Strategisches Brett- und Computerspiel »Kreml«

Aufstieg und Fall der Ludmilla Patina

Moskau 1951. Partei- und Regierungschef ist der greise Nestor Aparatschik. Nach seinem Tod wird das Gerangel der allesamt nicht mehr ganz frischen Genossen um die besten Plätze im Politbüro, vor allem y* um das Amt des Parteichefs, ausbrechen.

Die 58jährige Ludmilla Patina will Parteivorsitzende werden. Doch der Weg ist lang. Noch lebt der 80jährige Nestor Aparatschik. Und genauso wie Ludmilla Patina lauern die vier anderen Politbüro-Kandidaten sowie die sieben mächtigsten Männer der Partei auf ihre Chance: Außen- und Verteidigungsminister, KGB-Chef, Chefideologe sowie Industrie-, Landwirtschafts- und Sportminister. Und während der KGB-Chef im Politbüro seine alljährlichen Säuberungen durchführt und mißliebige Genossen nach Sibirien verbannt, der Verteidigungsminister immer wachsam auf der Suche nach imperialistischen Spionen ist und der Parteivorsitzende beliebig befördert und de-gradiert, beginnt der Aufstieg der Ludmilla Patina.

Die Jahre vergehen. Streß und Säuberungen fordern ihre Opfer. Parteivorsitzender Aparatschik hat inzwischen das Zeitliche gesegnet. Zum Glück hat der Außenminister eine Schlüsselposition bei der Wahl des »Vorsitzenden der Begräbniskommission« (der automatisch nächster Partei- und Regierungschef wird). So wird Sportminister Eduard Zuhorstrapadse neuer Parteivorsitzender. Auch KGB-Chef Anatol Fuckoff hat inzwischen den Streß (und das damit verbundene Altern) des Genossen-Verbannens nicht überlebt. 81jährig wird er an der Kremlmauer beigesetzt.

Die neugebackene Verteidigungsministerin Ludmilla Patina beginnt gegen den neuen Parteichef sogleich eine Untersuchung, um seinem westlich-dekadenten Lebenswandel auf die Schliche zu kommen. Unmittelbar nach der Oktoberparade will sie Anklage erheben. Doch hat sie eine Mehrheit im Politbüro? Wird sie es schaffen, dreimal die Oktoberparade abzunehmen? Oder wird der alte Parteivorsitzende, inzwischen aus Sibirien zurückgeholt, und im Volk auf seine Chance wartend, einen neuen Marsch durch die Institutionen antreten, um sie zu verdrängen?


Aus der Traum: Der Streß des Machtkampfs um den Posten des Parteivorsitzenden beförderte die Chefideologin des Atari ST, Ludmilla Patina, an die Kremlmauer

Mächtige Hintermänner und -frauen (die Spieler) haben im Kampf um die Macht in Moskau die Hände im Spiel. Die 24 Politiker sind ihre Marionetten. Zu Beginn des Spiels hat jeder Spieler seinen Einfluß auf zehn Politiker verteilt, schön abgestuft von 1 bis 10. Gewonnen hat der. dessen Günstling dreimal die Oktoberparade abnimmt, oder 1960 die Oktoberparade abnimmt oder 1961 Parteichef ist. Soll ein Politiker eine Aktion durchführen (also beispielsweise mißliebige Konkurrenten nach Sibirien verbannen oder in Kur gehen). muß ein Spieler einen Teil seiner Einflußpunkte offenlegen. Nicht zuviel, denn endet das Spiel und haben mehrere Spieler Einfluß auf den Parteivorsitzenden, dann gewinnt der, der die meisten nicht offengelegten Einflußpunkte hat. Und das kann eine Überraschung für die Mitspieler werden.


Scheinbar einträchtig nimmt das Politbüro die alljährliche Oktoberfest-Parade ab. Der Parteivorsitzende, dem das dreimal ohne Schwächeanfall auf der Tribüne gelingt, hat gewonnen.

»Kreml« ist gedacht »für drei bis sechs Spieler ab 50 Jahre«, denn wie im Kreml üblich, hat der älteste Spieler die meisten Vorteile. Es ist ein pfiffiges, flüssig zu spielendes Strategiespiel, das vor allem mit vier bis sechs Leuten einen diebischen Spaß macht. Vorteil: Nach maximal elf Runden ist Kreml beendet, endlose Spielrunden ohne Ergebnis sind ausgeschlossen. Das Pokern um einflußreiche Politiker (wer hat die meisten Einflußpunkte für den amtierenden KGB-Chef?) sind sehr spannend. Es gibt mehrere Wege zum Sieg, sie führen aber vor allem darüber. Verteidigungsminister und KGB-Chef zu kontrollieren, um mißliebige Konkurrenten nach Sibirien zu schicken. Sind beide Posten in einer Hand, hilft nur ein Bündnis aller anderen. Aber auch ein Attentat auf einen allzu linientreuen Genossen hilft, die Besatzung der Kremlmauer zu vergrößern und den Weg zur Parteiführung zu öffnen. Kreml gibt es als Brettspiel vom Schweizer Kleinverlag »Fata Morgana Spiele« und inzwischen auch als Umsetzung für den Atari ST mit Monochrom-Monitor. Die Computer-Version hat den Vorteil, daß die Alters-, Krankheits- und Anklage-Plättchen. die bei der Brettspiel-Version in die Politiker-Karten eingesteckt werden müssen, vom Computer automatisch verwaltet werden. Allerdings spielt der Computer nicht mit, so daß Kreml-ST nur mit mindestens zwei Genossen spielbar ist. Ein Drucker ist unbedingt erforderlich, da man sich sonst seine (geheime) Einfluß-Tabelle auf dem Bildschirm anschauen muß. Dafür wird die Oktoberfestparade mit animierter Grafik dargestellt. Raketen und Panzer rollen vorbei. Und auch der geschwächte Parteivorsitzende sinkt bei schlechtem Würfelergebnis gekonnt zusammen, (jg)

Auf einen Blick
Name:Kreml (Brettspiel)Kreml (ST-Version)
Hersteller:Fata MorganaSpiele MaKroSoft
Lieferumfang: 24 Politiker 9 Ämtertaschen 20seitiger Würfel 21 Ereigniskarten Zahlen-, Krankheits-Kur- und Untersuchungsplättchen 1 Block. 16seitige Anleitung 1 Diskette 72seitige Anleitung
Preis: 43 Mark zirka 40 Mark
uns gefällt: Spielidee Ausstattung Spielidee
uns gefällt weniger: windempfindliches Hantieren mit Plättchen kein Computermodus möglich
Wertung: • • • • • • • •


Aus: Happy Computer 07 / 1988, Seite 88

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