Wechselplatte von Rhothron: Bäumchen wechsel dich

Faszinierend, so eine Wechselplatte. Ein Knopfdruck - und man hat 44 Megabyte im Format einer CD (na gut, das Plastikgehäuse ist etwas dicker) in der Hand. Dem Schokoladenmotto ‘praktisch, quadratisch, gut’ folgend, ist nicht nur die eigentliche Platten-Kassette quadratisch, auch der Kasten, der das Laufwerk und die dazugehörige Elektronik enthält, hat diese Form, ist aber leider etwas kleiner als das Mega-ST-Gehäuse.

Um es ein für allemal geschrieben zu haben, sei hier noch erwähnt: Eine Wechselplatte ist so etwas wie eine Festplatte, aber mit austauschbaren Datenträgern. Die Magnetspeicherplatte steckt wie gesagt in einem kleinen Plastikgehäuse, das beim Entnehmen aus dem Laufwerk wie eine 3,5 Zoll-Diskette durch einen Schieber verschlossen wird. Der Vorteil gegenüber einer normalen 40-Megabyte-Fest-platte ist der, daß die Platte zum einen erheblich schneller ist (was sich jedoch mit dem normalen TOS nicht allzusehr auswirkt) und zum anderen beliebige Speicherkapazität und komfortable Backup-Möglichkeiten durch das austauschbare Speichermedium bietet.

Das Laden und Entladen der Harddisk-Kassette ins Laufwerk ist fast so problemlos wie bei einer Diskette: Man muß einen Knopf zur Entsicherung drücken, damit die Platte abgebremst und der Schreib-/ Lesekopf aus dem Plattengehäuse zurückgezogen werden kann. Nach kurzer Wartezeit gibt die Platte mit einer LED zu verstehen, daß die Platten-Kassette entnommen werden darf. Mit einem Hebel kann man sie dann auswerfen lassen. Um eine neue Platte einzuladen, sind keinerlei Vorkehrungen nötig; die Kassette muß nur, wie bei einem Diskettenlaufwerk, eingeschoben werden. Danach muß man allerdings ein wenig warten, bis der Motor die Platte auf ihre Arbeitsgeschwindigkeit gebracht und durch den Luftzug eventuelle Staubteilchen entfernt hat. Wieder zeigt die Platte ihre Bereitschaft mit einer LED an. Im Gegensatz zu Disketten muß jetzt allerdings neu gebootet werden, damit der Computer das neue Speichermedium, das völlig anders partitioniert sein könnte als die bisher eingelegte Platte, erkennen kann. Der Umgang mit einer Wechselplatte ist also nicht ganz so schnell wie mit einer Diskette, aber 44 Megabyte-Disketten dürften ja auch nicht allzu häufig gewechselt werden... Rhothron arbeitet übrigens bereits an dem Problem, einen Plattenwechsel ohne neues Booten möglich zu machen.

Die Rhothron-Wechselplatte wird wie bereits erwähnt in einem quadratischen, grauen Kunststoffgehäuse geliefert, das etwas kleiner als ein Mega ST-Gehäuse und auch von hellerer Farbe ist. Die Frontplatte, in die das Plattenlaufwerk und die Betriebsspannungsanzeige eingebaut sind, besteht aus Aluminium. Der Netzschalter ist an der Rückseite angebracht. Die ganze Einheit wirkt sehr robust.

Die eingebaute Wechselplatte ist von der Firma SYQUEST und hat eine Zugriffszeit von 29 Millisekunden. Es handelt sich um ein Standard-SCSI-Laufwerk, das über einen Bus-Adapter an den nicht standardisierten Atari-Bus angeschlossen wird.

Zu der Platte selbst erhält man eine Diskette mit den nötigen Treiber- und Formatierungsprogrammen, zwei Anschlußkabel für den DMA-Port sowie eine Bedienungsanleitung. Eine Kassette ist natürlich auch im Lieferumfang enthalten. Das ganze Paket kostet mit 44 MByte Speicherkapazität 4498.- DM. Eine einzelne Kassette ist für 398.- DM zu haben.

