Gadget-Soundsampler - Der Klangkünstler

Nachdem der ST der Computer in der MIDI-Musikszene geworden ist, wurde es Zeit, daß sich auch hei den Samplern etwas tut. Mit seinem groben Arbeitsspeicher und dem schnellen 68000er-Prozessor scheint der ST dieser Aufgabe auch durchwegs gewachsen. Ein Computer ist allerdings nur so gut wie seine Software. Beim Digitalisieren von Klängen ist es wenig sinnvoll, die einkommenden Daten nur zu speichern, um sie dann wieder auszugeben. Vielmehr wird es erst interessant. wenn man die Daten im groben Umfang manipulieren kann. Welche Möglichkeiten der seit einiger Zeit angebotene Gadget, der komplett aus Software und Hardware besteht, bietet, wollten wir für unsere Leser herausfinden.

Die Hardware

Die zum Samplen benötigte Hardware besteht aus einer recht handlichen Box, die computerseitig Anschluß an die Druckerschnittstelle, die zum Datenaustausch herhalten muß, und an den Joystickport, aus dem die 5 Volt Versorgungsspannung bezogen werden, findet. Zum Anschluß an ein Audiogerät stand uns ein Kabel mit vier Chinchsteckern zum Anschluß an jeden gewöhnlichen Verstärker zur Verfügung. Das einzige Bedienelement an der Schachtel ist ein kleiner Drehregler, der der Aussteuerung dient. Er sitzt zwar etwas ungünstig neben einem Kabelausgang, so daß man beim Drehen etwas behindert ist. Aber da eine Nachjustierung nur selten nötig ist, kann man dieses Manko getrost vergessen. Der einzige Kritikpunkt ist der unzureichende Aussteuerungsbereich. Bei unserem Testgerät, in Verbindung mit einem Sharp Radiorecorder, konnten die Daten nur zu ca. 70% ausgesteuert werden, wodurch doch einiges an Klanginformation verlorengeht.

Gadget ist ein schneller 8 Bit-Sampler, der ohne externen Schalter digitalisieren und die bearbeiteten Daten wieder ausgeben kann. Bei der Arbeit mit ihm kann die Box also weit weg oder unter dem Tisch verstaut werden, nur die Stereoanlage sollte in greifbarer Nähe stehen, denn sie erkennt nicht automatisch, welcher Eingang zu bedienen ist. Wenn ich Stereoanlage sage, meine ich nicht, daß Gadget etwas mit Stereoton im Sinn hat. Da der Soundsampler aber an die Tonqualität von HiFi-Kassettenrecordern heranreicht, sollte die gewonnene Tonqualität nicht durch einen schlechten Verstärker gemindert werden.

Das Programm...

... besitzt eine klar gegliederte Benutzeroberfläche, die völlig ohne Menüleiste auskommt, so daß alle Bedienelemente übersichtlich, in Funktionsgruppen auf-geteilt. auf dem Bildschirm dargestellt werden. Die Funktionsgruppen sind von oben:

Ganz oben am Bildschirm ist noch eine Informationszeile dargestellt, die Auskunft über die Lage des gerade aktiven Blockbereiches im gesamten Speicher und die Position der Schieberegler im Klartext gibt.

Ein Block stellt immer den Bereich dar, auf den sich die Operationen beziehen sollen. Dargestellt wird er im grafischen Bereich durch zwei gestrichelte Linien, die einmal durch die 'Tasten', die an schnellen Vor- bzw. Rücklauf von Recordern erinnern, zum anderen durch die Maus auf die gewünschte Position gesetzt werden können. Durch ‘Zoom ein’ wird der Block auf Bildschirmbreite vergrößert, so daß eine genauere Ausgabe des analogen Verlaufs der gespeicherten Informationen erfolgt. Werden die Blockmarkierungen verschoben, gibt die Statuszeile sofort die Größe des Blockes in Sekunden aus. So ist ein sehr genaues Timing einzuhalten, und man weiß im voraus, wie lange man z.B. auf das Einlesen eines neuen Musikstückes warten muß. Die Zeit ist natürlich auch von der Samplefrequenz abhängig, die durch einen der Schieberegler eingestellt wird. Bemerkenswert ist die hohe Abtastrate von maximal 44 kHz - 44000mal pro Sekunde wird die angelegte Spannung in einen digitalen Wert gewandelt und in den Speicher transferiert. Zumindest die Abtastrate entspricht denen der CD-Player, wobei diese allerdings mit einer Auflösung von 16 Bit arbeiten und zumeist auch noch ein vierfaches Oversampling vollziehen. Ihre Klangqualität wird also nicht erreicht.

Das Arbeitsfeld von Gadget

Daß bei dieser Abtastrate der Speicher nicht für lange Samples ausreicht, dürfte klar sein. Für unsere Aufgaben genügen aber auch 20 kHz, womit Tonfrequenzen bis 10 kHz gut dargestellt werden können.

