Schachprogrammtest: Das königliche Spiel auf königlichem Gefährt

In diesem Schachprogrammtest geht es darum, dem Schachspielenden oder zukünftig schachspielenden ATARI-ST-Besitzer eine Hilfestellung bei der Auswahl eines für seine Bedürfnisse am besten geeigneten Programms zu geben. Vor allen Dingen soll ein Spielstärkevergleich untereinander, wie aber auch zu spezialisierten Schachcomputern gezogen werden.

Ein Computer, der den Schachweltmeister in einer regulären Meisterschaft schlägt, ist (leider?) noch ein Traum. Träume schaffen Wünsche und seitdem es Computer gibt, wird nun nicht nur viel Neues an Wünschen geschaffen, sondern auch so mancher, bisher unerfüllt gebliebener Traum zerstört, vom Fortschritt überholt. Vieles was bislang als unrealisierbar galt, ist in ein paar Jahren bereits zu kaufen, hat seinen Reiz verloren.

Besiegte Spiele!

Backgammon zum Beispiel. Zu einer Zeit nämlich, als das Computerschachspiel noch in den Kinderschuhen steckte, im Jahre 1979, da spielte Luigi Villa in Monte Carlo ein Match gegen ein Programm mit dem Namen BKG 9.8. Luigi Villa nun war nicht irgendwer, sondern immerhin der frischgekrönte Backgammon-Weltmeister. Dennoch verlor er haushoch mit 7:1 Punkten und bescherte dem BKG-Programmierer Hans Berliner die ausgesetzte Siegerprämie von $5000!

Oder 4-Gewinnt! Längst ist dieses „Strategiespiel“ bis zum bitteren Ende von Computern durchgerechnet worden, bitter deshalb, weil sich herausstellte, daß der Anziehende bei bestem Spiel stets verliert, und abermals bitter, weil diese Strategie für menschliche Spieler wohl leider nicht nachvollziehbar ist! Schade! Oder?

Merke: Schach ist nicht nur irgendein Spiel!

Doch was ist Backgammon oder 4-Gewinnt, was ist Dame, Mühle, Skat oder Halma gegen Schach? Schließlich gehört Schach zu den wenigen überhaupt berechenbaren Strategiespielen, sich noch in keines Computers elektronischer Hand befinden. Schach zählt eben zu den bekanntesten Meßintrumenten menschlichen Intellektes überhaupt! Es lehrt die Konzentrationsfähigkeit, die Kombinationsgabe und schult die Intuition. Und Schach dürfte wohl die letzte Zuflucht des menschlichen Geistes vor den Computern überhaupt darstellen! Ein einsames Eiland dessen Ufer jedoch gerade in letzten Jahren von der kräftigen Flut des Schachcomputermeeres abgetragen wurde, und heute den Bewohnern der Insel das Fürchten lehrt, oder aber, noch lehren wird.

Seit 1978 gibt es nun schon Schachcomputer, und seit dieser Zeit zogen die käuflichen Schach-Programme, auf gewöhnlichen Home- und Personalcomputern, im direkten Vergleich mit ihren elektronischen Vettern stets (zur Freude der Schachcomputerindustrie!) den kürzeren. Das liegt zum einen an der langsameren Hardware der PCs, als auch an den versierteren Schach-programmierem der Schachcomputerfirmen — so haben die großen Firmen auch über Jahre hinweg immer denselben Programmierer, welcher an seinem Programm mit immer feinerem Schleifpapier hantiert, bis dieses entweder zur Grenze ausgereizt, oder zum meisterlichsten Produkt seiner Klasse erwachsen ist.

Kommen wir nun zu den 6 Punkten, die für unseren ATARI zum Test ausstanden. Eine eingehende Übersicht in Tabellenform soll Sie über die grundsätzlichen Eigenschaften der Programme informieren, während ich im Text auf Details eingehe, welche die Programme voneinander abheben oder auszeichnen.

