Und damit ergibt sich auch der Grund für die Preise von kommerziellen TeX-Paketen.

Der Preis für ein TeX-System, das Sie kaufen, ergibt sich aus mehreren Punkten. Da ist zunächst das Besorgen und Anpassen der TeX-Sources an das jeweilige Betriebssystem und den Rechner. Den größten Teil machen allerdings die Kosten für Treiber aus. Ein Gerätetreiber ist ein völlig normales, dem Copyright unterliegendes Programm, für das natürlich bezahlt werden muß.

Also: Wenn Sie selber anfangen, ein TeX zu implementieren, arbeiten Sie im Public Domain-Bereich. Wenn Sie ein fertiges TeX mit allem Drum und Dran vor sich haben, müssen Sie eine Lizenz haben, also bezahlen. Die Treiber gelten eindeutig nicht als Public Domain. Die Verbreitung eines Programms DVI, das keinen Public Domain-Vermerk trägt, ist ein Copyright-Verstoß. Die meisten Makros und Makropakete sind wiederum Public Domain, was die Sache verkompliziert. Generell gilt: Für alles, was Sie nicht seibermachen, müssen Sie bezahlen - es sei denn, das Gegenteil ist ausdrücklich vermerkt.

Wenn man sich allerdings die Preise für TeX-Implementierungen anschaut, dann sollte sich jeder Raubkopierer schämen. Die Pakete sind bei dieser Leistung extrem günstig. Kaufen Sie sich einmal ein WordPerfect!

TeX hier und da

TeX ist völlig maschinenunabhängig. Geschrieben wurde TeX in einer Metasprache namens WEB, für die ein Übersetzer nach Pascal (natürlich als Public Domain-Quelle) vorhanden ist. Neuerdings gibt es auch ein CWEB, das C-Programme erzeugt (deren Compilate als Turbo-TeX erheblich schneller und ohne Speicherprobleme sind). Damit kann im Prinzip jeder TeX implementieren. Das “im Prinzip“ heißt aber insbesondere, daß man schon ein TeX-Wizard sein muß, um das auch tatsächlich zu schaffen. Der Aufwand dafür ergibt den Preis der kommerziellen TeX-Systeme.

Es gibt TeX auf allen erdenklichen Maschinen. Auf Mikros gibt es zumeist sogar mehrere Versionen, so auf dem ST, auf AMIGA (hier mit einer interessanten interaktiven Multitasking-Version), Apple Macintosh und natürlich MS-DOS. Weiter geht’s mit den Workstations (SUN, CADMUS), zumeist unter UNIX und schließlich existieren TeXs auch auf Großrechnern unter dem Betriebssystem VMS und den Supercomputern CRAY. Welches andere Textsystem könnte eine solche Verbreitung für sich reklamieren?!

Treiber für Ausgabegeräte existieren ebenfalls in verschiedensten Arten. Das beginnt bei simplen 9- und 24-Nadeldruckern, geht über verschiedenste Laserdrucker (ATARI-Laser, Kyocera, HP Laserjet) und reicht bis zu Laserbelichtern wie der Linotronic-Serie oder Compugraphic MCS 8400.

Mit PostScript-Treibern können TeX-Ausgaben an Geräte vom Apple LaserWriter bis zum Compugraphic Laserbelichter 9400 PS oder Linotype-Geräte geschickt werden. Es existieren Vorlagen für Treiber, mit denen die Implementierung vereinfacht wird.

Generell gilt, daß Gerätetreiber vom Hersteller der jeweiligen TeX-Implementierung geliefert werden. Dabei muß man natürlich sehen, daß nicht für alle Maschinen alle Ausgabegeräte unterstützt werden. Für den ST gibt es so noch keinen PostScript-Treiber, da PostScript-Geräte am ST eben ungewöhnlich sind. Ein TeX-Wizard kann auch einen Treiber schreiben, der normale Anwender, also der TeXhacker, muß sich im Angebot umschauen.

Für professionelle Anwendungen bedeutet diese Riesenauswahl allerdings, daß man mit etwas Geschick jede Qualität erzeugen kann. Für ATARI-Benutzer gibt es z.B. die Möglichkeit, DVI-Dateien auf einer Linotronic mit 2400 dpi belichten zu lassen. Dabei ist sogar die Verwendung von Linotype-Schriften möglich. Fragen Sie einmal einen SIGNUM!-Benutzer nach einem solchen Anschluß!

