Die neuen Vortex-Platten im Test
Kaum glaubt sich ATARI mit der SH205 im Vorsprung vor anderen Plattenherstellern, ziehen die auch schon nach. Darunter auch die Firma Vortex, die gleich eine ganze neue Produktreihe vorstellt: Die HDplus-Platten. Im Test mußte sich das kleinste Modell, die HDplus20, bewähren. Muß man in Raunheim jetzt um den Absatz der SH205 bangen? Mehr dazu in diesem Bericht.
Es hat sich einiges getan bei Vortex. Die neuen Festplatten haben 21 bis 128 Megabyte Speicherkapazität und dabei mittlere Zugriffszeiten von 65 Millisekunden (beim kleinsten Modell) bis zu superfixen 28 Millisekunden bei der HD120.
Real programmers don't need manuals, sage ich im mer. In diesem Falle aber interessiert mich doch der Vergleich zum alten Handbuch. Fangen wir bei den technischen Daten an. Hier liest man angenehm überrascht, daß sich nicht nur die Kapazität um ein eher kärgliches halbes Megabyte erweitert hat (auf fast 21MB), sondern daß auch der Datentransfer zwischen Fest platte und ST mit 1.1 Megabyte pro Sekunde abläuft (vorher 937KB pro Sekunde). Ebenso ist die mittlere Zugriffszeit von 85 auf 65 Millisekunden gefallen. Darunter versteht man einen rechnerischen Mittelwert für die Positionierung des Lesekopfes einschließlich der Zeit, bis alle störenden Vibrationen abgeklungen sind.
Aufgrund dieser Daten sollte man eigentlich meinen, daß die Platte recht schnell sein könnte. Wie schnell, wird noch nicht verraten, damit die Spannung erhalten bleibt. Nähern wir uns der Platte zu nächst in vorsichtigen Umkreisungen.
Von außen sieht sie schon mal richtig deutsch aus, die HD-plus. Wie ich das meine? Naja, solides Metallgehäuse im For mat des MegaST-Hauptgehäuses, saubere Schnittstellen (DMA IN und DMA OUT, gepuffert!) und von außen erreichbare DIP Schalter zur Umadressierung, damit man auch mehrere Festplatten anschließen kann. Schnörkellos, kühl und ! sachlich im nicht ganz ATARI kompatiblen Vortex-Grau. Einziges Zugeständnis ans Freak-Auge: Die im klassischen ST-Winkel schräggestellten Lüftungsschlitze aruder Vorderseite - damit kein PC-Besitzer auf Erden glaubt, diese Festplatte sei in erster Linie ihm zug£ dacht.
Trotzdem, die HDplus-Reihe scheint auch für die riesige Horde der Kompatiblen gebaut zu sein: Der Testplatte lag netterweise ein Backupprogramm bei, sogar mitausführlicher Anleitung, doch leider auf einer 5.25" Diskette - für PCs und ATs. Und da ich nicht so recht daran glaube, daß eine 5.25" Diskette in meine SF314 paßt, selbst wenn ich mich mit der Schere handwerklich an der Diskette vergehe, habe ich die ses Programm leider nicht testen können. Wollen wir hoffen, daß die ST-Version dieses Backupprogramms hält, was die PC-Anleitung verspricht.
Was hat sich noch getan?... Da hätten wir zum Beispiel die Möglichkeit, bis zu acht Partitionen auf der HDplus zu installieren (bei den Modellen ab 80MB sogar bis zu deren sechzehn). Dann ist das Desktop des ST allerdings so schrecklich voll mit Diskicons (acht Icons für die Partitionen, zwei Für Laufwerk A und B, eins für die RAMDisk, dazu noch diverse Papierkörbe), daß man kaum noch Platz für die Verzeichnisfenster findet. Eine Verbesserung, die unter die Kategorie KDV ("Kannste drauf vereichten") fällt. Man stelle sich nur das Chaos bei 16 Partitionen vor...
Desweiteren verspricht das Handbuch zur Platte allerlei Wunderdinge, wie etwa einen Auto-Parker und ein optionales Cache-Memory. Ein Auto-Parker ist ein Programm, das nach einer bestimmten (bei der HDplus einstellbaren) Zeitdauer den Schreib/Lesekopf der Platte auf eine unbenutzte Spur fährt. Dort ist er einigermaßen ungefährlich für die Platte. falls ihr der Himmel auf den Deckel fällt oder so etwas. im Cache-Memory puffert die Platte einmal gelesene Sektoren, so daß die Suchzeiten beim erneuten Zugriff entfallen. Dafür muß man natürlich Hauptspeicher opfern.
VIEL GEHALTEN?
Zur Installation liefert Vortex auf der bereits vorformatierten Platte eine Utilitysammlung und ein Treiberprogramm. Zuerst formatiert man seine Platte physikalisch; dabei kann man noch einen Interleavefaktor angeben, der den Sektorversatz bestimmt. Laut Vortex ist hier eine Vier optimal; nach meinen eigenen Messungen kann man darüber streiten, aber dazu gleich.
