Auf der Frankfurter Musikmesse gab es an einem kleinen, in einer Ecke versteckten Stand ein interessantes Produkt zu sehen, das endlich auch Erleichterung für die handschriftgeschädigten Komponisten und Arrangeure bringen soll.
Der kleine Unterschied zu den meisten anderen für den ST verfügbaren Programmen dieser Gattung ist der, der zwischen einer Textverarbeitung wie 1st Word und einem Desktop Publishing-Programm besteht: Ersteres erlaubt es, einfach und schnell große Mengen von Text zu erfassen und in brauchbar präsentable Form zu bringen. Ein DTP-Programm dagegen soll dem Layout, der grafisch möglichst vollkommenen Fassung der meist anderswo erfaßten Texte dienen. Su-perScore ist ein Programm, das es ermöglicht, auch musikalisch komplexe Noten zu gestalten und zu drucken. Für die Eingabe von Noten wurde ein 32-spuriger Sequencer gleich in das Programm integriert. Man darf gespannt sein, ob das Gespann sich bewährt.
SuperScore wird in einem Plastikschuber geliefert, blaumetallic, in üblicher Programmschubergröße. Darinnen findet man Handbuch, Programmdiskette und einen Hardware-Key, der als Kopierschutz fungiert. Vor dem Einschalten des Rechners muß dieser Key in den Romport gesteckt werden - eine Kopierschutzmethode, die sich inzwischen bei Musikprogrammen durchgesetzt hat. Man benötigt mindestens 1 Megabyte RAM und, man höre und staune, für ein amerikanisches Programm höchst ungewöhnlich, einen Schwarzweiß-Monitor.
Farbmonitor-Besitzer dürfen sich also mit Fug und Recht diskriminiert fühlen. Zusätzlich zum Rechner brauchen Sie nur noch ein Midi-Keyboard als Eingabelund Wiedergabe-) Gerät.
Das Handbuch ist natürlich englisch geschrieben und nicht besonders übersichtlich. Es leidet auch etwas unter der Tatsache, daß sich der eigentliche Text auf die Version 1.0 bezieht, während die ausgelieferte Version bereits die Nummer 1.2 trägt. Die zusätzlichen bzw. geänderten Features sind auf losen Anhangblättem beschrieben, jedoch leider nicht vollständig. Der deutsche Vertrieb hat aber zugesichert, daß sowohl ein deutsches Handbuch wie eine deutsche Übersetzung des Programmes selbst in Arbeit sind.
Apropos Übersetzung, die Programmierer von SuperScore haben eine gute Idee in Sachen Übersetzbarkeit gehabt:
Sämtliche Meldungen und Dialoge, die das Programm so von sich gibt, sind in einem ASCII-File enthalten, das vom Benutzer nach Wunsch geändert werden kann. Einer französischen oder dänischen Fassung steht also nichts im Wege: einfach das Resource-File und das File mit den Meldungen in die gewünschte Sprache übersetzen. Kein neues Compilieren ist notwendig; damit sollten schlechte Übersetzungen endlich der Vergangenheit angehören. Nachdem man den Key in den Romport gesteckt hat, sind keine weiteren Installationen notwendig; natürlich sollte man, wie immer, eine Sicherheitskopie anfertigen. Problemlos ist es auch, das Programm samt allen Hilfsdateien auf eine Harddisk zu kopieren; da SuperScore jedoch nach Wunsch auch mit GDOS-Fonts (für Titel und Texte) arbeiten kann, muß eine Zeile im ASSIGN.SYS-File geändert werden, das ja den Zugriffspfad und die Namen der Fonts, die von GDOS geladen werden sollen, enthält.
Die Bedienung von SuperScore ist mausorientiert; jedoch kann man die Tastatur nicht in die Ecke stellen - für eine Menge Tätigkeiten werden Tastatur-Eingaben verlangt. Die meisten Menü-Kommandos stehen für gedächtnisstarke Benutzer auch als Tastenfunktionen zur Verfügung.