Anschluß

Der Anschluß der Platte ist denkbar einfach. Anschlußkabel sind mitgeliefert, sinnigerweise ist eines 70 cm, das andere 40 cm lang. Der DMA-Port ist gepuffert und durchgeschleift, so daß es kein Problem ist, weitere Geräte anzuschließen.

Praktischerweise ist auch gleich eine höhere Unit-Nummer (nämlich Nummer 4) eingestellt; man muß die Platte also nicht auf schrauben, um mit Jumpern oder Mikroschaltern eine Adresse einzustellen, die bereits vorhandenen Atari-Festplatten (mit der üblichen Unit-Nummer 0) nicht ins Gehege kommt.

Die Kabel-Länge ist so bemessen, daß man die Platte neben einen Mega-ST stellen kann. Will man aber noch ein zweites Gerät anschließen, muß man es, falls kein anderes Kabel vorhanden ist, auf oder unter die Rhothron-Einheit stellen; nur eines der mitgelieferten Kabel ist lang genug für eine Verbindung zwischen zwei nebeneinander stehenden Geräten.

Installation

Nach dem ersten folgt der zweite Streich sogleich - die neue Wechselplatte muß formatiert werden. Auf der mitgelieferten Diskette befindet sich dafür ein GEM-Programm, das automatisch prüft, welche Geräte am DMA-Port angeschlossen sind und den Zugriff von vorneherein auf Rhothron-Geräte beschränkt. Man kann also nicht versehentlich seine Atari-Platte formatieren. Man wählt einfach die gewünschte Rhothron-Einheit in einer Dialogbox aus und kann dann mit einem Menü-Befehl die Formatierung beginnen. Ungefähr zweieinhalb Minuten ist das Programm mit dieser Aufgabe beschäftigt, exakt 42 Megabyte Speicherplatz stehen danach zur Verfügung, falls keine Sektoren der Platte defekt sind (was mit einem weiteren Menüpunkt geprüft werden kann).

Da das TOS keine Speichereinheiten, die größer als 16 Megabyte sind, verwalten kann, müssen die vorhandenen 42 Megabyte partitioniert, das heißt, auf kleinere ‘logische Plattenlaufwerke’ verteilt werden. Man kann die Kapazität der Platte in maximal 8 Partitionen aufteilen, wobei die Größe jeder Partition in einer Dialogbox komfortabel einstellbar ist. In einem Feld wird immer der noch übrige Speicherplatz angezeigt, Sie müssen also nie selber rechnen und können auch nicht mehr verteilen als Sie haben. Nach der Partitionierung ist die Platte so gut wie fertig für den Einsatz.

Der Treiber

Sie brauchen jetzt eigentlich nur noch den Treiber von der mitgelieferten Diskette zu starten. Falls Sie keine anderen Festplatten angeschlossen haben, können Sie das auch ruhig tun. In diesem Fall beginnt der Treiber automatisch die auf der Platte vorhandenen Partitionen den logischen Laufwerkskennungen mit Laufwerk C beginnend zuzuordnen. Wenn Sie also vier Partitionen eingestellt haben, belegt der Treiber automatisch die Positionen C, D, E und F. Er sucht dann auf der ersten Partition nach einem Auto-Ordner und bringt die darin enthaltenen Programme zur Ausführung, auch Accessories werden dann von der Platte geladen. Wenn Sie andere Laufwerkskennungen (zum Beispiel, weil eine andere Festplatte bereits die Kennungen C bis F belegt) benutzen, oder auch aus einem Auto-Ordner auf einer anderen Partition Programme starten wollen, können Sie dem Treiber dies mit einer Konfigurationsdatei auf der Boot-Diskette mitteilen. In dieses File schreiben Sie einfach der Reihe nach hinein, ob und auf welcher Partition Sie einen Auto-Ordner verwenden wollen und die Kennbuchstaben der gewünschten Laufwerk-Icons. Der Treiber ordnet dann die Partitionen der Reihe nach den angegebenen Buchstaben zu. Möglich sind Kennungen von C bis P. Nützlich ist, daß Sie einzelne Partitionen übergehen können, indem Sie einen Stern statt eines Buchstabens in die Konfigurationsdatei schreiben. Solche Partitionen könnten zum Beispiel andere Betriebssysteme enthalten oder aus anderen Gründen reserviert und nicht unter TOS zugänglich sein.

