Der Archimedes von Acorn gilt als der schnellste Heimcomputer der Welt. Wird er im Test seinem Ruf gerecht?
Auf der PCW in London wurde ein sensationeller neuer Computer vorgestellt: der Archimedes. Auf der Messe machte er einen hervorragenden Eindruck, die britische Presse war begeistert. Der Satz vom »schnellsten Heimcomputer der Welt« machte die Runde. Durch einige Umwege konnten wir einen der zwei Archimedes 310 in Deutschland für einen Test bekommen. Um klären zu können, ob der Archimedes wirklich der Porsche unter den Heimcomputern ist.
Schaltet man den Archimedes ein, fühlt man sich in die Zeit der 8-Bit-Computer zurückversetzt. Es gibt keine grafische Benutzeroberfläche, die den Anwender mit Fenstern und Pull-Down-Menüs begrüßt. Dem Archimedes liegt zwar eine Diskette mit einem Desktop (in Basic programmiert) bei, dieses ist aber nicht eine fest eingeplante Benutzeroberfläche wie beim ST oder Amiga. Sie ist reine Zugabe. Der Archimedes unterstützt zwar das Arbeiten mit Maus und Fenstern, man muß die Anwendung dafür aber selbst programmieren. Er springt nach dem Anschalten auch nicht in die DOS-Ebene wie zum Beispiel MS-DOS-Computer, sondern in den Basic-Editor. Der Archimedes ist eben als Heimcomputer konzipiert.
Bei jedem Heimcomputer ist das Basic interessant. Beim Archimedes befindet es sich auf ROM und ist gleich einsatzbereit. Das »Basic V« ist sehr umfangreich. Neben vielen Befehlen zur String-Bearbeitung, bietet der Archimedes umfangreiche Grafik-Kommandos: Linie, Rechtecke, Kreise oder Kreisbögen bereiten ihm keine Schwierigkeiten, genausowenig das Verwalten von Windows und das Scrollen von Bildausschnitten. Für Spiele sind Sprites und der veränderbare Zeichensatz eine große Hilfe. Seine leistungsfähigen Basic-Befehle machen das Programmieren zur Freude.
Große Auswahl hat man beim Einstellen des Bildschirmmodus. 20 verschiedene Modi für Text und Grafik stehen zur Verfügung. Sie differieren in Auflösung und der Zahl der gleichzeitig darstellbaren Farben. Die genaue Unterscheidung ist nur schwer auswendig zu lernen, was den Anwender lange ans Handbuch bindet. Das gleiche gilt für viele Grafik- und Ausgabe-Befehle, die über den »VDU«-Befehl aufgerufen werden. Es gibt 31 verschiedene Kommandos, die oft noch Parameter brauchen. Um ein Programm zu verstehen, gibt es eindeutiger lesbare Befehle als »VDU 23, 8, 1, 4, 10, 10, 100, 100,0, 0«. Haben Sie erraten, was dieser Aufruf bewirkt? Er löscht Teile eines Text-Windows.
Das gleiche Ratespiel gibt es beim Ansprechen der Schnittstellen. Für alle Schnittstellen gibt es den »*FX«-Befehl. Über 200 Kombinationen sorgen dafür, daß der Drucker die richtigen Zeichen ausgibt oder daß die serielle Schnittstelle mit der gewünschten Geschwindigkeit sendet.
Der Archimedes besitzt nur einen Standard-RGB-Anschluß und einen Farbvideo-Ausgang. Sehr interessant ist die Verwaltung der Grafik. Der Archimedes arbeitet intern mit einem theoretisch 1280 x 1024 Pixel großen Grafikbildschirm. Wenn man diesen voll nutzen könnte, würde sich der Archimedes für Desktop Publishing mit einem Ganzseitenbildschirm eignen. In der Grundversion wird die maximale Auflösung nicht vollständig genutzt.
