Hits aus dem Rechner - Composer Software im Vergleich

Kennen Sie dieses Gefühl? Sie haben den unbeirrbaren Gedanken, dail es mal nieder höchste Zeit würde, den nächsten Top-Ten-Hit zu landen. Kein Kaviar mehr im Kühlschrank, der Champagner geht auch schon langsam zur Neige, und Ihnen kommen ernste Zweifel, ob Sie sich mit dem Ferrari nicht doch ein bißchen übernommen haben. Also, frisch ans Werk. Sie sitzen vor dem Monitor, eine Heerschar blinkender Kxpander wartet auf ihren Einsatz, der Sequencer gibt erwartungsvoll 4 vor, und ... Stille. Man konnte noch den verzweifelten Versuch unternehmen, dies als besonders originell zu bezeichnen, wenn Cage diesen Einfall nicht schon ein paar Jahre vor Ihnen gehabt hätte. Langsam machen Sie sich Gedanken, ob es an Ihrem Äußeren liegt, daß die Muse Sie nicht mehr küssen will..., doch vrzweifeln Sie nicht, vielleicht haben wir da etwas für Sie:

Für alle, die sich dem 'kreativen Leistungsdruck' nicht mehr aussetzen wollen oder können, gibt es möglicherweise Hilfe in der Form sogenannter ‘Composer Software'.'Komponieren lassen' ist die Devise. Der Gedanke und auch seine Realisation sind schon einige Jahre alt. doch im Laufe der letzten Monate überflutete uns eine ganze Welle von Composing Software der neuen Generation. Wer Komposition durch Computer von vorneherein als sinnlos abtut, den dürfte es vielleicht interessieren, daß z.B. Vangelis mit dem vergleichbaren ‘MPS'-Composer der Firma Zyklus arbeitet, und sogar Miami Vice-Komponist Jan Hammer schlägt sich gezwungenermaßen mit einem C64 herum, weil er sein Herz an den Dr. T's 'Algorithmic Composer' verloren hat.

Man sollte in diesem Falle auch nicht den Fehler machen, das Wort Komposition allzu wörtlich zu nehmen. Keines der mir bekannten Programme beansprucht für sich, komplette Stücke abzuliefern. sondern die Vorgehensweise ist eigentlich immer die, daß musikalische Grundideen, die der Benutzer eingibt, vom Programm in verschiedene musikalische Parameter wie z.B. Rhythmus oder Tonhöhe zerlegt werden. Mit diesen Parametern kann man dann experimentieren, bis dabei etwas Brauchbares herauskommt.

Komposition besteht bekanntermaßen aus 10% Inspiration und 90% Transpiration. Ob Composer-Software uns den einen oder anderen Teil ersparen oder erleichtern kann, wollen wir anhand eines Vergleichstestes ergründen.

Die beiden Kontrahenten im Ring sind 'm' von Intelligent Music, das den schwungvollen Untertitel 'Interactive Composing and Performing System' trägt, sowie sowie 'Ludwig', der Real Time-Composer von Hybrid Arts. Beide Programme sind lauffähig ab dem 520 ST aufwärts und können wahlweise einen Farb- oder Monochrommonitor benutzen. Außerdem ist für Ein- und Ausgabe mindestens ein MIDI-Keyboard erforderlich, da der interne Soundchip des ATARI nicht benutzt wird, was für diese Art professioneller Anwendung auch durchaus sinnvoll erscheint. Doch nun genug der Gemeinsamkeiten. Kommen wir als erstes zu

'M'

Zum Lieferumfang von 'M' gehört neben einem englischsprachigen Handbuch, das leider nicht immer auf Anhieb Klarheit schafft, eine Originaldiskette. Sicherheitskopien können vom Benutzer nach Belieben angefertigt werden, sind jedoch nur nach Abfrage der Originaldisk lauffähig.

