Der neue 48-Nadeldrucker von EPSON - Begegnung der 48. Art

Der 48-Nadeldrucker Epson TLQ-4800

Auf allen möglichen Computermessen hat er sich schon herumgetrieben, bald wird er wohl auch zu haben sein, der neue EPSON TLQ-4800. Was an ihm dran ist, wollen wir jetzt etwas naher beleuchten.

Da steht er nun vor mir. Gewichtig der zukünftigen Aufgaben harrend, die da auf ihn zukommen werden. Die Rede ist vom EPSON TLQ-4800, dem ersten 48-Nadeldrucker der Welt.

Die Meinungen über diese Drucktechnik gehen natürlich auseinander. Wahrend die einen sagen “Wollen die stricken oder drucken?", argumentiert man auf der anderen Seite natürlich mit Durchschlägen in hoher Druckqualität. Eines ist jedoch sicher: Die gesamte Mechanik und Drucktechnik ist ein Kunstwerk, vor dem man Respekt haben muß.

Als die 24-Nadeltechnik eingeführt wurde, reduzierte man den Nadeldurchmesser drastisch. Mit der Einführung des 48-Nadlers kommt man von 0,20 auf 0,17 mm, was sich zwar nicht sehr spektakulär anhört, aber schon eine Verbesserung darstellt, wenn man die Konsequenzen sieht, die sich daraus ergeben.

Die Druckauflösung kann verbessert werden, da die Nadeln sich vollständig überlagern.

Auf dem Druckkopf befinden sich vier Reihen mit je zwölf Nadeln. Sie sind schräg nebeneinander angeordnet, so daß man mit einem Druckdurchlauf eine Auflösung von 360*360 Punkten pro Zoll erreicht. Das erreichen 24-Nadler nur dann, wenn ein zweiter Druckdurchgang über die gleiche Zeile erfolgt, wobei 1/360 Zoll vertikal und horizontal vorgeschoben werden muß. Die dabei auftretenden Ungenauigkeiten entfallen beim 48-Nadler.

In der Zeichnung erkennt man. daß jedem Druckpunkt jeweils ein weiterer Punkt folgt, der diesen zur Hälfte überlagert. Horizontal werden die Punkte genauso versetzt, so daß immer genau ein Viertel einer Nadel überlagert ist. Dadurch kann man die “Treppchen", die am Rand einer Kurve oder schrägen Linie naturgemäß auftreten auf 1/360 Zoll begrenzen, was eben genau so klein ist, daß man es nicht mehr als “Treppchen" wahrnimmt.

Des weiteren ist es natürlich eine Geschwindigkeitsfrage, ob man eine Zeile mit einem Durchlauf oder mit zwei Durchläufen druckt.

In diesem Zusammenhang ist es auch nicht sehr überraschend, wenn der TLQ standardmäßig Zeichensätze eingebaut hat, die diese Auflösung ausnutzen.

Der TLQ ist ein Profidrucker, das unterstreicht auch sein Preis, der mit 5498.-DM wohl in der Laserdruckerklasse liegen wird. Man darf aber nicht vergessen, daß es Anwendungen gibt, die einen Laserdrucker ausschließen (Durchschläge, Endlosetiketten, Dokumentenechtheit etc.). Man denke an eine Rechtsanwaltspraxis oder an CAD-Einsatz mit A3-Format.

Genau hier liegt natürlich noch ein Bedarf für richtig gute Druckqualität, wobei der Laserdrucker eben nicht akzeptiert werden kann, weil der Durchschlag nicht zu erzeugen ist oder ein A3-Laser eben doch wesentlich teurer ausfällt. Spätestens bei einem Gutachten ist die Forderung nach guter Schrift konkret da.

Doch nun zur Praxis. Meine erste Idee war natürlich ein Selbsttest. Da ich Handbücher meist nicht lese, um herauszufinden, ob der Umgang mit dem Gerät logisch ist, kommt also erst mal ein Blatt her und rein damit. Moment! Da stimmt was nicht, ich muß erst vom eingebauten Traktor auf das Einzelblattpapier umschalten. Verzweifelt suche ich einen Hebel dafür, bis mein Auge magisch an einer Taste haften bleibt, die mit “Paper Select" beschriftet ist. Der Forscherdrang ruft, also schalte ich ein, und nach einigen Bewegungen des Druckkopfes und etwas Herumgeklappere, das alles - wie sich später her ausstellt - einen Sinn hat, meldet mir der Drucker mit Piepsen und verschmitzt leuchtendem Display sowie einer roten Lampe Paper out“. Das Display, das mir das mitteilt, wird von hinten beleuchtet. Ein feiner Zug von EPSON, denn man kann es wohl in jeder Situation ablesen, und das zählt.

