CALAMUS: Der neue Stern am DTP-Himmel?

Nun ist er endlich da, lange angekündigt, viel gelobt, von vielen sehnsüchtig erwartet. Die vorliegende Version ist die kleine Ausführung von Calamus, die von ATARI selbst vertrieben wird.

Die Installation

Calamus befindet sich auf zwei Disketten und sollte, um vernünftiges Arbeiten zu ermöglichen, auf einer Harddisk installiert werden. Dazu muß man nur die Dateien und Ordner auf eine beliebige Partition kopieren, am besten in einen Ordner CALAMUS. Danach muß man in Calamus selber nur noch einige Zugriffspfade für Fonts, Grafiken usw. einstellen.

Das Konzept

Calamus ist ein rahmenorientiertes Layout-Programm. Das bedeutet, daß man auf einer Textseite Rahmen (rechteckige Kästen) verteilen kann, die für die Aufnahme der eigentlichen Layoutelemente wie Text, Grafik, Linien o.ä. bestimmt sind. In Calamus gibt es fünf Typen von Rahmen: für Text, Linien, Rasterflächen, Raster- und Vektorgrafiken. Textrahmen gibt es dabei noch in verschiedenen Varianten, für normalen Fließtext, Fußnoten oder auch gedrehten Text.

Rahmen dürfen sich beliebig überlappen. Selbstverständlich läßt sich die Reihenfolge, in der die Rahmen übereinanderliegen, verändern. Es ist aber auch kein Problem, einen Text mit einer Rasterfläche zu unterlegen. Um Bilder in einen Fließtext einfügen zu können, gibt es verschiedene Formatieroptionen, die den Text um einen darüberliegenden Rahmen 'herumfließen’ lassen. Schließlich können Rahmen beliebig zu Gruppen zusammengefaßt und dann gemeinsam bearbeitet werden.

Die Gesamtheit aller leeren Rahmen einer Seite wird in Calamus als 'Seitenlayout’ bezeichnet. Seitenlayouts lassen sich beliebig kopieren, so daß es ein leichtes ist, aus einer ‘Prototyp-Seite’ mehrere gleichartige Seiten zu generieren. Da es aber auch immer Elemente gibt, die auf jeder Seite den gleichen Inhalt haben sollen (zum Besipiel Kopf- oder Fußzeilen), lassen sich beliebig viele Rahmen von einem beliebigen Typ als Stammelemente definieren. Auch Seiten- und Kapitelnummern können in Stammrahmen eingefügt werden.

Das Maß aller Dinge ist in Calamus selbstverständlich einstellbar: Zentimeter, Pica, Cicero oder Inches stehen zur Auswahl, Fonts können in Punkt pica, Punkt cicero oder mm gemessen werden.

Die Position der Maus auf einer Seite wird immer auf dem Bildschirm angezeigt, natürlich in der gewählten Maßeinheit.

Die Bedienung

Calamus wird vorwiegend über eine grafische Benutzerführung mit vielen, vielen Icons in einer recht umfangreichen Hierarchie gesteuert. Die Menübox liegt wahlweise am rechten oder linken Bildrand, die allerwichtigsten Funktionen sind jedoch über eine Leiste unter der Menüleiste zu erreichen. Man kann die Menübox auch unter einem Textfenster verschwinden lassen und Calamus über eine Unzahl von Tastaturkommandos steuern. Ein Hoch dem guten Gedächtnis. Die Aufteilung der Programmfunktionen in Icons und Hierarchieebenen ist größtenteils gut und übersichtlich, manchmal ist es aber doch etwas zuviel, und man wünscht sich das eine oder andere Bildchen weniger. In einem Menü hat ein Icon zum Beispiel je nach Modus verschiedene Funktionen, was einen unerfahrenen Benutzer schon einmal in schwere Verwirrung stürzen kann. Glücklicherweise gibt es eine kleine Hilfefunktion, die in der rechten oberen Bildschirmecke im Klartext die Bedeutung jedes einzelnen Icons anzeigt. Sonst wäre man wohl oft hoffnungslos verloren.

Die Calamus Module

Für den Benutzer ist Calamus in fünf Hauptmodule aufgeteilt: Seitenmontage, Rahmenfunktionen, Textgestaltung sowie Linien- und Rasterflächenmodul.