Nach Start des Programms erscheint der Main Screen, der in 6 verschiedene Windows unterteilt ist: Die Zentrale ist das sogenannte ‘Global Control Window Hier befinden sich oft benutzte Bedienungselemente sowie das sogenannte 'Conducting Grid'. Das 'Pattern Window' dient hauptsächlich zum Einspielen des zu bearbeitenden Grundmaterials. Darüber hinaus findet man noch drei weitere Fenster, nämlich das 'Note Manipulation Window', das 'MIDI Variable Window' und das 'Cyclic Editor Window' die alle drei der Manipulation verschiedener, musikalisch nutzbarer Parameter dienen. Last but not least das 'Snapshot Window', das eine übergeordnete Speicherfunktion hat.

Ich werde im folgenden versuchen, die grundsätzliche Vorgehensweise, wie mit Hilfe von 'M' Ideen Schritt für Schritt aufgebaut und weiterverwendet werden können, zu beschreiben:

Der erste Schritt ist immer, dem Programm ein gewisses musikalisches Grundmaterial zur Verfügung zu stellen. Dies geschieht im ‘Pattern Window'. ‘M' ist in der Lage, gleichzeitig 4 verschiedene Spuren, vergleichbar einem 4-spurigen Sequencer, wiederzugeben. Diese 4 Spuren werden im Programm als ‘Patterns' bezeichnet, eine für meinen Geschmack etwas verwirrende Bezeichnung. Abhängig davon, was und wie man einspielen möchte, muß man vor der Aufnahme einen von 5 verfügbaren Patterntypen auswählen, als da wären:

  1. 'Pitch Distribution' zur Aufzeichnung einer Tonfolge (ohne Rhythmus, Velocity usw.)
  2. 'Step-Time Record’, wie oben, jedoch sind auch Akkorde möglich.
  3. 'Drum Machine Record', zur Aufzeichnung von Rhythmusspuren, wie es von diversen Drumcomputern her bekannt ist. Man gibt die Länge für eine Schleife vor, spielt dann zu einem Click z.B. die Hi-Hat, danach die Snare, dann die Bassdrum usw., und alles wird übereinandergemischt.
  4. 'Real-Time Record’, nimmt wie ein Sequencer Tonhöhe, Rhythmus, Artikulation usw. auf. nur keine Velocity-Daten.
  5. 'Import MIDI File’, hier kann man ein MIDl-File z.B. aus einem Sequencer direkt einladen.

Hier möchte ich gleich einen kleinen Kritikpunkt anbringen: Was einerseits eine Stärke von ‘M’ ausmacht, nämlich die völlige Freiheit in Bezug auf Taktlängen oder Taktarten, erweist sich z.B. beim Einspielen von Rhythmen als Schwierigkeit, weil man manchmal einfach nicht mehr weiß, wo man sich innerhalb eines Taktes befindet. Ein Vorzähler und eine Betonung der Taktanfänge im Metronomclick würden hier sicherlich Abhilfe schaffen.

Hat man den Patterntyp ausgewählt, klickt man die ‘Record'-Taste an, spielt etwas ein und beendet die Aufnahme durch nochmaliges Anklicken von ‘Record'. Dies kann man nach Belieben mit allen vier Spuren (‘Patterns’) wiederholen. Bereits eingespielte Patterns können in einem Editor korrigiert werden. Außerdem kann man Patterns untereinander kopieren und verschieben.

