Einführung in GEM

Was ist GEM?

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Das Betriebssystem das ATARI ST nennt sich TOS. Es ist nach dem Chef von ATARI benannt (Tramiel Operating System). Das TOS ist eine Neuentwicklung von Digital Research, obwohl es in einigen Punkten Ähnlichkeit mit bereits bekannten Betriebssystemen wie CP/M-68K, MS-DOS oder auch UNIX besitzt. Doch was ist eigentlich ein Betriebssystem? Ein Betriebssystem ist ein Programm, also Software, die beim ATARI ST zur Zeit noch von Diskette geladen werden muß, abgesehen von einem kleinen Urlader (Bootprogramm), welches in sogenannten ROMs im Rechner „steckt". Erst durch diesen Urlader und durch das Betriebssystem (auf Diskette) wird der Rechner zum „Leben" erweckt, ist er überhaupt in der Lage andere Programme -bzw. Befehle auszuführen. Das TOS unterteilt sich, wie die meisten modernen Betriebssysteme, in zwei große Teilbereiche, den eigentlichen Kern und eine Schale (auch Shell genannt), die den Kern umgibt. Der Kern des Betriebssystems, das eigentliche BIOS (Basic Input Output System), verwaltet die Hardware des Rechners einschließlich der Peripherie wie Diskette, Drucker, Tastatur etc.. Der „normale" Anwender hat mit diesem Kern nichts zu tun, kann ihn also kaum erreichen. Maschinennahe Programmierung, wie z. B. Assembler, bildet hier natürlich eine Ausnahme. Der zweite Teil des Betriebssystems die Schale oder auch Benutzeroberfläche liegt über dem Kern. Sie erledigt die Kommunikation mit dem Benutzer, empfängt seine Eingaben mittels der Tastatur oder der Maus. Diese Eingaben werden von der „Schale" interpretiert und ein entsprechender Befehl an,den Kern des Betriebssystems weitergeleitet. Danach wartet sie auf ein Ergebnis vom Kern und meldet es dem Benutzer.

Beim ATARI ST wird diese Schale bzw. Benutzeroberfläche GEM oder auch GEMDOS genannt. GEM ist die Abkürzung für „Graphics Environment Manager" was etwa soviel bedeutet wie „Verwalter der grafischen Benutzeroberfläche". GEM verwaltet den hardwareunabhängigen Teil des Betriebssystems, es ist also ein Bindeglied (Schnittstelle) zwischen Mensch und Maschine. GEM setzt jedoch in seiner Form völlig neue Maßstäbe, die den heutigen benutzerfreundlichen Erfordernissen gerecht wird.

Entstehung von GEM

Der Grundstein für diese Art von „grafischer Benutzerführung" wurde bereits 1970 von der Firma Xerox gelegt. Während Xerox ein völlig neues, hochwertiges und kompliziertes System für den Bereich der Bürokommunikation zu entwickeln versuchte, gelang es ein wenig später dem amerikanischen Computerhersteller APPLE einen „preiswerten" Computer für jedermann, namens Lisa, zu entwickeln. Lisa erschien mit einer grafischen Benutzeroberfläche, nach Art von Xerox, Anfang der 80er Jahre. Mangels geeigneter Software, die diese neue Benutzeroberfläche unterstützte, kündigte, sich jedoch bald der kommerzielle Tod von Lisa an. Erst durch den Macintosh, APPLES neusten Computer, wurde Lisas Konzept der grafischen Benutzerführung bekannt. Merkmale dieser grafischen Benutzeroberfläche, die mit einer Maus bedient wird, sind die Verwendung von Fenstern (Windows), sogenannten Icons (grafische Umsetzung von Objekten wie z. B. einem Papierkorb oder Aktenordner usw.) und Pull-Down-Menüs (kleine Fenster, die auf Wunsch des Benutzers Informationen in das laufende Programm einblenden). GEM, wie es mit dem ATARI ST geliefert wird, stellt zur Zeit den letzten Schritt in dieser Entwicklung dar. Es ist größtenteils in der Programmiersprache „C" geschrieben.

Bestandteile von GEM

GEM beinhaltet aber nicht nur die einfach zu bedienende und verbesserte Betriebssystemoberfläche des Macintoshs, sondern auch ein riesiges Bibliotheks-Paket mit vielen nützlichen Routinen, die der Programmierer auch für seine eigenen Programme nutzen kann und bei Bedarf auch sollte. So sind z. B. fertige Routinen für die Eingabe über Tastatur oder Maus, die Ausgabe von Zeichen bzw. Texten auf Bildschirm oder Drucker ebenso vorhanden, wie zum Betrieb der Schnittstellen und der Diskettenbehandlung. Einige dieser Routinen werden in der sogenannten GEM-AES Schicht aufgerufen. AES ist die Kurzform für Application Environment Services, was frei übersetzt soviel bedeutet wie „Hilfsmittel zur Gestaltung von Anwenderprogrammen". Wie eine Routine dann mit der Hardware des Rechners zusammenarbeitet braucht den Anwender nicht zu kümmern, denn dies besorgt die GEM-VDI Ebene. VDI ist die Abkürzung für Virtual Device Interface; zu deutsch etwa „imaginäre Geräteschnittstelle". Interessant ist die Möglichkeit solche Routinen von anderen höheren Programmiersprachen aus aufzurufen. Wie man z. B. von Basic aus verschiedene Zeichensätze aufrufen oder die Strichstärke einer Linie verändern kann, ist ein wenig später erklärt.

Fühlen Sie sich jedoch durch die Bedienung mit der Maus oder der Fenstertechnik des GEMs behindert, so haben Sie beim ATARI ST die Möglichkeit auf das TOS ohne die GEM-Ebene umzuschalten (siehe Anwendung anmelden). Dann erfolgen alle Eingaben mittels herkömmlicher Kommandos, ähnlich MS-DOS, über die Tastatur.



Aus: ST-Computer 02 / 1986, Seite 29

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