Mit »Portal« wird der Computer als neues Medium eingesetzt. Er erzählt eine Science-fiction-Geschichte, detailreicher und fesselnder, als ein normales Buch es könnte.
Sie kehren am 1. Juni 2106 von einem hundertjährigen Raumflug in das Sonnensystem zurück. Doch als Sie die Erde anfliegen, schweigt Ihr Funkgerät. Auf allen Kanälen nur atmosphärisches Rauschen. Ihre Sensoren zeigen keinerlei Fracht- oder Personenverkehr. Wenn der Gedanke nicht völlig absurd wäre, würden Sie annehmen, daß es im ganzen Sonnensystem keine Menschen mehr gibt.
Aus einer niedrigen Umlaufbahn sehen Sie auf die Städte der Erde herab. Kein menschliches Leben ist zu entdecken, die Gebäude sind teilweise mit Pflanzen überwachsen. Alles sieht aus, als ob es vor einigen Jahrzehnten überstürzt verlassen wurde. Kurz bevor Sie zu Ihrer Reise starteten, entstand ein Plan, um die Ökologie der Erde wiederherzustellen. Nach und nach sollten die Städte entvölkert und unter die Erdoberfläche verlegt werden.
Doch als Sie landen und im Untergrund nachsehen, finden Sie keine Menschenseele. Der Eindruck eines überstürzten Aufbruchs verstärkt sich nur. Halbvolle Kaffeetassen, möblierte Zimmer mit gefüllten Kleiderschränken, aufgeschlagene Zeitungen bestimmen das Bild.
Schließlich entdecken Sie ein altmodisches Computer-Terminal. Als Sie es einschalten, können Sie aber nur wenige persönliche Informationen des ehemaligen Besitzers abrufen. Das System der Datenbanken scheint völlig zusammengebrochen zu sein. Doch dann meldet sich auf einmal Homer.
Homer ist eine »Künstliche Intelligenz«, ein biologischer Computer und gleichzeitig ein Erzähler. Aus wenigen vorgegebenen Fakten kann er rekonstruieren, was geschah, und daraus eine Geschichte entwickeln. Sein eigentlicher Zweck war es, Menschen mit Geschichten zu unterhalten. Aber Homer ist seit über 12 Jahren nicht gewartet worden. Er leidet, wie alle anderen Teile des weltumspannenden Computersystems, unter Gedächtnisschwund. Doch Sie können Homer helfen, sich zu erinnern. Sie müssen verschiedene Daten abrufen, die Homer analysiert und aus denen er eine Geschichte macht. Diese Geschichte führt dazu, daß andere Datenbanken sich erinnern können, neue Daten bereitstehen, die Geschichte weiterwächst. Am Ende dieses lawinenartigen Prozesses steht die Lösung — wohin alle Menschen gegangen sind.
»Portal« ist ein völlig neues Software-Konzept. Es ist ein Roman auf insgesamt fünf Diskettenseiten (C 64-Version). Für den stolzen Preis von etwa 80 Mark erhält man also ein knappes Megabyte in Bild und Wort.
Nach dem Programmstart sehen Sie auf Ihrem Bildschirm die einzelnen Datenbanken und können von dort aus eine Vielzahl von Informationen abrufen. Die Steuerung erfolgt per Joystick mit einem Cursor-Pfeil und grafischen Symbolen.
Was anfangs wie ein komplexes Ad venture mit grafischer Benutzerführung aussieht, entpuppt sich aber als Roman, bei dem der Spieler nur eine Statistenrolle ausübt. Sie streifen mit dem Cursor von Datenbank zu Datenbank und sehen, wie sich die Geschichte langsam aus Einzelheiten zusammensetzt. Einfluß auf die Handlung haben Sie überhaupt nicht. Sie können zwar durch logisches Durchsuchen der Daten den Fluß der Geschichte beschleunigen, aber auch durch wirres, zufälliges Lesen der Informationen kommt man zum Ziel. Es ist unmöglich, etwas falsch zu machen oder gar zu sterben.
Trotzdem ist Portal ein ungemein fesselndes Programm. Es ist geradezu eine neue Art des Lesens, wenn Homer aus wissenschaftlichen Fakten Dialoge spinnt. So saß ich beispielsweise knapp 20 Stunden nur mit zwei Essenspausen vor dem C 64 — dann allerdings hatte ich mich auch schon bis zum Ende der Handlung durchgearbeitet.
Viele kleine, aber sehr detailreiche Bilder begleiten die einzelnen Texte. Zudem lassen sich auch viele Informationen in Form von Balken-Diagrammen abrufen, die jedoch für den Handlungsverlauf völlig unwichtig sind, ln der Abteilung »Sound« beherrscht eine Handvoll technisch perfekter Effekte die Szene. Diese langweilen aber nach einiger Zeit.
Da Portal kein Spiel im eigentlichen Sinne ist, haben wir auf die Vergabe von Bewertungen verzichtet. Aber um an Portal Gefallen zu finden, sollten Sie drei Bedingungen erfüllen: Erstens müssen Sie ein echter Science-fiction-Fan sein. Zweitens sollten Sie sehr gut Englisch verstehen, da die Texte ansonsten ein Rätsel bleiben und drittens sollten Sie nicht dem Geld nachtrauern, das Sie für den zeitlich begrenzten Lesespaß ausgeben müssen. Vielleicht wäre ein gutes Taschenbuch ein besseres Angebot? (bs)
Portal erscheint für den C 64. Atari ST. Amiga, Macintosh, Apple II und MS-DOS-Computer, ist nur auf Diskette erhältlich und kostet zwischen 80 und 100 Mark Wir testeten die C 64-Version