Kommen wir nun zur zweiten magischen Zahl in ‘M’: Neben den 4 Spuren, die sich überall wiederfinden, gibt es noch 6 'Groups', das heißt, bei den meisten Funktionen in 'M’ kann man beliebig zwischen 6 Zwischenspeichern umschalten. Im Falle des ’Pattern Windows' bedeutet das, man kann 6 verschiedene Abschnitte, symbolisiert durch die Buchstaben A-F, mit jeweils 4 parallelen Spuren aufnehmen. Zwischen diesen einzelnen ‘Groups’ kann man dann später nach Herzenslust hin- und herschalten. Das klingt am Anfang vielleicht etwas verwirrend, aber hat man diese Unterteilung erst einmal verstanden, ist einem schon der größte Teil des Programms klar. Die restlichen Parameter im ‘Pattern Window’ sind, wie alle noch folgenden, reine Abspielparameter, das heißt, sie verändern in irgendeiner Form das, was ‘M’ aus dem Basismaterial macht. Für jede der 4 Spuren kann einzeln bestimmt werden:

a der MIDI-Kanal, auf dem während des Einspielens Daten ausgegeben werden (MIDI Thru)

b Transposition

c Stummschaltung der Spur

d Kürzen der Spur, das heißt, es können wahlweise z.B. nur die ersten 8 Töne gespielt werden.

e Rhythmischer Bezug der Spuren zueinander. Hat man z.B. in der ersten und in der zweiten Spur Viertel gespielt und wählt für den Bezug der zweiten Spur 1/3, so spielt die zweite Spur im Verhältnis zur ersten Triolen. Da auch soetwas wie 3/5 oder 7/13 möglich ist, läßt sich hier spielend jedes Tanzbein brechen.

f Dieser Parameter bewirkt je nach Patterntyp entweder eine wählbare Quantisierung oder eine gewisse Ungenauigkeit, den sogenannten Human tauch.

g Hier läßt sich eine Verschiebung der Patterns gegeneinander wählen, z.B. Pattern zwei setzt erst ein, nachdem Pattern eins eine Viertel gespielt hat.

Damit kennen wir nun alle Geheimnisse des ‘Pattern Windows' und gleichzeitig auch schon das System, nach dem 'Note Manipulation‘ 'MIDI Variable' und ‘Cyclic Editor Window' funktionieren:

Überall findet man 4 Reihen (stellvertretend für die 4 Spuren) und 6 Kästchen, die die jeweils aktuellen Parameter speichern und zwischen denen man beliebig umschalten kann. Diese 6 Gruppen arbeiten pro Parameter völlig unabhängig voneinander. Des weiteren sollte man wissen, daß alle Funktionen und Einstellungen in ’M' in Realtime funktionieren, das heißt, man kann nach Belieben experimentieren und hört gleich, welche Auswirkungen die gerade gemachten Einstellungen auf die Musik haben.

Im 'Note Manipulation Window' findet man einen Parameter namens ‘Transpose', mit dem beliebig transponiert werden kann. Daneben gibt es noch: 'Note Order' (Reihenfolge, in der Töne abgespielt werden), 'Note%' (Sollen bestimmte Töne gespielt werden oder nicht?), und 'Direct' (Richtung, in der Tonfolgen abgespielt werden sollen). Bei den 3 letztgenannten Parametern handelt es sich um Wahrscheinlichkeiten, die Werte zwischen 0 (= unmöglich) und 100 (= sicher) haben können, was zur Folge hat, daß eine bestimmte Einstellung nicht zwangsläufig eine bestimmte Melodie oder Akkordfolge ergibt.

Im 'MIDI Variables Window' finden sich die drei Parameter Velocity (Anschlagsdynamik), 'Orchest' (MIDI-Ausgabekanal) und 'Sounds’ (Sendung von M1DI-Soundchanges).

Bild 1: 'M'-Hauptseite

Der 'Cyclic Editor’ bietet für jede Spur ein Raster mit 16 Schritten und 5 Abstufungen. Hier können für jede einzelne von 16 Noten oder Akkorden unterschiedliche Werte gesetzt werden, und zwar für die Parameter 'Durations' (Länge der einzelnen Noten), ‘Articulate' (Phrasierungen von Staccato bis Legato) und 'Accents’ (Betonungen durch verschiedene Velocitywerte).

Im 'Global Control Window' befinden sich schließlich noch so elementare Dinge wie 'Start/Stop', 'Tempo', 'MIDI Thru' sowie die Tempoeinstellung für das Metronom und ein Sync-Button, der bei Betätigung bewirkt, daß alle 4 Spuren synchron starten.

