Nur Aufgeblasen? Die neuen MEGA-Modelle von ATARI


Die Weichen sind gestellt, die neuen Mega-ST-Rechner sind im Lande. Schlicht, im gewohnten Grauton und mit einem völlig veränderten Design. Verbirgt sich hinter dieser neuen Gestaltung nur ein alter Rechner mit einem riesigen Speichervermögen, oder hat Atari tatsächlich weitere „Leckerbissen“ eingebaut?

Äußerlich sehr kompakt. Modern im Design. Nur die Maus und der Schwarz-Weiß-Monitor erinnern uns an die „alten“ ST-Modelle. Die Professionalität, die die Atari-ST-Rechner immer schon hatten, erreicht nun ein Höchstmaß mit den Mega-STs.

Das Keyboard: Die Schnittstelle zum Menschen


Bild 2: Die flache Tastatur

Die Neuerungen fangen schon bei der Tastatur an. Sie wurde vom Rechnergehäuse abgetrennt und wird über ein steckbares flexibles Spiralkabel mit ihm verbunden. Selbst der Anschlagdruck der Tasten ist verbessert worden. Die Federung ist jetzt härter, so daß das Schreiben sicherer und angenehmer ist. Dadurch, daß die Zentraleinheit nicht mehr zur Tastatur gehört, konnte diese in der Tiefe wie in der Höhe verkleinert werden. Eine flachere Tastatur ist an die schreibenden Hände angepaßt und läßt sich dadurch besser bedienen. Das Keyboard kann wahlweise direkt auf vier im Gehäuseboden versenkte Gummifüße oder auf zwei Klappbügel gestellt werden, so daß sich eine größere Neigung nach hinten ergibt. Ferner befinden sich der Maus- und der Joystick-Anschluß nicht mehr wie gewohnt an der rechten Seite (bzw. unter dem Rechner wie beim 1040 STF), sondern an der Unterseite der Tastatur sind zwei Einbuchtungen, in denen die zwei neunpoligen Stecker angebracht sind. Das Mauskabel wird dann von diesem Stecker durch einen Kanal (Versenkung) auf die rechte Seite der Tastatur geführt. Das Joystickkabel wird in ähnlicher Weise auf der linken Seite herausgeführt. Ansonsten blieben die Funktionstasten und die Belegung wie Beschriftung der Tasten unverändert.


Bild 3: Maus-, Joystick- und Tastaturkabelanschluß

Der Blitter

Der schon lang angekündigte und erwartete Blitter-Chip ist endlich auf der Rechnerplatine eingebaut. Pardon, tatsächlich ist zur Zeit (Stand August) nur eine 68-polige Fassung ohne den Blitter vorhanden! Durch einen relativ hohen Produktionsausfall werden die ersten Mega-Modelle ohne den Blitter geliefert. Den Kunden der ersten Stunde wird er dann kostenlos nachgeliefert und durch den Händler eingebaut. Das neu überarbeitete TOS, das bereits im Rechner eingebaut ist, unterstützt den Blitter jedoch vollständig. Was nicht bedeutet, daß der Rechner ohne Blitter funktionsuntüchtig ist!

Was leistet der Blitter?

Der Bit-Block Transfer Processor (Blitter) ist die Hardware-Umsetzung der im TOS softwaremäßig implementierten „Bit-Block“-Verschiebe-Routine. Durch diese Umsetzung ergibt sich eine enorme Geschwindigkeitssteigerung. Die Bit-Block-Verschiebe-Routine kann einfach als eine Prozedur beschrieben werden, die keine andere Aufgabe hat als eine bitweise Verschiebung des Inhaltes eines Speicherraums (Quelle) an einen anderen Speicherbereich (Ziel). Die Verschiebung großer Speicherbereiche wird unter anderem bei folgenden Operationen benutzt, die dann durch den Blitter extrem beschleunigt werden:

und natürlich das generelle Kopieren eines Speicherbereichs an eine andere Stelle.


Bild 4: Busstecker mit 68000er Prozessor und leerer Blittersockel

Das Ein- und Ausschalten des Blitters

Ist der Blitter im Rechner installiert, wird er beim Systemstart automatisch durch eine Erweiterung des Betriebssystems erkannt. Es erscheint in der Menüleiste unter „EXTRAS“ ein weiterer Menüpunkt, mit dem der Blitter ein- und ausgeschaltet werden kann. Ferner läßt sich der Blitter auch softwaremäßig über die XBIOS-Funktion Nr. 64 ($40) ein- und ausschalten (ist BitO = 0, so ist der Blitter ausgeschaltet, dementsprechend ist er eingeschaltet, wenn BitO = 1 ist). Ist kein Blitter vorhanden, ist jeder Versuch, ihn einzuschalten, sinnlos - es bleibt immer die Softwareroutine (Bitbit) eingeschaltet. Programme, die die VDI- bzw. Line-A Routinen benutzen, werden vom Blitter unterstützt und dadurch im Ablauf beschleunigt.