# Infokasten 1: Funktionsweise eines Schachprogramms!

Bei so vielen schachspielenden Laien scheint immer noch die Vorstellung im Hirne zu kreisen, ein Schachprogramm spiele nur aus einer riesigen Bibliothek irgendwelche gespeicherten Züge aus, und langweile so seinen Besitzer, mit jeweils demselben Spielverhalten bei wiederholter Anwendung. Und wirklich, fast scheint ja etwas dran zu sein, schließlich haben die Programme ja wirklich eine mehr oder minder große Eröffnungsbibliothek. Doch verfügen auch ihre menschlichen Partner über derartige Bibliotheken, wenn auch nicht auf ROMs oder Diskette, so doch zumindest im Gehirn oder im Bücherschrank. Bei einem derartig komplexen Spiel wie Schach ist es natürlich völlig unsinnig eine erfassende Bibliothek unterzubringen - zumal dies, angesichts der fast unendlich vielen Varianten, unmöglich ist.

Das Programm hat eine Art Checkliste mit Bewertungskriterien, die teilweise ineinandergreifen und eine Stellung auf ihre schachliche Güte untersuchen. Das Ergebnis wird nun in einen Zuggenerator integriert, der die zusammenhängenden Zugmöglichkeiten kombiniert und jede einzelne, sich ergebende Stellung mit einer Zahl bewertet. Dabei ist darauf zu achten, daß sich abwechselnd die Spielfarbe ändert, somit auch die Sicht der Bewertungsfunktion auf die generierten Stellungen in der jeweiligen Farbebene, die kombiniert wurde.

Natürlich wird davon ausgegangen, daß der Spieler, welcher in einer Stellung am Zuge ist, einen Zug spielt, der dem Gegner in den nachfolgenden Stellungen den meisten Ärger und Schaden bereitet. Auf diese Weise wird versucht den Zug zu finden, der die besten weiteren Zugmöglichkeiten bietet.

Wie der aufmerksame Leser bemerkt, verfährt ein Schachprogramm nicht viel anders, als ein menschlicher Spieler! Insbesondere denjenigen wird das klar, die schon einmal versucht haben, einem Nicht-Schachspieler dasselbe beizubringen! Auch dort bringt man seinem Schüler zunächst ganz grobe „Bewertungsmaßstäbe“ bei wie:

„Springer am Rand ist eine Schand!“ oder „Türme gehören auf die offenen Linien!“

KRABAT

Für Einsteiger oder noch nicht ganz vollständig vom Reiz des Schachspiels Überzeugte, kann diese im Public-Domain-Service erhältliche Version ruhig empfohlen werden. Das Programm ist noch nicht mal so spielschwach wie man vielleicht meinen könnte, wenn man die eher schlichte Aufmachung mit dem Pomp und Prachtwerken der „großen Brüder“ vergleicht, die schließlich harte Währung verlangen. Obwohl das Programm keine Drop-Down-Menüs bietet, so ist die Bedienung doch ganz bequem über das Anklicken von Tasten auf dem Bildschirm möglich. Die zur Anwendung kommende Programmstrategie ist eine Mischform, die sogenannte AB-Strategie, bei welcher erfassend ermittelte Ergebnisse (der Brute-Force-Komponente des Programms) in den interessantesten Fällen noch mal einer tieferen Prüfung standhalten sollten. Die Vorgehensweise des Programms kann dabei schön auf dem Bildschirm beobachtet werden, weil die Rechentiefe der beiden Programm-Komponenten einzeln angegeben wird. Auch die Spielstufen bieten ausreichend Möglichkeit, das Programm den eigenen Wünschen entsprechend einzurichten.

Für Anfänger nicht so sehr wichtig, für etwas geübtere Schachspieler jedoch ein immenser Nachteil, ist das gänzliche Fehlen einer Eröffnungsbibliothek. Viel Zeit verliert das Programm und vor allem der Spieler beim Warten auf Züge, die in jedem Anfänger-Schachbuch schon als gut zu spielen, erwähnt werden. Apropos „warten“: Wenn Krabat einmal angefangen hat zu rechnen, kann man es schlecht wieder bremsen (wie z. B. bei den anderen Programmen durch Mausklick oder Tastendruck).

Nicht so gut ist auch, daß die Schachregeln der FIDE (Schachförderation) nicht ganz beherrscht werden. So vermag das Programm nicht, En Passant-Schlagzüge korrekt auszuführen. Dieser Punkt kann jedoch durch manuelle Eingabe über den Editor behoben werden. Schade ist, daß das Programm nicht gestattet, Partien oder Stellungen abzuspeichern. Eine deutschsprachige Anleitung zum Programm befindet sich auf der Diskette.