Somit haben wir alle relevanten veränderlichen Parameter kennengelernt. Es fehlen noch Koordinations- und Speichermöglichkeiten. Das sogenannte 'Conducting Grid’ befindet sich im ‘Global Control Window'. Hierbei handelt es sich um ein Raster mit 6*6 Feldern. Über Pfeile, die sich in jeder der schon besprochenen Sektionen befinden, lassen sich nun die einzelnen Parameter dem ‘Conducting Grid' zuordnen. Man dreht z.B. den Pfeil des 'Transposition’ Parameters nach oben und aktiviert ihn dann durch Anklicken. Bewegt man jetzt den Cursor in das ‘Conducting Grid' hinein, wird er zu einer Hand mit einem Taktstock. Mit jedem Feld, das man den Taktstock hochbewegt, wird nun automatisch auch die nächste ‘Group' des ‘Transposition'-Parameters aktiviert. Beim ‘Tempo’-Parameter z.B. gibt es keine Groups, sondern es läßt sich ein Rahmen einstellen, innerhalb dessen das Tempo dann stufenlos verändert wird. Es lassen sich auf diese Weise alle Parameter vier verschiedenen Bewegungsrichtungen im ‘Conducting Grid' zuordnen, wodurch, wie man sich vorstellen kann, durch einfache Mausbewegungen sehr vielschichtige Änderungen der Musik bewirkt werden können.

Es fehlen nun noch die Speichermöglichkeiten. Als erstes gibt es hier das ‘Snapshot Window’. Hier können beliebige Kombinationen der ‘Groups', die man auf der Seite erstellt hat, in 26 verschiedenen Speichern abgelegt und bei Bedarf wieder abgerufen oder auch ediert werden. Hierbei darf man jedoch nicht vergessen, daß nur Parameter abgespeichert werden. Da es sich dabei teilweise um Wahrscheinlichkeiten handelt, können aus demselben ‘Snapshot' u.U. leicht unterschiedliche Ergebnisse folgen.

Die übergeordnete Funktion, die die von 'M' produzierte Musik in Echtzeit speichert, ist die 'Movie'-Funktion, die sich im ‘Global Control Window’ befindet. Wird sie aktiviert, speichert sie eine Zeitlang (abhängig vom noch freien Speicherplatz des ST) die Musik, die sich durch beliebige Aktionen ergibt, d.h. z.B. Umschalten von ‘Groups’, Abrufen von ‘Snapshots', aber auch wilde Dirigierbewegungen im ‘Conducting Grid’. Ist der 'Movie' zur Zufriedenheit gelungen, läßt er sich im MIDI-File-Format, das sich inzwischen immer mehr zu einem Standard entwickelt, abspeichern, und in jedem Sequencer weiterverwenden, der dieses Format lesen kann. Alle wichtigen Funktionen in 'M' können übrigens wahlweise per Maus, Computer- oder MIDI-Tastatur bedient werden, was, wenn man einmal mit dem Programm vertraut ist, natürlich sehr zum schnellen und bequemen Arbeiten beiträgt.

Bild 2: ‘M’-Pattern Group Editor

Ludwig

Ludwig wird mit einem ziemlich umfangreichen, gut verständlichen englischen Handbuch sowie zwei Disketten geliefert. Auf der einen befindet sich das Programm, auf der anderen eine Sammlung diverser Patterns aus verschiedenen Musikrichtungen, die, wenn man selber nichts einspielen möchte oder kann, als Grundlage für eigene Kompositionen dienen können. Der Kopierschutz funktioniert ähnlich wie bei ‘M’, d.h. Kopien sind nur lauffähig, wenn kurzzeitig die Originaldisk eingelegt wird, oder wenn eine Hybrid Arts-Sync Box an den ST angeschlossen ist. Gleich zu Anfang beschert das Handbuch denjenigen, die bei Ludwig an einen ganz bestimmten Komponisten des 18./19. Jahrhunderts gedacht haben, eine herbe Enttäuschung, denn, wie man erfährt, ist das Programm eigentlich nur nach dem gleichnamigen Hund des Hybrid Arts R&D directors benannt. Doch nun zu (noch) wichtigeren Dingen.