Zeichensätze

TeX wird mit einer Reihe von Font-Dateien geliefert. Es gibt hauptsächlich drei Schriftfamilien, nämlich Computer Modem Roman, Sans Serif und Typewriter. Die Modem Roman ist eine Adaption einer Monotype-Schrift, es handelt sich um eine typische Brotschrift mit Serifen. Sans Serif ist serifenlos, allerdings nicht so “rund“ wie die Helvetica. Die Typewriter entspricht einer halbfetten Courier.

Die Schriften stehen in verschiedenen Variationen bereit, wie halbfett, kursiviert und geneigt. Computer Modem ist in fast allen Größen vorhanden, eine kursivierte Typewriter gibt es meistens nur in 10 Punkt Größe. Meine Wortwahl deutet schon an, daß die Schriften typographisch erheblich durchdachter sind als manches, was sich auf Mikros Schrift nennt.

Die Variationen werden nicht etwa elektronisch erzeugt (kursiv z.B. durch Verschieben des Images), vielmehr ist jede Form einzeln entworfen und in eigenen Dateien abgelegt. Daraus ergibt sich auch die hohe Qualität der Schriften.

Nun sind drei Schriftfamilien recht wenig, wenn man bedenkt, daß die wichtigsten professionellen Schriftschnitte problemlos als PostScript-Fonts erhältlich sind. Allerdings gibt es auch für TeX einige weitere Schriften, die zumeist erworben werden müssen. Es zeigt sich, daß bei TeX nicht einfach Amateure mit einem Pixeleditor eine Schrift daherschmieren, sondern daß der typographische Anspruch sehr hoch ist.

Wer eine Schrift entwerfen muß, kann dafür das Programm METAFONT benutzen. METAFONT ist praktisch eine Programmiersprache für Zeichen. Ein Zeichen wird nicht - wie leider auf Mikros üblich - in einem Pixel-Editor gemalt, sondern mit Anweisungen definiert. Diese Anweisungen bedeuten z.B., daß in einem “S” ein Pinsel der Stärke x einen Kreisbogen von...bis beschreibt. METAFONT errechnet aus diesen textuellen Anweisungen ein Pixel-Image der gewünschten Vergrößerung für die gewünschte Auflösung.

Aus einer METAFONT-Quelle für eine Schrift können Sie automatisch Images für Bildschirm, 9-Nadeldrucker oder einen Laserbelichter mit 2400 Punkten pro Zoll erzeugen. Die Art der Schriftbeschreibung entspricht der klassischen (und jahrhundertelang erprobten) Arbeitsweise eines Schriftkünstlers beim Entwurf.

METAFONT und die Entwürfe der Standardschriften sind als Quelle ebenfalls Public-Domain. Eine konkrete Implementierung umfaßt meist noch ein Preview-Programm, daß dann wiederum dem Copyright unterliegt.

Dokumentation

Da TeX fanatisch machen kann, gibt es natürlich auch eine Bibel: The TeXbook. Das TeXbook ist das Manual für alle TeX-Implementierungen, in ihm wird das System vom Autor Donald E. Knuth beschrieben.

Daneben gibt es inzwischen eine Reihe von Büchern zu TeX. Sie finden im Anschluß an diesen Artikel eine Übersicht der erhältlichen Titel.

Jegliche TeX-Literatur ist für alle Systeme gültig, sei es ein ATARI ST oder eine CRAY. Eine TeX-Implementation wird lediglich mit einem Local Guide geliefert, in dem die Benutzung eines konkreten Systems auf einem bestimmten Rechner unter einem bestimmten Betriebssystem beschrieben wird. Alles Weitere muß zusätzlich gekauft werden.

TUG, The TeX-Community

Weltweit haben sich die TeX-Benutzer in der TUG - TeX-User-Group - organisiert. Sie bestand Ende 1988 aus 3172 Einzelmitgliedern und 147 Institutionen. Die meisten Benutzer stammen aus Universitäten und Instituten, viele aus Firmen, die mit TeX arbeiten oder Implementierungen und Zeichensätzen herstellen. Die TUG ist international; die meisten Mitglieder stammen aus den USA, viele aus Europa und auch in Japan kennt man TeX.

