Editorial: Ein Votum für oder gegen BASIC?

Sicherlich: Über Geschmack läßt sich bekanntlich streiten, aber trotzdem gibt es Kriterien, nach denen eine Sprache ausgesucht werden kann. In Zeiten, in denen sich die Entwickler bestimmter Programmiersprachen über ihre eigene Sprache lustig machen, da sie nie zu mehr gedacht war. als zum Aufzeigen von Algorithmen und Datenstrukturen (Niklaus Wirth und sein PASCAL), sollte man vorsichtig sein, Meinungen zu äußern. Obwohl ich ein überzeugter C-Programmierer bin und kaum etwas auf diese Sprache kommen lasse, auch wenn ich sie keinem Anfänger als erste Programmiersprache empfehlen würde, muß ich (zu meiner Schande?) gestehen, daß ich ab und zu mal ein BASIC benutze, denn ein Vorteil hebt BASIC von vielen anderen hohen Sprachen ab: Es ist und bleibt primär eine Interpretersprache, was die Entwicklungszeit von Algorithmen beträchtlich beschleunigen (aber auch eventuell bei viel Ausprobiererei verlangsamen) kann. Wichtig dabei ist, daß der Programmierer, und damit möchte ich persönlich alle interessierten Leser ansprechen, darauf achten sollte, STRUKTURIERT zu programmieren, denn nur dies führt zum Ziel! Glücklicherweise verfügen BASIC-Dialekte unserer heutigen Zeit über die nötigen Konstrukte, wie Schleifenbildung, die über FOR/NEXT hinausgehen - fehlen eigentlich nur RECORDs oder STRUKTUREN, wie wir C-Leute sagen.

GOTO oder kein GOTO, das ist hier die Frage!

Schnell kommt das Argument, daß BASIC fürchterlich sei, da es aufgrund seines GOTOs (wie wäre es mal mit einem COME-FROM ...) sowieso nur zu einem Spaghetti-Code führen kann. Richtig und falsch. Spaghetti-Code produziert ein Programmierer nur dann, wenn er noch nicht in der Lage ist, zu unterscheiden, wie er bestimmte Befehle wie WHILE, REPEAT/UNTIL oder auch GOTO einsetzen soll. Ein Anfänger hat einfach nicht die Erfahrung und wählt das am einfachsten verständliche Konstrukt, wodurch er zielsicher das GOTO einsetzen wird. BASIC ist damit auch keine Sprache, die ich zum Lernen empfehlen würde, da sie durch das Vorhandensein von GOTO, jedenfalls ohne Anleitung einer geschulten Person, unweigerlich zum schlechten Programmierstil verführt. Trotzdem sollte man GOTO nicht so verdammen. (Wußten Sie als C-Programmierer eigentlich, daß es in C ein GOTO gibt?) Setzt man es sinnvoll und richtig ein, dann kann es viele Vorteile bringen, so daß es auch offiziell im Bereich ‘Software Engineering’ nicht verschwiegen wird. Kurz zwei Tips: Erstens sollten Sie mit GOTO (ohne Ausnahme) nur nach vorne springen, da für Rücksprünge Schleifenkonstruktionen sinnvoller einsetzbar sind. Zweitens wird GOTO nur dann eingesetzt, wenn man aus tiefen Schleifen beispielsweise wegen eines Fehlers herauszuspringen hat oder beim Austesten (aber nur dann) mal ein paar Zeilen überspringen möchte!

Es gibt Wichtigeres, oder?

Ein paar Leser werden sich denken, daß man aus dem Thema GOTO oder BASIC keine ‘Staatsaffaire’ machen sollte. Andererseits ist es wichtig, daß sich jeder Programmierer schon am Anfang seiner ‘Karriere’ Gedanken macht, wie er programmiert. Bedenkt man, daß heute schon ein Rechnersystem mehr Entwicklungskosten bezüglich der Software als der Hardware verschlingt (man schätzt die Entwicklungszeit eines Betriebssystems auf 400 Mann-Jahre), so ist es höchste Zeit, daß der Bereich des Software-Engineerings nicht mehr nur belächelt wird.


Stefan Höhn
Aus: ST-Computer 05 / 1989, Seite 3

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