Nach Start des Programms erscheint der Mainscreen, der auf den ersten Blick ziemlich furchterregend wirkt, weil man nur ratlos auf lange Kolonnen von Zahlen und obskuren Zeichen blickt. Aber auch hier ist es wieder so, daß sich der Nebel schnell lichtet, wenn man erst einmal das grundlegende Prinzip durchschaut hat:

Die oberste Ebene bilden, vergleichbar einem Sequencer, die Spuren, die hier erfreulicherweise auch ‘Tracks' genannt werden. Von den 8 Spuren, die Ludwig zu bieten hat, werden immer 4 gleichzeitig durch untereinanderliegende Windows dargestellt. Die Darstellung beliebiger anderer Spuren erfolgt durch Anklicken der Tracknummer.

Jeder der 8 ‘Tracks’ ist wieder unterteilt in 'Pitch' (= Tönhöhen), ‘Rhythm' (klar) und 'Velocity’ (= Dynamikwerte). Pro 'Track' kann man immer nur eine dieser 3 Komponenten sehen und auch edieren. Die Umschaltung untereinander erfolgt durch Anklicken des Feldes, das sich unter der Tracknummer befindet. Was nun mit der Tonhöhe, dem Rhythmus oder der Lautstärke passieren soll, bestimmen sogenannte 'Cells’. Das sind die oben genannten Zahlenkolonnen, die den größten Teil der Track Windows füllen. Diese ‘Cells’ werden beim Abspielen oder Erstellen einer Komposition zeitlich durchlaufen. ‘Pitch' und Rhythm’ können jeweils bis zu 1024 ‘Cells’ enthalten. ‘Velocity’ höchstens 32.

Jede ‘Cell’ besteht wiederum aus einem ‘Operator und einem ‘Operand’ (keine Angst, das war die letzte Unterteilung). Der ‘Operator' ist ein Buchstabe oder ein Zeichen. Er bestimmt, was gemacht werden soll, z.B. Transponieren, Wiederholen usw.. Der ‘Operand' ist ein jeweils dazugehörender Zahlenwert. Er bestimmt, wie etwas ausgeführt werden soll, d.h. wieviel transponieren, wie oft wiederholen usw..

Der einfachste aller Operatoren führt einen dann auch gleich zur Eingabemöglichkeit für das musikalische Grundmaterial. Es ist der Buchstabe ‘U’ (user defined) und hat einfach nur die Funktion bestimmte Pattern unverfälscht abzuspielen. die man zuvor eingegeben hat. Der ‘Operand’ bestimmt in diesem Fall nur, welches Pattern gespielt werden soll (bis zu 96 verschiedenen Patterns sind möglich).