Mit einem Druck auf "Paper Select“ verschaffe ich meiner Neugier Befriedigung und erschrecke gleichzeitig, weil der Drucker innendrin den gesuchten Hebel offensichtlich gerade umgelegt hat. Es sind vier Papierarten vorgesehen, nämlich endlos, Einzelblatt manuell und zwei automatische Einzelblatteinzüge. Der Zweischachteinzug kostet übrigens 1300.- DM.

“Hübsch!”, denke ich, lege ein Blatt ein und drücke auf “Load”, was der Logik ja nicht entbehrt, und brav holt er sich das Blatt, das ich ihm anbot.

Was er noch so alles dabei macht, ist wirklich interessant. Wie oben schon gesagt, fährt er den Druckkopf hin und her. Damit stellt er fest, wie breit das Papier ist. Das macht er mit einem optischen Element am Druckkopf. Wenn man nun während des Selbsttests ein Blatt quer einlegt, druckt er also breit, und kommt dann wieder ein längs eingelegtes, druckt er wieder schmal. Ehrl ich gesagt, der erste Drucker, den ich kenne, der nicht blind ist, und der im Verlaufe des Tests nicht auf die Walze druckt.

Wer mit soviel Intelligenz protzt, den will man natürlich reinlegen. Wenn’s mit der Papierbreite schon nicht klappt, dann wenigstens mit der Führung.

Beim Einlegen des Blattes wird die Führungsstange automatisch nach vorne geklappt. Nach Bedrucken der ersten Zeilen, was natürlich etwas vorsichtiger vor sich geht, klappt sie automatisch vor. und die volle Geschwindigkeit kommt an den Tag.

Ich versuche ihn jetzt also mit einem Manuell-Endlosgemisch zu verwirren. Mir ist aufgefallen, daß er beim Umschalten der Papierart von manuell auf endlos das Einzelblatt erst auswirft und sich dann das Endlospapier aus der Parkposition holt. Da müßte man ihn doch umgekehrt foppen können, wenn man viel Endlospapier mit einem Seitenvorschub nach vorne holt und dann auf Einzelblatt umstellt. Lassen Sie sich's gesagt sein: Meine Enttäuschung war groß! Er hat's gemerkt. Wenn man mehr als drei Blatt nach vorne herausschiebt, hat das einen ganz logischen Effekt. Er versucht beim Umschalten, das Papier nach hinten herauszufahren. Wenn der entsprechende Sensor nach einer gewissen Zeit nicht hochklappen kann, meldet er lapidar mit glänzendem Display “Cannot Back Out” und bleibt natürlich auf der Einstellung Tractor. Erst ein zweiter Druck auf die Umschalttaste, der ihn veranlaßt, weitere drei Seiten nach hinten zu schieben, bringt dann Erfolg. Er hat also gewonnen.

Für das Endlospapier gibt's noch ein Bonbon. Mit Microfeeds (also 1/360 Zoll-Schritten) kann man TOF neu festlegen. Das bedeutet, daß man per Knopfdruck festlegt, wo das Papier nach einem Seitenvorschub stehenbleibt. Unnötig zu erwähnen, daß er bei längerer Betätigung der entsprechenden Taste noch einen zweiten Gang auf Lager hat, mit dem er den Vorgang beschleunigt.

Auch der Druckkopfanschlag kann per Knopfdruck und Display geregelt werden.

Bleibt festzuhalten, daß das Papierhandling intelligent ist und eine sehr praktikable Lösung darstellt.

Mit der Taste SelecType gerät man in den “SelecTypeMode“. In diesem Modus werden die vier Tasten unter dem Display aktiv. Darüber befinden sich nämlich gelbe Leuchtpfeil, und man kann nun per Menü wählen, was man verstellen möchte.

Hauptsächliche Funktion dieses Modus ist die Einstellung von vier Macros, die das Papierhandling erleichtern. Angenommen, Sie verwenden verschiedene Formulare, die Sie nun von verschiedenen Programmen ansteuern. Da ist doch nun eines dabei, das erwartet, daß der Drucker den US-ASCII-Zeichensatz verwendet, während alle anderen mit deutschem Zeichensatz arbeiten. Oder Sie benötigen für ein Formular eine andere Schrift oder einen anderen linken Rand. Kein Problem, Sie definieren das in dem Makro und aktivieren es dann später mit “LOAD MACRO“, das kostet genau 4-5 menügesteuerte Tastenkommandos, und schon paßt alles.

