In dieser Ausgabe der ST-Computer testen wir das CD-ROM CDAR504 von ATARI. Um den Test nicht zu überfrachten, habe ich mich entschlossen, für die Hardwarefreaks, die Programmierer und für alle anderen Desperados, die sich dafür interessieren, die CD-Technik in einer kleinen Serie zu erläutern. Den Plan dazu gibt es schon länger - aber jetzt endlich haben wir ST-Anwender mit dem CDAR504 die Möglichkeit, auch in dieses faszinierende Medium hineinzuschnuppern; und das nährt meine Hoffnung, daß vielleicht doch irgendjemand sowas lesen will...
Was das CDAR504 leistet, können Sie en détail dem Test in diesem Heft entnehmen. Die Lichtspiele befassen sich zwar auch mit dem CDAR504, decken aber auch mehr das Allgemeine ab. Denn was hinter einem CD-ROM steckt, welche langen Wege die Daten darin gehen - davon macht sich bisher kaum einer ein Bild.
Optische Speicher arbeiten in vielem anders als Magnetspeicher, deren Theorie und Handhabung dank ständiger Übung, Belehrung und Berieselung unter anderem aus diesem Medium den meisten mittlerweile in Fleisch und Blut übergegangen sein dürfte.
Wenn heutzutage jemand stolz wie ein Pfau mit einer 3.5" -Diskette in der Hand protzt, erntet er gerade noch müdes Lächeln und allerhöchstens die Frage, wieviel denn der Zehnerpack gekostet habe... bei einer CD ist das was anderes, die hat noch diesen gewissen Hauch des Edlen (wenn sie auch zu des Computermenschen Leidwesen gelegentlich für die neueste Prince-Digitalscheibe gehalten wird).
Die CD-Technik ist seit ihrer Einführung durch Philips und Sony sehr stark standardisiert; CD-Audio und CD-ROM basieren auf den gleichen Grundlagen. Das macht mir und Ihnen unsere (Lern-) Arbeit etwas einfacher. Weil ich so stolz darauf bin, daß ich diesmal für diese Serie sogar ein Konzept habe und nicht einfach ins Blaue schreibe, sollen Sie auch die geplante Serienaufteilung erfahren:
1.Teil (in diesem Heft):
Lässiges über Laser,
Grundlegendes über das Medium
Das Dreistrahl-Abtastsystem
2.Teil (nächstes Heft):
Chaotisches über Codes,
Physikalische Aufzeichnung auf eine CD
(EFM- Code, CIRC- Fehlerkorrektur, Sektor- und Framekonzept bei CDs, zusätzliche Fehlerkorrektur bei CD-ROMs). Betrachtungen zur Geschwindigkeit von CD-Geräten. Blockdiagramm eines typischen CD-ROM-Gerätes
3.Teil:
Patentes zur Programmierung,
ACSI-Bus und seine Programmierung per DMA-Chip (Schnelldurchlauf), die ACSI-Kommandos des CDAR504
4.Teil:
Besinnungslos durch den Vormittag oder mit Bedacht ins Betriebssystem.
Der XBIOS-CD-ROM-Treiber von ATARI; der High-Sierra-Vorschlag für ein einheitliches CD-Dateiformat; der High-Sierra-Treiber von ATARI (wenn er bis dahin fertig sein sollte)
In diesem Heft erwartet Sie also nicht allzuviel, dafür geht es auch gleich an die Hardware, jawohl, an die Hardware. Ich zitiere aus dem Buche Sophistokles: Im Schweiße Deines Angesichtes sollst Du Deinen Brod lesen...
Wenn Sie diese Folge hinter sich haben, wissen Sie (hoffentlich) unter anderem:
Als Philips und Sony 1980 den CD-Standard einführten, hatten sie bereits die heutige Anwendung der CD-Technik als Massenspeicher im Sinn; darum wurden die Datenformate auf der CD so ausgelegt, daß sie auch für solche Anwendungen geeignet sind. Vorteil: Es existiert bei CDs nur ein einziger Standard für die physikalische Aufzeichnung - anders als etwa bei den Floppies, bei denen es Konvertierungsprobleme nicht nur wegen der vielfältigen logischen Formate (MS-DOS/TOS, CP/M. Apple-DOS, CBM-DOS) gibt, sondern auch wegen der unterschiedlichen physikalischen Aufzeichnungsmethoden:
Zu diesen Aufzeichnungsverfahren siehe auch [3] und [4].
