Atari-News

Furore aus Frankfurt: MS-DOS auf Atari ST

Träume werden oft nur langsam Realität. Nicht wenige Hersteller, so auch Atari, haben sich in der Vergangenheit mit der Portierung von MS-DOS auf den ST herumgeschlagen. Doch alle Soft- und Hardwarelösungen lieferten bisher nur halbherzige oder unbrauchbare Ergebnisse.

Endgültige Abhilfe verspricht der Hardware-MS-DOS-Emulator »Supercharger« (wir berichteten in der letzten Ausgabe). In den Entwicklungslabors der Beta-Systems Computer AG haben wir uns über den Stand der Entwicklung informiert.

Die Entstehungsgeschichte des Supercharger nimmt sich ungewöhnlich aus. Entstanden ist er als Nebenentwicklung eines Großprojekts. Eigentlich wollte man in der kleinen Abteilung für Chip-Design, in der Nähe von Frankfurt, integrierte Schaltkreise für eigene Hochleistungscomputer entwickeln. »Unser Supercharger ist ein Abfallprodukt«, so Gisbert Fischer (links), Vorstand der Beta AG. »Wichtigste Neuentwicklung des Emulators und Kernstück neben dem 8086-Prozessor ist unser Gate-Array mit über 3000 logischen Gatterfunktionen«.

Neben Prozessor und Gate-Array findet sich auf der Platine des Supercharger (siehe Bild) ein Mikrocontroller und 1 MByte RAM. Dieser Speicher kann bei abgeschaltetem Emulator auch als RAM-Disk für den ST eingesetzt werden. Ein 8087-Coprozessor soll sich auf einer Fassung nachrüsten lassen.

Der Supercharger kommt hardwareseitig mit wenig Bauteilen aus. Im Unterschied zum Prototypen im Bild, wird das Seriengerät zudem ausschließlich in platzsparender SMD-Technik gefertigt sein. Damit wird der Supercharger preisgünstiger und findet auf einer einfachen Europakarte Platz.


Erstaunlich klein: Der Supercharger findet in einem Modem-Gehäuse Platz. Er besitzt dieselbe Grundfläche, wie die Atari-Floppy und läßt sich platzsparend auf deren Gehäuse stellen.

Angeschlossen wird das Gerät am DMA-Port. Natürlich ist der Bart durchgeführt, so daß sich auch weiterhin Festplatten am ST verwenden lassen.

Die Schnittstelle zwischen Emulator und Atari ist in dem Gate-Array realisiert. Hier emuliert der Supercharger eine Hard-Disk, bei Ausnutzung der maximalen Übertragungsrate von 1 MByte/s.

Ein weiterer wesentlicher Teil des Gate-Arrays ist eine Schaltung, die Bildschirmzugriffe des PC-Emulators kontrolliert. Diese Schaltung untersucht den gesamten Bildschirmspeicher des PC zehnmal in jeder Sekunde auf Änderungen und teilt diesen in 2-KByte-Segmente auf. Treten Änderungen des Bildschirms auf, so werden jeweils die entsprechenden Segmente zum Atari übertragen. Im ST werden diese Blöcke in die eigene Grafik konvertiert und angezeigt.

Die Hardware des Emulators war bei unserem Besuch bereits fertig. Schwierigkeiten bereitete noch die Software zur Grafikkonvertierung. Dazu Wolfram Kreuzkamp (2. v. li), Software-Spezialist: »Unser letztes Problem ist die Programmierung der Grafikanpassung. Aber bis Ende September verdaut unser Supercharger Programme wie »Word«, »Symphony« oder auch den Flugsimulator und PC-Spiele. Er ist bis dahin voll CGA-fähig.«

Doch das Gate-Array bietet noch weitere Finessen: Uber die spezielle Schnittstelle »Trol« erlaubt es den parallelen Betrieb nahezu beliebig vieler Supercharger. Trol ist mit 6 MByte/s überaus schnell und soll später einmal Parallelverarbeitung, Multitasking- und Multiuserbetrieb gestatten.

»Word und PC-Spiele werden laufen«

Darüber hinaus stellt der Mikrocontroller eine serielle Schnittstelle zur Verfügung. Sie ist ebenfalls für den Multiuserbetrieb geeignet.

Die Software ist kompatibel zu MS-DOS 3.2. Außer der Nachbildung der Software-Funktionen eines IBM-PC werden auch die Hardware-Eigenschaften von der Software emuliert.

Selbstverständlich lassen sich am Atari ST die 3,25-Zoll-Lauf-werke weiter verwenden. Auch 5,25-Zoll-Laufwerke werden unterstützt. Sogar die Verwendung des Atari-Laserdruckers im Emulationsmodus ist vorgesehen.

Auch Steckplätze werden kommen: Es soll eine »Steckbox« entwickelt werden. Sie wird direkt an den Supercharger angeschlossen und bietet mehreren Erweiterungskarten Platz.


Gruppenbild mit Entwicklungscomputer: Unser Redakteur Matthias Rosin im Gespräch mit dem Beta-Team.

Man will auch mit einem NEC-V30-Prozessor (optimierter 8086) bei 12,5 MHz-Takt experimentieren. »Damit kann der Supercharger dann in Geschwindigkeitsbereiche eines IBM-AT Vordringen. Auch eine 80286- und 80386-Karte sind bereits im Gespräch, doch das ist vorläufig Zukunftsmusik«, so Rainer Hoffmann (2. v. rechts), Hardware-Designer des Beta-Teams.

Bei unserer Visite haben wir uns davon überzeugt, daß ein großer Teil der MS-DOS-Software lauffähig ist, sofern auf Grafik (noch) verzichtet wird. Turbo-Pascal beispielsweise bereitete keine Schwierigkeiten. Die Geschwindigkeit verschiedener Benchmarks konnte im Vergleich zum IBM-Original überzeugen.

Der Preis für den Supercharger wird sich laut Fischer zwischen 500 und 600 Mark einpendeln. Bei Erscheinen dieses Beitrags sollen die letzten Probleme behoben sein. Mit der Auslieferung wird am Ende des Jahres gerechnet. (mr)

Systems ’87

Auch auf der diesjährigen Systems, vom 19. bis 23. Oktober in München, wird die Happy-Computer vertreten sein. Sie finden uns auf dem Stand des Markt & Technik Verlages A8/B9 in Halle 21. Hier wird das gesamte Buch-und Zeitschriftenprogramm präsentiert. Auf dem Stand A8/B5 in Halle 9 haben Sie Einblick in den Online-Service. (kl)

Berichtigung

Im 2. Atari XL/XE-Sonderheft verwendeten wir auf der Seite 18 im Beitrag »Ein Laufwerk wird fröhlich« eine mißverständliche Formulierung. Die Erweiterungen »Speedy 1050« und »Turbo-Modul« sind keine Nachbauten des »Happy-Enhancement«. Es handelt sich vielmehr um eigenständige Neuentwicklungen, die zwangsläufig ähnliche Funktionen ausführen. (hf)



Aus: Happy Computer 11 / 1987, Seite 18

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