Trip Hawkins im Interview

Der Mann, der Electronic Arts gündete: Trip Hawkins im Interview

Electronic Arts sorgt seit Jahren mit intelligenten Spielen für Aufsehen und setzte 1986 mit der Deluxe-Serie für den Amiga neue Maßstäbe. Wir unterhielten uns mit Firmengründer und Präsident Trip Hawkins.

center
Happy-Redakteur Boris Schneider sowie Jeff Burton und Trip Hawkins von Electronic Arts

Woher Besuch in der Happy-Redaktion: Trip Hawkins, der Gründer und Präsident des renommierten amerikanischen Softwarehauses Electronic Arts, sagte seinen Besuch an. Electronic Arts genießt seit Jahren einen guten Ruf für besonders innovative Spiele. »Archon« und »M.U.L.E.« sind zwei zeitlose Klassiker, »The Bard's Tale« und »Das Herz von Afrika« zwei aktuelle Renner. Mittlerweile hat man sich auch bei Anwendungssoftware einen Namen gemacht: Die Deluxe-Reihe für den Amiga begeistert Kritiker und Käufer. Vor allem das Grafik-Programm Deluxe Paint sorgte für Wirbel. Es ist das zur Zeit meistverkaufte Amiga-Programm in den USA.
In unserem Interview plauderten wir mit Trip über alles mögliche: Von der Electronic Arts-Geschichte bis zu den Perspektiven des Mediums Computer wurde kein Thema ausgelassen.

Happy: Wie kam es denn zur Gründung von Electronic Arts und was hast Du vorher gemacht?

Trip: Ich war vier Jahre bei Apple und dort einer der ersten Mitarbeiter. Als ich damals anfing, waren erst um die 3000 Apple-Computer verkauft worden. Ich habe mich schon damals sehr für den Software-Markt interessiert und gemerkt, daß es dort eine Marktlücke gibt. Es gab noch keine Softwarefirma, die gut organisiert war und sich sowohl mit Hardware als auch mit der Software gut auskannte. Im Herbst 1982 habe ich schließlich Electronic Arts gegründet.

Happy: Mit welcher Firmen-Philosophie?

Trip: Wir haben von Anfang eine bestimmte Strategie eingehalten, die sich in drei wesentliche Punkte gliedern läßt.

  1. Alle Programme stammen von unabhängigen Autoren. Unsere Programmierer sind kreative Leute, die Freiheit, Unabhängigkeit und auch die damit verbundenen Risiken brauchen. Natürlich kann sich ein Programmierer auch fest anstellen lassen und regelmäßig seinen Gehaltsscheck kassieren, aber kreative Leute mögen diese Routine nicht. Sie vertrauen auf die Qualität ihrer Produkte. Mit diesem Verhältnis zu unseren Autoren sind wir sehr erfolgreich und es gibt viele Firmen, die es nachahmen.
  2. Die Artist Work Station. je besser die Tools sind, die einem Autor zur Verfügung stehen, desto besser werden seine Programme. Es gibt zum Beispiel Grafiker, die tolle Bilder malen können, aber keine Ahnung vom Programmieren haben. Wir stellen unseren Leuten deshalb alle Utilities und Tools zur Verfügung, die sie brauchen. In der Regel arbeiten mehrere Leute an einem Programm; jeder trägt einen Teil dazu bei. Um die Programm-Codes untereinander auszutauschen, hat jeder unserer Leute einen IBM-AT, die sogenannte Artist Work Station. Per Datenfernübertragung kann ein Autor einen Programmteil auf den Computer eines anderen überspielen. Das ist sehr wichtig, da wir ja nicht mit festangestellten Leuten arbeiten, die jeden Tag ins Büro kommen.
  3. Das professionelle Marketing. Als Electronic Arts gegründet wurde, haben wir von Anfang an unseren individuellen Stil durchgesetzt, wie zum Beispiel die quadratischen Packungen. Außerdem ließen wir uns auf ein großes Risiko ein, indem wir die Programme direkt an die Händler lieferten und ohne Großhändler arbeiteten, was wir heute noch tun. Das hat für uns den Vorteil, daß wir den Händlern die komplette Produktlinie optimal anbieten können. Mut zum Risiko Diese individuelle Betreuung hat viele positive Nebeneffekte. Als wir in der Branche anfingen, war es zum Beispiel unüblich, Bildschirmfotos der Spiele auf die Packungen zu drucken. Ein Händler gab uns die Anregung und wir haben den Vorschlag prompt in die Tat umgesetzt. Anfangs war es ein hartes Stück Arbeit, die Händler-Adressen zu sammeln und die Kontakte zu knüpfen, Damals meinten alle, wir seien verrückt, doch nach drei Jahren lief diese Art des Vertriebs optimal.

