Happycomps kleiner Dungeon-Führer: »Immer mächtig draufschlagen«

Wer könnte Computer-Rollenspiele besser beurteilen als einer, der sie selbst durchgestanden hat? Exklusiv interviewten wir den erfahrenen Rollenspiel-Charakter »Happycomp«.

Happycomp der Dritte ist ein netter, etwas zu groß geratener Elf mittleren Alters. Er hat einen langen Bart, schaut recht verwegen und ist ein etwas schüchterner Rollenspiel-Charakter. Er begrüßte uns vor seinem Haus mit einer massiven Streitaxt in der Hand. »Immer schön vorsichtig bleiben«, murmelte er, »es gibt noch so manchen üblen Ork in dieser Rollenspielwelt.« In einer langen Nacht berichtete er uns über seine interessantesten Rollenspiel-Erlebnisse.

Du bist ein waschechter Rollenspiel-Charakter. Wie bist Du dazu gekommen?

Happycomp: An meine Schöpfung kann ich mich nicht erinnern. Ich wachte plötzlich in einem Rollenspiel auf, schaute etwas dämlich und ließ mich von einem älteren Charakter aufklären, wo ich hier sei: in einem Computerprogramm. Zuerst wollte ich nicht glauben, daß ich von einem Menschen durch die haarsträubendsten Abenteuer gesteuert werde, aber mit der Zeit gewöhnt man sich an alles.

So ein Rollenspiel ist viel Arbeit für einen Charakter. Eine gute Truppe muß viele Monster aus der Landschaft putzen, um genügend Erfahrungspunkte zu bekommen. Diese Punkte verhelfen uns zu einer besseren Konstitution, mehr Intelligenz, Charisma und Stärke — kurzum: Je mehr Punkte wir bekommen, desto smarter werden wir. Das wirkt sich natürlich auf die Zaubersprüche aus. Auch wenn es etwas schlicht ist, gilt dieses Prinzip für alle Rollenspiele.

Wann war Dein erster Einsatz in einem solchen Spiel?

Happycomp: Das Spiel hieß ganz schlicht »Phantasie«. Es war prima, um mich mit dem ganzen Szenario vertraut zu machen. Wir zogen damals zu sechst los, um dem bösen Nikademus den Garaus zu machen. Das Spielfeld bestand aus ein paar Städten, der Landschaft und den Dungeons. Man sah alles von oben, was auch für uns etwas ungewöhnlich war. Wir suchten Schriftrollen, magische Gegenstände und besuchten viele Dungeons, bis wir Nikademus gegenüberstanden. Dann hat's gekracht, das kann ich Euch sagen. Wir brauchten zwei Anläufe, bis wir den Burschen in die ewigen Rollenspielgründe schickten. Natürlich habe ich auch die folgenden zwei Teile Abenteuer gelöst. Sie waren genauso spannend, aber nicht sehr schwer zu bewältigen. Ich hatte sie nach knapp 70 Jahren geschafft, was einer menschlichen Spieldauer von etwa 20 Stunden entspricht. Diese beiden Abenteuer waren enorm wichtig für mich; denn sonst hätte ich mich bei den anderen Rollenspielen nur schwer zurechtgefunden.

Nachdem Du Nikademus erledigt hattest, wie ging es dann weiter?

Happycomp: Ich lag erst einmal eine Zeitlang arbeitslos in einer Diskettenbox herum. Dann erwachte ich auf einmal und fand mich in »The Bard's Tale« wieder.

Die Party war frisch zusammengestellt, ein paar neue Helden-Rassen waren dabei, aber wir waren wieder zu sechst. Ich traf dort auf einen netten Barden, der uns oft mit schwungvollen Liedchen aufmunterte und ein prima Kämpfer war. Wir hatten auch eine Magierin in der Party. Was die für Sprüche machen konnte! Licht und Feuerbälle, Kreaturen heraufbeschwören, heilen, magische Schilde erzeugen und viel anderen Schnickschnack. Es müssen um die 80 Sprüche gewesen sein, die sie aus dem Ärmel schütteln konnte. Zu guter Letzt schloß sich uns ein gutmütiges Monster an, um für das Gute zu kämpfen.