Man kann wahlweise ‘Pitch’- oder ‘Rhythm'-Patterns aufnehmen oder auch beide kombiniert. Um z.B. eine Tonfolge im Pattern 01 aufzunehmen, begibt man sich in die ‘Pitch' Ebene einer Spur, ändert den ‘Operand' unter einem ‘U' auf 01 und klickt ihn dann mit gehaltener Shift-Taste an. Es öffnete sich ein Fenster, der sogenannte ‘Pitch Editor' Hier können nun bis zu 32 Akkorde oder Einzeltöne eingegeben werden, entweder durch bloßes Anklicken der dargestellten Notennamen oder durch Einspielen auf einer angeschlossenen MIDI-Tastatur. Hat man etwas eingespielt, werden die entsprechenden Notennamen umrahmt und können nach Belieben auch gleich ediert werden. Ähnlich verhält es sich im ‘Rhythm Editor’. Man kann bis zu 32 Notenwerte eingeben, wobei ein Wert entweder eine Note oder eine Pause darstellen kann. Die graphische Eingabe erfolgt durch Anklicken der einzelnen Notenwerte. Die Aufnahme in Realtime erfolgt durch Einspielen zu einem laufenden Metronom, wobei Tempo, Vorzähler und Quantisierung wählbar sind. Mit der ‘Link'-Funktion kann man jeweils ein ‘Rhythm’- und ein 'Pitch'-Pattern koppeln, d.h. es wird immer jeweils eine Tonhöhe dem entsprechenden Notenwert zugeordnet. Aktiviert man die ‘Link’-Funktion vor der Aufnahme, kann man gleich Melodien oder Akkorde mit einem bestimmten Rhythmus einspielen, und Ludwig verteilt die Ton- und Rhythmuswerte gleich an die entsprechenden Patterns. Hat man auf diese Weise ein oder mehrere Patterns erstellt, kann man diese auf dem Mainscreen mit Hilfe der ‘Cells’ manipulieren. Es gibt ‘Operators’, die nur speziell für Rhythmus oder Tonhöhe nutzbar sind neben solchen für beide Komponenten. Im folgenden möchte ich stellvertretend die Funktion einiger ‘Pitch Operators' kurz beschreiben, um einen kleinen Einblick in die Möglichkeiten zu geben.

'<‘ ‘>': Start und Endpunkte von Schleifen (auch geschachtelt) 'RF': Spiegelung von Tönen '?': komplexe Zufallsfunktion mit 12 Unterfunktionen 'HL‘: nur den höchsten oder niedrigsten Ton eines Akkordes spielen 'E0’: nur gerade oder ungerade Töne spielen 'TA’: bestimmte Töne abschneiden 'X': benachbarte Töne austauschen 'DU’: diatonisch (= um Tonleitereigene Töne) transponieren 'CU': chromatisch (= um Halbtöne) transponieren 'I': Akkorde umkehren 'M’: benachbarte Töne oder Akkorde mischen 'HA’: Melodien harmonisieren '+': Ermöglicht es, auf bis zu 32 der folgenden Operatoren gleichzeitig einzuwirken.

Sehr interessant ist die Möglichkeit einiger Operatoren, diatonische Veränderungen der Melodie oder der Akkorde herbeizuführen. Hierfür können unter dem Menüpunkt ‘Scales' bis zu 8 verschiedene Dur - oder Molltonarten bestimmt oder sogar selbsterdachte Tonleitern definiert werden. Veränderungen werden nur mit dem Tonmaterial dieser Skalen gestaltet, was natürlich musikalisch meist besser nutzbar ist als völlig zufällige Veränderungen.

Es gibt insgesamt 31 ‘Rhythm'- und 29 ‘Pitch’-Operatoren. Bedenkt man nun noch, daß jeder einzelne durch verschiedene ‘Operand' Werte beeinflußt werden kann, wird klar, wie umfangreich und komplex die Möglichkeiten hier sind. Um trotzdem die Benutzung der vielen verschiedenen Operatoren etwas zu vereinfachen, bietet Ludwig eine kleine Hilfe an: Will man einen ‘Operator' ändern, klickt man ihn einfach an. Darauf öffnet sich ein Fenster, in dem alle möglichen ‘Operators’ mit einem erklärenden Kurznamen aufgelistet sind. Klickt man den gewünschten ‘Operator' an, schließt sich das Fenster, und der alte ‘Operator' ist durch den neuen ersetzt.