Happy: War es nicht sehr schwierig, am Anfang an gute Programmierer heranzukommen?

Trip: Durch unser besonderes Konzept haben wir relativ schnell gute Leute gefunden. Bill Budge, der Autor von »Pinball Construction Set«, hatte beispielsweise eine eigene Firma. Er wollte seine Selbständigkeit nicht verlieren und sich aufs Programmieren konzentrieren. Er hat also das Spiel völlig eigenständig geschrieben und wir haben uns um den Rest gekümmert.
Dan Bunten (»M.U.L.E.«, »Das Herz von Afrika«) kannte ich schon seit längerem. Ich arbeitete nämlich zwei Jahre bei SSI und just zu dieser Zeit veröffentlichte Dan seine ersten Spiele bei diesem Softwarehaus. Als Electronic Arts gegründet wurde, war ich an den Rechten an einem Spiel von Dan interessiert, das bei SSI erschienen war. Dan hatte nichts dagegen. aber SSI wollte die Rechte nicht verkaufen. Dans nächstes Spiel, das legendäre »M.U.L.E.«, wurde dann von uns veröffentlicht. Dan ist ein echter Profi, auf den man sich verlassen kann. Er hat die notwendige Disziplin, um ein angefangenes Projekt auch fertigzustellen.

Happy: Wie weit reichen die Freiheiten eines Programmierers, wenn er an einem Projekt arbeitet, das dann von Electronic Arts verkauft wird?

Trip: Es ist sehr wichtig, daß der Autor hinter seiner Idee steht - egal, ob mir persönlich sein Projekt gefällt oder nicht. Je talentierter und erfahrener ein Programmierer ist, desto mehr Freiheiten hat er. Dan Bunten kann zum Beispiel machen, was er will.

Happy: Wie geht ihr mit Programmen um, die euch von unbekannten Leuten angeboten werden?

Trip: Wir sagen nie voreilig »Nein« und machen konkrete Verbesserungs-Vorschläge, wenn wir ein Programm ablehnen. Talente mit guten Ideen bekommen von uns einen Vertrag angeboten. Es kann auch sein, daß eine Programm-Idee gut, die technische Ausführung aber mangelhaft ist. In einem solchen Fall kann man sich arrangieren und das Programm von jemand anderem verbessern lassen. Die Lage bei Programmierern ist ähnlich wie bei Sportlern: Viele versuchen ihr Glück, aber nur wenige sind so gut, daß sie davon leben können. (Fast) alles ist erwünscht

Happy: Gibt es eine Art von Programm, die du von vornherein ablehnen würdest?

Trip: Nein, solange ein Interesse der Kunden da ist und wir ein Produkt besser machen, als etwas ähnliches, was die Konkurrenz auf die Beine gestellt hat. Wir haben zum Beispiel eine Golf-Simulation in Arbeit, obwohl es schon mehrere Programme in dieser Richtung gibt. Ich habe so viel Spaß an dem Programm, daß es mich inspirierte, doch mal einen echten Golfplatz zu besuchen. Das war etwa vor einem halben Jahr und seitdem spiele ich regelmäßig einmal die Woche eine Partie »echtes« Golf. Ich halte es für sehr wichtig, neue Wege zu gehen, obwohl dies riskant ist. »Robot Rascals« hat zum Beispiel ein völlig neuartiges Konzept.

Happy: Habt ihr vor, nach »Marble Madness« weitere Spielautomaten-Umsetzungen zu machen?

