Ganz liberal die Post zerschlagen: Bericht von der Online 87

Auf der Kongreßmesse für Telekommunikation, »Online 87«, fanden die Besucher einige wenige Neuheiten. Turbulenter ging es auf dem die Messe begleitenden Symposium zu: Industrie und Politiker bliesen zum Angriff auf die Deutsche Bundespost.

Btx war ein Thema des Online-Kongresses

Die Damen und Herren aus Politik und Wirtschaft waren unter sich im Hamburger Kongreßzentrum: Dafür sorgten schon die gesalzenen Eintrittspreise. In 32 Symposien mit 224 Referaten diskutierten die rund 2500 Teilnehmer über Telekommunikation in Europa, über Büro-, Kabel- und Satellitenkommunikation, über Btx und Softwaretechnologie.

Deutlich wie sonst selten war auf dem Kongreß der Unmut der Privatindustrie über die hohen Gewinne des Bundesunternehmens »Deutsche Bundespost« zu spüren. Man will sie lieber selber machen. Schon in seiner Eröffnungsrede sprach der parlamentarische Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Martin Grüner, mit Blick auf die Deutsche Bundespost von der »Neuabgrenzung von Monopol- und Wettbewerbsbereich«, Er hielt »staatliches Vorsorgedenken« im Bereich der Telekommunikation für »überholt« und Bernhard Dorn, der Geschäftsführer der deutschen IBM, plädierte gleichfalls für ein »freies Spiel der Kräfte« auf dem Gebiet der Telekommunikations-Serviceleistungen. Noch deutlicher wurde der niedersächsische Wirtschaftsminister Walter Hirche: Er forderte die Abtrennung des Brief- und Paketdienstes von dem Bereich der Telekommunikation. Er kritisierte daß mit den Gewinnen aus den elektronischen Diensten die Verluste im Bereich des Briefverkehrs auf dem flachen Land ausgeglichen werden und sprach von einem »Klotz am Bein der Telekommunikation«. Inzwischen hat der Bundesfachausschuß für Wirtschafts- und Verbraucherpolitik sich die Forderung nach Zerschlagung der Post zu eigen gemacht: Die alleinige Netzträgerschaft der Post soll darüber hinaus auch gleich mit abgeschafft werden.

Einzig der Bundestagsabgeordnete Peter Palerna sprach sich für die Beibehaltung des jetzigen Zustands bei gleichzeitiger Demokratisierung der Entscheidungsabläufe innerhalb der PosX aus. Sein Argument: Durch die Zerschlagung der Post ließen sich Nachteile wie höhere Gebühren und seltenere Leerungszeiten der Briefkästen für die Verbraucher außerhalb der Ballungsräume nicht vermeiden.

Die begleitende Messe fand in Wohnzimmeratmosphäre statt: Verlaufen konnte man sich zwischen den insgesamt 72 Ständen nicht. Auch die Neuheiten waren dünn gestreut, die meisten Hersteller ziehen offenbar größere Messen wie CeBIT oder Systems solchen kleinen Fachmessen vor.

Die Deutsche Bundespost, beglückt durch das Thema eines der sieben Kongresse (»Bildschirmtext: Ein neues Medium vor dem Durchbruch«), kündigte auf der Online eine Erweiterung ihres schwindsüchtigen Kindes Btx an. Es wird im Rahmen eines öffentlichen Betriebsversuches nun möglich sein, über Btx weltweit Fernschreiben zu verschicken. Außerdem können nun über den Btx-Mitteilungsdienst Telexe auch empfangen werden. Die Deutsche Bundespost will damit einen »interessanten zusätzlichen Einsatzbereich für Btx-Teilnehmer, die nur gelegentlich Telexe empfangen bzw. versenden«, schaffen. Auch der Post-Hoflieferant Siemens setzt weiterhin auf Btx. Mit dem Thermodrucker T 3049 können BTX-Seiten in acht verschiedenen Graustufen mit einer Auflösung von 3 Punkten je Millimeter im Format 10 x 8 Zentimeter zu Papier gebracht werden. Der acht Zentimeter hohe und 17 x 28 Zentimeter große Drucker soll rund 900 Mark kosten.

Als »Weltneuheit« wurde ein Fernseh-Zusatzgerät von der Hamburger Firma Abdy GmbH vorgestellt. Für 650 Mark kann man damit sein Fernsehbild dreidimensional werden lassen. Dieser Effekt entsteht dadurch, daß die drei Grundfarben Rot, Grün und Blau des TV-Bilds nicht wie beim normalen Programm gleichzeitig auf den Fernsehschirm projiziert werden, sondern das Rot-Spektrum des vom Sender kommenden Signals von den anderen Farben getrennt und zeitversetzt gesendet wird. Durch diesen Schaltungstrick entstehen auf dem Fernsehschirm zwei Halbbilder, die der Zuschauer mit bloßem Auge daran erkennt, daß alle Konturen einen roten Rand bekommen. Setzt er allerdings eine Brille auf, die ein rotes und ein grünes Glas hat, so wird das Geisterbild scharf und plastisch. Das Gehirn des Betrachters verschmelzt mit Hilfe der Brille die Halbbilder zu einem farbigen Gesamtbild. Auf Knopfdruck kann man das Zusatzgerät auch abschalten und hat dann wieder das normale Fernsehbild.

Dreidimensionales Fernsehen, Btx-Fernsehen und 2400-Baud-Modem

Der Fachbereich Informatik der Universität Hamburg stellte in Zusammenarbeit mit einer Gruppe Hamburger Funkamateure ein »Packet Radios-Projekt vor. Zusatzplatinen, die zwischen Personal Computer und Funkgerät geschaltet werden, erlauben eine gesicherte Datenübertragung über Funkstrecken. Die fertig geätzte Platine inklusive Bauanleitung, Terminalprogramm in Turbo-Pascal und Stückliste kostet rund 150 Mark. Daneben existieren eine ähnliche Karte für CP/M-Computer und ein Standalone-Gerät, für das lediglich ein Terminal benötigt wird.

Die Hamburger Freak-Firma Hot stellte ein 2400-Baud-Modem vor, mit 32 KByte internem Speicher und eigenem Z80-Prozessor, der mit 6 MHz getaktet ist. Das Modem soll mit Postzulassung rund 1500 Mark kosten. Das seien rund 4000 Mark weniger,  als das weniger leistungsfähige 2400-Baud-Modem von Bundespost und Siemens kosten soll. (jg)

Bernhard Dorn, Geschäftsführer von IBM Deutschland, sieht die Gewinne für die Telekommunikations-Industrie ganz oben



Aus: Happy Computer 04 / 1987, Seite 20

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