Japans Computer Nummer eins will nun auch den deutschen Markt aufrollen: das Nintendo-Videospiel. An Perspektiven bei Software und Hardware-Erweiterungen mangelt es der kleinen grauen Kiste, die zusammen mit einem Gratis-Spiel verkauft wird, jedenfalls nicht.
Welcher Computer ist in Japan am erfolgreichsten? Wer auf MSX, Commodore 64 oder einen PC tippt, liegt völlig daneben. Der Liebling der Japaner wird dort seit drei Jahren verkauft und steht mittlerweile in jedem vierten Haushalt. Das bedeutet. daß von der Wunderkiste über 10 Millionen Stück verkauft wurden!
Die Maschine, die diesen beispiellosen Siegeszug angetreten hat. ist ein graues, rechteckiges Kästchen ohne Tastaur, das erstaunlich leicht ist und jetzt auch in den U.S.A. und Europa für Furore sorgen will: das Videospiel von Nintendo Vielen Spiele-Freaks wird der Name Nintendo schon geläufig sein. Seit 1973 entwickelt die japanische Firma Spielhallenautomaten wie »Donkey Kong«. Das Videospiel-System der Firma ist gar einer der größten Knüller der Firmengeschichte Nach dem Riesenerfolg in Japan erfolgte die Markteinführung in die U.S.A.. wo Nintendo nach eigenen Angaben bereits über eine Million Konsolen verkauft hat.
Jetzt sind auch die Deutschen fällig: Zum Preis von 298 Mark wird man Besitzer des Nintendo-Videospiels, das komplett mit TV- und Monitor-Anschlußkabeln, zwei Steuerreglern (Joypads) und dem Spiel-Modul »Ice Climber« verkauft wird. Zur Markteinführung im Juli diesen Jahres erschienen acht Spiele für das System. Jedes Modul kostet 69 Mark. Der deutsche Distributor des Videospiels plant, jeden Monat zwei neue Programme zu veröffentlichen.
Das Nintendo-Videospiel ist ein recht ulkig aussehendes, graues, fast quadratisches Kästchen. das sich nicht nur wegen der fehlenden Tastatur von den gängigen Heimcomputern unterscheidet. Der Modulschacht ist hinter einer Klappe verborgen. die man auch wieder schließen kann, wenn man ein Cartridge eingelegt hat — wer’s ordentlich mag. wird dies mit Freuden feststellen. Die Spiel-Module haben in etwa Taschenbuchgröße. Ihre Handhabung ist ähnlich wie bei einem Videorecorder: Man öffnet die Klappe, schiebt das Modul in die Konsole und drückt es kurz nach unten, bis es einrastet Der Hauptvorteil des Nmten-do-Systems gegenüber 8-Bit-Heimcomputern wie dem Commodore 64 ist die Farbenpracht: Die Palette umfaßt 52 Farben, von denen maximal 36 gleichzeitig dargestellt werden können. Die Grafikauflösung beträgt 256 x 230 Bildpunkte Das Videospiel hat keinen eigenen Sound-Chip. Das Nintendo-System wurde bereits 1983 entwickelt. Die Hardware des Sega-Videospiels Master-System ist zwar moderner, doch hat das Nintendo einen großen Vorteil, der für eine Kaufentscheidung sehr wichtig ist: das Software-Angebot.
Die sehr guten weltweiten Verkaufszahlen sind für Software-Anbieter eine starke Motivation, um für das Nintendo-System Spiele anzubieten. Nintendo selber hat eine ganze Reihe von Modulen im Katalog, aber einige der besten Programme stammen von anderen Herstellern.
»Ghosts'n Goblins«, »Ikari Warriors« und »Nemesis« sind beispielsweise in den U.S.A. für das Nintendo erhältlich und begeistern mit ihrer farbenprächtigen Grafik. Aller Voraussicht nach werden 1988 auch in Deutschland Nintendo-Module von anderen Firmen wie Konami und Bandai angeboten werden. Es ist denkbar, daß sich weitere Anbieter dazugesellen werden. Nintendo selber hat für nächstes Jahr schon eine Reihe interessanter Erweiterungen für die Videospiel-Konsole angekündigt. So wird es eine waschechte Strickmaschine (!) geben, am Bildschirm malen Sie zunächst Ihr Muster; dann klappert die Maschine drauflos und fabriziert einen individuellen Pullover. Nicht weniger originell ist der kleine Roboter, den man (nur bei speziellen Modulen) als Spielpartner einsetzen kann. Mit Hilfe von Infrarotstrahlen bekommt der Blechkumpan mit, was auf dem Bildschirm vorgeht. Hardware-Erweiterung Nummer drei wird eine Art Mini-Teppich sein, der an das Nintendo angeschlossen wird. Dazu gibt es dann passende Sportspiele. Wie gut man beim Bildschirm-Marathon ist, entscheidet man selber durch sportliche Leistungen. Informationen über die Qualität der Laufarbeit auf dem »Jogging-Teppich« werden von diesem an das Videospiel weitergegeben.