Trip: Spielhallen leben von ihrer speziellen Atmosphäre und Spielautomaten sind auch nach ganz bestimmten Gesichtspunkten konzipiert. Man will die Leute natürlich animieren, in möglichst kurzen Abständen Münzen einzuwerfen. Die Spiele sind dementsprechend abstrakt, aber wir wollen eigentlich mehr lebensechte Simulationen mit einem Hauch Wirklichkeit machen. Bei Marble Madness ist die Handlung zwar auch abstrakt, aber die 3D-Grafik und das physikalische Verhalten der Murmeln sind realistisch. Es ist nicht auszuschließen, daß wir in Zukunft einmal eine weitere Spielautomaten-Umsetzung machen. Das hängt aber ganz vom Spiel ab. Es müßte auf jeden Fall ein innovativer Automat sein. Wir hatten Angebote, »Paperboy« und »Road Runner« umzusetzen, die wir aber angelehnt haben. Wir waren aber zum Beispiel ernsthaft an der Lizenz zu »Gauntlet« interessiert, was dann doch nicht geklappt hat.

Happy: Welche Computer sind für Electronic Arts am wichtigsten?

Trip: Mit den Umsätzen der Amiga-Software sind wir sehr zufrieden. Mehr als 50 Prozent aller Amiga-Besitzer in den USA haben Deluxe Paint gekauft! Die vielen Amiga-Programme sind für uns eine Art Investition in die Zukunft. Wir werden auch weiterhin neue Programme für diesen Computer veröffentlichen, die gerade geschrieben werden.
Wir werden einige Amiga-Spiele auch für den Atari ST umsetzen. Die Deluxe-Reihe wird für den neuen Apple II GS kommen und wir überlegen gerade, ob wir sie auch für den Atari ST bringen.
Von den Umsatzzahlen her sind C 64 und Apple II am wichtigsten für uns; es sind die populärsten Heimcomputer in den USA. Der MS-DOS-Markt mit den billigen IBM-PC- kompatiblen Computern wird aber immer interessanter. Viele Leute kaufen sich so einen PC-Clone, um zu Hause weiterarbeiten zu können, da in vielen Büros ein IBM-PC steht. In den USA verkaufen sich die PC-Clones momentan besser denn je. Unsere ersten drei Spiele, die für PCs herauskamen, waren auch sehr erfolgreich.
Wir haben jetzt ein Sciencefiction-Rollenspiel namens »Starflight« für MS-DOS herausgebracht, auf das wir sehr stolz sind. Ein ganzes Programmierer Team hat 3/2jahre daran gearbeitet. Auf eine Person umgerechnet beträgt diese Entwicklungszeit 15 Jahre! Mit dem Macintosh sind wir nicht ganz so glücklich. Das hängt wohl an der Mentalität der Macintosh-Besitzer. Die sind zufrieden, wenn sie ein, zwei Jahre ein und dasselbe Programm benutzen.

Zukunft für PC-Spiele

Für Atari XL/XE werden wir in den nächsten sechs Monaten ein paar neue Spiele herausbringen und warten ab, wie sie sich verkaufen. Ich bekam neulich einen Telefon- Anruf, der recht typisch für die momentane Situation ist.
Wenn jemand bei uns anruft und mich persönlich sprechen will, gehe ich auch selbst an den Apparat. Ein junger Typ war in der Leitung und fragte, warum wir nicht mehr Spiele für die Atari-Computer machen. Ich antwortete: »So schlimm ist es doch gar nicht. Wir haben neulich erst 'Racing Destruction Set' für Atari veröffentlicht.« Da meinte der Anrufer, daß er das Programm schon habe. Also fuhr ich fort, die ganzen Atari-Spiele aufzuzählen, die wir herausgebracht haben. Aber die hatte er alle schon. Da konnte ich es mir nicht verkneifen ihn zu fragen, woher er denn all diese Programme habe. Da meinte er nur, er habe sie kopiert und nicht gekauft. Dann habe ich ihn noch gefragt, ob er mir sagen könne, warum ich meine Zeit eigentlich mit diesem Gespräch verschwende. Schließlich hat er aufgehängt.