Die Binderei Seitenmontage

Das Seitenmontagemodul dient, wie der Name schon sagt, dazu, einzelne Seiten zu erzeugen sowie fertige Seiten (Rahmen mit Inhalt) oder Layouts (Rahmen ohne Inhalt) zu kopieren, zu löschen oder zu verschieben. Außerdem können sowohl einzelne Seiten als auch einzelne Layouts auf Diskette gespeichert oder von dort geladen werden.

Immer der richtige Rahmen

Das Rahmenmodul ist für die Erzeugung und Bearbeitung der Rahmen zuständig. Hier steht eine Unzahl von Funktionen sowohl allgemeiner Art (für alle Rahmentypen) als auch speziell für bestimmte Rahmentypen zur Verfügung: Gruppen können gebildet und wieder aufgelöst werden, die Definition von Stammelementen wird ebenfalls hier durchgeführt. Rahmen können natürlich kopiert (mit Inhalt - hierfür gibt es sogar ein Klemmbrett mit fünf ‘Plätzen!) und gelöscht werden, es ist aber auch möglich, einen Rahmen vor versehentlichen Veränderungen zu schützen.

Natürlich gibt es Hilfen fürs Rahmenbasteln: Während man einen Rahmen öffnet, wird, zusätzlich zu der absoluten Mausposition auf der Seite, auch die Größe des Rahmens in beiden Richtungen angezeigt. Außerdem gibt’s ein Lineal, man kann Hilfslinien und Hilfsraster, auch speziell für Spaltensatz, setzen, beides auch noch ‘magnetisieren’ (also Rahmen automatisch auf eine Hilfslinie ‘einrasten’ lassen), der Mauscursor kann sich :n ein Fadenkreuz verwandeln - kurz, hier gibt es alles, was das Herz begehrt.

Natürlich kann man auch einzelne Rahmentypen fürs Edieren an- und ausschalen, um ein schnelleres Arbeiten zu ermöglichen. Um einen guten Eindruck von einer fertigen Seite zu bekommen, kann man schließlich auch die Umrandung eines Rahmens ausschalten und die ganze Schönheit des Layouts sozusagen unbedeckt genießen.

Spezialfunktionen für Textrahmen

Die wichtigsten Spezialfunktionen im Rahmenmodul dienen der Beeinflussung von Textrahmen. Hier kann bestimmt werden, ob ein Rahmen normalen Text enthält und frei ediert werden kann, oder ob es sich um einen Fußnoten- oder Indexrahmen handelt. Die Bedeutung von Fußnotenrahmen ist klar: Hier werden Fußnoten plaziert. Leider geht das nicht ganz so vor sich, wie man es von einer richtigen Fußnotenverwaltung erwarten würde: Man muß einen Rahmen von fester Größe für die Fußnoten vorgeben, Calamus kann die Größe dieses Rahmens nicht nach Bedarf anpassen. Einen Textausschnitt zur Fußnote zu machen, ist dagegen einfach: Einfach den gewünschten Text in einem Textrahmen markieren und per Mausklick auf ein Icon in die Fußnote schicken. Eine Fußnotennummer wird dabei automatisch in den Text eingefugt: die Numerierung ist recht flexibel. Dennoch, für wissenschaftliche Dokumente, die traditionell viele Fußnoten besitzen, ist diese Art der Fußnotenverwaltung nicht geeignet. DMC arbeitet, wie man mir auf Anfrage mitteilte, jedoch bereits an dem Problem.

Indexrahmen sind etwas ganz ähnliches, jedoch sind sie, wie der Name schon vermuten läßt, für Indizes gedacht. Auch hier wählt man per Maus einen Text aus und schickt ihn in einen Indexrahmen, jedoch muß dieser sich nicht auf der gleichen Seite befinden, sondern kann, wie es sich für einen Index gehört, zum Beispiel auf einer der letzten Seiten sein. Im Gegensatz zur Fußnotenverwaltung wird hier der markierte Text nur wahlweise aus dem Originalrahmen gelöscht. Im Augenblick ist die Indexverwaltung insofern nicht sehr nützlich, als sie keine selbständige alphabetische Ordnung erlaubt. Im Handbuch steht, daß spätere Versionen diesen Mangel korrigieren werden. Hoffen wir, daß es bis dahin nicht so lange dauert wie bis zur ersten Version.

Die übrigen Spezialfunktionen für Textrahmen beschäftigen sich mit dem Textfluß.