Zum Test standen uns die ersten neun Nintendo-Spiele zur Verfügung, die in Deutschland angeboten werden. »Ice Climber«. das kostenlos der Konsole beiliegt. kann sich durchaus sehen lassen. Es ist ein recht drolliges Geschicklichkeits-Spiel, bei dem zwei Spieler gleichzeitig mitmachen können. Mit einem Eispickel bewaffnet muß man in der Rolle eines Eskimo einen Berg erklimmen. Wenn man von Plattform zu Plattform springt, sollte man auch ein Auge auf Eisbären und andere Störenfriede werfen Außerdem muß man Eisflächen aufschlagen und sich mit Laufbändern auseinandersetzen. Am Gipfel jedes Bergs winkt eine Bonusrunde. Es gibt insgesamt 32 Eisberge, die man freundlicherweise einzeln anwählen kann. Kein sonderlich spektakuläres Programm, aber es spielt sich vor allem zu zweit gut und hat eine nette Grafik.
Der absolute Hammer unter den ersten Modulen ist jedoch »Super Mario Bros.« (nicht zu verwechseln mit »Mario Bros.«). Dieses muntere Hüpfspielchen sieht mit seiner bunten Comic-Grafik auf den ersten Blick reichlich harmlos aus. doch wehe. man fängt zu spielen an! Hartgesottene Spiele-Tester zeigten ernsthafte Anzeichen von Besessenheit und waren auch lange nach Einbruch der Dunkelheit nicht vom Nintendo wegzuzerren. Super Mario Bros, spielt sich nämlich unheimlich gut. ohne daß man genau erklären kann, warum. Alle wichtigen Voraussetzungen für eine gute Spiel-Motivation sind auf jeden Fall gegeben: abwechslungsreiche Level. Extras und nicht zuletzt viele versteckte Finessen, auf die man erst im Lauf der Zeit kommt. Ein Zitat aus der Redaktion. das in der Hitze des Gefechtsfiel: »Super Mario Bros, ist fast schon Grund genug, sich das Nintendo-System zu kaufen!«
Die anderen Spiele lassen grafisch und spielerisch leider etwas zu wünschen übrig, was sicher auch daran liegt, daß sie schon ein paar Jahre auf dem Buckel haben. Es gibt zwar einige Titel wie »Excite Bike« mit Construction Set. um eigene Spielfelder zu editieren, doch das müde Spielprinzip wird dadurch auch nicht besser. Erwähnt werden sollten noch »Donkey Kong Jr« (bekannt aus der Spielhalle) und »Nintendo Soccer« (ganz brauchbare Fußball-Simulation).
Auf mehr erstklassige Spiele wie Super Mario Bros, muß man also noch etwas warten. In den U.S.A. sind sehr gute Nintendo-Umsetzungen vieler Spielautomaten bereits erhältlich. 1988 werden einige dieser Titel ihren Weg nach Deutschland finden. Kurz vor Redaktionsschluß hatten wir noch Gelegenheit, einige der schon zuvor erwähnten Spiele von Fremdherstellern zu testen. Sonderklasse sind zum Beispiel »Nemesis« und »The Goonies« von Konami. Was da auf dem Bildschirm los ist. läßt sich schwer mit Worten beschreiben. Ein Unterschied zwischen den Spielautomaten-Vorlagen und den Umsetzungen ist kaum zu erkennen. Massen von farbenfrohen Sprites tummeln sich auf dem Bildschirm. Dazu gesellen sich wohlklingende Musikstücke und Soundeffekte. Es bleibt zu hoffen, daß diese Top-Titel auch bald in Deutschland erscheinen. Wenn die Software-Welle dann angekommen ist, wird das Nintendo sicher eine interessante Alternative zu gängigen 8-Bit-Computern sein, bei denen die Grafik nicht so gut ist.
Wer sich ausführlicher über einige Nintendo-Module informieren will, der sollte sich schon einmal den 25. September vormerken. An diesem Tag erscheint nämlich unser nächstes Spiele-Sonderheft. in dem wir auch wieder aktuelle Videospiele testen.
(hl/mg)