ANSITERM: DFÜ und Multitasking

ANSITERM ist, wie der Name schon sagt, ein Emulator, der ein ANSI X3.64-Terminal emuliert, wohl besser bekannt als VT 100.

Es werden auch die VT 102- und die VT 52-Emulation unterstützt. Die VT xxx- Terminals sind ursprünglich von der Firma DEC entwickelt worden, die Definitionen wurden später vom amerikanischen Normenbüro festgeschrieben.

Die Emulation ist ziemlich vollständig mit Unterstreichen, Fettschrift, blinkend und invers. Auch ein Graphikzeichensatz und ein britischer (UK) Zeichensatz sind enthalten.

ANSITERM unterstützt das Kermit- und das XMODEM-Protokoll sowie das COMPUSERVE-B-Protokoll mit Quick-B-Erweiterung. Die beiden letzteren sind wichtige Protokolle des größten amerikanischen Betreibers einer öffentlichen Datenbank. Übrigens lief der Test sehr erfolgreich.

Es sind alle gängigen Baudraten von 50 bis 19200 Baud möglich, und bei einer Rechner-Rechner-Kopplung gab es auch bei den hohen Baudraten keine Probleme.

Am unteren Bildschirmrand werden zwei Zeiten gezeigt, die Systemzeit und die Verbindungszeit, die rückstellbar ist.

Ansonsten bietet ANSITERM nicht viel Komfort, es ist kein Mailbox sondern ein TERMINAL-Programm. Beim Programmstart präsentiert sich ANSITERM scheinbar als TOS-Programm. Erst wenn man den linken Mausknopf betätigt, erscheint eine Menüleiste, über die die Funktionen des Programms erreichbar sind. Dazu gehören neben den Parametern für Schnittstelle und Bildschirm die Möglichkeiten, ein Druckerprotokoll einzuschalten, die Verbindungszeit zurückzustellen, die Zeit für eine Bildschirmschonschaltung festzulegen und anderes. Leider ist nicht vorgesehen, die empfangenen Daten auf Diskette zu sichern, und es gibt auch keine Möglichkeit, die im normalen Terminalmodus empfangenen Daten später noch zu edieren bzw. abzuspeichern, da ein integrierter Speicher und Editor fehlen.

Bild 1: Die File-Options von ANSITERM

Dieses Manko wird nur teilweise durch die Möglichkeit wieder wettgemacht, eine Shell bzw. z.B. einen Editor zu definieren, den man von ANSITERM aufrufen kann. Über Alt-Esc kann man während einer Protokoll-Übertragung in dieses definierte Programm springen. Möglich wird dies durch ein mitgeliefertes Programm namens RTXBOOT.PRG. Es handelt sich hierbei um einen Multitasking-Kernel, der am besten in einem Auto-Ordner installiert wird. Unter anderem fängt dieses Programm auch so manche GEM-Exception ab, in ATARIanisch “Bömbchenfehler” genannt. Ansonsten sorgt es dafür, daß man von ANSITERM aus andere Programme aufrufen kann.

Ähnlich wie andere DFÜ-Programme bietet ANSITERM die Möglichkeit, die Funktionstasten doppelt zu belegen und sogenannte Skriptdateien auszuführen. Diese Definitionen müssen allerdings mit einem externen Editor erstellt und in speziellen Dateien abgelegt werden, da ANSI-TERM wie bereits erwähnt über keinen eingebauten Editor verfügt. Mit Hilfe der Skriptdateien kann man zum Beispiel automatische Einlogprozeduren schreiben, oder sogar einen ganzen Hostzugriff automatisieren. ANSITERM kennt zu diesem Zweck 25 verschiedene Kommandos, mit deren Hilfe man alles erledigen kann, vom kompletten Filetransfer bis zum Weckton für den User, der sich während einer halbstündigen Übertragung süßen Träumen hingibt.

ANSITERM wird mit einem deutschen Handbuch geliefert, über dessen Qualität man geteilter Meinung sein kann. Einerseits werden detaillierte Informationen über die verschiedenen verwendeten Protokolle und Standards gegeben, andererseits werden so wichtige Dinge wie das RTXBOOT.PRG mit keiner Silbe erwähnt. Dafür enthält es aber sowohl ein Inhaltsverzeichnis, ein Stichwortverzeichnis sowie einige nützliche Literaturhinweise und ein gutes Begriffslexikon.

Neben dem eigentlichen Terminalprogramm, dem Multitaskingkernel und einer Parameterdatei befinden sich auf der gelieferten Diskette noch je ein Beispiel für Macros und Scriptfiles sowie noch die englisch-sprachige Version des Handbuchs.

Da ANSITERM nicht kopiergeschützt ist, läßt sich eine Sicherheitskopie anfertigen und auf einer Harddisk unterbringen.

Bild 2: Das Options-Menü von ANSITERM

ANSITERM ist ein Produkt von Beckemeyer Tools, einer US-Firma, deren Produkte fast alle mit Multitasking zu tun haben. Schon seit über einem Jahr existiert die RTX-Shell, die auch schon seit einiger Zeit durch die MT C-Shell ergänzt wird. Zusammen bieten die beiden praktisch UNIX auf dem ST, nehmen allerdings zusammen auch fast 800K in Anspruch. Mit dem VSH-Manager. einem weiteren Produkt von Beckemeyer, ist es möglich, über ein Accessory mehrere Hintergrundtasks auszuführen, während man vorne mit einem GEM-Programm arbeitet, eine besonders für Entwickler interessante Sache.

Zum guten Schluß bleibt anzumerken, daß ANSITERM seine Tests bestanden hat, die Protokollübertragungen einwandfrei funktionieren und es ein zuverlässiges Werkzeug darstellt, auch wenn man oft den Komfort anderer Terminalprogramme vermißt. Einzigartig ist die Möglichkeit, während einer Protokollübertragung mit einem anderen Programm zu arbeiten, allerdings gibt es hier einige Einschränkungen. So liefen nur TOS-Anwendungen zuverlässig, GEM-Programme sind wohl (hoffentlich noch) nicht vorgesehen. Für Leute, die oft große Datenmengen übertragen müssen und die die Zeit nicht verträumen wollen oder können, ist ANSITERM ein guter Kandidat fürs Softwareregal.

Bild 3: ANSITERM besitzt vielfältige Einstellungsmöglichkeiten

Christian Schmitz-Moormann
Aus: ST-Computer 04 / 1988, Seite 115

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