Ursache und Wirkung

So was kann man mit einem Einbrecher vergleichen, der meckert, daß er nur eine mittel mäßige Hifi-Anlage klauen kann. Wenn die Leute die Software also nur kopieren und nicht kaufen, brauchen sie sich nicht zu wundern, wenn wir keine Programme mehr für ihren Computer veröffentlichen.
Aber machen wir weiter mit neuen Produkten, die demnächst von uns kommen werden. Von »Instant Music« wird es eine C 64-Version geben. Außerdem planen wir eine Zusatz-Diskette mit vielen neuen Musikstücken. »Deluxe Music« für den Amiga ist eine wesentlich verbesserte Fassung der bereits erschienenen Macintosh-Version mit viel mehr Funktionen. Man wird zum Beispiel auf einem Synthesizer komponieren können, während Deluxe Music sich um die Notation kümmert. Es wird kompatibel zu Musik- Files von »Deluxe Video« und Instant Music sein. Momentan suchen wir nach neuen Ideen für die Deluxe-Reihe. Als nächstes wird es mehrere Ergänzungs-Disketten geben, zum Beispiel Utilities für »Deluxe Print«.

Happy: Was stört Dich eigentlich in der Software-Branche?

Trip: In erster Linie natürlich die Tatsache, daß nicht jeder einen Computer hat! Aber die Software-Piraterie macht uns sehr schwer zu schaffen, denn wegen ihr können wir unsere Programme nicht so preiswert verkaufen, wie wir gerne möchten. Die Kopiererei verletzt auch unsere Gefühle.
Ein dritter Punkt, der mich in dieser Branche stört, sind Leute, die nur Geld machen wollen. Da werden schlechte Produkte auf Teufel komm raus auf den Markt geworfen und mit viel Werbung gepuscht. Wegen solcher Hypes bleibt in den Händlerregalen oft kein Platz für wirklich gute Programme.
Was mich hingegen am meisten an der Computer-Branche fasziniert, ist die Interaktivität dieses Mediums. Es gibt einen amerikanischen Wissenschaftler, der nach 20 Jahren Forschung festgestellt hat, daß Interaktivität der beste Weg ist, um Intelligenz aufzubauen. Ein passives Medium wie das Fernsehen reduziert hingegen die Intelligenz. Die meisten Leute haben heutzutage irgendwelche Büro-Jobs und arbeiten mehr geistig als körperlich. Deswegen betätigen sich viele Leute in ihrer Freizeit sportlich. Man kann dabei auch was für die soziale Ader tun und Leute treffen. Für die geistige Gesundheit tun die meisten Leute aber nichts; sie lassen sich lieber vom Fernseh-Programm berieseln. Gute Computer-Software regt hingegen die Fantasie an und sollte immer einen Lerneffekt haben.
Bei Heimcomputern ist ein interessanter Trend zu beobachten. Am Anfang waren sie geräuschlose Maschinen, die nur grünen Text auf den Bildschirm brachten. jetzt können sie Grafiken fast schon in der Qualität eines Fernsehbildes und Sound auf Hifi-Niveau erzeugen. Die Hersteller merken, daß Computer ein audio-visuelles Medium sind. Beim Fernsehen sieht man sich eine andere Welt auf einem Bildschirm an; mit dem Computer kann man selber Teil in einer anderen Welt sein. Mit einer Hifi-Anlage hört man sich die Musik von anderen Leuten an; mit einem Computer kann man die Musik ändern oder ganz neu komponieren. Wir reden über mehr als Zuhören und Zusehen; Computer sind ein »Medium of Doing« (Medium des Tuns).
Ich glaube, daß sich dieses interaktive Medium in den nächsten zehn Jahren mehr und mehr durchsetzen wird. Wenn wir den Glauben daran nicht hätten, würde es Electronic Arts gar nicht geben.

Happy: Abschließend eine Frage, die uns schon immer besonders interessiert hat. Auf deiner Visitenkarte steht »W. M. (Trip) Hawkins«. Wie lautet denn dein bürgerlicher Name und wie kamst du zu dem Spitznamen »Trip«?

Trip: Eigentlich heiße ich »William Hawkins III«. Aber als ich zwei Tage alt war, meinte meine Großmutter, daß das wohl ein wenig zu lang sei. Sie erfand prompt den Spitznamen »Trip« (vom englischen Wort »triple« »dreifach«).

Happy: Und damit wäre auch dieses Geheimnis der Software-Branche enträtselt. Wir bedanken uns bei Dir für das ausführliche. sehr interessante Interview.

(hl/bs)



Aus: Happy Computer 12 / 1986, Seite 109

Links

Copyright-Bestimmungen: siehe Über diese Seite