Damit ist zum einen die Möglichkeit gemeint, Text um über dem Textrahmen liegende Bilder herumfließen zu lassen.

Dabei kann man wählen, ob der Text beidseitig oder nur rechts bzw. links am oberen Rahmen vorbeifließen soll. Das Problem, Bilder in einen mehrspaltigen Text einzufügen, deren Format nicht der Spaltenbreite entspricht, dürfte damit der Vergangenheit angehören.

Die andere Art der Textflußfunktionen beschäftigt sich mit der Verbindung mehrerer Rahmen zu einer Textflußkette. Wenn man eine mehrspaltige Seite setzen will, ist es sehr mühselig, einen Text genau auf Spalten aufzuteilen. Also verbindet man alle Spalten einer Seite zu einer Kette, und der Text fließt automatisch in den nächsten Rahmen, wenn er nicht mehr in den gerade aktuellen hineinpaßt. Löscht man nun in einem Rahmen, der in der Kette weiter vorne liegt, fließt der Text zurück auf den freigewordenen Platz. Calamus bietet eine ganze Reihe von Funktionen, mit denen Textflußketten gebildet, angezeigt oder gelöscht werden können. Auch einmaliger Textabfluß von einem Rahmen in einen anderen ist möglich, wenn Rahmen einmal nicht zu einer Kette verbunden werden sollen.

Texte lassen sich um einen beliebigen Winkel verdrehen; allerdings muß man sie dazu in einen besonderen Rahmentyp für gedrehten Text bringen. Mit den Spezialfunktionen für diesen Rahmentyp läßt sich dann ein Drehwinkel einstellen und verändern.

Spezialfunktionen für Raster- & Vektorgrafikrahmen

In der jetzigen Ausführung von Calamus kann man keine Vektor- oder Rastergrafiken erzeugen; dies bleibt der Anfang ’89 erscheinenden Profi-Version vorbehalten. Es ist jedoch möglich, fremde Grafiken einzulesen. Dabei kann Calamus zahlreiche File-Formate lesen: Bei Vektorgrafiken sind ein DMC-eigenes und das GEM-Metafile-Format implementiert, so daß auch auf dem PC erstellte Vektorgrafiken übernommen werden können. Rastergrafiken können ebenfalls in DMC-eigenem Format oder aber in Degas-, STAD-, STAD-Block-, GEM-Image-, GFA-Block- oder IFF-/Degas-Blockformat gelesen werden.

Die Spezialfunktionen für Vektorgrafik sind sparsam: Rahmen dieses Typs können lediglich auf eine ‘Idealgröße’ gebracht werden, die den Originalproportionen der Vektorgrafik entspricht.

Vielseitiger ist man da mit Rasterbildern: Man kann immerhin einen Namen für ein Bild vergeben, einen Bildteil ausschneiden und die Rahmengröße so optimieren, daß sich für Bildschirm oder Drucker (abhängig vom gewählten Treiber) eine optimale Darstellungsqualität ergibt.

Das Text-Modul

ist vielleicht das wichtigste in einem Layout-Programm. Calamus verfügt über eine Vielzahl von Möglichkeiten für die Textdarstellung. Die wichtigste Frage bei einem DTP-Programm ist aber zunächst, wie man den Text überhaupt in das DTP-Programm hineinbekommt. Zum einen kann man Textrahmen, genau wie die Grafikrahmen, mit einer Import-Funktion durch ‘fremde’ Texte füllen lassen. Calamus versteht das 1st_Word plus-Format sowie dankenswerterweise verschiedene ASCII-Formate, die sich durch die Interpretation der Line-feed- und Return-Zeichen am Zeilenende unterscheiden.

Durch die Wahl des richtigen Formates kann man sich so im allgemeinen unerwünschte Absätze nach jeder Zeile, die man sonst mühselig von Hand entfernen müßte, vom Leibe halten. Erwähnenswert ist noch, daß Calamus beim Einlesen von 1st_Word-Texten jedem 1st_Word-Schriftattribut einen eigenen Schrifttyp zuordnen kann. Ärgerlich ist dabei allerdings, daß Calamus aus jeder 1st_Word-Zeile einen eigenen Absatz macht.