Wie bereits in der Einleitung angedeutet, besteht SuperScore aus zwei Teilen: einem 32-spurigen Midi-Sequencer, der der Erfassung der Noten dient und dem eigentlichen Notensatz-Teil, der sich dem Layout der Musik verschrieben hat.
Das Konzept dieses Programmteils ist einfach und dem Zweck angemessen. Eine Aufnahme kann aus insgesamt 24 Sequenzen, jede bestehend aus 32 Spuren, zusammengesetzt werden. Sequenzen können beliebig aneinandergebunden werden, so daß man eine längere Aufnahme bequem aus einzelnen Teilstücken zusammensetzen kann. Der Inhalt jeweils einer Sequenz kann dann in den Notensatz-Teil übernommen werden.
Die Länge jeder Sequenz richtet sich nach der Länge der ersten Aufnahme auf einer Spur. Wenn Sie also in einer leeren Sequenz auf Spur 4 genau fünf Takte aufnehmen, hat diese Sequenz eine Länge von fünf Takten.
Apropos Aufnahme: Sie funktioniert wie bei einem Tonbandgerät. Sie wählen Sequenz und Spur aus, auf die Sie aufnehmen möchten, und drücken die Record-Taste. Das ‘Band’ - sprich der Sequencer - läuft los und stoppt erst, wenn Sie die Stopp’-Taste drücken. Dabei können Sie ein Metronom mit einstellbarem Vorzähler aus dem Lautsprecher des Atari hören. Für die erste Spur ist die Aufnahme noch komfortabler: Das Metronom läuft vor, die Aufnahme beginnt genau in dem Moment, in dem Sie die erste Taste auf Ihrem Midi-Keyboard drücken.
Zur Korrektur eventueller Spielfehler gibt es ein manuelles und ein automatisches Punch-In/Out. Sie können also von einer beliebigen Stelle einer Aufnahme an noch einmal beginnen und damit Fehler verbessern.
Schließlich ist es mit dem sogenannten Step-Modus möglich, Musik nicht einzuspielen, sondern Note für Note einzugeben. Man kann die Midi-Clock dabei automatisch oder manuell fortschreiten lassen, so daß auch und gerade sehr komplizierte Rhythmen schnell in den Rechner zu bringen sind. Sehr nützlich ist außerdem, daß man die Step-Eingabe auch in Verbindung mit den Punch-In/Out-Verfahren für Korrekturen benutzen kann.
Wie sich das für einen Sequencer gehört, laasen sich Aufnahmen natürlich auch wieder abspielen. Dabei kann jeder Spur ein eigener Midi-Kanal zugeordnet werden, mit einem kleinen Hardware-Zusatz kann man den Atari sogar mit drei zusätzlichen Midi-Ausgängen versehen, so daß maximal 64 Midi-Kanäle verwendet werden können. Jeder Spur ordnet man einen Ausgang und ein Midi-Kanal zu. Sequenzen können im Loop-Modus abgehört werden, so daß die Aufnahme immer wiederholt wird. Natürlich existiert auch das Vor- und Zurückspulen, wie bei einem Kassettenrekorder. Das Tempo ist aber, im Gegensatz zu einem richtigen Rekorder, frei wählbar, wie bei Midi-Rekordern üblich. Eine Solo-Funktion ist vorhanden, um einen einzelnen Track alleine abzuhören. Jede Spur läßt sich per Hand an- und ausschalten.
Ganze Sequenzen und auch einzelne Spuren sind nach der Aufnahme bearbeitbar: Wie gesagt, können Sequenzen aneinandergehängt werden. Darüber hinaus kann man sie kopieren, ihren Inhalt um einige Takte oder auch nur einige Schläge verschieben, kürzen oder auch transponieren. Die Transponierfunktion ist recht intelligent: Es lassen sich einzelne Midi-Kanäle von der Transposition ausnehmen, was besonders für Schlagzeugspuren wichtig ist.