Da es natürlich wünschenswert ist, bei laufender Musik alle Änderungen in Echtzeit vornehmen zu können, das andererseits aber bei der Komplexität der hier ablaufenden Vorgänge schwierig zu realisieren ist, hat man einen, wie ich finde, recht gut funktionierenden Ausweg ersonnen: Bei Ablauf der Musik sieht man in jedem Track zwei Pfeile durch die einzelnen ‘Cells’ wandern. Der untere Pfeil zeigt die ‘Cell’ an. die das augenblicklich zu Hörende produziert. Der obere Pfeil eilt dem unteren immer etwas voraus und zeigt an, wo das Programm gerade vorbereitend Daten berechnet. Nimmt man nun Änderungen an den ‘Cells’ vor, hört man diese nur sofort, wenn man damit fertig ist, bevor der vorlaufende Pfeil diese Position erreicht hat. Wenn nicht, wird die gemachte Änderung erst beim nächsten Durchlauf hörbar.

Bild 3: Ludwig-Hauptseite mit dem möglichen Operationen für Rhythmusserien

Nun fehlt als dritte Ebene noch die Velocity. Hier verhält es sich glücklicherweise nicht ganz so aufwendig und kompliziert wie bei 'Pitch' und 'Rhythm'. Die 32 'Cells' der 'Velocity' bestehen nur aus 8 verschiedenen Dynamikstufen von ppp (pianissimo) bis fff (fortissimo). Die Zuordnung dieser Stufen zu bestimmten Velocitywerten kann für jede Spur getrennt erstellt werden. Da es im Vergleich zu den 1024 ‘Pitch'- und 'Rhythm'-'Cells' nur 32 Positionen für den Dynamikablauf gibt, ist klar, daß diese nicht im gleichen zeitlichen Raster wie die anderen 'Cells' abgerufen werden. Die 32 Positionen korrespondieren vielmehr mit den 32 möglichen Akkorden. Tonhöhen oder Tonlängen der ‘Pitch'- oder ‘Rhythm'-Patterns. Ob sie mit 'Pitch', 'Rhythm', mit beiden oder auch mit keinem der beiden parallel lauten, läßt sich mit der 'Sync'-Funktion bestimmen. Außerdem läßt sich wählen, ob jede nächste Velocityposition mit jedem Ton - oder auf einer bestimmten Zeitbasis abgerufen werden soll oder ob Pausen übersprungen werden sollen. Um dem Ganzen noch mehr Lebendigkeit zu verleihen, kann man einen Velocitywert wählen, der zufällig addiert oder subtrahiert wird, und man kann in einer Tabelle bestimmte Tonhöhen oder Tonlängen bestimmen, die zusätzlich betont werden sollen.

Um 'Velocity' mit ’Pitch' und 'Rhythm' zu synchronisieren, hat man also einige Möglichkeiten. Um bei Melodie und Rhythmus zu vermeiden, daß ständig der eine nicht weiß, was der andere tut, gibt es noch die 'Master/Slave'-Funktion. Hier kann für jede Spur separat bestimmt werden. ob sich die Synchronisation der Rhythmuspatterns nach der Melodie richten soll oder umgekehrt.

Bei den einzelnen Spuren findet man schließlich noch all das, was man auf dieser Ebene von guten Sequencern kennt, d.h. ‘Mute' (An- und Abschalten einzelner Spuren). 'Solo' (nur eine bestimmte Spur spielt) und sogar 'Unsolo' (alle Spuren, außer einer bestimmten, spielen). Außerdem kann für jede Spur ein MIDI-Soundchange-Befehl gesendet werden, der später auch mit abgespeichert wird.

Alles, was sich während eines Musikdurchlaufs ereignet, wird in einem 'Play-Buffer' zwischengespeichert. Erfreut sich also eine gerade abgespielte Passage allgemeiner Begeisterung, so kann sie durch Aktivieren des Play-Buffers' erneut abgehört oder aber direkt als Song-File abgespeichert werden. Die weitere Verwendung dieses Files ist leider nur in einem Hybrid Arts-Sequencer möglich. Mit Hybriswitch. einer Shell für Hybrid Arts-Musiksoftware, ist es auch möglich, ohne Beenden des Programms gleich in den Sequencer hinüberzuwechseln und dort das gerade Erschaffene weiter zu bearbeiten. Das ist zwar sicherlich sehr hilfreich und bequem für Besitzer von Hybrid Arts-Sequencern, aber man sollte meiner Meinung nach die Käufer eines Programms nicht zwingen wollen, gleich noch ein zweites Programm derselben Firma zu erstehen. Es bleibt zu hoffen, daß die Möglichkeit der Speicherung im MIDI-File-Format im nächsten Ludwig-Update nachgeliefert wird.