The Bard's Tale ähnelte »Wizardry«, einen Klassiker der Rollenspiele, den ich dann später kennenlernen sollte. Die Grafik in Bard's Tale war schon viel schöner als in »Phantasie«. Diesmal sahen wir alles aus einer 3D-Perspektive und liefen durch die Stadt Skara Brae. Der böse Man-gar war wie ein Donnerschlag über sie hereingebrochen und hatte sie abgeschirmt.

Vor allem die Dungeons waren in diesem Spiel hart. Wir liefen im ersten Spiel durch knappe 20 Stück, in Teil zwei wurden es schon 40 und in »The Bard's Tale 3« sogar um die 80. Diese modernden Gänge riechen nicht nur schlecht, sondern sind auch Brutstätte für viele üble Schergen. Es gibt »Spinner«, die die ganze Party blitzschnell in eine andere Richtung drehen. Du kannst Dir nicht vorstellen, wie schnell es einem dabei schlecht wird. Außerdem gibt es alle Nase lang die »Magic Mouths«. Wir mußten unsere Englischkenntnisse herauskramen, um die happigen Rätsel zu beantworten. Aber ich kenne einen Charakter, der mit einem Wörterbuch und etwas Intelligenz durchgekommen ist — es ist also noch zu schaffen.

Und wie ging's weiter?

Happycomp: Danach war »Ultima« dran. Die ersten zwei Abenteuer aus der Serie waren einfach und auch grafisch nicht sonderlich berauschend, aber ab »Ultima 3« hat's mir dort gut gefallen. Es ging weniger um die übliche Rollenspielprügelei, obwohl wir oft kräftig zugelangt haben. Wie in Phantasie gibt's auch hier eine Landschaft, Städte und Dungeons. Aber es tat sich immer etwas Neues m dieser Welt. Bei jedem Besuch war die Welt größer geworden, die Einwohner waren zahlreicher und die Dungeons verwinkelter.

Zu Beginn von »Ultima 4« stand ich ganz allein in der Rollenspiel-Pampa — das ist ein verdammt einsames Gefühl. Ich mußte meine Kameraden in den Städten suchen und sie überreden, mitzukommen. Aber mit der Zeit waren wir zu neunt. Da war auch wieder diese nette Magierin dabei. Sie mußte sich in diesem Spiel die Zutaten zu ihren Sprüchen kaufen. Sogar die magischen Pilze waren versteckt.

Außerdem habe ich mir noch nie den Mund so fußlig geredet, wie in Ultima 4. Wir sollten das Buch des Codex beschaffen und mußten uns Informationen von jedem Bewohner einzeln holen. Das war ein hartes Stück Arbeit, und ohne mein altes Wörterbuch hätte ich's wohl nicht geschafft, mit den Leuten klarzukommen. Deshalb bin ich lange in dieser Welt geblieben, um die 100 Menschenstunden.

Die Welt von Ultima gehört zu meinen Lieblingen, denn es war dort immer spannend. Die Landschaft war zwar nicht so schön wie in The Bard's Tale, aber immer noch annehmbar. Wir mußten uns wieder an die 2D-Perspektive gewöhnen, aber was tut man nicht alles, um das Böse zu besiegen...

Was war Dein verrücktestes Erlebnis?

Happycomp: Das Irrste, was mir je widerfuhr, war »Starflight«. Ich wurde auf einem MS-DOS-PC eingesetzt, um eine Galaxie zu erforschen. Kannst Du Dir das vorstellen: Ich ohne Schwert und Kettenhemd? Aber es war eines meiner größten Erlebnisse.