Auf dem theoretischen Grafikbildschirm zeigt er einen maximal 640 x 512 Punkte großen Ausschnitt. Bevor man die Grafik-Funktionen nutzt, muß man den Ursprung und den angezeigten Ausschnitt wählen. Der Archimedes kann maximal 256 Farben aus einer Palette von 4096 Farben darstellen. Bei den 256 Farben ist man in der Wahl nicht ganz frei, so daß man maximal mit 64 Farben arbeiten kann.
Etwas enttäuschend ist, daß das Basic weiterhin mit Zeilennummern arbeitet. Der Archimedes verarbeitet keine Labels, was der Übersichtlichkeit der Programme gutgetan hätte. Mehr Komfort, wie es bei den modernen Basic-Versionen Standard ist, wäre wünschenswert. Dafür besitzt er umfangreiche Befehle für strukturiertes Programmieren. Befehle wie »REPEAT - UNTIL« oder »CASE OF« sind Pascal entliehen. »IF — THEN -ELSE« oder »WHILE -ENDWHILE«-Schleifen sorgen für übersichtliche Teile im Programm. Sehr angenehm sind Prozeduren. Prozeduren arbeiten wie neue Basic-Befehle. Sie werden durch den CALL-Befehl
aktiviert, ohne daß man sich um die Zeilennummer kümmern muß. Hinter dem Namen kann man auch Parameter für die Routine angeben, so daß man dazu keine Variablen verwenden muß. Der Archimedes unterstützt für Unterroutinen auch lokale Variablen. Lokale Variablen haben nur in der definierten Routine Gültigkeit. Wenn man dieselbe Variable im Hauptprogramm verwendet, wird der ursprüngliche Wert wieder eingesetzt, wenn die Unterroutine oder Prozedur verlassen wird. Selbst rekursive Aufrufe (Programmteile, die sich wie ein Unterprogramm selbst aufrufen), die in Basic normalerweise nicht vorgesehen sind, verarbeitet er ohne Probleme.
Der Bildschirm-Editor des Archimedes ist extrem gewöhnungsbedürftig. Zeichen in der aktuellen Eingabezeile darf man nur mit der <DEL> -Taste nicht aber mit der Backspace-Taste löschen. Auf dem Bildschirm haben beide Tasten zwar den gleichen Effekt, intern wird das Zeichen aber nur durch die <DEL>-Taste gelöscht. Das sorgt besonders anfangs für einige Verwirrung, wenn man das System des Zeileneditors nicht vom Acorn Electron oder Schneider CPC gewohnt ist. Beim Listen eines Programms ist der Editor dafür so schnell, daß man mit dem Lesen des Listings kaum nachkommt.
Negativ fällt auf, daß der Archimedes Basic-Befehle und andere Kommandos nur in Großschrift akzeptiert. Für einen Computer seiner Leistungsklasse ist das überraschend kleinlich. Der Bedienungskomfort läßt leider in vielen Punkten zu wünschen übrig. Zum Glück gibt es einen separaten Editor zum Eingeben von Programmen. Er arbeitet ähnlich wie eine Textverarbeitung. Für den Programmierer ist das aber nur ein schwacher Trost, denn zum Austesten von Programmen eignet er sich nicht. Der ständige Wechsel zwischen Editor und Basic stört sehr.
Eine gute Idee sind Hilfstexte, die im Basic integriert sind. Wer die Syntax eines Befehls vergessen hat, kann von Basic aus durch »*HELP« Hilfstexte aufrufen. Diese ungewöhnliche, aber sehr gute Funktion erspart bei vielen Kommandos den Griff zum Handbuch.
Durch seine relativ schnelle Verarbeitungsgeschwindigkeit kann man viele Programme in Basic schreiben, die auf anderen Computern ohne Assembler-Routinen viel zu langsamen wären. Zum Vergleich: Das Basic V ist zwischen zwei- und zwanzigmal schneller als GFA-Basic auf dem ST oder das Amiga-Basic. Zwar rechnet das Basic V nicht wesentlich schneller als die schnellsten Versionen auf ST und Amiga. Viele Grafikfunktionen sind ebenfalls nicht sonderlich flott. Bei Verzweigungen im Programm und bei Textausgabe auf dem Bildschirm ist der Archimedes jedoch deutlich überlegen.
