Soft-Story: Apocalypse Simon

Auf der Londoner Messe PCW trafen wir den Programmierer Simon Nichol, der durch seine furiosen Ballerspiele bekannt geworden ist.


Als wir Simon zu einem Gespräch treffen wollten, war er damit beschäftigt, seinen High-score zu brechen. »Mega Apocalypse« war groß am Martech-Stand aufgebaut. Es zeichnete sich neben einem tollen Sound durch zwei monströse Lautsprecher aus. die auf vollen Tburen liefen. Zusammen begaben wir uns in ruhigere Gefilde, um ihm ein paar Fragen zu stellen.

Happy Simon, gefällt Dir die Messe? Triffst Du hier Kollegen auf ein Schwätzchen?

Simon Ja. man trifft sehr viele wichtige Leute. Hier ist alles unter einem Dach. Zum Beispiel ist mir Rob Hubbard vor Jahren auf der PCW in London das erste Mal begegnet.

Happy Wann hast Du mit Computern angefangen?

Simon Vor fünf Jahren Ich war damals 15 Jahre und habe an einem Spiel programmiert, das von verrückten Planeten handelt. Später habe ich diese Idee dann wieder aufgegriffen und so entstand »Crazy Comets«.

Happy Warum hast Du überhaupt nach Crazy Comets noch einen Nachfolger geschrieben?

Simon Man hat es mir vorgeschlagen Ich hätte damals gerne mehr Zeit auf Crazy Comets verwandt und einige Extras eingebaut. aber die Zeit ist mir davongerannt. Ich mußte es leider auf Drängen der Softwarefirma abgeben. So habe ich Mega Apocalypse gemacht, weil ich noch vieles besser machen wollte. Eigentlich ist das jetzt das richtige Crazy Comets.

Happy Wie lange hast Du zum Programmieren gebraucht?

Simon Ungefähr viereinhalb bis fünf Monate. Wir waren zu dritt: Bob Stevenson hat die Grafiken gemalt, Rob Hubbard hat die Musik geschrieben und ich habe die Sound-Effekte und das Programm bearbeitet.

Happy War es schwer. Mega Apocalypse zu schreiben?

Simon Teilweise Das schlimmste Problem an Mega Apocalypse war es. alles möglichst schnell zu machen. Da müssen viele Dinge fast gleichzeitig laufen. Beispielsweise gibt es 144 Sterne auf dem Schirm, die gedreht werden müssen und die sich hinter all die anderen Sprites schieben. Alles Software-Sprites.

Happy Warum denn Software-Sprites?

Simon (grinst) Ich habe noch nicht gehört, daß du 144 Hardwaresprites auf dem C 64 hast. Ich benutze so um die 160 Soft-Sprites, die alle gleichzeitig bewegt werden. Also muß man auf die Geschwindigkeit aufpassen. Mega Apocalypse ist 66 KByte lang — auf einem 64 KByte-Computer. Ich habe da so meine Tricks: Ich benutze einen Bereich unter dem Videochip.

Happy In welcher Sprache programmierst Du?

Simon Assembler. Das ist das beste. Die Leute programmieren in seltsamen Sprachen wie Cobol, Fortran oder auch C. Ich weiß, viele Programmierer sind verrückt danach, aber ich mag das alles nicht. Der beste Zugang zu einem Computer ist immer noch der Maschinencode.

Happy Ist das nicht aufwendig?

Simon Ja, aber es lohnt sich Am Anfang eines Spieles ist es zwar noch schwer, sich in die Arbeit reinzudenken. Aber wenn das Spiel Fortschritte macht, schläfst du immer weniger, ißt immer weniger und rasierst dich nicht mehr. Praktisch tust du nichts mehr anderes und siehst mit der Zeit wie ein Desaster aus.