Außerdem hat man aus den Schwächen diverser Konkurrenzprodukte gelernt und einen eigenen schnellen Texteditor integriert, der es auch möglich macht, Text direkt in Calamus zu erfassen. Ein guter Teil der Calamus-Funktionen steht auch im Editor, der sich übrigens komplett in einem Fenster befindet, zur Verfügung. Das Fensterprinzip hat beim Texteditor den großen Vorteil, daß man nicht unbedingt zwischen Layout und Editor umschalten muß, sondern, in gewissen Grenzen, mit beiden parallel arbeiten kann. So richtig zum Tragen kommt dieser Vorteil allerdings nur auf einem 19"-Großbildschirm, wie der Verfasser voller Begeisterung feststellen konnte, nachdem ein solches Wundergerät zwecks Test auf seinen Schreibtisch verschlagen wurde. An dieser Stelle daher gleich der Hinweis: Wer sich ernsthaft oder halbernsthaft mit DTP beschäftigen will, für den ist ein Ganzseitenmonitor ein absolutes Muß. Aber zurück zum Editor, das Modul ist schnell und gibt den Text gut lesbar wieder, da glücklicherweise nicht der ATARI-Zeichensatz verwendet wird. Steuerzeichen für Schriftart, Schriftgröße usw. werden als fettgeschriebene Steuerzeichen (wahlweise im Klartext!) per Mausklick in den Text eingefügt, der Text wird immer im Flattersatz dargestellt. Wie häufig man den Editor benutzen wird, hängt, wie ich glaube, stark von der persönlichen Arbeitsweise ab; ich persönlich würde längere Texte lieber mit Tempus eingeben. Aber das ist, wie gesagt, nur Geschmacksache.

Übrigens existieren auch ‘Suchen & Ersetzen’ (für Text- und Schriftart bzw. Stil) sowie Blockfunktionen, beide arbeiten sowohl im Editor als auch auf der Layout-Seite, der Editor bietet also wirklich alles, was ein Editor braucht.

Schriften

Nach der Texteingabe ist das nächste wichtige Problem die Schrift, genauer gesagt die Typographie. Calamus bietet in dieser Richtung einiges, nämlich Vektorfonts. Vektorfonts bestehen nicht, wie Sie es von den üblichen Drucker- oder Bildschirmfonts kennen, aus einzelnen Punkten, sondern sie werden durch Linienzüge beschrieben. Theoretisch führt dies zu einer weitaus höheren Qualität, in der Praxis gibt es da aber ein paar Fallstricke. Da Vektorfonts aus Linien bestehen, kann man sie leicht vergrößern, ohne daß das Problem mit der groben Auflösung entsteht, das man ja von allen Rasterfonts kennt. Daher ist die große SIGNUM-Schrift ja auch schlechter als die kleine. Leider sind Vektorfonts in kleinen Schriftgrößen bei verhältnismäßig niedrig auflösenden Ausgabegeräten aber gröber als Rasterfonts. Der Grund dafür ist, daß man das Erscheinungsbild eines Rasterfonts per Hand auf die Auflösung des Ausgabegerätes optimiert, indem man Punkte hinzufügt, wo eigentlich keine hingehören, und umgekehrt. Offensichtlich geht dies bei Vektorfonts nicht, denn deren Linien werden ja immer mit einem festen Algorithmus in Rasterpunkte umgesetzt. Sie können also die Auflösung eines Druckers im Grenzberich nicht so gut ausnutzen wie Rasterfonts. Mit diesem Problem hat auch Calamus zu kämpfen - auf Matrix- und Laserdruckern ist die Qualität bei kleinen Schriftgrößen (6 und 8 Punkte) schlechter als z.B. bei SIGNUM. Erst auf einem Laser-Belichter mit seiner erheblich höheren Auflösung können Vektorfonts ihre Überlegenheit kann, sowie die Textformatierung. Rechts- und Linksbündig, Blocksatz und Zentrierter Satz sind vorgesehen. Der Blocksatz funktioniert manchmal nicht auf Anhieb, im allgemeinen klappt es aber beim zweiten Versuch.

Schließlich kann man auch noch den Absatz-Abstand einstellen. Bei der Formatierung wird ein automatisches Unterschneiden vorgenommen, dessen Wirkung jedoch auch für einen Textlineal-Bereich verändert werden kann (Sperrung!). Selbstverständlich existiert jedoch auch die Möglichkeit, das Unterschneiden in jeder Richtung (links/rechts/ oben/unten) manuell zu korrigieren. So wird zum Beispiel Formelsatz möglich. Leider ist das manuelle Unterschneiden im Augenblick recht bedienerunfreundlich, da nach jeder Veränderung der komplette Bildschirm neu aufgebaut werden muß, was bei einer Textseite doch etwas dauert. Da lobe ich mir die Lösung, die der Publishing-Partner bietet: Das Unterschneiden wird dort in einer Dialogbox eingestellt, in der man nur die zwei beteiligten Buchstaben sieht. Das geht schneller und ist erheblich komfortabler.