Das Desktop des Archimedes ist ein Beweis, wie leistungsfähig das Basic ist. Die ganze Benutzeroberfläche ist tatsächlich in reinem, uncompiliertem Basic geschrieben. Mausabfrage und Window-Verwaltung werden von einem Basic-Programm gesteuert, das man auch laden und verändern kann. Hinter der erstaunlichen Geschwindigkeit steckt ein kleiner Trick. Die wichtigsten Kommandos zur Window-Verwaltung sind fertige Basic-Befehle, die mit einfachen Aufrufen arbeiten. Das Desktop ist also in erster Linie durch die ROM-Routinen für Windows so schnell.
Bei der Hardware haben die Entwickler nicht gespart. Das Design des Archimedes erinnert an den Amiga 1000. Die flache Zentraleinheit nimmt wenig Platz weg, zumal man den Monitor daraufstellen kann. Die abgesetzte Tastatur zeigt sich im klassischen AT-Look mit 102 Tasten. Die Tastatur wird auch in deutscher Version erhältlich sein. Die Belegung entspricht der bei den PCs. Sehr nützlich sind der abgesetzte Zahlenblock und die separaten Cursor-Tasten. An der Oberseite befinden sich zwölf Funktionstasten, die wie beim Archimedes-Vorgänger »BBC Model B« rot sind. Die Tasten haben einen deutlichen Druckpunkt und bieten ein gutes Schreibgefühl.
Sehr ungewöhnlich sind der Mausanschluß und der Reset-Taster angebracht. Sie befinden sich oben rechts an der Tastatur. Das ist recht praktisch, denn wenn der Computer unter dem Tisch steht, hat man die beiden wichtigen Anschlüsse trotzdem in Griffweite. An der Oberseite ist noch Platz für eine Tastaturschablone, die die wichtigsten Kommandos zusammenfaßt. Mitgeliefert wird ein Streifen, der die Bedienung des Basic-Editors und des Sprite-Editors erklärt.
Das Diskettenlaufwerk ist angenehm schnell und leise. Es faßt bis zu 800 KByte. Durch geschicktes Timmg und DMA (Direct Memory Access) liest der Archimedes eine Spur pro Umdrehung. Das Laden von Programmen geht daher sehr schnell. Auch bei einer Harddisk lädt der Archimedes mit der maximalen Geschwindigkeit, was auf der PCW in London durch einen digitalisierten Filmausschnitt bewiesen wurde, der Bild für Bild von der Hard-Disk geladen wurde. Mit 30 Bildern pro Sekunde ergab sich ein flimmer- und ruckfreies Bild. Durch eigenes RAM im Laufwerk geht das erneute Aufrufen des Directorys in Sekundenbruchteilen.
Auf der Platine befinden sich nur vier größere Chips, und zwar die CPU, der Video-Chip, ein I/O-Chip und ein Chip für die Speicherverwaltung. Die CPU ist mit 8 MHz getaktet. Der von uns getestete Archimedes 310 besitzt 1 MByte RAM, 512 KByte ROM und ein Laufwerk. An der Vorderseite befindet sich ein kleiner Lautsprecher, so daß man auch bei Monitoren ohne Audio-Anschluß etwas hören kann. Da der Archimedes aber ein Soundprofi mit 8-Kanal-Stereosound ist, lohnt sich der Anschluß an die Stereoanlage. Im Inneren befindet sich noch eine batteriegepufferte Echtzeituhr. Durch sie hat man stets die aktuelle Zeit und das Tagesdatum parat. Die Entwickler haben eine ungewöhnliche Anwendung für die Echtzeituhr gefunden. Wenn man ein Programm verläßt, erhält man als letzte Meldung, wie lange das Programm lief.