Nicht autobootfähig

Die Wechselplatte ist aus technischen Gründen leider nicht autobootfähig. Wie uns die Firma Rhothron mitteilte, ist der Grund dafür in dem nicht standardisierten Bus des ST zu suchen, der mit SCSI-Platten nicht standardisiert kommunizieren kann. Sie müssen also immer eine Diskette benutzen, um die Wechselplatte zu installieren, wenn Sie keine andere autobootfähige Festplatte zusätzlich angeschlossen haben. Der Verfasser benutzte eine SH 205 mit dem HD Plus-Treiber der Firma Eickmann, die automatisch bootet und dabei die Partitionen der Wechselplatte mit dem Kommentar ‘Bootsektor nicht lesbar’ ignoriert. Danach wird aus einem Auto-Ordner auf der Atari-Platte der Treiber für die Wechselplatte geladen, der dann die Kontrolle über die entsprechenden Partitions übernimmt. Das funktioniert auch völlig reibungslos, es dauert allerdings etwas länger als das Booten nur einer Platte. Schwierigkeiten gab es nur mit einem Pubiic-Domain-Harddisk-Cache, der sich beharrlich weigerte, auch die Rhoth-ron-Platte in sein segensreiches Wirken einzubeziehen.

Die Anleitung sollte von Rhothron noch einmal überarbeitet werden. Es ist zwar nicht gerade schlecht, aber auch keine allzu große Hilfe.

Im Einsatz...

Die Wechselplatte gehört in die Ohropax-Kategorie. Sie ist nicht nur recht laut, sondern hat auch noch ein sehr unangenehmes Geräusch, nicht gleichmäßig und recht tief pustend wie meine schallgedämpfte SH 205, sondern unstet und mit einem größeren Anteil höherer Frequenzen. Prädikat unschön. Aber was erträgt man nicht alles für die zusätzlichen Möglichkeiten der Wechselplatte...

Wenn man die Plattenkassette nach längerem Betrieb entnimmt, fällt außerdem auf, daß die ganze Angelegenheit recht heißblütig ist. Aber anscheinend stört die Platte die tropische Temperatur nicht, und was den Bits recht ist, läßt mich erst recht kalt. Vielleicht spart das Gerät im Winter ja Heizkosten.

Um die Geschwindigkeit zu beurteilen, wurden zuerst einmal zwei Programme verwendet, die die Übertragungsrate der angeschlossenen Laufwerke bestimmen können. Tabelle 1 zeigt die Ergebnisse. Die Wechselplatte ist in diesem Punkt tatsächlich unschlagbar schnell.

Der nächste Test ist ein Harddisk-Benchmark, der ebenfalls von Claus Brod stammt, und dessen Ergebnisse in allen unseren Harddisk-Tests angegeben sind. Das 1. Testprogramm liest 100mal 50 aufeinanderfolgende Sektoren von der Harddisk. Der zweite Teiltest liest 50 einzelne Sektoren 100mal (s.Tab. 2).

Rhothron Wechselplatte Atari SH205 Floppy-Laufwerk
4405 KBit/Sekunde 1680 KBit/Sekunde 145KBit/Sekunde
4220 KBit/Sekunde 1360 KBit/Sekunde 100 KBit/Sekunde

Tabelle 1: Übertragungsraten von Wechselplatte, SH 205 und Floppylaufwerk, gemessen mit einem Programm von Rhothron (1.Zeile) und gemessen mit einem Programm von Claus Brod (2.Zeile).