Einzelne Spuren können zuerst einmal quantisiert werden. Unter Quantisierung versteht man eine Korrekturfunktion des Computers, bei der der Rechner kleine Spielungenauigkeiten auszugleichen versucht. Die Quantisierung ist recht vielseitig: Sowohl der Quantisierungs-Notenwert wie auch eine gewisse Toleranz können gesetzt werden, ebenso hat man die Wahl, ob Notenanfang oder -ende oder auch beide korrigiert werden sollen. Auch die Midi-Velocity-Werte (Anschlagsdynamik) können verändert werden.
Wie ganze Sequenzen lassen sich auch einzelne Spuren verschieben oder transponieren. Spuren können gemischt und (nach Midi-Kanälen) wieder entmischt werden. Auch eine tonhöhenabhängige Aufteilung auf mehrere Spuren ist möglich, um z.B. eine Klavieraufnahme auf zwei Spuren zu verteilen (linke und rechte Hand). Schließlich kann man noch bestimmte Midi-Daten löschen, z.B. Controller- oder Pitch Bending-Daten.
Natürlich gibt es auch eine Filterfunktion beim Einspielen, so daß unliebsame Daten gar nicht erst aufs elektronische ‘Band’ kommen. Eine Menge nützlicher Funktionen sind noch vorhanden, ein kleines Midi-View-Utility erlaubt es zum Beispiel, ankommenden Midi-Daten zuzuschauen, was sehr nützlich ist, um Fehler in einem Midi-Setup zu finden.
Selbstverständlich kann der Sequencer auch extern synchronisiert werden, ebenso kann er selbst ein Midi-Clock-Signal senden. Auch eine Software-Midi-Thru-Funktion ist vorhanden.
Der Sequencer arbeitet sauber und problemlos, seine Bedienung ist, mit wenigen kleinen Ausnahmen, sehr einfach und übersichtlich. Seine Bedieneroberfläche ist stark fensterorientiert, was die vom Macintosh bekannte Unannehmlichkeit mit sich bringt, daß natürlich nie das Fenster aktiv ist, in dem man gerade etwas anklicken will. Viele Operationen gehen wie auf dem Desktop schnell und einfach, so zum Beispiel das Kopieren von Spuren: einfach mit der Maus nehmen und auf die gewünschte Zielspur ziehen - wie das Dateienkopieren des Desktops.
Wenn man bedenkt, daß der primäre Zweck des Sequencers die Eingabe von Noten für das Layout-Programm ist, so hat er eine hervorragende Note verdient. Natürlich kann er sich nicht mit State-of-the-Art-Sequencern messen, aber das ist auch nicht seine Aufgabe. Man kann gut und schnell damit aufnehmen, auch Arrangements sind durch das sequenzorientierte Arbeiten schnell gemacht. Man nimmt die Einzelteile in getrennten Sequenzen auf und hängt sie dann einfach in der gewünschten Reihenfolge hintereinander. Für viele Anwendungen gerade im Heimstudio dürfte der Sequencer völlig ausreichen.
Wenn Sie eine Aufnahme fertiggestellt haben, wechseln Sie auf die Score Writer-Seite. Dort beginnt der Computer damit, Ihre Aufnahme in ein Seitenlayout umzurechnen.
Dazu können Sie einige Voreinstellungen machen. Wie bei jedem Layout-Programm muß der Computer zuerst einmal wissen, welches Format - in diesem Fall, speziell welches System-Format - Sie für Ihre Noten haben wollen. Sie können also wählen. Hier legt SuperScore eine ungeahnte Vielseitigkeit an den Tag, die einzige Beschränkung ist das Papierformat: 8*11 Zoll, also etwas kleiner als DIN A4 ist festgelegt.
Sieben eingebaute Formate stehen zur Verfügung, die wohl die meisten Standard-Anforderungen erfüllen dürften (z.B. Klavier, Klavier und Solostimme, Trio, Chor usw.). Wenn Ihnen keines dieser Formate zusagt, können Sie auch einfach eine Anzahl von Systemen festlegen, maximal 32 Stimmen sind möglich. Als besonderen Gag gibt es aber eine Bibliothek mit Systemformaten, die Sie selbst beliebig verändern und erweitern können, denn die Bibliothek ist, wie auch die Programmeldungen, als ASCII-File auf der Diskette gespeichert. Wenn Sie für Ihren Chor oder Ihre Funk-Band ein bestimmtes Notenformat brauchen, tragen Sie es einfach in die Bibliothek ein, und es steht Ihnen immer auf Abruf zur Verfügung. In dieser Bibliothek sind auch gleich (natürlich veränderbar) die Zuordnungen von Notensystemen zu Sequenzerspuren sowie die Bezeichnungen der Spuren samt Klammem und Akkoladen und schließlich auch die Art des Notenschlüssels verzeichnet, kurz - das ganze Systemlayout.