Im Gehäuse des Archimedes ist noch reichlich Platz. Die großen Brüder des Archimedes 310 haben intern Platz für zwei Steckkarten, die ähnlich arbeiten wie die Erweiterungskarte beim Amiga 2000.
Auf der Rückseite befinden sich alle wichtigen Anschlüsse. Als Druckerschnittstelle dient ein Standard-Centronics-Port, während man sich bei der seriellen Schnittstelle für die neuere RS432 statt der üblichen RS232 entschieden hat. Wer den Archimedes im Rechnerverbund eines lokalen Netzwerks betreiben will, findet eine »Ethernet«-Buchse, die auch durch Befehle vom Basic aus abgefragt werden kann.
Der Archimedes ist ein traditioneller Heimcomputer, der durch fortschrittliche Technologie sehr leistungsfähig und schnell ist. Er besitzt keine Coprozessoren, die ihn für ein Gebiet spezialisieren würden. Besonders schade ist das bei seinem RISC-Prozessor, der die Grundlage für einen Transputer sein könnte. Auf die entsprechenden Anschlüsse hat Acorn leider verzichtet. Der Archimedes ist als Alleskönner konzipiert, was ihn für Neukäufer sehr interessant macht. Wer noch nie einen Computer besaß und dieses Hobby kennenlernen will, findet mit dem Archimedes einen starken Partner. Es ist kein Wunder, daß er als Schul- und Lerncomputer entwickelt wurde. Sein Preis von knapp 2000 Mark in der Grundversion ist leider im Vergleich zur 16-Bit-Konkurrenz recht teuer.
Wer schon einen Computer besitzt, wird momentan schwer eine Anwendung für den Archimedes haben, obwohl MS-DOS-Emulatoren vom Hersteller angekündigt sind. Spezialisierte Computer haben für ihr Einsatzgebiet die besseren Karten. PC und ST sind durch das Software-Angebot und die guten Monochrom-Monitore für Textverarbeitung und Datenbanken wesentlich besser geeignet. Der Amiga bietet im Sound- und Grafik-Bereich mehr als der Archimedes. Daß der Archimedes kompatibel zu seinen 8-Bit-Vorgängern ist, ist hierzulande sicher kein Argument für große Käuferschichten. Seine große Chance liegt in der Rechengeschwindigkeit, die im Basic nur teilweise ausgenutzt wird. Obwohl er sehr schnell ist, wird er es ohne die richtige Unterstützung durch Programmierer in Deutschland schwer haben, sich gegen die Konkurrenz zu behaupten. Es ist an Acorn, dem Archimedes ein Profil zu geben, mit dem er sich klar gegen die Konkurrenz abgrenzt.
Durch leistungsfähige Hochsprachen könnte er als schneller Universal-Rechner, der in Windeseile Formeln oder Bilder berechnet, interessant werden. Für seinen Preis ist der Archimedes zu gut, um unbeachtet zu bleiben.
Der Archimedes war zum Redaktionsschluß noch nicht in Deutschland erhältlich. Nach Aussagen von Acorn ist aber geplant, ihn in Deutschland mit deutscher DIN-Tastatur anzubieten. Auch der Preis steht noch nicht fest. Er wird wohl dem Preis in England nahekommen, wo der Archimedes knapp 2000 Mark kostet. (gn)
Warum ist der Archimedes so schnell, obwohl er nur mit 8 MHz getaktet ist? Dafür sorgt sein 32-Bit-Prozessor in RISC-Technologie. RISC-Prozessoren besitzen nur wenige grundlegende Befehle, die dafür sehr schnell abgearbeitet werden. Da diese Kommandos die am häufigsten verwendeten sind, erhält man einen deutlichen Geschwindigkeitsvorteil. Der Archimedes bringt es durch diesen Trick auf fantastische 4 MIPS. Das sind vier Millionen ausgeführte Befehle pro Sekunde. Schwierig ist es bei weitergehenden Befehlen, die umständlich programmiert werden müssen. (gn)