Bild 4: Tonhöhen-Patterns in Ludwig

Who’s best?

Die Frage danach, welchem Programm denn nun der Siegerkranz gebührt, ist hier, wie so oft, nicht so eindeutig zu beantworten. Es dürfte mittlerweile klargeworden sein, daß sich beide Programme in Aufbau und Konzept deutlich voneinander unterscheiden. 'M' halte ich eher empfehlenswert für Leute, die gerne mit der Musik spielen und herumexperimentieren. Es läd eher dazu ein, einfach etwas auszuprobieren, ohne vorher weitreichende Überlegungen anzustellen. Mit Hilfe des 'Conducting Grids' läßt sich auch durchaus eine Liveanwendung in Form einer Performance o.ä. vorstellen. Jeder weiß, wie schwer es ist, Musik in Worte zu fassen. Aber ich denke, es zeichnen sich doch bestimmte Richtungen für die Musik ab, die die beiden Programme produzieren: 'M' ‘klingt' meiner Meinung nach statischer, mehr nach Computermusik im herkömmlichen Sinne. Die Veränderungen, die hier erzielt werden, bewegen sich mehr auf der Ebene eines sehr aufwendigen Arpeggiators, was für bestimmte Musikrichtungen durchaus nicht negativ ist. Die Tatsache. daß im Gegensatz dazu Ludwig seinem Konzept nach viel mehr Wert auf den zeitlichen Ablauf legt, wird schließlich auch in der Musik hörbar. Die Ergebnisse sind strukturierter und erlauben auf kompositorischer Ebene tiefgreifendere Veränderungen. Ludwig ist von beiden Programmen wohl eindeutig das komplexere. Das gestattet einem einerseits natürlich mehr Möglichkeiten, andererseits findet man sich mitten in seinem kreativen Prozeß oftmals dabei wieder, gerade im Handbuch nachzublättern, um herauszufinden, was z.B. die erste Zahl des ‘Operands' für den Operator ‘HB' bewirkt. Um mit Ludwig brauchbare Ergebnisse zu erzielen, muß man sich einige Zeit sehr intensiv mit dem Programm beschäftigen. Man sollte, bevor man etwas tut, immer wissen, was es bewirkt, weil man sich sonst schon nach wenigen Minuten in ein unentwirrbares musikalisches Chaos verstrickt hat.

Sowohl ‘M' als auch Ludwig sind in ihrer Form sicherlich für viele Anwender und Anwendungsfälle eine sinnvolle Hilfe. In bezug auf Konzept und Benutzer-Oberfläche könnte ich mir jedoch noch einige Verbesserungen vorstellen. Ideal wäre es meiner Meinung nach, die positiven Elemente beider Programme zu vereinen: die spielerischen Züge von ‘M’ und die musikalisch sinnvolle Verknüpfung einzelner Parameter wie z.b. diatonische Variationen von Ludwig. Ob es findigen Programmierern jemals gelingen wird, Composer Software so etwas wie Inspiration einzuhauchen, bleibt die eine Frage. Ob es überhaupt wünschenswert wäre, die andere.

R. Kleinermanns

Bezugsadressen:

M
Intelligent Music P O. Box 8748 Albans. NY 12208 USA

Ludwig
Hybrid Arts GmbH Lindenscheidstr 1 6230 Frankfurt 80



Aus: ST-Computer 03 / 1989, Seite 68

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