Spurenzuordnung, Notenschlüssel und Systembezeichnungen sind jederzeit veränderbar, mit den Akkoladen und Klammem ist das nicht ganz so einfach. Es gibt übrigens sechs verschiedene Schlüssel: Sopran, Alt, Tenor und Bass, sowie oktavierten Sopranschlüssel und die Möglichkeit, ganz auf einen Schlüssel zu verzichten, z.B. für Schlagzeug.
Weitere Voreinstellungen betreffen die Größe Ihrer Noten. Es gibt klein, mittel und groß, mehr nicht. Natürlich können Sie auch Tonart und Taktbezeichnung eingeben, aber nicht nur für den Anfang des Stückes, sondern für jeden beliebigen Takt. Die Tonart läßt sich für jedes System einzeln einstellen, die Taktart nur für alle gemeinsam. Die Taktnumerierung kann ebenfalls frei angegeben werden.
Schließlich sollten noch Titel und Kopf-und Fußzeilen eingegeben werden. Dabei können Schrifttyp und -große aus den mit GDOS eingeladenen Fonts ausgewählt werden (wie bei DEGAS ELITE). Die Zeilen für Titel usw. sind ausreichend, für jeden Teil (Titel, Untertitel, Orgelregister, Komponist, Texter, Aufführungshinweis) ist ein eigener Font bzw. Schrifttyp wählbar. Kopf- und Fußzeilen können übrigens entweder für alle Seiten gemeinsam (mit unterschiedlicher Numerierung) oder auch für jede Seite unabhängig eingegeben werden. Leider gibt es bei der Titelformatierung manchmal Probleme, vor allem, wenn sie den Titel erst nachträglich angeben.
Übrigens haben Sie auch die Möglichkeit, auf der Layout-Seite Ihre Noten jederzeit abzuhören. Die Abspiel-Kommandos des Sequenzers sind auch auf der Layout-Seite verfügbar.
Die bisherigen Voreinstellungen sind ziemlich elementar und können auch schon eingestellt werden, bevor überhaupt irgendwelche Noten aufgenommen werden. Das ist auch sinnvoll, weil viele der spezielleren Edierfunktionen Änderungen an diesen Grunddaten nicht überleben. Man sollte wirklich immer erst das Grundlayout endgültig fertigstellen, bevor man zu den verschiedenen Ebenen von Details, die mit SuperScore verändert werden können, übergeht. Jede nachträgliche Änderung auf einer höheren Ebene kann die ganze Arbeit auf den niedrigeren Ebenen zunichtemachen. Klar, wenn Sie z.B. in einem DTP-Programm das Spaltenformat wechseln, gehen alle Änderungen, die Sie an der Silbentrennung oder am Kerning (dem Buchstabenabstand innerhalb eines Wortes) vorgenommen haben, verloren, bzw. sie verlieren ihren Sinn.
Nach diesen Grundsätzlichkeiten sollte der nächste Schritt die ungefähre Verteilung der Systeme auf der Seite sein. Dazu gibt es drei Funktionen:
‘Score Quantize’, für jedes System einzeln wirksam, bestimmt, wie groß der kleinste noch dargestellte Notenwert sein soll. Wenn Sie hier z.B. ein Achtel einstellen, werden alle Noten, die bei der Aufnahme kürzer als eine Achtelnote gespielt wurden, nicht dargestellt bzw. zu Achteln verlängert. Diese Funktion ist unter anderem notwendig, um Unterschiede zwischen Aufführungspraxis und Notation zu beheben (Woher soll der Computer auch wissen, daß Sie die 16tel, die Sie gespielt haben, als Staccato-Achtel notiert haben wollen ?).