Nach dem Formatieren wird partitioniert (ächz, noch ein Fremdwort), die Festplatte also in logische Laufwerke unterteilt. Dabei hat man auch eine recht große Auswahl unter Voreinstellungen. Zusätzlich bie tet das Installationsprogramm eine CLEAR-Option, mit der man eine Partition logisch formatieren kann, wras wesentlich fixer ist als das "richtige" Formatieren - das kann bei der HDplus 10 Minuten dauern!!
Die HDplus verwaltet (wie schon die alten Vortex-Platten) ihre defekten Sektoren selbst, das heißt, der integrierte Controller kümmert sich darum, daß Ersatzsektoren (oder gar ganze Spuren) zur Verfügung gestellt werden. TOS muß sich nicht mehr darum kümmern (indem etwa in der FAT bestimmte Cluster als defekt gekennzeichnet werden). Damit solche Sektoren erkannt werden, kann man die Option BAD (nein, nein, nein, nicht inspiriert von Michael "Kieks" Jackson) auf die Platte loslassen, was auch wieder fünf Minuten kostbarer Testerzeit kostet.
Und dann wäre da noch die BOOT-Option, mit der man erstens die Festplatte (von beliebigen Partitionen) bootbar ma chen, zweitens die Auto-Park-und die Cache-Option aktivieren kann. Die Größe des Cache-Speichers (der nach first-in-first-out-Prinzip ver waltet wird) kann man wiederum frei einstellen. Ein Glück, daß die HDplus diese Auto-Park-Option hat, denn das eigentlich im Handbuch ver sprochene Programm, das die Platte parken soll, war nirgendwo zu finden; so konnte ich vor dem Transport doch noch mein Gewissen beruhigen.
Tja, und nun alle Mann an die Stoppuhren.
Für meinen kleinen Benchmark ist ein Progrämmchen entstanden, das folgende Tests durchführt:
A) Hundertmaliges Lesen von 50 aufeinanderfolgenden Sek toren (per RWABS auf einen Schlag); dadurch wird das Laden von Programmen, die ja meist in aufeinanderfolgenden Sektoren liegen, recht gut nachgebildet.
B) Wie A, nur einzelne RWABS-Aufrufe; dies modelliert das Verhalten der Platte, wenn ein Anwenderprogramm beim Lesen von Sektoren ein schlechtes Timing hat. Ebenso kann man hier den Einfluß des Interleavings besonders gut beobachten.
C) Anlegen von 50 Dateien im Wurzelverzeichnis, nach jedem Anlegen Lesen eines Sektors von einer anderen Partition (Umpositionierung des Lesekopfes). Das bildet den Vorgang nach, wenn man kurze Dateien auf eine bereits leicht gefüllte Partition schreibt. Bei diesem Test erfaßt man ganz gut, wie stark die Zu griffszeiten auf die Geschwindigkeit der Festplatte einwirken.
D) Löschen der erzeugten 50 Dateien. Eigentlich ist dieser Teil nur im Programm, damit nach dem Ablauf die Partition wieder schön sauber aussieht. Aber da auch das ein Festplattenzugriff ist, wurde er natürlich mitgemessen.
Die Platte wurde probeweise mit verschiedenen Interleavefaktoren formatiert; der Test lief einmal mit aktiviertem Cache-Speicher (256 Sektoren) und dann ohne (Tabelle 1).
Vor dem Schrägstrich stehen die Zeiten (in Sekunden) ohne Cache-Speicher, danach diejenigen mit Cache Speicher. Die Interleavefaktoren (ab jetzt wie in der Tabelle kurz IF) über 10 wurden nur teilweise ausgemessen, sie ergeben einfach zu schlechte Ergebnisse (ähnliches gilt für IF 2). Beim Faktor 1 meldete sich das Formatierprogramm mit einer Fehlermeldung, es könne den Konfigurationssektor nicht mehr lesen. IF 5 und 9 liegen im restlichen Trend und sind deswegen nicht extra aufgeführt, um die Tabelle nicht zu überfrachten.
Auffällig: Test B hat optimale Zeiten bei IF 8, Test A dagegen bei Interleave 3- Die Zeiten für Test C liegen sehr eng beieinander, bei Test D ist wieder der IF 3 optimal. Wie man seine Platte formatiert, hat also oft unerwartete Auswirkungen auf die Geschwindigkeit bei verschiedenen Anwendungen. Ich persönlich würde die Vortex-Platte mit IF 3 formatieren.
