Auf der Atari-Messe konnte man schon einmal einen Blick auf den geheimnisvollen "1040 STE" werfen. Bisher war er Ataris bestgehütetes Geheimnis: Zeit, es zu lüften.
Die Besucher der Atari-Messe vom 25. bis 27. August 1989 in Düsseldorf, die den “1040 STE“ zum ersten Mal zu sehen bekamen, reagierten fast alle mit einem begeisterten “Wow!“ Grafik total in allen bunten Farben, ein Stereosound, der kaum von einer CD unterschieden werden kann: Als Alleskönner wollte Atari seinen neuesten ST-Sprößling präsentieren. Doch dann kam alles anders: Auf der Messe waren kaum Demos zu sehen, die den 1040 STE ins gewünschte Licht
rückten. Nicht einmal äußerlich unterscheidet sich der STE von seinem Bruder, dem 1040 STFM.
Um der Sache auf den Grund zu gehen, nahm HAPPY-COMPUTER einen der ersten 1040 STE-Computer direkt von der Messe in die heimischen Redaktionsräume mit. Mit den notwendigen Entwicklerunterlagen ausgestattet und nach einigen Tagen intensivsten Programmierens war es dann endlich so weit: Der STE zeigte zum ersten Mal, was er kann: Seine Farbenpracht (eine Palette mit 4096 Farben) ist beeindruckend und von der des Amiga kaum zu unterscheiden.
Der STE zielt offensichtlich auf den gleichen Markt wie der populäre Amiga 500 von der Konkurrenz Commodore. Es wäre für die Atari-Entwickler, allen voran Shiraz Shivji (der Atari mittlerweile verlassen hat), ein leichtes gewesen, einen Computer zu bauen, der die Leistungen des Amiga bei weitem übertrifft — dann allerdings hätte sich der Hardwareaufbau so drastisch verändert, daß der STE nicht mehr mit den Atari ST-Geräten kompatibel gewesen wäre. Das Software-Angebot für den Atari ST ist mittlerweile sehr umfangreich. Atari kann es sich nicht mehr leisten, einen Computer zu bauen, der aus der Reihe fällt, wenn er in entsprechenden Stückzahlen verkauft werden soll. Wie fatal sich Softwaremangel auf die Karriere eines Computers auswirken kann, wird sehr schnell am Beispiel von Acorns Archimedes deutlich. Dieser Computer, der beeindruckende Hardware-Fähigkeiten bietet, fristet in Deutschland trotzdem ein Schattendasein, weil er verhältnismäßig teuer und das Software-Angebot ziemlich dürftig ist. Power allein ist also bei weitem nicht alles.
Unter dem Gesichtspunkt der Kompatibilität ist den Atari-Entwicklern Erstaunliches gelungen: Der STE ist ein völlig umgekrempelter Computer mit enormen Fähigkeiten, aber trotzdem noch kompatibel. Programme, die ihn wirklich voll ausreizen, müssen erst noch geschrieben werden. Wüßte man nichts über die Fähigkeiten, die im STE schlummern, man würde glauben, es wäre ein gewöhnlicher 1040 STFM, der größte Teil der ST-Software läuft ohne Probleme. Einzig Programme, die sich nicht an die Programmier-Konvention von Atari halten und sich direkter Betriebssystem-Einsprünge bedienen, führen zu Abstürzen. Dazu gehören bedauerlicherweise vor allem Programme mit Kopierschutz — und damit viele Spiele. Denn gerade der Kopierschutz ist so kompliziert und aufwendig programmiert, daß eine leichte Betriebssystemänderung schon fatal wirken kann.
Ataris Statement auf die Frage, ob denn alle Programme liefen: "Wenn die Programme sauber programmiert sind, gibt es keine Probleme." Und "sauber programmieren" heißt ganz klar: die Richtlinien von Atari beachten. Um so erstaunlicher ist es, daß selbst Grafikprogramme problemlos laufen, die sich aller List und Tücke bedienen, um die Grenzen des ST zu umgehen. Atari hat hier wirklich Vorbildliches geleistet.
Das trifft auch auf die Soundfähigkeiten des STE zu. der ja den sogenannten Stereo-8-Bit-PCM-Sound bietet. Hinter diesem Zungenbrecher verbirgt sich eine Technik, der sich moderne CD-Spieler bedienen: Digital aufgenommene Töne werden digital gespeichert, anschließend vom Soundchip des Computers in analoge Töne umgewandelt und auf einem Lautsprecher hörbar gemacht. Beim STE werden die Töne im 8-Bit-Format gespeichert, während die CD die gleichen Töne mit 16 Bit speichert. Was aus den Stereo-Buchsen am hinteren Gehäuseteil direkt unter dem Netzschalter kommt, kann sich, gekoppelt mit der heimischen Stereoanlage, wirklich hören lassen. Zur Klangqualität im Konzertsaal ist es nicht mehr weit.
Ein ähnliches Verfahren wendet auch der Amiga an. um Töne hörbar zu machen. Allerdings kann der Amiga von Haus aus wesentlich mehr an den Klängen manipulieren als der STE. Denn der spielt Klänge genauso ab, wie sie digitalisiert sind. Nur Lautstärke und Klangfarbe lassen sich im Computer regulieren, nicht aber Tonhöhen, wie dies beim Amiga der Fall ist. Trotzdem bleibt dem Programmierer genügend Spielraum, um diese neuen Fähigkeiten mit diversen Tricks zu nutzen. Besonders geeignet scheinen die neuen Soundeigenschaften für die Sprachausgabe zu sein, die man für Computerspiele zum Beispiel mit den ebenfalls vorhandenen herkömmlichen Sounds kombinieren kann. Denn die Klänge des alten Soundchip kann man ebenfalls über die angeschlossene Stereoanlage hören.