Mit ‘Horizontal Spacing’ können Sie die einzelnen Noten enger zusammenrücken lassen oder aber auch mehr Platz für Ihre Entfaltung schaffen. Mehr Platz ist meistens dann notwendig, wenn Text unterlegt werden soll. Weniger Platz wird man meistens dann verwenden wollen, wenn möglichst viele Takte in ein System passen sollen.
Mit ‘Vertical Spacing’ können Sie den Abstand jedes Systems von den anderen völlig frei einstellen. Allerdings benutzt SuperScore diese Einstellungen nicht als absolute Werte, sondern eher relativ; in gewissen Grenzen behält sich das Programm die endgültige, präzise Formatierung der Systeme selbst vor. Wie in den meisten gedruckten Noten auch ist der Abstand zwischen zwei Systemen normalerweise auch nicht völlig gleich, sondern von dem enthaltenen Tonmaterial abhängig; Wenn z.B. nur an einer Stelle ein Ton mit vielen Hilfslinien vorkommt, der einen großen Systemabstand erfordert, wird SuperScore an dieser Stelle automatisch einen ausreichend großen Systemabstand wählen, so daß es nicht zu Überlappungen kommt. An anderen Stellen verschwendet SuperScore den Platz aber nicht, sondern reduziert den Systemabstand wieder.
Wenn Sie unbedingt wollen, können Sie natürlich mit der ‘Vertical Spacing’-Option auch Überlappungen zwischen Systemen erzeugen, Ihrer Fantasie sind da keine Grenzen gesetzt. Ziemlich mühsam wird die Art der Formatierung bei längeren Werken, da es keine Option gibt, mit der sich der Vertikal-Abstand für die ganze Partitur relativ vergrößern oder verkleinern ließe.
Schließlich kann man das Layout ganzer Seiten beeinflussen, indem man ganze Systeme von der Seite entfernt oder hinzufügt, falls der übrige Platz das erlaubt. SuperScore berechnet das neue Layout nicht nach jedem dieser Formatierkommandos. Man kann zwar die neuen Positionen erkennen, die alten Daten werden aber nicht immer gelöscht, was manchmal etwas unübersichtlich ist. Deshalb gibt es ein Kommando, mit dem dann zum krönenden Abschluß das Layout komplett neu berechnet und gezeichnet werden kann.
Jetzt ist man glücklich an dem Punkt angelangt, an dem SuperScore seine Vorteile gegenüber anderen Notendruckprogrammen ausspielen kann: Das Aussehen jeder einzelnen Note kann geändert werden, und zwar nicht nur in Sachen Tonhöhe und -länge, auch die Art der Balken und die Richtung der Notenhälse (und vieles mehr) ist veränderbar. Weshalb das notwendig ist, mag ein Beispiel erläutern:
Bei Vokal-Noten ist es üblich, jede Textsilbe mit einem eigenen Fähnchen zu zeichnen, auch wenn die normale Regel in der entsprechenden Taktart eigentlich Balken statt Fähnchen verlangte. Ein Programm, das Balken nur automatisch setzt, wie die meisten Notendruckprogramme, ist an diesem Punkt überfordert. Das gleiche Problem tritt bei Taktarten auf, für die es keine oder keine eindeutigen Regeln für die Balkensetzung mehr gibt, wie z.B. schon ein einfacher 5/4tel Takt. Oder: Bei polyphoner Musik kann der Computer nicht entscheiden, welche Noten zu welcher Stimme gehören. In diesen Fällen muß es möglich sein, die Richtung von Notenhälsen per Hand zu bestimmen. Oder: Der Computer kann an eingespielten Noten nicht erkennen, ob es eventuell Schlagzeug- oder Flageolett-Noten sein sollen. Auch manche N-Tolen sind für den Computer unter Umständen automatisch nicht zu erkennen. Sie sehen, es gibt so einiges, was man manuell an einem Notenblatt zu layouten hat.