HAMLET

Die Weiterentwicklung von Krabat hat saubere Fenstergestaltung und endlich auch die fehlenden Features bekommen, die an Krabat zu bemängeln waren. So verfügt das Programm endlich über eine Eröffnungsbibliothek, die zusätzlich noch (und das ist ein höchst interessanter Punkt!) vom Besitzer erweitert und bereichert werden kann. So kann jeder Spieler das Repertoire seines Programms der eigenen Eröffnungswahl angleichen. Aber nicht nur Eröffnungen, sondern auch Partien können geladen und abgespeichert werden, was eine Archivierung der Benutzerpartien erlaubt. Gut ist, daß der Rechen Vorgang unterbrochen werden kann, daß Hamlet mit einem Piepser darauf hinweist, daß er gezogen hat, und daß das Programm durch eine ausführliche deutsche Bedienungsanleitung dokumentiert ist.

CHECKMATE

Das Programm erinnert sofort an Hamlet (selbe Eröffnungsbibliothek, identischer Bildaufbau — aber in Englisch) und wird wahrscheinlich eine internationale Version des ebenfalls (wie auch Krabat) von Ulf-Esdert Schmidt stammenden Programms Hamlet sein.

Jedoch verfügt Checkmate über die Möglichkeit, die Spielstrategie des Programms zu ändern. Man kann nämlich das AB-Programm durch Ausschalten der B-Komponente in ein reines Brute-Force-Gerät verwandeln! So hat man eigentlich 2 Programme in einem, und man kann sich entscheiden, ob man lieber gegen ein taktisch oder ein positionell spielendes Programm spielen möchte. Jedem das seine. Unverständlich ist mir, warum das Programm, im Gegensatz zu Hamlet mit mehr als ein kärglichem „Bedienungsblättchen“ geliefert wird. Unverständlich ist außerdem, warum Checkmate die Beendigung des Rechenvorgangs nicht durch einen Ton im Lautsprecher quittiert?

DEEP THOUGHT

Dieses Programm erwies sich als eine echte Überraschung! Es überzeugt vor allem durch eine ausgezeichnete Darstellung des 2-D-Schachbretts! Die Eröffnungsbibliothek ist in Spielstellungen abgespeichert und nicht zugweise, was den Vorteil hat, daß das Programm Zugumstellungen erkennt! Hochinteressant ist auch die Möglichkeit, die auch schon Krabat und Checkmate anboten, die Eröffnungsbibliothek des Programms zu manipulieren! Das geht auf einfache Art und Weise und begeistert schnell. Bei der Archivierung der Partien setzt Deep Thought allen getesteten 6 Programmen noch ein I-Tüpfelchen auf, indem erlaubt wird, eine Karteikarte mit den wesentlichen Spielinformationen anzulegen. Bequemer und vor allem übersichtlicher geht es nur noch mit Chess Base, aber dazu später. Schade ist, daß Deep Thought nicht viel Information über seinen Rechenvorgang hergibt! Dafür wird das Programm jedoch mit einer lustig zu lesenden, ausführlichen, deutschen Anleitung geliefert.

CHESSMASTER 2000

Dave Kittinger, der Programmierer von Chessmaster 2000, ist mit der bekannteste Schachcomputerprogrammierer überhaupt. Seine Schachcomputer, (z. B. Superconstellation od. Expert) erfreuen sich einer großen Popularität (siehe Infokasten 3). Chessmaster 2000 ist Kittingers neuester Versuch, ein anspruchsvolles Programm für PCs herauszubringen. Und der Eindruck des Programms ist auch wirklich nicht schlecht! Wenn die Spielstärke Chess-masters auch keine so hohe wie die von Psion ist, so hat Chessmaster 2000 dafür jedoch einiges mehr an Komfort zu bieten: Schon beim Laden des Programms kann man erste Freuden erleben, wenn Chessmaster nämlich neben einem wunderschönen Titelbild, auch noch spricht: „Ei emm söh Schässmahster, uwonnt tu pläih ü gäihme?“

Sodann kann man sich auf das Programm stürzen, und alle Menüpunkte ausprobieren, von denen es viele gibt, und man sollte sie auch ausprobieren, denn Chessmaster wird nur mit englischsprachiger Anleitung geliefert! Hier einige der zahlreichen Möglichkeiten: So können Anfänger durch einen eingebauten Schachtrainer profitieren, der ihnen zeigt, wohin sie mit der angeklickten Figur hinziehen dürfen. Ein immenser Einblick in den Rechenvorgang ist möglich, wobei 3 Hauptvarianten gezeigt werden (!):

a) Vorheriger Zug
b) Momentan berechneter Zug
c) Bestvariante!