Das “Zentralorgan” der TeX-Benutzer ist die Zeitschrift TUGboat, die inzwischen viermal im Jahr erscheint. In ihr findet man Berichte über neue Implementierungen, über Arbeitsumgebungen, einige neue Makro-Anwendungen, gefundene Fehler in TeX und, und, und. Die TUG veranstaltet regelmäßige Treffen, sowohl in den USA als auch in Europa, und betreibt eine Mailbox, die TeXhax.

Die TUG-Mitgliedschaft kostet momentan $50. Für uns Europäer ist es zwar sehr umständlich, Beiträge nach USA zu zahlen, und die Post braucht meist mehr als eine Woche, dennoch lohnt sich die TUG für den TeX-Anwender, der von dem System fasziniert ist und tiefer einsteigen will.

TeX auf dem ST

Erst an dieser Stelle möchte ich auf konkrete TeX-Versionen für den ATARI ST eingehen. Momentan liegen zwei kommerzielle Pakete vor, und zwar von TooLS und TeXsys.

Die TeX-Implementierungen selber unterscheiden sich natürlich nicht. TeXsys bietet für jedes Ausgabegerät einen eigenen Treiber an, bei TooLS sind alle Treiber für die verbreitetsten Nadel- und Laserdrucker in einem einzigen Programm zusammengefaßt (Bild 5 zeigt ein Bildschirm-Preview mit TooLS-TeX). TeXsys enthält eine Art GEM-Shell, die die Bedienung stark unterstützt. Ferner enthalten die TeXsys-Treiber die Möglichkeit zur Ausgabe von Degas-Bildern.

Bild 5: Bildschirm-Preview mit TooLS-TeX

Für den Betrieb ist jeweils eine Festplatte stark zu empfehlen. Eine komplette TeX-Installation wird 2-3 Megabyte belegen, durch weitere Formate sind die Grenzen nach oben offen. Alleine die Zeichensätze für Bildschirm und Laserdrucker belegen zusammen mindestens 1,5 Megabyte.

Die Preise sind nicht leicht zu vergleichen, da sich die Systeme im Lieferumfang stark unterscheiden. Bei den TooLS-Preisen finden Sie in Klammern die originalen Preisangaben ohne Mehrwertsteuer. Insgesamt liegt TooLS für ein TeX-System deutlich günstiger, bietet METAFONT jedoch teurer an als TeXsys. Der ATARI-Laserdrucker wird übrigens nur von TooLS unterstützt.

Direkt als Public Domain sind mir bekannt eine amerikanische Version eines DVI-Preview-Programms, eine Portierung des Pascal-WEB der TFH Darmstadt und natürlich einige Makropakete. Wer Zugang zu Netzen wie BitNet hat, kann sich praktisch alle Quellen besorgen und implementieren. Unter den TUG-Mitgliedern habe ich bis jetzt ca. 20-30 ST-Besitzer in der BRD gefunden - leider nicht sehr viele. Vielleicht werden es durch diesen Artikel ja mehr!

RT

Die Preise der TeX-Implementierungen

TooLS-TeX

     
ST-TeX 225,72 (198,—)
TeX, DVI-Treiber für alle Geräte, Bildschirmzeichensätze und ein Druckerzeichensatz nach Wahl
LaTeX 79,80 (70,—)
Einschließlich LaTeX-Zeichensätze Bildschirm und einen Drucker
BibTeX 19,95 (17,50)
Zeichensätze für weiteren Drucker 19,95 (17,50)
LaTeX-Zeichensätze für weiteren Drucker 19,95 (17,50)
METAFONT 339,72 (298,—)

TeXsys-TeX

     
STTeX 305,—
TeX, Bildschirmtreiber, LaTeX, BibTeX, AMSTeX, Shell
DVIDOT 298 —
Treiber für einen Nadeldrucker mit Zeichensätzen
STTeX+D VIDOT 535,—
DVIHP 378,—
Treiber für HP-Laserjet II kompatible Laser mit Zeichensätzen
STTeX+DVIHP 615,—
METAFONT 198,-


Aus: ST-Computer 05 / 1989, Seite 148

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