Kurz gesagt, erlaubt SuperScore, jede Note zu löschen, beliebig zu verschieben, in Tonhöhe, Länge, Bebalkung, Notenhälsen und Bindebögen beliebig zu manipulieren. Selbst die Länge der Notenhälse kann frei eingestellt und Vorzeichen können unabhängig von der Note, zu der Sie gehören, verschoben werden. Das geht zum größten Teil auch sehr komfortabel vor sich: Entweder man klickt eine einzelne Note an. Dann erscheint unter der Menüzeile eine Eingabezeile, in der man mittels Tastendruck auf der ST-Tastatur eine Option auswählen kann, z.B. Löschen, Verschieben oder Edieren. Wählt man letzteres, so erscheint eine Dialogbox, in der man so ziemlich alle Parameter einer Note verändern kann. Änderungen der Tonhöhe sind beim Abspielen auch sofort hörbar.
Der zweite Weg, Noten oder auch Gruppen von Noten zu verändern, benutzt nur die Maus: einfach ein paar Noten mit dem Gummirechteck einfangen. Dann erscheint eine kleine Dialogbox, in der Sie Verschiedenes wählen können: Noten um ein oder zwei Oktaven versetzen, Notenhälse nach oben oder nach unten oder Balken zusammenfassen oder auseinandernehmen.
Alle diese Edit-Kommandos werden auf der Seite nur angedeutet; man muß ein Redraw-Kommando aufrufen, mit dem man die Seite neu zeichnen kann.
Leider gibt es bei den Kommandos, so schön und nützlich sie im Prinzip sind, noch ein kleines Problem: Das Programm macht noch zu viele Fehler. Zwar stürzt es praktisch nicht ab (die aktuelle Version ist während des ganzen Testes nicht abgestürzt), aber die Ergebnisse dieser notenbezogenen Edierkommandos, speziell, soweit sie die Notenhälse und Fähnchen betreffen, sind unbefriedigend. An dieser Stelle müssen dringend ein paar Bugs entfernt werden, sonst helfen die tollen Möglichkeiten wenig.
Zwei Optionen helfen in diesem Stadium bei der Verbesserung des Layouts: Balken können schräg oder horizontal gesetzt werden. Auf den meisten Druckern sehen gerade Balken natürlich besser aus, weil man keine Treppchen sieht, aber über Geschmack läßt sich nicht streiten.
Sehr nützlich ist die Möglichkeit, auch Pausen in Balken einzubeziehen. Komplizierte rhythmische Figuren werden so erheblich übersichtlicher.
Wenn die Funktionen dieser Layout-Ebene richtig funktionieren, sind den Möglichkeiten kaum Grenzen gesetzt. Es ist mir zum Beispiel bisher mit keinem anderen Notendruckprogramm auf dem ST gelungen, verhältnismäßig mühelos einen Ausschnitt aus einem Gitarrentrio mit komplizierter Polyphonie zu setzen; mit SuperScore funktionierte es wunderbar, bis auf einige Stellen, an denen pro-gramminteme Bugs mir einen Strich durch die Rechnung machten (Da malt das Programm doch tatsächlich an einer bestimmten Stelle die Balken einfach wild in die Noten statt an die Notenhälse. Aber immer nur an bestimmten Stellen. Dabei geht es sonst so toll...). Liebe Programmierer, bitte, bitte, beseitigt schnell die Fehler des Noteneditors!
Auch Taktstriche kann man verschieben und löschen, wenn sie im Weg sind. Natürlich läßt sich auch die Art der Taktstriche verändern: Wiederholungszeichen und Doppelstriche sind genauso möglich wie verschiedene Endungen nach Wiederholungen (maximal drei: L, 2. und 3. Haus).
Ganze Takte können kopiert, eingefügt oder gelöscht werden, auch das Verlängern eines Taktes ist möglich, um z.B. einen Taktwechsel ohne Veränderung der folgenden Noten zu produzieren.