Auch der mittlere Wortabstand ist zwischen zwei Textlinealen variierbar. Skurrilerweise sind die beiden letzten Funktionen (Variation des Buchstaben- bzw. Wortabstandes) in einer anderen Menübox gelandet, was nicht der Übersicht zugute kommt.

Trennung

Ein sehr kritischer Punkt bei der Betrachtung einer Textformatierung ist die automatische Trennung. Calamus trennt nach Regeln, benötigt allerdings für vernünftige Ergebnisse ein Ausnahmelexikon, das war mitgeliefert, aber nicht ausreichend ist; man kann es jedoch leicht selbst erweitern. Die ganze Trennfunktion arbeitet brauchbar, wenn auch langsam, ist aber nicht überragend bedienerfreundlich und im Handbuch nicht vollständig beschrieben. Außerdem soll bis zum Ende des Jahres eine völlig neue und auch modulare (für verschiedene Sprachen) Trennfunktion zur Verfügung stehen. Wörterbücher kann man natürlich speichern und laden.

Sonstiges für Text

Bereits oben wurde die Möglichkeit beschrieben, Textteile in Fußnoten- oder Indexrahmen umzuplazieren. Wie gesagt bedarf beides noch der Verbesserung, um wirklich nützlich zu sein.

Es gibt noch einige Einfügeoptionen, nämlich für aktuelle Seitennummer, folgende Seitennummer, Kapitelnummer (mit vielen Optionen für die Zählweise: römisch oder arabisch, mit Buchstaben usw...), aktuelles Datum und aktuelle Uhrzeit. In einer Zeichensatzübersicht kann ein beliebiges Zeichen ausgewählt und in den Text übernommen werden.

Für Text gibt es fünf Klemmbretter, die das Kopieren und Verschieben von Textausschnitten erheblich verbessern. Wie alle Klemmbretter von Calamus erleichtern auch diese das Leben sehr, da man immer die linke obere Ecke des im Klemmbrett befindlichen Textes sehen kann.

Schließlich gibt es für die Textformatierung programmier- und speicherbare Makros, mit denen man das Einstellen häufig benutzter Textformate, Schriftarten, Lineale usw. stark beschleunigen und optimieren kann.

Seitenformate

Nachdem ich jetzt in Formatiermöglichkeiten für einen Textrahmen schwelgte, wird es Zeit, sich auch einmal mit den Seitenformaten zu beschäftigen. Hier bietet Calamus vordefinierte Formate, nämlich A5, A4, A3 und B5 sowie die amerikanischen ‘Letter’-, ‘Legal’-, ‘Double’- und ‘Half -Formate. Außerdem kann man ein eigenes Format bestimmen sowie zwischen Hoch- oder Querformat wählen.

Zusätzlich können Sie auswählen, ob Ihr Dokument ein- oder doppelseitig sein soll, selbstverständlich mit unabhängigen Rändern. Dabei können, sehr praktisch, eventuelle Randbeschränkungen aus der Druckertreiberdefinition übernommen werden.

Das Linien- & das Rasterflächenmodul

Ein Calamus-Linienrahmen enthält immer nur eine Linie. Dabei stehen 18 verschiedene Formen zur Auswahl: gerade, gebogene, diagonale und geknickte Linien. Sie können die Linien mit einem Schatten von wählbarer Position und Füllung versehen sowie natürlich auch Linienstärke, Linienart (gestrichelt, durchgezogen usw.), Linienende (Pfeil, rund, kantig) und Linienfarbe (schwarz oder weiß) bzw. Füllmuster festlegen.

Das Rasterflächenmodul funktioniert genau wie das Linienmodul. Sie wählen eine von 15 Grundformen für das Raster (Viereck, Kreis, Stern, Raute. Dreieck usw.) und können sie mit Schatten und Füllmuster sowie einer Umrandung versehen. Einfach aber wirksam. Rasterbilder können übrigens auch mit einem Scanner eingelesen werden: drei weitverbreitete Scanner w erden im Moment unterstützt (Silver Reed/Hawk/Panasonic).