Der CD-Standard verhindert solcherlei Verwirrung bei CDs, indem er für CD-Audio und CD-ROM gemeinsame Grundlagen festlegt, die ich erläutern möchte.
Wie eine CD aussieht, dürfte mittlerweile bekannt sein. Trotzdem, lassen Sie Ihren Blick mal zum Bild 1 abschweifen.
12 Zentimeter durchmißt sie, ungefähr 1,2 mm dick ist sie: Eine CD (Compact Disc). Sie besteht aus mehreren Schichten (von oben nach unten):
In die transparente Schutzschicht werden Abertausende von kleinen Mulden. Pits genannt, geprägt, in denen die eigentliche Information versteckt ist. Auf diese Schicht wird nach unten hin eine reflektierende Aluminiumbeschichtung aufgetragen, so daß ein Laserstrahl, der von unten einfällt, von dort zurückgeworfen oder gestreut wird. Ein CD-Player liest also immer von der Rückseite einer CD!
Nun sind die Pits nicht irgendwie auf der CD verteilt, sondern nach einem genau definierten Muster. CDs kennen nicht die bei Floppylaufwerken übliche Einteilung in konzentrische Spuren - eigentlich hat eine CD nur eine einzige Spur, die sich spiralförmig von der Mitte der Platte bis nach außen zieht. Lassen Sie mich ein wenig mit Zahlen um mich werfen: Die Windungen der Spirale sind ganze 1.6 Mikrometer (!) voneinander entfernt; zum Vergleich: Ein Pit ist 0.9 bis 3.5 Mikrometer lang, 0.5 Mikrometer breit und 0.1 Mikrometer tief; ein menschliches Haar ist etwa 50 Mikrometer dick. Die Spirale, auf der die Informationen versteckt sind, wäre auseinandergerollt knapp 5 Kilometer lang.
Das Zentrierloch mit ungefähr 15 mm Durchmesser ist umgeben von einem Anlaufbereich, einem 4 mm breiten Teil des Datenbereiches, in dem zumindest bei Audio-CDs das Inhaltsverzeichnis der Platte (table of contents, kurz TOC) abgelegt ist. Im eigentlichen Datenbereich (33 mm) ist Platz für 20000 Windungen der Spirale! Wenn man hier Windung mal gleich “Spur” setzt, entspricht das einer Spurdichte von 16000 tpi (tracks per inch) - eine 3.5"-Diskette kommt gerade auf lächerliche 135 tpi...
Dem Datenbereich folgt ein 1 mm breiter Auslaufbereich. Genug Zahlen jetzt.
In ATARIs CDAR504 wird die Dreistrahl-Abtastmethode (Bild 2) verwendet, die von Sony eingeführt wurde; das Abtastsystem im CDAR504 stammt allerdings nicht von Sony, sondern von Chinon. Von dieser Firma stammen auch viele der neueren ATARI-Floppylaufwerke.
Ein Halbleiterlaser vom Injektionstyp (elektrischer Strom regt die Lichtemission an) sendet das typischerweise extrem kohärente und gleichläufige Laserlicht mit einer Wellenlänge von 780 nm (rot bis infrarot) aus. Warum eigentlich ausgerechnet Laserlicht und keine Glühwürmchen oder sowas? Durch die Kohärenz gibt es so gut wie keine ungehorsamen Abweichler im Lichtbündel, die man abfangen müßte, um Störungen zu vermeiden. Daß außerdem alle Strahlen im Laserlicht in Phase sind und zudem die gleiche Polarisationsebene besitzen, kann man - wie wir noch sehen werden -benutzen, um herauszufinden, ob ein Strahl bereits reflektiert wurde.
Der Laserstrahl wird in einem Spalt-Gitter in (mindestens) drei Teilstrahlen aufgetrennt. Die Teilstrahlen gelangen in ein Doppelprisma, das mehrere Aufgaben erfüllt:
Im Linsensystem, das dem Doppelprisma folgt, wird der Gesamtstrahl zuerst leicht aufgeweitet und parallelisiert und sodann vom Objektivlinsensystem und der transparenten Plastikschicht auf der CD zusammen (!) auf die Informationsschicht der CD fokussiert, das heißt, eigentlich auf die mit reflektierendem Aluminium beschichteten Vertiefungen (Lands) zwischen den in der Plastikschicht eingravierten Pits. Folge: Trifft der Strahl auf ein Land, wird er reflektiert; an einem Pit wird er dagegen in alle Himmelsrichtungen gestreut, weil die Fokussierung hier nicht stimmt (Bild 3).