Der Druckknopf des TLQ-4H00. Deutlich sieht man die Nadeln

Mit dem “SelecTypeMode” kann man auch die gegenwärtige Einstellung der Makros ausdrucken oder die Einstellung verändern, die herrschen soll, wenn das Gerät gerade erst eingeschaltet wird.

An Schriftarten beherrscht der Drucker Draft (Schnellschrift), Roman, Sans Serif, Courier, Prestige, Script (eine Art Schreibschrift), OCR-B (maschinenlesbare Codeschrift), OCR-A (die Variante davon, wie z.B. unten auf den Schecks), Orator (eine große Schrift, die über zwei Zeilen geht) und Orator-S.

Die Geschwindigkeit im Draft-Modus liegt bei bis zu 300 Zeichen/ Sekunde (Elite), während eine Schrift wie die Script mit ca. 60-70 Zeichen pro Sekunde zu Papier kommt. Der Papiertransport geht mit bis zu 4 Zoll pro Sekunde auch recht flott. Von daher ist also gegen die Geschwindigkeit nichts einzuwenden. Nach einiger Druckdauer kommt er natürlich ins Schwitzen.

Das Problem bei 48 Nadeln ist nämlich außer der wesentlich größeren Masse des Druckkopfes, die ja ständig beschleunigt und gebremst werden muß, daß auch viel mehr Wärme zu beseitigen ist. EPSONs Lösung leuchtet ein. Neben den Kühlrippen gibt es tatsächlich einen klitzekleinen Ventilator, der recht kräftig auf den Kopf pustet.

Bei den Grundvoraussetzungen stellt sich beim Anschluß an den ATARI natürlich die Frage: Was macht er mit Signum!?

Ergebnis: Die Schnittstelle ist für Signum zu langsam. Wie die Tabelle zeigt...

Drucker Zeit Auflösung
EPSON TLQ 4800 2:30 360* 360
NEC P9XL 1:00 360*180
1:43 360*360
BROTHER HL-8 0:56 300*300

...hat der NEC P9XL die Nase vorn. Zumal man hier noch die Möglichkeit hat, die Auflösung herunterzunehmen, wenn’s nur zur Korrektur sein soll. Der Brother HL-8-Laserdrucker soll nur einen entsprechenden Anhaltspunkt liefern.

Warum ist das so? Rein von der Drucktechnik her könnte der TLQ sicher schneller, das steht außer Frage. Bei dem von uns gewählten Dokument sind jedoch ca. 400 KB Daten zu übertragen. Das bedeutet, daß der Drucker immer etwas warten muß, bis genug Daten für eine Druckzeile vorhanden sind, wenn die Schnittstelle nicht schnell genug überträgt.

Signum! Druckprobe 48-Nadler
Signum! Druckprobe 24-Nadler

Eigentlich schade, da der Drucker sonst ein ideales Ausgabemedium für Signum hergegeben hätte und durchaus Chancen bestehen, an die Geschwindigkeit des Laserdruckers heranzukommen. Die erreichte Zeit ist natürlich nicht gerade langsam.

Bleibt festzuhalten: Der TLQ-4800 begeistert als mechanisches Meisterwerk.

Er gibt sich robust und ist mit der Grundausstattung bereits für fast alles gerüstet, was da kommen kann. Bei einem Preis von ca. 5500.- DM muß er sich mit Laserdruckern messen. Das heißt, daß einzig und allein die Anwendung entscheidet, ob der Drucker geeignet ist oder nicht. Die Wartungs- und Druckkosten sind sicher geringer als beim Laserdrucker, und die Schriftqualität ist auch nicht das entscheidende Argument, da er sich damit ebenfalls nicht verstecken muß.

EPSON TLQ 4800

Auf einen Blick:
Druckgeschwindigkeit:
Pica: ca. 250 Zeichen/Sekunde
Elite: ca. 300 Zeichen/Sekunde
LETTER: ca. 60 Zeichen/Sekunde
Pufferspeicher: 8 KB
Preis: 5498.- DM
Zweischacht-Einzelblatteinzug optional 1300.- DM
Eingebaut sind serielle Schnittstelle und Centronics-Schnittstelle, 8 Schönschriften und ein Traktor (Schubtraktor).
Zugtraktor optional erhältlich
Kann mit Gewebe- und Carbonfarbband arbeiten.

Liefertermin: Anfang Februar '89


Volker Ritzhaupt
Aus: ST-Computer 02 / 1989, Seite 32

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