Die Flexibilität der beiden Module läßt im Vergleich mit den sonstigen Möglichkeiten des Programmes etwas zu wünschen übrig. So ganz wird man das Gefühl, es handelt sich um eine Notlösung, nicht los, weil der Vektor- bzw Rastergrafikeditor, der dereinst die Profiversion schmücken soll, hier fehlt. Allerdings sollen die Module auch in der Profiversion erhalten bleiben.

Variable Bildschirmdarstellung

Calamus kann eine Textseite so verkleinern, daß sie komplett auf den Bildschirm paßt. Man kann dann zwar nicht mehr viel lesen, aber bekommt einen Eindruck vom Gesamtlayout. In Normaldarstellung wird ein Seitenausschnitt in Druckergröße gezeigt. Auch doppelte ‘Originalgröße' ist möglich, eine weitere Option erlaubt es, einen beliebigen anderen voreingestellten Wert zu verwenden. Der Bildaufbau ist ähnlich schnell/langsam wie bei der Konkurrenz, sehr groß ist der Unterschied nicht. Manchmal muß man eben warten.

Praxis & Sicherheit

Calamus ist inzwischen bei Version 1.01 angelangt- die sich von der 1.0-Version durch beseitigte Fehler unterscheidet. Die' i>t höchst erfreulich, begeisterte doch die 1,0-Version durch ihre Fähigkeit zu spektakulären Abstürzen (Sie trieb mich beinahe zur Verzweiflung...). Nun, die 1.01-Fassung ist erheblich sicherer. Sie stürzt zwar immer noch ab, aber bei weitem nicht mehr so oft. Die Trennhilfe (bzw. das Wörterbuch) ist allerdings immer noch anfällig. Mit der 1.01-Version kann man wohl arbeiten.

Im praktischen Einsatz zeigt sich, daß Calamus recht gut konzipiert ist. Die meisten Features sind leicht erreichbar, etwas störend ist nur, daß man sich immer durch sehr viele Menüs hangeln muß. Aber das ist eigentlich kein Problem von Calamus, sondern von ATARI, so ein 12"-Bildschirm ist einfach zu klein. Schade ist nur, daß DMC in der Version für den Großbildschirm nicht mehr Platz für die Menüs spendiert hat, aber dann müßte es eben eine völlig andere Programmversion für den Großbildschirm geben. Vielleicht kommt so etwas ja eines Tages, wenn man bei DMC Zeit dafür findet.

Im Vergleich mit der Konkurrenz muß man feststellen, daß Calamus nicht in allen Punkten so eine überlegene Qualität darstellt, wie es nach den Vorschußlorbeeren den Anschein hatte. Der Hauptunterschied im Konzept, die Verwendung von Vektor- statt Rasterfonts, bringt im nichtprofessionellen Bereich (d.h. bis zum Laserdrucker) bei den meistbenutzten Schriftgrößen zwischen 8 und 12 Punkten eher Nachteile (obwohl bei 12 Punkten der Vergleich mit Signum schon unentschieden ausgeht), wenn auch die großen Lettern hervorragend sind. Außerdem muß man natürlich konstatieren, daß die jetzigen Vektorfonts Handarbeit sind und von denen großer Firmen wie Com-pugraphic oder Linotype auch eine verbesserte Qualität zu erwarten ist.

Ein anderes Problem, das meines Erachtens nicht sehr gut gelöst ist, ist die Definition von Stammseiten bzw. Stammelementen. Hier ist das Prinzip des PageMa-kers oder auch des Publishing-Partners, das feste Stammseiten verwendet, doch etwas komfortabler.

Ein großer Vorteil im Vergleich zu anderen Programmen auf dem ST ist die vielseitige Integration von Vektor- und Rastergrafiken. Vor allem mit Vektorgrafiken kann man seine Layouts durch Illustrationen verschönern, die weit bessere Qualität als Rasterbilder haben. Wenn dann erst die ‘große’ Version mit eigenem Vektor- und Business-Grafikeditor kommt...

Ein besonderer Vorzug ist der eingebaute Texteditor, über den bisher, wie ich glaube, noch kein anderes DTP-System verfügt.

Im allgemeinen gestaltet sich die Arbeit mit Calamus sehr komfortabel. Das Programm ist mächtig und die Einarbeitung nicht allzu langwierig und schwierig.