Die Objektivlinse liegt dabei recht dicht bei der Platte, allerdings nicht so nah wie bei Harddisks, wo man aus diesem Grund auf peinlichste Staubfreiheit achten muß, will man nicht kolossale Kollisionen riskieren.
An der Plattenoberfläche ist der Laserstrahl noch etwa einen Millimeter breit; auf der reflektierenden Schicht hat er gerade noch eine Breite von 1 Mikrometer, also 1000mal weniger; die Wellenlänge des Lasers ist nur wenig kürzer. 1 Mikrometer ist auch die maximale Auflösung. Die Schatten von Staubkörnchen und kleinen Kratzern, die auf der Oberfläche der CD liegen, werden natürlich mit verkleinert - einer der vielen Gründe, warum die CD-Technologie zu den robustesten zählt.
Das Doppelprisma sorgt auf dem Rückweg dafür, daß Streulicht ausgefiltert wird, indem nur Licht einer bestimmten Polarisationsrichtung zum Photodetektor abgelenkt wird. Auf diese Weise kann man im Photodetektor einwandfrei feststellen, ob unterm Laser ein Pit oder ein Land liegt.
“Jetzt hat er uns schon eine Menge Senf erzählt”, denken Sie, “aber immer noch nicht begründet, warum man nun ausgerechnet drei Teilstrahlen braucht.” CDs aus der Massenfertigung sind nicht so ebenmäßig und exakt, wie man es gerne hätte. Da kann es schon mal passieren, daß die Spirale exzentrischer wird als der verschrobenste Brite und damit auch krümmer, als es die Leseelektronik erwartet. Die beiden seitlichen Strahlen dienen dazu, dem Lauf der Spur zu folgen. Sie werden so ausgerichtet, daß sie bei korrekter Spurlage die linken und rechten Ecken der angrenzenden Spurteile treffen. Da eine Spur wegen der Pits darin anders aussieht als die Fläche zwischen den Spuren (nur glatte, reflektierende Oberfläche), kann man die Spurlage anhand der durchschnittlichen Reflektionswerte erkennen. Bei korrekter Spurlage ist der Reflektionswert beider Seitenstrahlen annähernd gleich (Bild 4a). Ansonsten haben wir verschiedene Reflektionswerte (Bild 4b), anhand derer der Laserstrahl neu ausgerichtet werden kann.
Ein ähnliches Problem gibt es auch bei der Fokussierung: Auch CDs wellen sich, und schon ist die Voreinstellung des Laserbrennpunktes auf die reflektierende Schicht völlig falsch. Aber auch das wird erkannt. Der reflektierte Laserstrahl wird kurz vor dem Photodetektor von einer zylindrischen Linse in Ellipsenform gebündelt; wird die Ellipse auf Höhe des Photodetektors zum Kreis, ist die richtige Brennweiteneinstellung an der Objektivlinse erreicht, ansonsten muß dort - je nach Ausmaß des Fehlers - korrigierend eingegriffen werden.
Diese Methode der Abtastung heißt Dreistrahlsystem mit astigmatischer Fokussierung - nur damit Sie bei Gelegenheit mal einen Verkäufer beeindrucken können, der Ihnen gerade einen CD-Player verscherbeln will.
Das war’s also für die erste Folge. Erwähnen sollte man vielleicht noch, daß es nicht nur das Dreistrahl-System gibt, sondern auch ein von Philips propagiertes Einstrahlsystem, das prinzipiell das gleiche leistet. Lassen Sie sich vom gerade erwähnten CD-Player-Verkäufer nicht einreden, daß Dreistrahlsysteme dreimal soviel Sound böten (soll schon vorgekommen sein). Die Einstrahl-Methode ist hauptsächlich deswegen ins Hintertreffen geraten, weil die Japaner den CD-Markt beherrschen und die Dreistrahllösung vom japanischen Kollegen Sony abgeguckt haben.
CB
Literatur:
[1] Buddine, Young: The Brady Guide to CD-ROM,New York 1987
[2] Gail, Mathur, Rodgers, Roth: Essential Guide to CD-ROM, Westport 1986
[3] Claus Brod: Floppyspielereien, ST-Computer 6/87-11/88
[4] Brod, Stepper: SCHEIBENKLEISTER. Eschborn 1988
[5] Lambert, Ropiequet: CD-ROM - The New Papyrus, Redmond 1986