Der Software-Riese U.S. Gold rüstet sich für das Weihnachtsgeschäft. Vor allem mit Spielautomaten-Adaptionen wollen die Engländer möglichst oft unterm Christbaum vertreten sein. Bei einem Besuch in Birmingham erfuhren wir, welche heißen Spiele in nächster Zeit erscheinen werden.
Mittwoch morgen in Birmingham: Der Herbst kündigt sich in Form von vereinzelten Regenschauern an, als ich die Zentrale von U.S. Gold erreiche. Das englische Softwarehaus ist vor kurzem in das brandneue Gebäude gezogen, weil das alte Domizil buchstäblich aus den Nähten zu platzen drohte.
Mein Besuch kommt gerade zur rechten Zeit. Neben neuen Spielen aus Amerika wird es von U.S. Gold mehrere Adaptionen von Spielautomaten geben, die von englischen Programmierern geschrieben werden. Am Top-Projekt Nummer 1, das zu Weihnachten an der Spitze der Hitlisten stehen soll, wird gerade im Erdgeschoß gearbeitet.
Vier Programmierer, ein Haufen Computer und ein Spielautomat mit vier Joysticks in einem Zimmer — was soll das nur werden? Klarer Fall: Hier wird an den Heimcomputer-Versionen von »Gauntlet«, dem erfolgreichsten Spielautomaten des Jahres gearbeitet. Auf dem Weg durch zahlreiche Labyrinthe müssen sich die Spieler durch ganze Monsterhorden kämpfen und Schätze sowie andere nützliche Gegenstände sammeln. Im Gegensatz zur Automaten-Version werden am Heimcomputer nur zwei Personen gleichzeitig spielen können, da außer dem guten alten Atari 800 kein Modell über vier Joystick-Ports verfügt. Beide Spieler können aber zu Beginn wählen, welche von vier Figuren Sie im Spiel repräsentieren wollen.
U.S. Gold hat sich vier Mitglieder des Programmierteams von Gremlin Graphics, der sogenannten Gremlin Gang, ausgeborgt. Die Jungs werkeln bereits fleißig an dem Spiel, das aber noch lange nicht fertig ist. Man gewährte mir aber einen Blick auf die ersten Bilder der C 64-und Schneider-Versionen und wir sind sehr stolz darauf, sie Euch jetzt schon zeigen zu können. Außerdem sind Gauntlet-Versionen für Atari XL/XE/ST, Spectrum und Amiga geplant. Handfeste Action steht auch bei den anderen Spielautomaten im Mittelpunkt, die U.S. Gold für Heimcomputer umsetzen will. »Breakthru« ist ein wüstes, aber ungemein unterhaltsames Ballerspiel, das den rauhen Charme von »Commando« besitzt. Mit einem schwerbewaffneten Auto brausen Sie durch fünf Level und wehren sich ständig gegen alle möglichen Gegner. Nichts für zarte Gemüter, aber ein Freudenfest für Action-Fans.
»Xevious« nennt sich ein fast schon klassischer Automat, bei dem der Feuerknopf wieder häufig benutzt wird. Ihr Raumschiff schießt nicht nur auf angreifende Gegner, sondern muß auch durch Bombenabwurf Bodenziele vernichten. Der Spielwitz ist bei »Xevious« besonders stark von der Qualität der Grafik abhängig. Man darf gespannt sein, wie gut sie bei den Heimcomputer-Adaptionen gelingen wird.
Der Automat »Express Raider« stammt vom selben Team wie »Kung Fu Master«. Diesmal wurde die hieb- und stichreiche Handlung in den Wilden Westen verlegt. Zunächst schießen Sie vom Pferd aus auf einen Zug voller Bösewichter. Im nächsten Spielabschnitt haben Sie bereits einen Waggon des fahrenden Zugs erklommen und werden in Zweikämpfe mit den üblichen Schurken verwickelt. Diverse Widrigkeiten wie plötzlich auftauchende Tunnel (ducken, sonst ist alles zu spät) erschweren das Leben.
