Chaos Communication Congress '87: Suche nach neuen Wegen

Furcht und Hoffnung vereinten sich auf dem traditionellen Treffen deutscher Hacker. Wie geht es weiter, nachdem die Hacker-Szene durch den NASA-Coup in Verruf geraten ist?

Am 27. und 28. Dezember 1987 fand in Hamburg der Chaos Communication Congress statt. Bereits zum vierten Mal veranstaltete der Chaos Computer Club (CCC) dieses internationale Treffen für Datenreisende. Tagungsort war auch dieses Jahr das von oben bis unten mit Kabeln eingewickelte Eidelstädter Bürgerhaus.

Ein Hauptthema des Kongresses war natürlich der Einbruch in das NASA-Netz. Der CCC berichtete über Hintergründe, Verlauf und Folgen dieser wohl spektakulärsten Aktion seit dem »HASPA-Coup«, bei dem die Hamburger Sparkasse mit Btx über Nacht um 130000 DM erleichtert wurde. Vor allem die Folgen des NASA-Hacks prägten einen großen Teil der Veranstaltungen. Fast alle der Teilnehmer kritisierten das Vorgehen von Polizei und BKA (Bundes-Kriminalamt) gegenüber dem Chaos Computer Club. Bekanntlich waren die Wohnungen der Vorsitzenden des CCC durchsucht und große Teile ihrer Unterlagen und Computer beschlagnahmt worden (siehe Berichte in Happy-Computer 11 und 12/87).

Am Vorabend des Kongresses diskutierten die Veranstalter mit den ersten Gästen und Mitwirkenden, ob zu befürchten sei, daß »Abgesandte diverser staatlicher Steilem unversehens auf dem Kongreß auftauchen. Die anwesenden Datenreisenden waren jedoch überwiegend der Meinung, daß ein Frühwarnsystem und ein Räumen des Kongresses unnötig ist. Niemand rechnete mit ungebetenem Besuch. Ein Gastspiel von Polizei und/oder Post wollte sich keiner entgehen lassen.

Als weiteres Thema stand Verschlüsselung auf dem Kongreßfahrplan, und das aus aktuellem Anlaß: Bei Hausdurchsuchungen bei CCC-Mitgliedern war der Polizei eine ältere Version der Abonnentenliste der Datenschleuder in die Hände gefallen. Viele Hacker machten dem CCC den Vorwurf, diese Daten unzureichend gesichert zu haben. Steffen Wernery vom CCC meinte zu diesem Vorwurf: »Der CCC ist kein subversives Unternehmen, und wir hatten keine Veranlassung, mit solchen Polizeiaktionen zu rechnen.«

Große Fortschritte macht die Mailboxvernetzung. das Hauptthema des zweiten Kongreßtages. Das BtxNet-Konzept soll demnächst in die erste Testphase gehen. BtxNet ist ein Netz, bei dem jede Mailbox ihre Nachrichten in Btx-Seiten einspielt und später die Nachrichten aller Mailboxen aus Btx abrufen kann. Die Vorteile dieses Netzkonzeptes sind die große Kapazität von Btx, die große Übertragungsgeschwindigkeit beim Abrufen der Nachrichten und der bundesweite günstige Gebührentakt. Die nötige Software ist für alle »besseren Heimcomputer« (Zitat eines Messeteilnehmers), womit Atari ST, Amiga und PCs gemeint sind, so gut wie fertig.

Als weiteres Netzkonzept wurde UUCP vorgestellt. UUCP ist ein weltweites Unix-Netzwerk mit einigen zehntausend angeschlossenen Computern. Dieses Netz bietet dem Benutzer Zugriff auf riesige Datenbestände in der ganzen Welt. Inzwischen ist die nötige Software auch für Computer ohne Unix-Betriebssystem verfügbar.

Ein interessanter Vorschlag ist, ein durch die Post zulassungsfähiges Modem zu entwickeln und dann als Bausatz zu vertreiben. Hier könnte sich ein legaler Low-Cost-Weg auftun, um eine Mailbox zu betreiben. Insider sind allerdings der Meinung, daß die Post einem solchen Projekt nicht nur Steine, sondern Felsbrocken in den Weg legen wird. Dazu ein Kongreßteilnehmer: »Man ist ja ein Hacker und wird sich da schon durchgraben.«

Im Funkraum war dieses Jahr auch wieder »Packed Radio« zu sehen (Mailbox und Datenübertragung über Funk). Die geplante Fernsehübertragung über Amateur-TV klappte leider nicht. Doch die Hamburger Amateurfunker sind zuversichtlich, nächstes Jahr live und in Farbe direkt vom Kongreß aus senden zu können. Empfangen kann Amateur-TV jeder, der sich ein kleines Spezialgerät in die Antennenanlage einbaut und im Raum Hamburg wohnt. Empfangen dürfen es aber nur Leute mit Amateur funk-Lizenz.