Drei Spielmodi stehen dem Spieler zur Auswahl, die Einfluß auf die Spielweise des Programms haben:

a) Normal = Zufallsgenerator eingeschaltet/jedoch sicheres Spiel, solide Eröffnungen
b) Best = kein Zufallsgen./streng solides Spiel, keine Eröffnungsexperimente
c) Kaffeehausschach = Zufallsgen. ein / risikoreiches Spiel, teilweise unsolide aber überraschende Eröffnungsideen!

Ein weiteres Feature, das man einfach erwähnen muß, ist das Nachanalysieren von Partien! Der Computer spielt ihre Partien auf beliebiger Spielstufe nach und kommentiert diese mit Stellungsbewertung und Hauptvariante, nach Wunsch speichert er alles auf Diskette ab! So können Sie Partien Ihrer Wahl über Nacht vom Computer analysieren lassen.

Frei wählen können Sie nicht nur die Dimension der Brettdarstellung (3D möglich), sondern auch, sofern Sie Farbmonitorbesitzer sind, die Figurensätze. Kleine diverse Gags des Programms erheitern ihre Stimmung bestimmt, z. B. eine Tabellenkalkulation, die man auf den Bildschirm zaubern kann, wenn der listig-kontrollie-rende Chef seine Kontrollrunde durch das Büro macht, und Sie, wie immer, nicht am ATARI arbeiten, sondern mit Chessmaster schachen...

Da Chessmaster2000 ein Brute-Force-Programm mit selektiven Spitzen ist, kann man mit ihm natürlich eher Blitzpartien spielen, als mit Psion! Vielfach macht das Programm auf nicht so gute Schachspieler auch den Eindruck, es spiele besser als Psionl Dies muß jedoch verneint werden. Das typisch aggressive Spielverhalten, welches Brute-Force-Programme generell auf schwächere Spieler als Eindruck hinterlassen, kann und darf nicht als Maßstab einer Spielstärkeeinschätzung gelten. Deshalb sei, trotz diverser Publikationen, die zu einem anderen Ergebnisse kamen, hier nochmals darauf hingewiesen.

Bild 1: 3-D Darstellung von Chessmaster 2000
# Infokasten 2: Die Problematik der Schachprogrammierung

Grundsätzliches Problem des Menschen, als auch der Maschine ist, die Verletzung einer Regel, weil eine andere Priorität hat! Wenn es z. B. nun doch förderlich ist, den Springer an den Rand zu stellen, die Funktion Randspringer jedoch zuviel Einfluß auf die Stellungsbewertung insgesamt ausübt, wird der Computer den Springerzug an den Rand verwerfen, obwohl dieser durch eine andere Funktion ein paar Zähler erhält, dieser aber zu wenig sind. So ist der Programmierer vielfach gezwungen, feine Nuancen in den vielzähligen Funktionen vorzunehmen, und testet er die Wirkung an einer Stellung aus, weiß er nicht, ob es andere gibt, wo seine Wert Veränderung sich vielleicht destruktiv auswirkt. Hilft nur ausprobieren! Auch muß überlegt werden, daß eim erfassenden Durchkombinieren aller Zugmöglichkeiten, der Anteil der unnütz berechneten Varianten von Halbzug zu Halbzug, sprich Rechentiefe der Ausgangsstellung zur Potenz der anfangs möglichen Züge zunimmt! Ein schlimmes Herumgerechne im Wust des Überflüssigen! Lobenswerter wäre es da doch, sich beim kombinieren lediglich auf die Züge zu beschränken, und deren Fortsetzung zu betrachten, welche sich als bislang gut erwiesen haben. Also eine Selektion nach der Güte der Züge. Problem, welches dabei Kopfzerbrechen bereitet: Was ist gut?

Als unser Programm noch alle Züge durchging, konnten wir getrost davon ausgehen, daß kein Zug des Gegners, sowie kein Gewinnzug unsererseits übersehen bzw. überrechnet werden konnte; Wenn wir aber selektieren, könnte uns ja spielentscheidenes Material entgehen!