Nur Zwei- und Vier-Megabyte-Version

Wurde auf der CeBit dieses Jahres noch von einem Mega ST1 gesprochen, so ist dieses Modell nach den jüngsten Aussagen von Atari aus dem Programm gestrichen worden. Als einziger Vertreter der Ein-Megabyte-Klasse bleibt nur der 1040 STF, und als kleinstes Modell der ST-Serie wird weiterhin der 520 STM produziert. Neben diesen beiden Rechnern der „alten“ Generation liefert Atari die Mega-Modelle ST2 und ST4. Bei diesen neuen Modellen finden die modernen 1-Megabit-Speicherchips (RAMs) Verwendung. Der einzige Unterschied zwischen den beiden Modellen ist, daß beim ST2 die zweite RAM-Bank unbestückt ist, was bedeutet, daß 16 Speicherchips fehlen.

Genaue Uhrzeit eingebaut

Eine sehr schöne Zugabe bei den Mega-Modellen ist eine bereits eingebaute, quartzgesteuerte Echtzeituhr. Diese Uhr wird durch zwei 1,5 Volt-Batterien oder entsprechende Akkus gepuffert, so daß die Uhr, einmal richtig gestellt, die Zeit und das Datum über Jahre hinaus behält, selbst wenn der Rechner total vom Netz getrennt ist. Akkus werden sogar während des Betriebs vom Rechner nachgeladen. Mit dem gewohnten „Kontrollfeld“ wird die Uhrzeit und das Datum einmal gestellt, danach wird die Zeit bei jedem Systemstart vom Betriebssystem gelesen, so daß z. B. bei der Erstellung neuer Dateien immer die aktuelle Zeit und das Datum mit abgespeichert wird.


Bild 5: Batteriefach für gepufferte Systemuhr

Weitere Erneuerungen

In Sachen Erneuerungen wurde bei den Mega-Modellen nicht gespart. Die gesammelten Erfahrungen mit den bisherigen ST-Modellen spiegeln sich bei ihrer Konstruktion wider. Um den störenden Kabelsalat verschwinden zu lassen, ist der Rechner samt Floppy mit 720 KByte und integriertem Schaltnetzteil inklusive kleinem Lüfter in ein sehr kompaktes und formschönes Gehäuse, das in seiner Grundfläche kaum größer ist als der Schwarzweißmonitor, untergebracht.

Um auch bei der Elektronik Platz zu sparen und an Effizienz zu gewinnen, sind die Logik-Chips (TTL-Bausteine) der Uhrenansteuerung durch ein einziges sogenanntes PAL ersetzt worden. Weiterhin wurde der Quarzoszillator für den Systemtakt, der vor allem bei den ersten ST-Modellen mit diskreten Bauteilen sehr einfach aufgebaut war und Probleme bereitete (Bildschirmflimmern etc.), durch ein komplett abgeschirmtes Quartzoszillator-Modul ersetzt.

Ebenfalls neu ist der freigelegte Systembus. Neben dem Prozessor befindet sich eine zweireihige Stiftleiste mit insgesamt 64 Anschlüssen, an denen alle Adreß-, Daten- und Steuerleitungen des 68000er Prozessors ungepuffert zur Verfügung stehen. Dadurch ergeben sich mannigfaltige Möglichkeiten, den Rechner zu erweitern bzw. für Meß- und Regelungsprozesse einzusetzen. Die erste Erweiterung, die an diesen Bus angeschlossen wird, kommt von Atari selbst. Es handelt sich dabei um die in der Produktion befindliche „Floating-Point Coprozessor“-Karte. Auf dieser Erweiterung befindet sich der von Motorola hergestellte Coprozessor 68881, der mit einer hohen Frequenz von 20 MHz getaktet wird.


Bild 6: Neues eingebautes Schaltnetzteil

Alles in allem

Atari hat mit den neuen Mega-Modellen nicht nur die Speicherkapazität drastisch erhöht, es handelt sich zudem um eine Erweiterung des bisherigen ST-Konzepts um viele nützlich Features. Damit ist der erheblich höhere Preis dieser Modelle gegenüber dem 1040 STF zu rechtfertigen.

Unserer Meinung nach gibt es ein Manko, das wir doch erwähnen möchten. Im Rechnergehäuse wäre Platz für ein zweites 3,5-Zoll-Floppylaufwerk vorhanden, doch sind weder auf der Frontseite eine Aussparung noch auf der Platine Halterungen für ein solches Laufwerk vorgesehen. Wenigstens die Möglichkeit, eine zusätzliche Floppy einzubauen, hätte das System vervollständigt. So muß der Anwender, der auf eine zweite Floppy nicht verzichten möchte, derzeit auf die bekannte SF 354 bzw. SF 314 mit externem Netzteil zurückgreifen.

Die Preise

Die Mega-Modelle werden nur als komplettes Set mit Monitor SM 124, der Maus und dem neuen ST-BASIC verkauft. Im Rechner ist das neue TOS auf ROMs, der Blitter und eine doppelseitige Floppy mit 720 KByte integriert.

Der Set-Preis für den Mega ST2 beträgt DM 2998 und für den Mega ST4 DM 3998.

(UB/MM)


Bild 7: Rechnerrückseite mit allen vorhandenen Schnittstellen und herausnehmbarer Klappe zum Herausführen des Systembus


Aus: ST-Computer 09 / 1987, Seite 13

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