Wir waren wieder zu sechst, ich war der Captain der U.S.S. Entenschleif und wir erforschten ein ganzes Universum. Diesmal ging es nicht darum, Böses zu vernichten. Wir hatten klare Aufträge: neue Welten, neues Leben und neue Zivilisationen zu erforschen; Lebewesen einzusammeln, Mineralien abzubauen und die gute alte Erde wiederzufinden. Am Anfang war es unser wichtigstes Ziel, eine gute Ausrüstung für unser Schiff zu bekommen. Danach zogen wir durch das All und erforschten viele Planeten. Wir bekamen Hinweise von fremden Lebewesen und auch von unserer Basis, trafen auf verfeindete Rassen, Mechanoiden und schlugen uns mit modernster Technik herum. Bei unseren Nachforschungen hatten wir völlig freie Hand. Das Schlimmste, was passieren konnte, war, daß uns der Sprit ausging. Mein Wörterbuch habe ich hier gut gebrauchen können. Jeder Planet war anders, die meisten sogar bewohnt.

Vor allem war die Grafik für einen PC erstaunlich gut.

Du scheinst großen Wert auf Grafik zu legen.

Happycomp: Na klar! Willst Du in einer Welt aus Bauklötzen leben? Mein letztes Abenteuer war grafisch am schönsten; auch von der Benutzerführung her war es eine Pracht. Wir durften auch endlich alle Gegenstände selbst in die Hand nehmen. Es heißt »Dungeon Master«.

Ein gewisser Lord Chaos hatte sich in einem muffigen Tunnelsystem verschanzt und stellte allerlei miese Tierchen zwischen sich und unsere Heldengruppe. Der Bursche arbeitete mit ziemlich miesen Tricks. Wir standen vor Teleportfeldern, winzigek Schaltern, Fallgruben und vor\ allem vor herrlich animierten, aber extrem gefährlichen Monstern. Außerdem erinnerte mich das Gewölbe stark an Parkgaragen: Überall waren Winkel, Nischen, Gänge und Irrwege. Wir mußten Karten zeichnen, sonst wären wir verloren gewesen.

Mein Wörterbuch habe ich selten rausgekramt, nur bei manchen Inschriften. Wir haben auf der Reise wenig gesprochen, weil wir viel kämpfen mußten. Diesmal waren wir nur zu viert. Auch hier begleitete uns die Magierin; sie zauberte wie der Teufel. Sie hatte gerade eine Art Silbensprache gelernt — einfach, aber wirksam. Es dauerte eine Weile, bis sie alle 25 Sprüche zusammenhatte, aber dann war sie sehr hilfreich. Ganz nebenbei: das Mädel konnte stärker draufhauen als so mancher eingebildete Barbar.

Bist Du heute noch aktiv?

Happycomp: Nein. Ich habe mich auf einer 3%-Zoll-Diskette zur Ruhe gesetzt, will die nette Magierin heiraten und meine gesammelten Goldstücke sinnvoll anlegen.

Wir wünschen Dir viel Glück und lass Dich nicht vom Ork erwischen!

Mit dem Abenteurer Happycomp sprach unser Redakteur Anatol Locker.

Happycomp teilte uns nach dem Interview noch mit, auf welchen Computer-Typen man seine Lieblings-Rollenspiele miterleben kann und wieviel die Programme kosten:

Phantasie I bis III
Amiga, Apple II, Atari XL/XE, Atari ST, C 64, MS-DOS
je 59 DM bis 79 DM (Diskette)

The Bard's Tale I bis III
Amiga, Apple II, Atari ST, C 64, MS-DOS
je 49 DM bis 79 DM (Diskette)

Starflight
Apple II, Atari ST, Amiga, Macintosh, MS-DOS, C 64, [Mega Drive]
69 DM (Diskette)

Ultima I bis V
Amiga, Apple II, Atari XL/XE, Atari ST, C 64, MS-DOS, [Master System]
je 69 DM bis 89 DM (Diskette)

Dungeon Master
Amiga, Atari ST, [SNES]
79 DM (Diskette)



Aus: Happy Computer 08 / 1988, Seite

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