Natürlich ist es auch möglich, Texte unter einem System zu plazieren. SuperScore hilft bei der Plazierung der Silben, indem es auf Kommando den Textcursor an einer bestimmten Stelle positioniert. Das Textformat ist wie bei den Titeln frei wählbar. Außer dieser speziellen Methode, an die Noten gebundene Texte zu produzieren, kann man auch freien Text auf der Seite verteilen. Damit sollte man jedoch solange warten, bis garantiert keine Änderungen am ‘Vertical Spacing’ mehr zu erwarten sind, sonst stimmt die Positionierung nicht mehr.
Ein besonderes Bonbon für die Arrangeure von Jazzbands, Liederbüchern oder jeder anderen Literatur, die sich mit Gitarrenakkorden beschäftigt, ist die Akkordsymbol-Funktion. Es gibt kleine und große Griffsymbole sowie eine Textumschrift. Man muß die Akkorde auch nicht erst selbst eingeben, sondern kann sie aus einer riesigen Akkordbibliothek, die sich ebenfalls als ASCII-File auf Diskette befindet, auswählen. Dazu muß man nur den ungefähren Akkordnamen eingeben, z.B. Csus4, und SuperScore sucht den Akkord aus der Bibliothek, der dem gewünschten am nächsten kommt (nach lexikalischen Gesichtspunkten natürlich). Wenn man Sonderwünsche hat, braucht man diese nur in die Bibliothek einzutragen. Die Positionierung der Symbole wird durch eine Art Snap-Funktion erleichtert, die es ermöglicht, jeweils eine Bewegungsrichtung der Maus zu blockieren, so daß man den Cursor nur vertikal oder nur horizontal bewegen kann. Diese Akkordsymbol-Punktion kann sich wirklich sehen lassen.
Den letzten Schliff erhält die Partitur dann durch musikalische Sonderzeichen, die in allen Formen und Größen zur Verfügung stehen. SuperScores Sonderzeichen-Bibliothek ist recht umfangreich, sie enthält z.B. auch Flageolett- und Schlagzeug-Noten. Sollten Sie aber tatsächlich auch hier Sonderwünsche haben, nichts leichter als das:
Einmal können Sie mit einem Zeichenprogramm wie DEGAS ELITE das entsprechende Sonderzeichen oder auch Ihre Unterschrift oder was auch immer als Grafikblock zeichnen und abspeichern und diesen Grafikblock in SuperScore einladen und dort wie eines der eingebauten Sonderzeichen verwenden. Es kommt aber noch viel besser (Freunde Neuer Musik bitte herhören !):
Ein recht umfangreiches, objektorientiertes Zeichenprogramm ist gleich eingebaut, Sie können beliebig breite Linien, z.B. für Cluster-Notation zeichnen, oder besondere n-Tolen und Bindebögen oder, was Ihnen eben einfällt, um Ihre Noten zu verschönern. Jede einzelne Linie, die Sie auf diese Art zeichnen, können Sie auch wieder löschen, wie sich das eben für ein objektorientiertes Zeichenprogramm gehört. Ich glaube, auf diese Art kann man die eigenen Werke wirklich extrem frei gestalten.
Leider ist auch dieser Teil des Programmes nicht ganz frei von Fehlern: Nach einem Redraw-Kommando verschwinden manchmal Sonderzeichen vom Bildschirm, d.h. sie sind nicht mehr sichtbar, aber offensichtlich noch vorhanden, denn löschen kann man sie noch. Ärgerlich, aber hoffentlich bald behoben.
SuperScore ist kein Weltmeister in Sachen Geschwindigkeit, es zeichnet bedächtig, ein Bildschirm-Redraw dauert einige Sekunden. Das Programm ist allerdings so konzipiert, daß man mit etwas Mitdenken mit sehr wenigen Redraws auskommt. Überhaupt sollte man SuperScore mit Bedacht nutzen: Bevor man ein Layout macht, sollte man eine recht klare Vorstellung vom Aussehen des Endproduktes haben, sonst kann sich die Arbeit in die Länge ziehen. Wenn die Fehler nicht wären, könnte man sehr gut mit dem Programm arbeiten; unter Berücksichtigung der Fehler ist die Arbeit an komplexen, vor allem polyphonen Layouts stark gehandicapt. Ich persönlich hoffe für meine eigene Arbeit stark auf ein Update, das die Fehler korrigiert, denn in Sachen Möglichkeiten beim Notensatz gibt es i bisher keinen Konkurrenten auf dem ST für SuperScore; außerdem Copiisten von Dr. T’s, dem es für meinen Geschmack an Bedienungskomfort mangelt. Es bleibt aber dabei: Die Fehler müssen raus, und zwar schnell.