All diese Gedanken schwirrten auch Claude E. Shannon, dem Begründer der Schachprogrammstrategien durch den Kopf. So schlug dieser in einem Artikel 1949/50 auch 3 Programmstrategien vor, deren Kategorisierung hier erfolgen soll:

Strategie A:
Auch „Brute-Force“-Strategie genannt. Diese Technik hat herzlich wenig mit dem menschlichen Denken zu tun. Der Computer errechnet einfach stupide, was aus einer gegebenen Stellung heraus erzeugt werden kann, und zwar erfassend, d. h. vollständig!

Strategie B:
Die „Selektive“-Strategie. Die Rechentiefe richtet sich nicht nach der Kapazität des Rechners, vielmehr ist sie von der Stellung abhängig und wird erreicht, indem der Computer an jeder Verzweigung aus den möglichen Zügen die „Sinnvollen“ heraussucht, und somit die Variantenanzahl stark verringert.

Strategie C:
Die menschlichste Art, Schach spielen zu lassen. Das Programm formuliert Gedanken und untersucht deren Vorzüge, bis einer der „Einfälle“ einen guten Zug hervorruft. Es handelt sich also um eine möglichst getreue Simulation der menschlichen Denkweise.

PSION

Den ersten Platz, und damit Testsieger steht dem Programm gut zu Gesicht. Psion braucht sich nämlich in keinem Punkt zu schämen. Neben sehr hoher Spielstärke, einer groß angelegten Eröffnungsbibliothek mit Stellungswiedererkennung, einer 3D-Brettdarstellung, die Sie einfach gesehen haben müssen (auf schwarzem Grund, fließende Figurenbewegung, übersichtlich), ist das Programm mittlerweile auch so günstig auf dem Markt erhältlich, daß es die Konkurrenten natürlich nicht leicht haben. Ein mehrsprachiges Handbuch sowie eine auf Diskette gespeicherte Anleitung tragen das ihrige zum Abschneiden in meinem Test bei. Übrigens scheint die Bedienungsanleitung vom Macintosh auf den ATARI umgeschrieben worden zu sein: alle im Text vorkommenden „MAC“-Kürzel wurden durch „ST“ ersetzt, was zu Wortschöpfungen wie „geSTht“ führte! Nett!

Da Psion ein „hochintelligentes“, selektives Programm ist, entfaltet es seine ganze Spielstärke, erst auf Spielstufen über einer Minute! Dann jedoch wird es für den Gegner Psions, sofern er nicht ein guter Vereinsspieler ist, ernst!! Selbst teure Schachcomputer mit horrenden Preisen von bis zu 1000 DM werden der Reihe nach geschlagen. Lediglich ein Schachcomputer (PSIONs große, immens teure Brüder - die Nachfolger und Weltmeister Mephisto, Amsterdam und Dallas einmal ausgenommen) konnte den Siegeszug des englischen Programms stoppen, der der Sci-Sys Leonardo Maestro 6 MHz! Dieser kostet aber auch schon über 1000 DM und kann natürlich nur Schach spielen!

Bild 2: 3-D Darstellung von Psion Chess

FAZIT

Es scheint so, als würde sich der ATARI-ST langsam zur „Schachmaschine“ entwickeln. Neben guten Schachprogrammen, die allen Erfordernissen standhalten und wohl für jeden Benutzer etwas besonderes bieten können, dem einen eine bequem zu programmierene Eröffnungsbibliothek, dem anderen eine hohe Spielstärke, dem einen ein ansprechendes Preis/Leistungs-Verhältnis, dem anderen eine Möglichkeit, seine Partien vom Computer analysieren zu lassen...

Was jetzt noch fehlte, war eine Schachdatenbank! Doch mittlerweile gibt es auch schon die! ChessBase ist ihr Name, und sie scheint ein echter Renner, ein unentbehrliches Utensil für jeden professionellen Schachspieler zu werden. Selbst der Schach weitmeister persönlich, Garri Kasparow ist begeistert und trainiert schon längst damit! Doch auch Amateuren und Hobby-Spielern eröffnen sich neue Wege! Zum Hereinschnüffeln gibt es den preiswerten ChessBase Starter, der auch über die wesentlichen Funktionen verfügt.