Daß die neuen Fähigkeiten des STE unter anderem auf den Spielbereich zielen, zeigt sich am sogenannten Hardware-Scrolling. Damit bezeichnet man die Eigenschaft, Bilder ruckfrei in horizontaler wie auch in vertikaler Richtung über den Bildschirm zu schieben.
All die neuen Leistungsmerkmale erfordern natürlich eine völlig umstrukturierte Hardware. Ein Blick auf die Platine zeigt sofort, was sich hier geändert hat. Augenscheinlichstes Beispiel ist die Speicherbank im Zentrum der Platine. Kleine Steckschienen verraten, daß hier für eine Speicheraufrüstung bis 4 MByte Platz ist. Das Erfreuliche daran ist jedoch, daß praktisch jeder Anwender aus eigener Kraft, ohne Erfahrung und mit geringem Aufwand, seinen Computer mit mehr Speicher versorgen kann. Voll ausgestattet besitzt der STE 4 MByte Arbeitsspeicher, was ihn von seinen Vorgängern deutlich unterscheidet. Denn der 1040 STFM beispielsweise läßt sich nur mit zum Teil erheblichem Lötaufwand auf mehr als 1 MByte aufstocken. Bei den für die Aufrüstung des STE notwendigen Platinen handelt es sich um handelsübliche Bauteile, den sogenannten SIPs (Single Inline Package), die allerdings im Preis (rund 400 Mark) bereits relativ niedrig liegen. Will man nun seinen STE aufrüsten, dann schraubt man erst das Gehäuse auf, anschließend eine Blechabdeckung, und schon liegen die Sockelleisten frei. Das neue Platinchen steckt man in einen freien Sockel, schraubt alles zusammen und schon verfügt man über 2 oder gar 4 MByte. Damit hat Atari zum ersten Mal dafür gesorgt, daß die Aufrüstung des Computers jedermann möglich ist.
Insgesamt wirkt die STE-Platine sehr aufgeräumt, und einige Bausteine, die noch im 1040 STFM und Mega ST zu finden sind, fehlen auf den ersten Blick beim STE. Beispielsweise der "Blitter" und der "Shifter”: Beide Bausteine sind beim Mega ST für die Grafik zuständig. Bei den 520 und 1040 ST kam vor allem der Blitter ins Gespräch, weil bei diesen Modellen keine Möglichkeit vorhanden war, den Blitter einzubauen. Erst eine Aufrüstplatine von einem Fremdhersteller brachte die gewünschte Lösung. Der STE hat jetzt Blitter und Shifter in einem Baustein vereinigt, was die Hardware insgesamt etwas schneller macht.
Fehlende Grafik- und Soundfähigkeiten waren bisher immer ein Kritikpunkt an den STE-Vorgängern — der entfällt jetzt. Und fehlende Kompatibilität kann man dem Neuen auch nicht vorwerfen. Atari hat hier wirklich ein Maximum an Kompatibilität erreicht. Für den Anwender hat das zur Konsequenz, daß er getrost zum neuen STE greifen kann, ohne auf die erforderliche Software warten zu müssen, denn er kann auf die schon vorhandenen Programme zurückgreifen. Allerdings:
Die Programme, die die Fähigkeiten dieses Computers voll ausschöpfen, wollen erst einmal geschrieben sein.
Nach Aussage von Atari-Geschäftsführer Alwin Stumpf sollen beide Computer in friedlicher Koexistenz leben, der STE wird also den 1040 STFM nicht ablösen. Der 1040 STFM soll vielmehr weiter im Preis sinken. In Ataris neuester Preisliste taucht er für einen Preis von rund 1300 Mark auf, während der STE 1600 Mark kosten soll. Beide Geräte inklusive Schwarzweiß-Monitor versteht sich. Da steht der Fan vor der Frage, welchen Computer er nun kaufen soll: Den STE wird kaufen, wer die erweiterten Grafik- und Sound-Fähigkeiten .und vor allem seine leichte Aufrüstung auf 4 MByte nutzen möchte. Und 4 MByte RAM erschließen die gesamte ST-DTP-Welt. kl
Auf einen Blick | |
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Computer | Atari 1040 STE |
Hersteller/Vertrieb | Atari Deutschland GmbH |
Preis in Mark | rund 1600 |
Ausstattung | |
Prozessor | Motorola 68000 |
Diskettenlaufwerk | |
Format (Zoll) | 3,5 |
Kapazität (KByte) | 720 |
Speicher | |
Kapazität (KByte) | 1024 |
DRAM-Typ | 1 MByte-SIP |
Taktrate | |
Frequenz (MHz) | 8 |
Batteriegepufferte Uhr | • |
Schnittstellen | |
Seriell | • |
Parallel | • |
Diskettenlaufwerk | • |
Festplatte | • |
Monitor | • |
Maus | • |
Joysticks | • |
MIDI | • |
ROM-Port | • |
Stereo-Sound | • |
TV-Modulator | • |
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