Rhothron Wechselplatte Atari SH 205
1. Teiltest 5.61 Sekunden
2. Teiltest 95.70 Sekunden

Tabelle 2: Lesetest.

  1. Teiltest: 50 aufeinanderfolgende Sektoren 100 * lesen
  2. Teiltest: 50 einzelne Sektoren 100 * lesen
Dateien Rhothron Wechselplatte Atari SH 205
1) erzeugen 14.4 Sekunden 17.7 Sekunden
2)löschen 5.3 Sekunden 5.5 Sekunden

Tabelle 3: Schreibtest. Erzeugen und Löschen von 50 Dateien.

Rhothron Wechselplatte Atari SH 205
Laden von 1st Word+ 5 Sekunden
100 K Text in 1st Word laden 22 Sekunden
100 K Text mit 1st Word speichern 20 Sekunden

Tabelle 4: Anwendungstest. Versuche mit anderen Daten bestätigen das Ergebnis.

Kopiertest Zeit
6 MB Daten von Rhothron auf Rhothron, 33 Ordner mit 467 Dateien: 24.30 Minuten
Davon 1.5 MB in 38 Dateien: 3.30 Minuten
6 MB Daten in 27 Dateien: 2.09 Minuten
225 KByte (1 Datei) von Disk nach Platte: 25.00 Sekunden

Tabelle 5: Ergebnisse der Kopiertests

Diese Ergebnisse lassen vermuten, daß das GEMDOS die schnellere Übertragungsrate nicht gut ausnutzen kann. Weitere Untersuchungen bestätigen das. Es zeigt sich deutlich, daß bei Kopieroperationen die Geschwindigkeit fast ausschließlich von der Anzahl der Dateien und Ordner, aber nicht sehr von der Platte abhängt (siehe Tabelle 5). Vielleicht kann man mit der angekündigten verbesserten TOS-Version größere Unterschiede messen (Den Gerüchten nach sind ja gerade die Verbesserungen der internen Verwaltung ganz erheblich...). Tabelle 4 zeigt die gemessenen Zeiten für einige typische Platten-Anwendungen.

Die Kopierzeiten aus Tabelle 5 sind der Vollständigkeit halber noch erwähnt.

Hiermit soll nur aufgezeigt werden, daß auch eine Platte von 29 Millisekunden nichts nützt, wenn GEMDOS diese Übertragungsrate nicht gut ausnutzen kann. Die aus der Anzahl der Dateien resultierenden Unterschiede sind bemerkenswert.

Zuverlässigkeit

Im Test hat sich die Platte bewährt. Es gab keinerlei Probleme. Der Hersteller des Laufwerks gibt eine Haltbarkeit von 10.000 Kassettenwechseln für Laufwerk und Kassetten an. Damit sollte man aus-kommen können.

Fazit

Die Wechselplatte ist ein guter, wenn auch nicht ganz billiger Massenspeicher. Ein solches Gerät ist sicherlich vor allem für professionelle Anwender, die auf austauschbare Datenträger angewiesen sind, interessant. Besonders wegen der mangelnden Autobootfähigkeit ist eine zusätzliche Festplatte angenehm, sie spart das Booten von Diskette. Man sollte von dem Laufwerk, trotz der fantastischen Zugriffszeiten und Übertragungsraten, keine überragenden Geschwindigkeitsgewinne erwarten. Im wesentlichen entspricht die Geschwindigkeit der einer normalen Festplatte, nur bei besonderen Operationen sind große Geschwindigkeitssteigerungen möglich. Kurzum, eine gute, wenn auch teure Alternative zur Festplatte.

CS

Rhothron GmbH Rudolfstr. 14 7500 Karlsruhe



Aus: ST-Computer 10 / 1988, Seite 60

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