Bei den verschiedenen Interleavefaktoren habe ich auch den schon fast klassischen WordPlus-Test gemacht, das heißt, WordPlus samt allen dazu nötigen Paraphernalien von Diskette auf eine Partition ko piert, dann gestartet und schließlich in einen anderen Ordner geschrieben. Hier hatte der IF 3 wieder klar die Nase vorn. Ein Kuriosum: Bei IF 6 war das Kopieren in einen anderen Ordner mit aktiviertem Cache-Speicher langsamer als ohne! Überhaupt spart der Cache-Speicher im alltäglichen Einsatz wohl selten mehr als zehn, maximal 2 0 Prozent Zeit. Für mich kommt so ein Cache-Speicher nicht in Frage; lieber installiere ich mir eine RAM-Disk und lasse die zeitkritischen Arbeiten darin ablaufen.
Übrigens war die HDplus beim WordPlus-Benchmark etwas langsamer als die SH205 von ATARI, ebenso bei den Tests A und B (siehe oben), bei den Tests C und D allerdings schneller.
IM SCHWEISSE MEINES ANGESICHTES
... saß ich einige Tage vor der HDplus und versuchte heraus zufinden, wie sie sich für die Programmier- und Anwendungsarbeit eignet.
Vortex verspricht im Handbuch einen leisen Lüfter, denn "auch das gehört zu einem überzeugenden System" (O-Ton Vortex). Ganz meiner Meinung, nur konnte ich den leisen Lüfter in der HDplus nicht entdecken, weil der große laute darin alle anderen Geräusche überdeckte: Beim Einschalten kommt Honda-Feeling auf, danach legt sich der satte Sound etwas, so daß er gerade erträglich wird (zumin dest schon eher als der Windkanal in der SH205). Dieses Lüfter-Dilemma werde ich nie verstehen, bei den PCs geht's doch auch.
Weiterhin soll die Zusammenarbeit mit der SH205 von ATARI besonders gut funktionieren; immerhin sind ja schon die AdressDIPs herausgeführt, so daß man nicht das Gehäuse aufschrauben und die Garantie verletzen muß, um die Platte auf einer anderen Adresse ansprechen zu können. Wenn ich das Handbuch richtig verstanden habe, kann man mit den sechs DIP-Schaltern zwischen jeweils 8 Subadressen der Adapteradressen 0 und 1 umschalten, das heißt, da meine SH205 auf Adapter O eingestellt ist, muß man zum gleichzeitigen Betrieb die HDplus auf Adapter 1 umschalten. So ganz einwandfrei funktionierte die Zusammenarbeit allerdings bei mir nicht immer. Mal formatierte mir das Installationsprogramm der HDplus statt der HDplus meine SH205 (von der ich in weiser Vorah nung einen Backup gezogen hatte), mal mochten sich die beiden Treiber nicht sonderlich, mal wollte die HDplus erst gar nicht auf Ansprache reagieren.
Das Handbuch läßt einen in diesem Punkt ziemlich im Stich; wahrscheinlich gibt es da draußen in der großen weiten Welt noch so ein paar schußlige Anwender wie mich, so daß der gleichzeitige Gebrauch von SH205 (SH204) und HDplus nicht ganz unge fährlich ist.
Überhaupt sollte man sich bei Vortex gründliche Gedanken über das neue Handbuch machen. Was Dokumentation betrifft, sollte man doch bitte keinen Wert auf Kompatibilität mit ATARI legen. Das alte Handbuch war jedenfalls wesentlich umfangreicher und informativer (auch und vor allem was die Interna der Platte angeht). Aber da auf dem Titelblatt noch das Wörtchen "vorläufig" prangt, besteht noch Hoffnung.
Gefallen hat mir die Intelligenz der Treibersoftware. Der Auto-Parker (sowas brauchte man mal im Stadtverkehr) versah seinen Dienst pünktlich und zuverlässig, indem er den Lesekopf (in meinem Fall) alle 30 Sekunden beiseite schaffte. Lei der fährt die Platte den Kopf aber nicht in Parkposition, wenn man sie ausschaltet (manche Platten nutzen den Ausschaltimpuls, um das kurz vor dem Exitus noch zu erledigen). So muß man also nach dem letzten Zugriff immer noch eine Weile warten, bis die Platte durch rhythmisches Geblinke anzeigt, daß sie einen Parkplatz gefunden hat. Auf das Cache-Memory dagegen kann ich, wie schon gesagt, leichten Herzens verzichten. Der Controller in der HDplus ist ja recht intelligent, verwaltet er doch seine Fehlsektoren selbst. Zudem versteht er auch erheblich mehr Kommandos als andere Festplattencontroller, was aber im Normalbetrieb ziemlich nebensächlich ist. Trotzdem muß man enttäuscht sein, daß man diesen Komfort offensichtlich ab und an mit kleinen Geschwindigkeitseinbußen bezahlen muß (siehe Benchmarks).
Fazit: Wenn das Handbuch erst einmal So solide ist wie die Platte selbst, wenn zudem die ver sprochenen BACKUP und PARK-Programme auch wirklich mitgeliefert werden, ist die HDplus auch zu einem Preis von 1 298 DM ein erwähnenswerter Konkurrent für die SH205.
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