(Daniel Treplin/jg)

Terminalprogramm mit Umlauten

Umlaute und deutsche Sonderzeichen sind bei der Datenfernübertragung mit MS-DOS-Computern ein Problem. Die meisten Terminalprogramme stammen aus den USA und kümmern sich folglich nicht darum, daß sich »As und Ös« in geschweifte Klammern und andere Grafikzeichen verwandeln.

Grund dafür: Der 8-Bit-Code, den die IBM-Computer für Sonderzeichen verwenden. Im Gegensatz dazu ist fast die ganze Telekommunikation weltweit nach der 7-Bit-ISO-Norm (»International Standardisation Organisation«) eingerichtet.

Also hat man in der hiesigen DFÜ-Szene zur Selbsthilfe gegriffen und Terminal-Programme entwickelt, die diesem Übel abhelfen. Jüngstes und bislang umfangreichstes dieser Programme ist »Dial« von Brainware. Es besitzt eine eigene DOS-Shell. Damit kann der Benutzer Textverarbeitung oder Datenbank per Funktionstaste starten, ohne daß man den Datentransfer unterbrechen müßte. Bis zu zehn verschiedene Programme sind möglich.

Automatische Login-Prozeduren lassen sich per Menü installieren. Für weitergehende Automation steht die recht mächtige Script-Sprache VPU (»Virtual Processing Unit«) zur Verfügung.

Bei jedem Dateitransfer zeigt eine Skala grafisch und in Prozent an, wie viel der Datei noch zu übertragen ist. Bislang gab es das nur bei Verwendung des XModem-Protokolls.

Dial wird zwischen 300 und 400 Mark kosten.

(Holger vom Ast/jg)

Neues von »Kater Felix«

Die mysteriösen Umstände, durch die ein Gießener Kater Ftost von Commodore bekam (wir berichteten darüber in Ausgabe 2/88), lassen sich offenbar nicht mehr aufklären.

Da die Adressenverteilerfirma, durch die Commodore an den vermeintlich jungen Computer-Freund kam, alle Daten über den Kater gelöscht hat und sich die Wege der Adresse nicht mehr zurückverfolgen lassen, wird die Angelegenheit komplizierter. Immerhin geht es um den Verdacht des Datenmiß-brauchs und einer eventuellen Panne bei der Volkszählung, bei der der Kater zum ersten und einzigen Mal genannt wurde. Commodore selbst hat mit dem Fall nichts zu tun, denn sie hat lediglich die Adresse von der Adressenfirma bezogen. Erstaunlich auch, daß sich der Briefkasten des Katers weiter füllt. Andere Firmen hatten offenbar Zugriff auf diese nur einmal weitergegebenen Katerdaten. Ob die ungewöhnlichen Zusammenhänge tatsachlich auf eine Panne bei der Volkszählung im letzten Jahr zurückzuführen sind, bleibt ungeklärt. (wo)

Btx: Schützenhilfe aus Frankreich

In Frankreich läuft mit Teletel seit langen ein zu Btx vergleichbarer Dienst. Allerdings mit einem Unterschied: bei unseren westlichen Nachbarn ist es ein Schlager. Über eine Million Teilnehmer verwenden das reichhaltige Angebot.

Jetzt können auch die deutschen Btx-Teilnehmer in das französische Wunderland hineinschnuppern. Durch einen besonderen Zugang (»*13#«) sind Btx und Teletel miteinander verbunden. Einen Haken hat dieser Dienst allerdings, er kostet 30 Pfennig Grundgebühr pro Minute. Um die Systeme zu vereinheitlichen, haben sich Bundespostminister Schwarz-Schilling und sein franzosischer Kollege Longuet auf eine einheitliche Btx/ Teletel-Konsole geeinigt. Diese internationale Zusammenarbeit soll ein Vorläufer für ein weitverzweigtes Informationsnetz sein, wie sie in den USA schon lange existieren. (gn)



Aus: Happy Computer 03 / 1988, Seite

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