Zur Aufnahme wird der Rec-Button mit der Maus aktiviert. Je nach Einstellung beginnt die Digitalisierung sofort, oder die ankommenden Geräusche werden erst auf dem Monitorlautsprecher ausgegeben, und bei Betätigung der Spacetaste wird die Übertragung in den Speicher gestartet. Daß das Samplen durch Drücken der ESC-Taste zu unterbrechen ist, ist sehr nützlich, wenn z.B. ein falscher Block gewählt wurde, sind so wenigstens noch Teile der Daten zu retten. Wird der Block nun wieder ausgegeben, und steht die Stereoanlage in greifbarer Nähe, so daß auf Eingang umgeschaltet werden kann, hört man die gleichen Töne wie vor einer Minute noch einmal aus der Stereoanlage. Ansonsten wird der Sound nur auf dem Monitorlautsprecher in schlechter Qualität ausgegeben. Die Qualität des Monitorlautsprechersignals liegt aber nicht in den Händen der Programmierer, vielmehr muß der Soundchip über Tabellen mit Lautstärkewerten zur Ausgabe überredet werden. Dafür existieren aber auch nur sechs Bit, also kann kein guter Klang entstehen.

Wurde vor der Ausgabe die Stellung des Frequenzreglers geändert, hat man auch schon die erste Verfremdung vorgenommen. Entweder ertönt es schneller und höher oder langsamer und tiefer. Um nach mißglückter Manipulation die Daten nicht immer wieder von der Floppy holen zu müssen, können Blöcke sehr einfach kopiert, eingefügt oder ersetzt werden.

Dabei kann die Quelle ein Speicherbereich oder eine Floppydatei sein. Störend beim Einfügen ist nur, daß sich die Bereichsgrenzen nicht anpassen. Ist der hineinkopierte Block größer als der zu ersetzende, wird er einfach auf die gegebene Größe gekürzt. Um trotzdem Blöcke nahtlos aneinanderfügen zu können, muß in den Sequenzmodus geschaltet werden.

Die einfachste, aber trotzdem sehr effektvolle Funktion ist das Spiegeln der Daten. Dabei wird der Speicher nicht einfach von hinten nach vom durchgearbeitet, vielmehr werden die Daten im Speicher verdreht. Den entstehenden Sound können Sie sich ja vorstellen. Bei den weiteren Funktionen sollte schon das Handbuch zu Rate gezogen werden, da es nicht mehr damit getan ist, einfach auf einen Button zu drücken.

Das Ein- bzw. Ausblenden eines Blockes ist noch eine einfache Aufgabe. Dabei werden die Daten linear von Blockgrenze zu Blockgrenze mit Werten von Null bis Eins multipliziert, die Lautstärke wird also linear geändert. Durch die Möglichkeit, Blöcke zu mischen, sind schöne Überblendeffekte anstatt ruppiger Übergänge möglich. Da bei solchen Rechenmanövern immer etwas Information verlorengeht, sollte man mit den Aufrufen vorsichtig umgehen. Da nach meinen Erfahrungen bei allen Rechnungen auch einiges an Amplitudenauslenkung verlorengeht. ist die Verstärkung der Signale unumgänglich. Der Faktor, mit dem die gespeicherten Werte multipliziert werden, kann stufenlos zwischen Null und Zwei eingestellt werden. Dazu dient - wie könnte es anders sein - der Volumenregler am rechten Bildschirmrand. Es sind also auch 'negative' Verstärkungen möglich.

Etwas komplexer ist meine Lieblingsfunktion, die Erzeugung eines Echos oder Halls. Als Einstellung ist die Zeit, bei der die Rückkopplung einsetzt, und die Lautstarke des Echos erlaubt. Bei kleinen Lautstärken und Zeiten klingt ein Nachrichtensprecher aus dem Radio, als stünde er in der Kanzel einer großen Kirche. Es wirkt also nicht so steril wie normal. Für Musik sind wohl etwas größere Zeiten brauchbar. Mir kommt dann auch die perfekteste Studioaufnahme wie ein Livemitschnitt vor.

Das Ganze läßt sich auch mit einem Tremolo unterlegen. Dabei schwingt im Gegensatz zu Vibrato nicht die Frequenz des Tones, sondern die Amplitude, also die Auslenkung der Schwingungen bzw. der Lautstärke. Auch bei dieser Funktion sind mehrere Einstellungen nötig, um vernünftige Ergebnisse zu erzielen. Wie bei allen komplexeren mathematischen Algorithmen kann das Handbuch eine erste Hilfestellung geben, gute Ergebnisse lassen sich aber nur durch ausgiebige Tests erzielen.

Einstellung der Hüllkurvenparameter

Das Minispeicheroszilloskop...