Außerdem soll endlich die Umsetzung des Atari-Automaten »Crystal Castles« erscheinen. Das Geschicklichkeitsspiel um einen kleinen Bären, der Diamanten in 3D-Pyramiden vernascht, hat eine kuriose Vorgeschichte. Vor gut einem Jahr gab es eine C 64-Version von Crystal Castles, die aber nicht von Atari abgesegnet war und deshalb nicht veröffentlicht werden konnte. U.S. Gold hat sich jetzt die offiziellen Rechte gesichert und läßt das Spiel noch einmal neu programmieren. Es soll vor allem etwas langsamer werden, damit es nicht zu schwierig wird.
Um auch Besitzern der Schwarzkopie einen Kaufanreiz zu geben, wird Crystal Castles als erstes Computerspiel mit einer limitierten Auflage erscheinen!
Aus den USA stehen natürlich auch einige Neuheiten an. Epyx hat den Nachfolger zu seinen erfolgreichen Sportspielen »Summer Games« und »Winter Games« fast fertig: »World Games« bietet acht völlig unterschiedliche Sportarten, die in verschiedenen Ländern ausgetragen werden. In Deutschland tritt man zum »Barrel Jumping« (Bierfaß-Hüpfen) an. Es ist immer wieder interessant zu sehen, welch drollige Vorstellungen die Amerikaner von den hiesigen Freizeitgewohnheiten haben (Oder wann sind Sie zuletzt über ein paar Bierfässer gehüpft?). Eine weitere Disziplin, der Todessprung von einer Felsklippe in Acapulco, war schon fertig und ich konnte mich von der hervorragenden, schnellen Animation überzeugen.
Uff! Argh! Keuch! — »Championship Wrestling« von Epyx | Die ersten Bilder der Spielautomaten »Breakthru« ... | ... und »Express Raider«, die von U.S. Gold für Heimcomputer umgesetzt werden |
Während die »World Games« auf jeden Fall vor Weihnachten erscheinen sollen, wird man auf »Championship Wrestling« noch etwas warten müssen. Vom Ringkampf-Spektakel existiert zur Stunde nur ein Bild, das allerdings einen hervorragenden Eindruck macht.
Außerdem hat sich U.S. Gold durch einen Vertrag mit dem Spielwarenhersteller Mattel die Rechte an »Masters of the Universe« gesichert. Hinter diesem Titel verbirgt sich eine Sammlung von Fantasy-Puppen, die auch bei uns verkauft wird. Im Ausland gibt es sogar eine »Masters of the Universe«-Zeichentrickserie. Zu diesem Thema wird es gleich zwei Computerspiele geben: Einmal ein Actionspiel für C 64, Atari ST, Schneider und Spectrum und ein Adventure für C 64, Atari ST, Schneider, Spectrum, C 16, MSX und BBC.
U.S. Gold will in Zukunft generell mehr Spiele für den Atari ST veröffentlichen, dem man gute Marktchancen einräumt. Mit Gauntlet wird auch die erste Veröffentlichung eines Amiga-Spiels angestrebt. Während alle Programme für 8-Bit-Computer weiterhin zwischen 39 und 59 Mark liegen werden, dürften die ST- und Amiga-Spiele vorerst saftige 89 Mark kosten.
Bei den Billigspielen will man auch in Zukunft aktiv bleiben:
Bis Weihnachten sollen 30 weitere Titel der Americana-Reihe erscheinen, in der jedes Spiel 10 Mark (Kassette) oder 20 Mark (Diskette) kostet. Darunter befinden sich mit »The Hulk« und »Gremlins« zwei populäre Adventures.
In Deutschland sind die Umsatzzahlen leider nicht so eindrucksvoll wie in England, wo sich einige Renner mehr als 100000mal verkaufen. Das liegt vor allem an der in unseren Breitengraden besonders intensiven Raubkopierer-Szene. Trotzdem ist Deutschland nach England der größte europäische Markt. Jürgen Goeldner von U.S. Gold Deutschland meint: »Die großen Kaufhäuser gehören zu den wichtigsten Kunden auf dem deutschen Markt. Quelle ist zum Beispiel unser größter Abnehmer im ganzen Land.«
Der Besuch bei U.S. Gold hat den Trend zu Actionspielen und Spielautomaten-Adaptionen bestätigt. Gauntlet könnte der Oberknüller zu Weihnachten werden, doch ein endgültiges Urteil wird man erst abgeben können, wenn die Umsetzungen fertig sind. Mehr dazu in der nächsten Ausgabe, in der wir einen Wettbewerb starten. (hl)