Dennoch, in Sachen Komfort ist die älteste Konkurrenz die beste: Der gute alte Publishing-Partner löst viele Aufgaben eleganter, so z.B. Stammseiten und manuelles Unterschneiden. In anderen Punkten (Textedierung, Vielseitigkeit) hat Calamus die Nase vom.

Auf’s Papier

Nachdem Sie sich durch den Dschungel der Layoutwerkzeuge und -möglichkeiten gekämpft haben, wollen Sie natürlich auch ein Ergebnis auf dem Papier.

Im Augenblick unterstützt Calamus eine ganze Reihe von Druckern: zum Beispiel Epson FX-80, NEC P6/7, ATARI Laser, HP Laserjet+. Außerdem ist in Kürze eine Hardware-Lösung verfügbar, die den Anschluß an einen Linotronic Laser-Belichter möglich macht. Dies dürfte allerdings um die 2.500,-DM kosten. Die Druckereinstellbox bietet einige nützliche Optionen wie Vergrößerung, Druckreihenfolge, seitenverkehrten oder negativen Druck und Vergröberung des Druckrasters für Füllmuster. Letzteres verhindert oft zu schwarze Füllmuster oder Raster bei ungleichmäßiger Kontrastverteilung des Druckers.

Unverständlicherweise hat man nicht an eine Option für das getrennte Drucken gerader und ungerader Seitennummern gedacht. Wer also mit einem Laserdrucker Blätter beidseitig bedrucken will, muß es weiterhin auf die mühsame Art und Weise tun. Ärgerlich.

Über die Schriftqualität habe ich mich ja bereits ausgelassen, aber um es noch einmal kurz zu sagen: Große Schriften sind hervorragend, kleine Schriften bis 12 oder 10 Punkte sicherlich auch nicht nennenswert schlechter als SIGNUM-Schriften. Weniger gut ist die Schriftqualität bei den Mini-Größen, wenn man keinen Laser-Belichter verwenden will. Die Vektorgrafikqualität ist sehr gut, Rastergrafiken je nach Auflösung. Für den Druck der Rasterflächen erweist sich die Vergröberungsoption als sehr wichtig; erst bei der halben Rasterauflösung ist zumindest unser ATARI-Laser in der Lage, saubere Grauflächen zu drucken.

Das Handbuch

Meine Begeisterung über die Anleitung zu diesem nicht gerade kleinen Programm hält sich doch sehr in Grenzen. Zwar ist das Ganze übersichtlich, aber oft ungenau oder unklar. Außerdem fehlt ein Tutorium und, ganz besonders, ein Register. Zwar soll Anfang des Jahres ein Buch erscheinen (war schon für den Herbst geplant), das Anfängern helfen soll, aber dieses Buch muß man extra kaufen, was ich nicht ganz fair finden kann. Ein Programm für den Consumer-Markt sollte nicht eine derartige 'Nachkauf -Politik propagieren. Allerdings ist der Mangel DMC durchaus bewußt, man findet, wie man mir mitteilte, lediglich keine Zeit für ein Tutorium. Nun ja.

Noch viel ärger vermisse ich allerdings ein Register. Hoffentlich fehlt es nicht nur deshalb, weil die Index-Funktion von Calamus noch nicht alphabetisch sortieren kann...

Das Urteil

Was mir an Calamus sehr viel besser gefällt als an sämtlichen Konkurrenzprodukten, sind gar nicht einmal so sehr die jetzigen Fähigkeiten des Systems. Von diesen sind manche besser, manche schlechter als bei der Konkurrenz. Das Konzept von Calamus läßt aber immer erkennen, daß dieses Programm auf Erweiterungen und zusätzliche Fähigkeiten zugeschnitten ist, die der professionelle Anwender sich wünscht. Die Verwendung von Vektorfonts ist ein Beispiel, der modulare Aufbau ein anderes. Calamus macht einfach einen ‘weltoffenen’ Eindruck. Es ist ein leistungsfähiges, wenn auch (natürlich) noch nicht völlig ausgereiftes System. Auf jeden Fall ein guter Einstieg. Trotzdem, es gibt noch viele Schwächen und Fehler zu beseitigen, und man sollte genau prüfen, ob man, bis es soweit ist, mit Calamus arbeiten kann.

CS

Bezugsadresse: Alle ATARI-Fachhändler



Aus: ST-Computer 12 / 1988, Seite 66

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