Ich glaube, daß Programmierer irgendwann so schlecht aussehen, daß man Leute anstellen muß, die die Programmierer repräsentieren und von denen die Fotos gemacht werden. Der echte Programmierer ist dann nur noch ein kleines grünes Männchen. so zirka 10 Zentimeter groß (lacht). Nein, ganz im Ernst, man kommt da richtig rein. Harte Arbeit ist unvermeidbar. Manchmal wird man so aufgesaugt. daß man an nichts anderes denken kann. Einmal hätte ich beinahe einen Gasherd in die Luft gejagt Man macht manchmal verrückte Sachen, wenn man arbeitet.

Happy Woher kommt die digitalisierte Sprache bei Mega Apocalypse?

Simon Oh. diese Frage weckt üble Erinnerungen ich habe nämlich alles selbst gesprochen. Ich habe »Get ready« so oft gesagt, daß ich es schon nicht mehr hören kann Ich habe praktisch den ganzen Tag nichts anderes von mir gegeben. Das ging so weit. daß ich auf der Straße war und laut vor mich »Get ready« und »Rotate« hingemurmelt habe. Ihr hättet die blöden Gesichter der Leute sehen sollen. Einige kleine Tricks waren auch nötig. Ich mußte das Wort »Missile« amerikanisch »Missl« aussprechen, um Zeit und Speicherplatz zu sparen.

Happy Wo liegt Dem High-Score bei Mega Apocalypse?

Simon Ungefähr bei 208000 Punkten. Ich hatte acht perfekte Runden und bekam pro Runde 8000 Bonuspunkte.

Happy Ist das eigentlich einfach für Dich? Du hast das Spiel immerhin programmiert.

Simon Ja, teilweise. Aber man weiß nicht, von welcher Seite die Planeten kommen. Das wird alles durch einen Zufallsgenerator gesteuert. Ich habe es aber so lange gespielt, daß ich es langsam im Gefühl habe, von wo die Feinde kommen. Trotzdem braucht man eine verteufelt gute Reaktion.

Happy Warum sind so viele Planeten im Spiel und warum schießt Du sie in Stücke?

Simon Also, das ist wirklich keine persönliche Abneigung. Eine Apocalypse ist das Ende der Welt und hier hast du Hunderte von Apocalypsen. Aber Planeten in einem Action-Spiel zu zerstören. ist für mich keine Gewalt. Wenn du jemanden eine aufs Auge haust, ist das schon was ganz anderes.

Happy Programmierst Du schon etwas Neues?

Simon Ja. ich arbeite an einem Autorennen. Ich möchte wieder Samples reinprogrammieren: Geräusche wie beim Motorenaufwärmen. große Explosionen und solche Dinge. Ich glaube, ich habe einige Ideen, die man noch nicht gesehen hat. Ich würde auch gerne Spielautomaten entwerfen und vielleicht Roboter programmieren. Es ist nicht leicht, weil du völlig verstehen mußt, was du eintippst.

Happy Hast Du schon auf dem Amiga programmiert?

Simon Ja, aber nur kleine Routinen. Bis jetzt hatte ich nicht viel Zeit, weil wir so lange an Mega Apocalypse gearbeitet haben. Ich habe jetzt auch einen Amiga zu Hause. Du mußt nicht sehr clever sein, um den Amiga zu programmieren. Es ist ja so einfach. weil die ganze Kraft schon in der Maschine steckt. Sprachausgabe und das Scrolling sind Standard. Du kannst ein Idiot sein und kriegst doch die gleichen Effekte wie auf einem C 64.

Happy Wenn Du auf eine einsame Insel müßtest, mit nur einer Steckdose und einem Computer Deiner Wahl: Was würdest Du mit nehmen?

Simon Au, das ist schwer. Ich mag »The Pawn« sehr gerne und viele Adventures von Infocom, weil sie immer Spaß machen. »Uridium« ist ein tolles Spiel, die Grafik ist sehr gut. Ich glaube, auf eine Insel würde ich wahrscheinlich gar keine Spiele mitnehmen. Aber ich könnte nicht ohne Computer leben Wenn ich eine Woche keinen Computer habe, werde ich nervös und bekomme Entzugserscheinungen. Wahrscheinlich würde ich einen Computer zum Programmieren mitnehmen. (al/gn)



Aus: Happy Computer 12 / 1987, Seite 105

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