Also, den schachspielenden ST-Besitzern scheint Caissa, die Göttin des Schachs, huldig zu sein. Wollen wir auch für die Zukunft hoffen, es möge sich noch bedeutend verbessern. Schließlich ist der ATARI-ST doch ein edles Gefährt, und wo könnte man denn ein edelkönigliches Spiel besser spielen, als auf einem edel-königlichem Gefährt?

(Thorsten Czub/JW)

# Infokasten 3: Welche Strategie ist IN?

Anfangs versuchte man es mit reiner A-Strategie und grober Rechengewalt. Dies führte jedoch zu sehr kurzsichtigen Programmen. Dann explodierte man förmlich im Elan der B-Programmstrategie. Auch nur von kurzer Dauer, weil die B-Program-me wohl recht gute Spielanlagen zeigten, diese jedoch selber immer wieder durch einige „Sauzüge“ verkorksten; Züge des Gegners wurden nicht in die Berechnung mit einbezogen, verzerrten das Bild ins rosarote und ließen derbe Fehlzüge entstehen. Es war eine schöne Zeit, weil man als Spieler sich immer wieder über die skurilen Züge wundern konnte, vor allem über die Zerstreutheit der Programme, die teilweise gut bis katastrophal spielten.

Revolutionierend lösten die Mischstrategieprogramme ihre Vorgänger ab' Eine kurze Vorausberechnung nach den Regeln der A-Strat. sowie eine selektive B-Strat.-Spitze brachte etwas mehr Licht ins Dunkel und den deutschen Schachcomputerhersteller Hegener+Glaser mit seiner Mephisto-Serie fast über Nacht zum Marktführer. Die kleinen schwarzen Kisten schlugen tiefe Beulen in den Umsatz der Konkurrenz. Eine Rennaissance erlebten die Brute-Forcer dann mit schnelleren Hardwareentwicklungen und neuartigen, nicht zeitaufwendigen Bewertungsfunktionsmethoden! Auf einmal spielten die Computer Materialopfer um Angriffe abzuwehren oder sie „rochen“ einen möglichen Angriffsherd, ohne diesen errechnet zu haben und opferten der Ahnung nach, drauflos! Natürlich war der vermeintliche Geruchssinn nichts anderes als neue Bewertungsfunktionen a la „Wenn der Gegner kurz rochiert hat, mein Läufer auf d3 steht und mein Springer auf f3, der Gegner aber keinen Springer auf f6, dann schlage Lxh7+ !“ !! Es war schon eine Meisterleistung, was David Kittinger aus dem Hause Novag da als Programm auf die Bühne zauberte! Ein Schachcomputer der partieenweise opfert, das hatte es noch nicht gegeben. Ein weiterer Meilenstein nach den Mephistos! Novags Superkonstellation gilt heute noch als ein Lieblingsgerät aller Sammler. Längst gibt es keine reinen A- oder B-Strat.-Programme mehr. Alles geht unter in einem Wust von Nuancen, entweder so oder so betont. Ausgestorben sind auch die Versuche, menschliche Denkweise zu imitieren, also die C-Strategie zu benutzen! Warum? Nun, der Umgang mit den Computern hat manche Fragen aufgeworfen! Was halten Sie von dieser: „Spielt der Mensch überhaupt ein gutes Schach?“ oder „Ist es ratsam, den Menschen zu imitieren, wenn dieser verkehrt Schach spielt?“ Sicher ist eines, die Zeit wird es lehren! Die heutigen Schachcomputer haben sich bis auf Vereinsniveau hochgerobbt. Längst schon sind Schachgroßmeister in Simultanveranstaltungen geschlagen worden, etliche Skalpe zieren das Haupt mancher Schachcomputerveteranen.

Spitzengeräte für mehrere 1000 DM gewinnen auch schon mal bei Turnieren auf Bundesligaebene!

Daher hört man in letzter Zeit immer mehr von Verweigerungen menschlicher Turnierteilnehmer bei der Verkündung, daß an diesem oder jenem Turnier, Schachcomputer(-Programme) mitmachen! Sicherlich wird die Häufigkeit der Verweigerungen mit der anwachsenden Spielstärke der Geräte zunehmen, und die Hersteller sollten sich etwas einfallen lassen, sonst können die Computer bald keine Skalpe mehr ergattern, weil alle Menschen sich verweigern, das bedeutet, ihren Kopf schon vorher abschälen.