Notensatz ist, was die Bedieneroberfläche betrifft, ein schwieriges Problem. SuperScore bietet in vielen Punkten komfortable Lösungen dafür.
Ein nicht ganz unwichtiger Punkt für ein Notendruckprogramm ist die Druckqualität. Hier macht sich SuperScore leider eine Eigenart vieler amerikanischer Programme zu eigen: Viele Druckertreiber stehen zur Verfügung, nämlich so ziemlich alles, was es für GEM (DEGAS ELITE, amerikanische PD, ANTIC usw.) gibt. Diese Treiber lassen sich per Menübefehl einladen, als Default gibt es einen Epson-kompatiblen Treiber.
Leider läßt sich mit diesen Treibern keine besonders gute Qualität erreichen, auch nicht auf 24-Nadel-Druckern. Mit Programmen wie C-Labs Notator oder Steinbergs Masterscore, ja selbst dem kleinen EZ-Score plus von Hybrid Arts kann SuperScore leider noch nicht mithalten.
Allerdings ist für die nächste Zeit ein Laser-Treiber angekündigt, der dann auch Postscript-fähig sein soll. ADOBEs Sonata-Font soll verwendet werden, und der ist wirklich sehr schön. Auch auf dem 24-Nadel-Sektor soll sich mit dem neuen Treiber einiges tun. Warten wir’s ab.
Symbole, die mit dem eingebauten Zeichenprogramm gemalt wurden, sollen dann übrigens auch in höherer Auflösung mitgedruckt werden. Aber das ist Zukunftsmusik.
Zum Schluß sei noch erwähnt, daß ein kleines Hilfsprogramm im Lieferumfang enthalten ist, mit dem es möglich ist, Sequenzen von fremden Sequencern in das SuperScore-Format zu konvertieren. Im Augenblick wird nur das Steinberg TwentyFour-Format, basierend auf Version 2.0, unterstützt, bei meinen Versuchen ließen sich aber auch Files der Versionen 2.1 und 3.0 laden, wenn auch nicht immer problemlos. In der Menüleiste sind bereits einige andere verbreitete Formate vorgesehen, so z.B. das Midi-Standard-Format.
SuperScore hinterläßt einen etwas zwiespältigen Eindruck: Das Programm hat ganz hervorragende Anlagen, die Möglichkeiten, die an sich vorhanden sind, sind einfach toll. Leider aber sorgen ein paar kleine Fehler irgendwo im Programm dafür, daß man nicht allzuviel mit den großartigen Möglichkeiten anfangen kann, wenn man mehr tun will, als man auch mit herkömmlichen Notendruckprogrammen tun kann (mehr, als nur einfache Partituren mit homophonen Stimmen zu drucken). Es ist wirklich ärgerlich: Endlich mal ein Programm, das die Features bietet, die man dringend braucht, und dann ärgern einen lauter kleine Teufelchen. Aber immerhin, man kann schon damit arbeiten. Das nächste Update kommt bestimmt.
Der zweite Haken ist die Druckqualität. Auch und gerade hier muß sich einiges tun. Angekündigt ist es, aber noch warten wir. Schließlich sollte es ein neues und vor allem auch ein deutsches Handbuch geben. Das Preis-/Leistungsverhältnis ist mit einem Preis von DM 698,- auf jeden Fall in Ordnung. Für eine Kombination aus bodenständigem Sequencer und leistungsfähigem Noten-Layoutprogramm ist der Preis nicht hoch. Mit einem halbwegs fehlerfreien SuperScore könnte man sehr zufrieden sein. Hoffentlich wird es bald eine deutsche und eine korrigierte Version mit einer vernünftigen Anleitung geben.
CS
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