... ist optional aufrufbar und dient vor allem der Aussteuerung. Da es auf Tastendruck den analogen Verlauf des eingegangenen Signals auf dem Bildschirm einfrieren kann und dabei ein Raster unterlegt, kann es eventuell auch für andere Aufgaben mißbraucht werden.

Freunde synthetischer Klänge werden von Gadget nicht vergessen, eigentlich sind für diesen Bereich die mächtigsten Befehle implementiert. Was wird alles gebraucht, um einen Klang zu erzeugen? Zuerst einmal ein Wellengenerator. Er kann die Grundschwingungen, also Rechteck-, Sägezahn und Sinuswellen und zusätzlich auch ein Rauschen erzeugen. Ein Wellengenerator allein bringt allerdings nur einen faden Ton zustande, darum brauchen wir noch einen Hüllkurvengenerator. Dieser ist für den Lautstärkeverlauf des Tones zuständig. Wer Genaueres über Hüllkurven wissen möchte, sollte sich Unterlagen zu dem Soundchip im ST anschauen, da steht einiges drin, allerdings auch nur oberflächlich. Da meine Kenntnisse der Klangtheorie auch nicht sonderlich gut sind und im Handbuch auch nur Hinweise zur Programmbedienung stehen, ist wohl der Erwerb zusätzlicher Literatur nötig.

Die nächste Funktion müßte in der Lage sein, selbst Geigenklänge zu erzeugen. Sie nennt sich Additive Synthese. Mit ihr können bis zu acht Hüllkurven angegeben werden, die den Verlauf der ‘Obertöne' bestimmen (Obertöne sind Vielfache der Grundfrequenz, deren Intensität und Beschaffenheit das Klangbild z.B. eines Musikinstrumentes ausmachen. Deswegen klingt auch ein A auf einer Geige anders als auf einem Baß). Da das Handbuch weder Information noch Beispiele liefen, muß wohl einiges an Zeit investiert werden, um zu anständigen Ergebnissen zu kommen.

Rauschfrei

Um die so erzeugten Klänge auch rauschfrei abspielen zu können, lassen sich zwei digitale Filter aufrufen. Es sind ein Sessel- und ein Butterworthfilter. Natürlich kann man mit ihnen nicht nur Rauschen herausfiltern, sondern auch andere Frequenzbereiche. Wie immer geht Probieren über Studieren, denn die Ergebnisse stimmen nicht immer mit den Erwartungen überein. Mit etwas Übung sollten aber keine Rechteckschwingungen mehr aus den gesampleten Musikstücken werden. (Sie wurden aus mir unerklärlichen Gründen auch nur selten erzeugt.)

Bestimmung der Wellenform

Der Nachwelt erhalten...

... und geladen werden die Klänge mit den reichhaltigen Diskettenbefehlen, die über die Box links unten aufzurufen sind. Hier können auch Klänge nahtlos in bereits gespeicherte eingefügt werden. Als sehr nützlich hat sich die Möglichkeit zum Laden und Speichern aus einem bzw. in ein bereits bestehendes File erwiesen. Somit ist es nicht nötig, eine Sequenz komplett zu laden, und dann nach den gewünschten Teilen zu suchen. Ist die Position in der Datei ungefähr bekannt, kann dieser Teil direkt geladen oder auch überschrieben werden. So können auch 512 kByte-Rechner mit Files, die die ganze Diskettenkapazität beanspruchen, arbeiten.

Da vor allem bei Mega STs der Arbeitsspeicher größer als die Diskettenkapazität ist, also mitunter mehrere Disketten gebraucht werden, um den Speicher zu sichern, die dann meist nicht formatiert sind, stellt Gadget auch eine Formatieroption zur Verfügung. Sie ist recht flexibel und kann sogar bis auf 86 Tracks und zehn Sektoren eingestellt werden.

Einbinden in eigene Programme

Die so erzeugten Sounds können natürlich auch aus selbstgeschriebenen Programmen abgespielt werden. Dazu wird zum einen ein Lader in GFA-BASIC mitgeliefert, zum anderen ist der genaue Fileaufbau beschrieben, mit dem es möglich sein sollte, die Ausgaberoutinen selbst in anderen Sprachen als BASIC zu schreiben.

Alles in allem...

... ist das Programm wohl das beste, das ich auf diesem Sektor jemals gesehen habe. Es kann auch ohne Sampler gut genutzt werden, allerdings ist es nicht ohne erhältlich. Wünschenswert wäre ein ausführlicheres Handbuch, das auch auf die Klangtheorie eingehen müßte. Mehr konkrete Beispiele würden auch nicht schaden. Hätte ich den Sampler noch voll aussteuern können, wäre ich voll zufrieden gewesen.

ws

Bezugsadresse

Sophisticated Applications Computertechnik GbR Friedrich-Ebert-Allee 2 2870 Delmenhorst



Aus: ST-Computer 02 / 1989, Seite 17

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