Richard Lang gilt z. Zt. als der Topprogrammierer im Bereiche des Computerschachs! Seine Programme Mephisto Amsterdam und dessen Nachfolger Mephisto Dallas sind die stärksten Schachcomputer die es zu kaufen gibt. Das liegt einmal am genialen selektiven Programm, ist aber auch dem 68000er Prozessor zu verdanken. Lang hatte sich nämlich von Anfang an vorgenommen, ein gutes Schachprogramm für den 68000er zu schreiben, welches er dann-auch schaffte. Sein Psion, der Weltmeister der Mikro-WM 1984 in Glasgow (zusammen mit 3 anderen Schachcomputern) ist Vorläufer der bekannten Mephisto-Programme. Die Firma H+G wurde auf Lang aufmerksam, und so kam es zu der sicherlich für beide Seiten fruchtbaren Vereinigung. Längs Dallas gibt, zumal dann noch, wenn der Schachcomputer mit einem 68020 mit 12 (14,20 oder 28) Mhz läuft, selbst guten Vereinsspielern im Turnierspiel (40 Züge in 120 Min.) so manches Rätsel zu lösen auf, wobei dem Spieler dann meistens nur noch der Untergang Ausweg ist. Im Blitzspiel (ganze Partie in 5 oder 10 Min.) schafft er sogar, Meister oder Großmeister zu besiegen!

In ist, was gewinnt! Auf die Dauer gewinnen kann man nur, wenn man mit der besten Methode programmiert. Am besten ist bestimmt nicht die stupide Herumrechnerei, das pure Auskombinieren, die Rechnergewalt. Geist muß mit dabei sein. Die momentanen Spitzenprogramme im Schach sind Zeugnis für die Fähigkeit des Menschen, Geist in logischen Verknüpfungen in eine leblose Maschine .hereinzupfropfen, dem Computer Geist einzuhauchen. Es wird viel über KI geredet; versuchen Sie einmal, gut Schach zu spielen! Und wenn sie meinen, es gut drauf zu haben, spielen Sie dann Schach gegen einen Computer, gegen ein gutes Programm. Dann können Sie nachempfinden was diese 2 Buchstaben bedeuten.

Name PSION Chessmaster Deep Thought Hamlet Checkmate Krabat
Bezugsadr. Atari Fach. Atari Fach. Galactic Alphatron Knupe P. D.
Preis 89.50 DM 139 DM 89 DM 149 DM * 49 DM P. D.
Brettdarstellung: *neue spielstärkere Version ab ca. Juni im Handel
3-D Grafik + + _
Brettumkehrung + + + _
Menütechnik + + + + + m. Einschr.
Bewertung: 1 2 3 3- 3- 4-
Eröffnungsbibliothek:
Größe/ ?/ 71000/ 4000/ p ? nicht vorh.
Bewert./Art 2/Stellungen 2 +/Halbzüge 3/Stellungen 3 - /Halbzüge 3 — /Halbzüge nicht vorh.
programmierbar - + + + nicht vorh.
abschaltbar - + + + + nicht vorh.
Bewertung: 1 2- 1 4 4 6
Allgemeine Eigenschaften/Funktionsumfang:
Spielstufen 28 21 beliebig 14 14 36
Analysest. + + + + + -
Mattsuchst. 8 9 8 5 5 -
Seitenwehs. + + + + + +
Monit.-Mode + + + + + -
Autom. Spiel + + + + + -
Zugvorschl. + + + - - -
Anzeige von:
Bewertung + + + + +
Suchtiefe - + - + (AB) + (AB) + (AB)
Haupt-Variante 8 Halbzüge 10 Halbzüge 1 Halbzug 2 2 2
Nächstbester Zug + + - - - -
Vorspielen + + + + +
Nutzt gegnerische Bedenkzeit + + - - - -
Mattankündigung + + - + + -
Aufgabe + + - + + -
reklamiert regelwidrige Stellungen + m. Eins. + + m. Eins. + + -
Drucken + + + - - -
Speichern + + + + + -
Eingabe Maus Tst/Ms/Joy Maus Maus Maus Maus
gespeicherte Partien 50 100 - - - -
Bewertung: 1- 1 + 3 4 4+ 5
Spielstärke:
Bewertung: 1 2- 3- 4 4 3-4
Gesamtbewertung:
Preis/Leist. 1 2 3 3 3 2
Gesamtnote: 1 2 3 4 4 4


Aus: ST-Computer 08 / 1987, Seite 52

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